Ankunftsverspätung
AG Frankfurt: Ankunftsverspätung
Flugreisende forderten Schadensersatz für die mit mehr als 5 Stunden erheblich verspätete Ankunft eines Fluges.
Das Amtsgericht Frankfurt gewährte einen Ausgleichsanspruch für die Ankunftsverzögerug und stellte dabei fest, dass das Vorliegen einer Abflugverspätung nicht anspruchsbegründend ist.
AG Frankfurt | Aktenzeichen: 31 C 145/12 (78) |
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AG Frankfurt: | AG Frankfurt, Urt. vom 28.06.2012 |
Rechtsweg: | AG Frankfurt, Urt. v. 28.06.2012, Az: 31 C 145/12 (78) |
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Leitsatz:
2. Die Verspätung eines Fluges bezieht sich allein auf die verspätete Ankunft, welche mit einem Zeitverlust für den Passagier einhergeht, für den er zu entschädigen ist.
Zusammenfassung:
3. Flugreisende klagten gegen das ausführende Luftfahrtunternehmen, weil aufgrund des verspäteten Abfluges eines Zubringer- der Anschlussflug nicht erreicht werden konnte, sodass sich die Ankunft am endgültigen Reiseziel um mehr als 5 Stunden verzögerte. Die Beklagtenseite verteidigte sich mit der Argumentation, für einen Ausgleichsanspruch wegen der Verspätung sei eine Verspätung des Abfluges des betroffenen Fluges erforderlich, die hier nicht vorliege.
Das Amtsgericht Frankfurt sah einen Anspruch auf Ausgleichszahlung wegen der erheblichen Verspätung als gerechtfertigt an. Es folgte der Ausführung der Beklagten nicht, da für den durch die Verspätung geschädigten Passagier bereits der Zeitverlust anspruchsbegründend sei und eine eventuelle Ursache im verspäteten Abflug ein Zusatzkriterium schaffe, das dem Gleichbehandlungsanspruch der Fluggastrechteverordnung nicht gerecht werde.
Tenor:
4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 250,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz hieraus seit dem 18.02.2012 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch die Klägerin durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 120% des aus dem Urteil insgesamt vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Berufung gegen das Urteil wird zugelassen.
Der Streitwert des Rechtsstreits wird auf EUR 250,00 festgesetzt.
Tatbestand:
5. Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Zahlung von Ausgleichsleistungen gemäß der EG-VO Nr. 261/2004 wegen nicht ordnungsgemäß erbrachter Flugleistungen in Anspruch.
6. Die Klägerin buchte bei der Beklagten einen Flug von Frankfurt am Main nach Bordeaux via Paris. Die Buchung wurde bestätigt.
7. Geplanter Abflug in Frankfurt am Main war am 01.07.2011 um 10:50 Uhr (Flugnummer „1“).
8. Geplante Ankunft in Paris war am 01.07.2011 um 12:10 Uhr.
9. Geplanter Abflug in Paris war am 01.07.2011 um 13:00 Uhr (Flugnummer „2“).
10. Geplante Ankunft in Bordeaux war am 01.07.2011 um 14:15 Uhr.
11. Der tatsächliche Abflug in Frankfurt am Main verzögerte sich um mindestens 16 Minuten, wobei die genaue Verspätung zwischen den Parteien streitig ist.
12. Das Flugzeug traf mit einer Verspätung von zumindest 27 Minuten in Paris ein. Infolge dieser Verspätung erreichte die Klägerin den gebuchten Anschlussflug nicht.
13. Die Klägerin wurde stattdessen mit dem Flug mit der Flugnummer „3“ befördert und erreichte Bordeaux mit einer Verspätung von 5 Stunden 35 Minuten.
14. Die Flugstrecke zwischen Frankfurt/Main und Bordeaux liegt unter 1.500km.
16. dass der Flug von Frankfurt nach Paris eine Abflugverspätung von einer Stunde hatte.
17. Sie ist der Ansicht, dass ein Anspruch aus der Verordnung EG Nr. 261/2004 (nachfolgend auch: FluggastrechteVO) nicht von einer Abflugverspätung im Sinne von Art. 6 der FluggastrechteVO abhängig sei. Voraussetzung sei gemäß der Entscheidung des EugH vom 19.11.2009 (Aktenzeichen C-402/07) lediglich, dass das Endziel nicht früher als drei Stunden nach der ursprünglich geplanten Ankunftszeit erreicht wurde.
19. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 250,00 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 07.09.2011 zu zahlen.
22. Die Beklagte ist der Ansicht,
23. dass ein Anspruch wegen Verspätung aus der Verordnung EG Nr. 261/2004 zumindest von einer Abflugverspätung im Sinne von Art 6. der FluggastrechteVO abhängig sei und die vom EuGH im Urteil vom 19.11.2009 vorgenommene Auslegung unzutreffend und mit höherrangigem Recht nicht vereinbar sei.
24. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf alle Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen und sonstige Aktenbestandteile Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
25. Die Klage ist zulässig und begründet.
I.
27. Das Amtsgericht Frankfurt am Main ist als Abflugort des gegenständlichen Flugs örtlich zuständig gemäß § 29 ZPO.
28. Gemäß der Entscheidung des EUGH vom 09.07.2009 ist Art. 5 Nr. 1, lit. B zweiter Gedankenstrich der Verordnung EG Nr. 44/2001 dahin auszulegen, dass im Fall einer Beförderung von Personen im Luftverkehr von einem Mitgliedstaat in einen anderen Mitgliedstaat auf der Grundlage eines mit einer einzigen Luftfahrtgesellschaft, dem ausführenden Luftfahrtunternehmen, geschlossenen Vertrags für eine auf diesen Beförderungsvertrag und die Verordnung Nr. 261/2004 gestützte Klage auf Ausgleichszahlungen nach Wahl des Klägers das Gericht des Ortes des Abflugs oder das des Ortes der Ankunft des Flugzeugs entsprechend der Vereinbarung dieser Orte in dem Vertrag zuständig ist.
29. In Anwendung dieser Grundsätze hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 18.01.2011 (Aktenzeichen X ZR 71/10 zu finden in juris) entschieden, dass für den Fall, dass ein Ausgleichsanspruch nach der Fluggastrechteverordnung der Europäischen Union gegen ein Luftverkehrsunternehmen geltend gemacht werden soll, mit dem der Fluggast den Beförderungsvertrag geschlossen hat, unabhängig vom Vertragsstatut Erfüllungsort im Sinne des § 29 ZPO sowohl der Ort des vertragsgemäßen Abflugs als auch der Ort der vertragsgemäßen Ankunft des Flugzeugs. Denn auch der gegenständliche Anspruch ist entgegen der Ansicht der Beklagten ein Anspruch „aus einem Vertragsverhältnis“ im Sinne von § 29 ZPO.
30. Hierzu hat der Bundesgerichtshof in der angeführten Entscheidung wie folgt ausgeführt:
31. „Das Erfordernis „aus einem Vertragsverhältnis“ ist weit auszulegen (Stein/Jonas/Roth, aaO, § 29 Rn. 5) und schon dann erfüllt, wenn die Streitigkeit im Zusammenhang mit einem Vertrag steht und aus dem Vertragsverhältnis herrührt (MünchKomm/Patzina, aaO, § 29 Rn. 11). Bei den von den Klägern geltend gemachten Mindestrechten im Falle der Annullierung eines Flugs handelt es sich zwar um gesetzliche Ansprüche, die nicht aus dem Beförderungsvertrag folgen, den der Fluggast etwa mit dem Luftfahrtunternehmen abgeschlossen hat. Vielmehr richten sich die dem Fluggast eingeräumten Ansprüche gegen das ausführende Flugunternehmen, mit dem vertragliche Beziehungen nicht notwendigerweise bestehen müssen (BGH, Urteil vom 12. November 2009 – Xa ZR 76/07, RRa 2010, 34 Rn. 18; Urteil vom 28. Mai 2009 – Xa ZR 113/08, RRa 2009, 242 Rn. 9; Urteil vom 30. April 2009 – Xa ZR 78/08, RRa 2009, 239 Rn. 13). Dennoch handelt es sich um einen Anspruch auf vertraglicher Grundlage, denn Voraussetzung für die Anwendung der Verordnung ist gemäß deren Art. 3 Abs. 2 Buchst. a, dass die Fluggäste über eine bestätigte Buchung verfügen, was regelmäßig das Bestehen eines Beförderungsvertrags voraussetzt – sei es mit dem ausführenden Luftfahrtunternehmen, sei es mit einem anderen Unternehmen, für das jenes die Beförderungsleistung erbringt (BGH, Urteil vom 10. Dezember 2009 – Xa ZR 61/09, RRa 2010, 90 Rn. 22; Urteil vom 12. November 2009 – Xa ZR 76/07, RRa 2010, 34 Rn. 18).“
32. Das Gericht schließt sich diesen Ausführungen vollumfänglich an.
II.
33. Die Klage ist in der Hauptsache begründet.
1.
34. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von Ausgleichsleistung in Höhe von EUR 250,00 gemäß Art. 5 Abs. 1 lit. c), Art. 6 in Verbindung mit Art. 7 Abs. 1 Satz 1 lit. a), Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 (VO (EG) Nr. 261/2004).
35. Hiernach steht bei einer großen Verspätung, welche bei einem Erreichen des Endziels später als 3 Stunden nach der geplanten Ankunftszeit – wie vorliegend – vorliegt, dem Flugpassagier ein Ausgleichsanspruch entsprechend Art. 7 Abs. 1 der FluggastrechteVO zu (vgl. BGH Urteil vom 18.02.2010, Aktenzeichen Xa ZR 95/06 sowie EuGH Urteil vom 19.11.2009, Aktenzeichen C-402/07, jeweils zu finden in juris), die im vorliegenden Fall aufgrund der maßgeblichen Entfernung EUR 250,00 beträgt.
36. Die in der angeführten Entscheidung vorgenommene Auslegung der Verordnung durch den EuGH ist (mit Ausnahme der nachfolgend erörterten Frage der Notwendigkeit einer „relevanten Abflugverspätung“ im Sinne von Art. 6 der FluggastrechteVO eindeutig.
37. Die vom EuGH und in der Folge auch vom BGH vorgenommene Auslegung ist im Ergebnis aufgrund des maßgeblich zur Auslegung herangezogenen Grundsatzes der Gleichbehandlung auch überzeugend und nach Ansicht des erkennenden Gerichts – ungeachtet der Frage einer Bindungswirkung der Entscheidung des EuGH aufgrund dessen Auslegungskompetenz über Art 267 AEUV (vgl. hierzu unter anderem Meinhard Schröder, Gesetzesbindung des Richters und Rechtsweggarantie im Mehrebenensystem, S. 141 ff.) – auch zutreffend. Insbesondere ist auch ein Regelungswiderspruch im Hinblick auf das Montrealer Übereinkommen nicht gegeben (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 10.12.2009, Aktenzeichen: Xa ZR 61/09 und Urteil vom 18.02.2010, Aktenzeichen Xa ZR 95/06 jeweils zu finden in juris).
2.
38. In der Rechtsprechung höchst umstritten und bisher nicht höchstrichterlich geklärt ist, ob dieser vom EuGH in der Entscheidung vom 19.11.2009 für Fluggäste „verspäteter“ Flüge anerkannte Anspruch auf Ausgleichsleistung von einer „relevanten Abflugverspätung“ im Sinne von Art. 6 der FluggastrechteVO abhängig ist.
a)
39. So vertritt das Landgericht Frankfurt am Main (24. Zivilkammer), dass ein entsprechender Anspruch von einer relevanten Abflugverspätung im Sinne von Art. 6 der FluggastrechteVO abhängig ist. Das Landgericht Frankfurt am Main hat hierzu mit Urteil vom 23.09.2010 (Aktenzeichen 2-24 S 28/10, zu finden in RRa 2010, 273)wie folgt ausgeführt:
40. „Aus einer Analogie zu Art. 7 der FluggastVO lässt sich der Anspruch nicht herleiten. Ausgleichszahlungen sind in der FluggastVO nur bei Annullierung oder Verweigerung der Beförderung vorgesehen. Verzögert sich der Abflug gegenüber der planmäßigen Abflugzeit, sind den Fluggästen gem. Art. 6 FluggastVO nur Unterstützungsleistungen anzubieten. Da diese unterschiedlichen Rechtsfolgen gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstoßen, hat der Europäische Gerichtshof in seiner Entscheidung vom 19.11.2009 (Az.: C-402/07 und C-432/07) festgestellt, dass die Fluggäste verspäteter Flüge den in Art. 7 der Verordnung vorgesehenen Ausgleichsanspruch geltend machen können, wenn sie wegen solcher Flüge einen Zeitverlust von drei Stunden oder mehr erleiden, d. h., wenn sie ihr Endziel nicht früher als drei Stunden nach der von dem Luftfahrtunternehmen ursprünglich geplanten Ankunftszeit erreichen (Leitsatz 2; Rn Nr. 61). Verspätet im Sinne des Art 6 FluggastVO sind aber nur Flüge, bei denen sich die Abflugzeit verzögert. Auf verspätete Ankunft stellt der Gemeinschaftsgesetzgeber nicht ab. Deshalb hat der Europäische Gerichtshof in seiner obengenannten Entscheidung unter Ziffern 31, 32 nochmals ausdrücklich definiert, dass unter verspäteten Flügen nur solche zu verstehen sind, bei denen sich der Abflug verzögert. Soweit der Gerichtshof darauf abstellt, dass ein Anspruch besteht, wenn der Zielort nicht früher als drei Stunden nach der geplanten Ankunftszeit erreicht wird, schafft er keine neue Anspruchsgrundlage, sondern schränkt den bei einer relevanten Abflugverspätung bejahten Ausgleichsanspruch dahingehend ein, dass er entfällt, falls das Endziel gleichwohl mit einem Zeitverlust von unter drei Stunden erreicht wird (EuGH vom 19.11.09 Rn 57). Eine weitergehende Auslegung dahingehend, dass jeder Zeitverlust über drei Stunden entschädigt werden sollte, auch wenn er nicht abflugbedingt ist, verbietet sich: Dann hätte der Europäische Gerichtshof neben den vom Gemeinschaftsgesetzgeber geschaffenen drei Tatbeständen, die Ansprüche des Fluggastes zur Folge haben, als Gesetzgeber einen weiteren Tatbestand, den der Ankunftsverspätung, geschaffen. Da die FluggastVO aber keine umfassende Regelung von Flugverspätungen enthält, sondern nur einen Mindestschutz gewährt – Art 12 der VO verweist bezüglich weitergehender Ansprüche auf das nationale Recht -, liegt keine (vermeintlich) planwidrige Lücke vor, die durch Schaffung einer weiteren Anspruchsgrundlage geschlossen werden könnte. Eine solche Analogiebildung würde die Grenzen zulässiger Rechtsfortbildung überschreiten und scheidet damit aus. Die Entscheidung des Gerichtshofs bezieht sich nur auf die Rechtfolgen eines verspäteten Abflugs (BGH RRa 2010, 155, Rz 11 zit. nach juris; Staudinger RRa 2010, 93).“
41. Mit Urteil vom 05.01.2012 (Aktenzeichen: 2-24 S 145/11, zu finden in juris) hat das Landgericht Frankfurt am Main in Fortführung dieser Rechtsprechung wie folgt ausgeführt:
42. „Die Kammer vertritt in mittlerweile ständiger Rechtsprechung (Urteil vom 23.09.2010, Az. 2-24 S 44/10, RRa 2011, 44ff.; Urteil vom 01.09.2011, Az. 2-24 S 65/11; Urteil v. 29.09.2011, Az. 2-24 S 56/11), die Auffassung, dass für die Entstehung eines Ausgleichsanspruchs nach Art. 7 I FluggastrechteVO wegen Verspätung zusätzliche Voraussetzung ist, dass der Tatbestand von Art. 6 1 FluggastrechteVO erfüllt ist, also schon der Start mit einer Verzögerung erfolgt ist, die die in Art. 6 I FluggastrechteVO definierten Grenzen übersteigt (so auch Staudinger, RRa 2010, 10,11/12).
43. Der EuGH (NJW 2010, 43ff.) hat nämlich anerkannt, dass der von der Verordnung vorgesehene Ausgleich durch verschiedene Formen von Maßnahmen verwirklicht wird, die Gegenstand von Regelungen sind, die an die Nichtbeförderung oder die Annullierung oder große Verspätung eines Flugs anknüpfen (aaO Rn. 51). Er hat die Gleichstellung von Fluggästen verspäteter und annullierter Flüge nicht allein mit dem Gleichheitssatz begründet, sondern aus dem Gleichheitssatz lediglich ein zusätzliches Argument (aaO Rn. 46) für das zuvor aus der Auslegung des verfügenden Teils des Gemeinschaftsrechtsakts unter Berücksichtigung seiner Gründe und seiner Ziele abgeleitete Ergebnis gewonnen. Der Ausgleichsanspruch folgt danach primär aus der Verknüpfung, die der Verordnungsgeber in Erwägungsgrund 15 zwischen dem Begriff der großen Verspätung und dem Ausgleichsanspruch vorgenommen hat (aaO Rn. 43), und der Zielsetzung der Verordnung, ein hohes Schutzniveau für Fluggäste unabhängig davon sicherzustellen, ob sie von einer Nichtbeförderung, Annullierung oder Verspätung eines Flugs betroffen sind (aaO Rn. 44). Dies schließt es aus, der Verordnung Ansprüche zu entnehmen, die nicht an einen der Tatbestände der Art. 4 bis 6 FluggastrechteVO anknüpfen, sondern an die Ankunftsverzögerung, die nach der Verordnung lediglich für die Prüfung der Frage von Bedeutung ist, ob der Ausgleichsanspruch entfällt (Art. 5 Abs. 1 Buchst. c FluggastrechteVO) oder gekürzt wird (Art. 7 Abs. 2 FluggastrechteVO) (vgl. auch BGH, Beschluss v. 09.12.2010, Az. Xa ZR 80/10, zit. nach juris).“
b)
44. Diese Auslegung ist nicht unwidersprochen geblieben.
45. So hat unter anderem das Amtsgericht Frankfurt am Main mit rechtskräftig gewordenem Urteil vom 24.06.2011, Aktenzeichen 31 C 961/11 (zu finden in RRa 2012, 135) wie folgt ausgeführt (im Ergebnis ebenso schon AG Frankfurt am Main, Urteil vom 20.05.2011, Aktenzeichen 31 C 232/11-16, zu finden in juris (ebenso rechtskräftig)):
46. „Im Übrigen wären, selbst wenn man einen rechtzeitigen Abflug verneinte und damit nur zu einer Ankunftsverspätung gelangte, die Ausgleichsansprüche im selben Umfang begründet; anders als die 24. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main (vgl. Urt. v. 23.09.2010 – 2.24 S 44/10 – S. 7 f.) ist das erkennende Gericht der Ansicht, dass sich aus der Rechtsprechung des EuGH (Urt. v. 19.11.2009 – Rs. C-402/07 -, juris, Tenor Ziffer 2) eindeutig ergibt, dass Ausgleichansprüche bei erheblicher Verspätung analog Art. 7 EGV 261/2004 am erheblichen Zeitverlust für den Flugpassagier anknüpfen – unabhängig davon, ob dieser auf eine Abflug- oder Ankunftsverspätung zurückzuführen ist. Der Tenor der Entscheidung des EuGH unter Ziffer 2 kann insoweit gar nicht anders verstanden werden. Danach sind Ausgleichsansprüche gegeben, wenn die Passagiere „wegen eines verspäteten Fluges einen Zeitverlust von drei Stunden oder mehr erleiden, d. h., wenn sie ihr Endziel nicht früher als drei Stunden nach der von dem Luftfahrtunternehmen ursprünglich geplanten Ankunftszeit erreichen“ (EuGH, Urt. v. 19.11.2009 – Rs. C-402/07 juris). Dass es darauf ankommen soll, ob dieser Zeitverlust auf einer Abflugverspätung oder – insbesondere in Fällen unwesentlich verspäteten Abflugs, aber Versäumnisses von direkten Anschlussflügen, die auf die geringfügige „Ursprungsverspätung“ zurückzuführen sind, relevanten – erheblichen Ankunftsverspätungen beruht, ist dem Tenor nicht nur nicht zu entnehmen, sondern liefe der Zielrichtung dieses Anspruchs, der gerade an dem „Zeitverlust“ des Passagiers anknüpft, sogar evident zuwider. In diesem Fall ist auch eine Aussetzung des Verfahrens nicht angezeigt.
47. Entgegen dem Bundesgerichtshof (EuGH-Vorlage vom 09.12.2010 – Xa ZR 80/10 zitiert nach juris) bestehen gerade keine Anhaltspunkte dafür, dass der EuGH bei der Entschädigung nach Abflug- oder Ankunftsverzögerung differenzieren wollte. Der Bundesgerichtshof selbst führt zunächst zutreffend aus, dass der fragliche Schaden für die Passagiere gerade den Fluggästen verspäteter Flüge entstehen, „die vor dem Erreichen ihres Zielorts eine längere Beförderungszeit als die ursprünglich von dem Luftfahrtunternehmen angesetzte hinnehmen müssen“ (Rn. 16) und damit nach der Zielrichtung unabhängig von Abflug- oder Ankunftsverspätung greifen muss. Weshalb andererseits nach der weiteren Begründung des Bundesgerichtshofs gerade das vom Verordnungsgeber gewollte hohe Schutzniveau für die Passagiere (!) es „ausschließen [könnte]“ – und damit wird die Vorlage tragend begründet – „der Verordnung Ansprüche zu entnehmen, die nicht an einen der Tatbestände der Art. 4 bis 6 FluggastrechteVO anknüpfen, sondern an die Ankunftsverzögerung, die nach der Verordnung lediglich für die Prüfung der Frage von Bedeutung ist, ob der Ausgleichsanspruch entfällt… oder gekürzt wird …“, (Rn. 17), ist vor dem Hintergrund der Entscheidung des EuGH, Ausgleichsansprüche analog Art. 7 EGV 261/2004 auch bei erheblichem Zeitverlust der Passagiere zu gewähren, unverständlich.“
c)
48. Der Bundesgerichtshof erachtet diese Frage für ungeklärt und hat daher diese Frage mit Beschluss vom 09.12.2010 (Aktenzeichen Xa ZR 80/10, zu finden in RRa 2011, 84-86) dem EuGH zur Entscheidung vorgelegt.
49. Der Bundesgerichtshof führt in diesem Vorlagebeschluss wie folgt aus:
50. „Ob der geltend gemachte Ausgleichsanspruch unter dem Gesichtspunkt der Verspätung begründet ist, hängt davon ab, ob Art. 7 Abs. 1 FluggastrechteVO auch dann herangezogen werden kann, wenn keine Verspätung im Sinne von Art. 6 Abs. 1 FluggastrechteVO vorliegt.
51. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat in seiner Entscheidung vom 19. November 2009 (aaO Rn. 61) ausgeführt, die Fluggäste verspäteter Flüge könnten den in Art. 7 FluggastrechteVO vorgesehenen Anspruch auf Ausgleich geltend machen, wenn sie wegen solcher Flüge einen Zeitverlust von drei Stunden oder mehr erlitten, wenn sie also ihr Endziel nicht früher als drei Stunden nach der von dem Luftfahrtunternehmen ursprünglich geplanten Ankunftszeit erreichten. Dies folge daraus, dass die von den Fluggästen im Fall einer Annullierung und einer Verspätung erlittenen Schäden einander entsprächen und die Fluggäste verspäteter Flüge und annullierter Flüge deshalb nicht unterschiedlich behandelt werden könnten, ohne dass gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstoßen würde. Damit hat er entschieden, dass der Ausgleichsanspruch auch Fluggästen verspäteter Flüge zustehen kann.
52. Der Gerichtshof hat weiter ausgeführt, es werde unter solchen Umständen der in Art. 7 FluggastrechteVO vorgesehene Anspruch gewährt, wenn das Luftfahrtunternehmen Fluggäste nicht anderweitig mit einem Flug befördere, der nicht mehr als eine Stunde vor der planmäßigen Abflugzeit starte und das Endziel höchstens zwei Stunden nach der planmäßigen Ankunftszeit erreiche. Diese Fluggäste erlangten somit einen Ausgleichsanspruch, wenn sie gegenüber der ursprünglich von dem Luftfahrtunternehmen angesetzten Dauer einen Zeitverlust von drei Stunden oder mehr erlitten (Rn. 57).
53. Damit ist nach dem Verständnis des Senats noch nicht die Frage geklärt, ob für die Entstehung eines Ausgleichsanspruchs nach Art. 7 Abs. 1 FluggastrechteVO allein die Dauer der Verspätung am letzten Zielort maßgeblich ist oder ob ein Ausgleichsanspruch wegen Verspätung zusätzlich voraussetzt, dass der Tatbestand von Art. 6 Abs. 1 FluggastrechteVO erfüllt ist, also schon der Start mit einer Verzögerung erfolgt ist, die die in Art. 6 Abs. 1 FluggastrechteVO definierten Grenzen übersteigt.
54. Für die zuerst genannte Auffassung könnte der vom Gerichtshof in seinem Urteil vom 19. November 2009 herangezogene Grundsatz der Gleichbehandlung sprechen. Nachdem der Gerichtshof über den Wortlaut der Verordnung hinaus einen Ausgleichsanspruch auch für den Fall der Verspätung bejaht hat, könnten seine Überlegungen zur Gleichbehandlung von Fluggästen es nahelegen, Art. 7 FluggastrechteVO auch bei einer reinen Ankunftsverzögerung anzuwenden. Der Gerichtshof hat insoweit darauf abgestellt, dass die Verordnung darauf abziele, den Schaden standardisiert und sofort zu beheben, der in einem Zeitverlust der betroffenen Fluggäste bestehe und der angesichts seines irreversiblen Charakters nur mit einer Ausgleichszahlung ersetzt werden könne. Dieser Schaden entstehe nicht nur den Fluggästen annullierter Flüge, sondern auch den Fluggästen verspäteter Flüge, die vor dem Erreichen ihres Zielorts eine längere Beförderungszeit als die ursprünglich von dem Luftfahrtunternehmen angesetzte hinnehmen müssten (aaO Rn. 51 bis 53).
55. Der Gerichtshof hat jedoch auch anerkannt, dass der von der Verordnung vorgesehene Ausgleich durch verschiedene Formen von Maßnahmen verwirklicht wird, die Gegenstand von Regelungen sind, die an die Nichtbeförderung oder die Annullierung oder große Verspätung eines Flugs anknüpfen (aaO Rn. 51). Er hat die Gleichstellung von Fluggästen verspäteter und annullierter Flüge nicht allein mit dem Gleichheitssatz begründet, sondern aus dem Gleichheitssatz lediglich ein zusätzliches Argument (aaO Rn. 46) für das zuvor aus der Auslegung des verfügenden Teils des Gemeinschaftsrechtsakts unter Berücksichtigung seiner Gründe und seiner Ziele abgeleitete Ergebnis gewonnen. Der Ausgleichsanspruch folgt danach primär aus der Verknüpfung, die der Verordnunggeber in Erwägungsgrund 15 zwischen dem Begriff der großen Verspätung und dem Ausgleichsanspruch vorgenommen hat (aaO Rn. 43), und der Zielsetzung der Verordnung, ein hohes Schutzniveau für Fluggäste unabhängig davon sicherzustellen, ob sie von einer Nichtbeförderung, Annullierung oder Verspätung eines Flugs betroffen sind (aaO Rn. 44). Dies könnte es ausschließen, der Verordnung Ansprüche zu entnehmen, die nicht an einen der Tatbestände der Art. 4 bis 6 FluggastrechteVO anknüpfen, sondern an die Ankunftsverzögerung, die nach der Verordnung lediglich für die Prüfung der Frage von Bedeutung ist, ob der Ausgleichsanspruch entfällt (Art. 5 Abs. 1 Buchst. c FluggastrechteVO) oder gekürzt wird (Art. 7 Abs. 2 FluggastrechteVO).“
d)
56. Das erkennende Gericht erachtet die vom Amtsgericht Frankfurt am Main in der angeführten Entscheidung getroffene Auslegung für richtig.
57. Das Gericht erachtet insoweit, neben dem Wortlaut der Tenorierung des EuGH, welcher eine relevante Abflugverspätung gerade nicht erfordert und hinsichtlich dessen auch nicht davon ausgegangen werden kann, dass dieser bei einer entsprechend sensiblen und bedeutenden Rechtsfrage einfach derart ungenau verfasst wurde, das vom Bundesgerichtshof in seinem Vorlagebeschluss für die dortige Erstauffassung herangezogene Auslegungsargument des Gesichtspunktes des Grundsatzes der Gleichbehandlung (welches der EuGH in seiner Entscheidung als maßgebliches Auslegungskriterium herangezogen hat) für überwiegend und damit für eine Auslegung bestimmend an. Der Bundesgerichtshof hat diese Auslegungsvariante in Folge der Entscheidung des EuGH völlig zutreffend auch als naheliegende Auslegungsvariante bezeichnet („könnten seine Überlegungen zur Gleichbehandlung von Fluggästen es nahelegen, Art. 7 FluggastrechteVO auch bei einer reinen Ankunftsverzögerung anzuwenden“).
58. Eine Anknüpfung an den Tatbestand einer (relevanten) Abflugverspätung im Sinne des Art. 6 der FluggastrechteVO erachtet das Gericht gemäß der vom EuGH im Urteil vom 19.11.2009 vorgenommenen Auslegung weder für geboten, noch sind hinreichende Ansatzpunkte ersichtlich, dass die vorgenommene Auslegung des EuGH dahingehend zu verstehen ist.
59. Insoweit das Landgericht Frankfurt am Main darauf abstellt, dass der EuGH eine Ausgleichsleistung für verspätete Flüge bejahte und unter den Rn. 31 und 32 verspätete Flüge ausdrücklich dahingehend definiert habe, dass hierunter nur solche zu verstehen sind, bei denen sich der Abflug im Sinne von Art. 6 der FluggastrechteVO verzögert hat, so vermag das Gericht dem nicht zu folgen. Dass eine Verzögerung im Sinne von Art. 6 der FluggastrechteVO vorgelegen haben muss, lässt sich der Entscheidung des EuGH nach Ansicht des erkennenden Gerichts gerade nicht entnehmen und wäre mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung auch nicht vereinbar.
60. Der vom EuGH verwendete Begriff eines „verspäteten“ Fluges im Rahmen der Ausführungen zur hier relevanten Vorlagefrage stellt nach Ansicht des Gerichts erkennbar nicht auf eine Abflugverspätung im Sinne von Art. 6 der FluggastrechteVO ab. Die Wortwahl eines „verspäteten Fluges“ ist offensichtlich hinsichtlich der ersten und der zweiten (hier relevanten) Vorlagefrage anderweitig zu verstehen. Insoweit das Landgericht Frankfurt am Main für seine Auslegung auf die Ausführungen des EuGH unter Rn. 32 verweist, so überzeugt diese Argumentation in der Folge nicht. Diese Ausführungen stehen im Zusammenhang mit der ersten Vorlagefrage, wann eine „Verspätung“ etwaig eine „Annulierung“ darstellt, so dass diese Ausführungen hinsichtlich der hier relevanten Vorlagefrage, ob und inwieweit Passagieren verspäteter Flüge ein Anspruch auf Ausgleichsleistung zustehen kann, wenn überhaupt nur sehr begrenzt herangezogen werden können. Im Rahmen der hier relevanten Vorlagefrage (Rn. 40ff. der Entscheidung des EUGH) nimmt der EuGH bereits keinen entsprechenden Bezug auf Art. 6 der FluggastrechteVO vor. Dass die wiedergegebene Wortwahl unterschiedlich zu verstehen ist, folgt auch daraus, dass der EuGH hinsichtlich der Ausführungen zur ersten Vorlagefrage unter Rn. 32 gerade von (Hervorhebung durch das Gericht) „“verspätet“ im Sinne von Art. 6…“ spricht. Diese Ausführung zeigt, dass der EuGH offensichtlich von verschiedenen Begriffen eines „verspäteten Fluges“ ausgeht, denn ansonsten hätte es dieser klarstellenden Ergänzung nicht bedurft.
61. Insoweit der EuGH im Rahmen der hier relevanten zweiten Vorlagefrage von einem verspäteten Flug spricht, ist in der Gesamtschau ersichtlich, dass hiermit ausschließlich nur eine Verspätung am Endziel gemeint ist. Auf eine „Verspätung im Sinne von Art. 6 der FluggastrechteVO“ stellt der EuGH gerade nicht ab. Aus dem Wortlaut ergibt sich entsprechendes nicht. Die hier vorgenommene Auslegung ergibt sich insbesondere auch aus den Ausführungen unter Rn. 53 der Entscheidung, wo der EuGH ausdrücklich bei einem verspäteten Flug auf die Möglichkeit einer längeren Beförderungszeit abstellt. Hierin zeigt sich deutlich, dass der EuGH gerade nicht eine Verspätung am Abflugort, sondern eine Verspätung am Zielort für anspruchsbegründend erachtet.
62. Entsprechend ergibt sich dieses auch aus Rn. 68 wo es wörtlich lautet (Hervorhebung durch das Gericht):
63. „und somit den in Art. 7 dieser Verordnung vorgesehenen Ausgleichsanspruch geltend machen können, wenn sie wegen eines verspäteten Fluges einen Zeitverlust von drei Stunden oder mehr erleiden, d. h., wenn sie ihr Endziel nicht früher als drei Stunden nach der von dem Luftfahrtunternehmen ursprünglich geplanten Ankunftszeit erreichen. Eine solche Verspätung…“
64. Die Begrifflichkeit „solche“ stellt erkennbar auf die zuvor angeführte Verspätung am Ankunftsort ab, woraus sich zeigt, dass der EuGH bei Verwendung der Formulierung „verspäteter Flug“ im Rahmen dieser Vorlagefrage die Verspätung am Ankunftsort meint.
65. Nur diese Auslegung ist auch mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung vereinbar. Denn für den Betroffenen, welcher sein Endziel mit einer Verzögerung von über 3 Stunden erreicht ist es praktisch irrelevant, ob nun eine Annulierung, eine Abflugverspätung gemäß Art. 6 der FluggastrechteVO oder eine unter diesen Grenzen liegende Abflugverspätung und/oder (hieran) anschließende Probleme zu dieser Ankunftsverzögerung geführt haben. Diese Passagiere befinden sich in einer vergleichbaren Lage im Sinne der Entscheidung des EUGH vom 19.11.2009 (siehe dort Rn. 54).
66. Diese Vergleichbarkeit zeigt sich insbesondere auch an dem Verweis des EuGH (Rn. 63 a.a.O) auf die Möglichkeit einer Anspruchskürzung bei verspäteten Flügen über Art. 7 Abs. 2 der FluggastrechteVO. Ein Fluggast, dessen Flug annuliert wurde und sodann mit einem anderweitigen Flug etwaig sogar vor der geplanten Abflugzeit in diesen Zeitgrenzen alternativ zu seinem Endziel befördert wurde und ein Fluggast, dessen Flug zwar pünktlich startete, aber trotzdem aus sonstigen Gründen am Endziel eine Ankunftsverspätung gemäß der Entscheidung des EuGH hinnehmen musste, befinden sich in einer nahezu völlig identischen Lage. Beide sind im Verhältnis zur geplanten Abflugzeit pünktlich gestartet (der Passagier des annulierten Fluges etwaig sogar früher) und haben lediglich ihr Endziel mit großer Verspätung erreicht. Eine Ungleichbehandlung des Passagiers des lediglich verspäteten Fluges alleine aufgrund des Umstandes, dass dieser mit dem geplanten Flug und nicht anderweitig im Sinne von Art. 7 Abs. 2 der FluggastrechteVO befördert wurde, erscheint aufgrund der überragenden Relevanz des maßgeblichen Kriteriums des ähnlichen Schadens in Form eines Zeitverlusts nicht vertretbar. Auch die anderweitige Beförderung muss vergleichbare Reisebedingungen aufweisen, so dass alleine der Umstand, dass ein etwaig anderes Fluggerät unter einer anderen Flugnummer eingesetzt wurde, kein entscheidendes Kriterium für eine Ungleichbehandlung sein kann.
e)
67. Selbst wenn man der Auslegung des Landgerichts Frankfurt am Main insoweit folgen wollte, dass der EuGH neben der Abflugverspätung und der Annulierung keine „neue„ Anspruchsgrundlage schaffen wollte und Anspruchsvoraussetzung bei einem Flug, der sein Endziel mit einer Verspätung von mindestens 3 Stunden erreicht zumindest ist, dass eine Abflugverspätung vorlag, so wäre zumindest der Ansicht, dass eine „relevante“ Abflugverspätung im Sinne von Art. 6 der FluggastrechteVO Voraussetzung ist, nicht zu folgen, so dass sich auch dann für den vorliegenden Fall kein anderes Ergebnis begründen würde.
68. Denn zumindest alle Flüge mit einem verzögerten Abflug sind zunächst „verspätet“ im Sinne der FluggastrechteVO.
69. Bereits die sich über Artikel 1 Abs. 1 c) der FluggastrechteVO zumindest ergebende allgemeine Regelung von Rechten für Passagiere verspäteter Flüge ist für die vom EuGH angenommene Anknüpfung und Auslegung unter dem Grundsatz der Gleichbehandlung unter Heranziehung des Erwägungsgrunds Ziffer 15 ausreichend.
70. Der vom Landgericht Frankfurt am Main herangezogene Art. 6 der FluggastrechteVO trifft lediglich eine Regelung dahingehend, ab welcher Zeitgrenze bei einem verspäteten Abflug Unterstützungsleistungen zu erbringen sind. Diese Anknüpfung ist für die vom EuGH vorgenommene Auslegung zur Frage der Erbringung einer Ausgleichsleistung jedoch nicht relevant.
71. Dieses zeigt sich insbesondere darin, dass die Zielrichtung der Unterstützungsleistung und der Ausgleichsleistung völlig unterschiedlich ist. Die bei einer Abflugverspätung zu erbringende Unterstützungsleistung soll maßgeblich die infolge der Wartezeit direkt auftretenden Unannehmlichkeiten ausgleichen, während die Ausgleichsleistung maßgeblich eine Entschädigung des Zeitverlustes erbringen soll (was sich deutlich daran zeigt, dass diese bei geringem Zeitverlust über Art. 7 Abs. 2 der FluggastrechteVO gekürzt werden kann).
72. Vor diesem Hintergrund ist es nicht geboten, bei einem erheblichen Zeitverlust darüber hinaus auch noch eine erhebliche Abflugverspätung zu fordern. Hierdurch würde man ein Kriterium für die Entstehung des Ausgleichsanspruchs aufstellen, welches mit diesem in keinerlei Zusammenhang steht und damit den vom EuGH herangezogene Grundsatz der Gleichbehandlung nicht ausreichend beachten. Es ist nicht nachvollziehbar, warum ein Passagier eines verspäteten Fluges, welcher alle relevanten Kriterien einer Vergleichbarkeit für die Entstehung eines Ausgleichsanspruch gemäß Art. 7 der FluggastrechteVO erfüllt, im Ergebnis gegenüber dem Passagier eines annulierten Fluges noch deutlich weitergehende Kriterien erfüllen muss, nachdem für den Passagier des annulierten Fluges eine erhebliche Verzögerung der Abflugzeit gerade nicht anspruchsrelevant ist.
3.
73. Es liegt auch ein einheitlicher Flug von Frankfurt nach Bordeaux im Sinne der FluggastrechteVO vor. Dieses ist aufgrund der einheitlichen Buchung bei einem Luftfahrtunternehmen der Fall. Auch die Beklagte selbst spricht insoweit trotz der Segmentierung des Fluges von einem Hinflug Frankfurt – Bordeaux (vgl. die Buchungsbestätigung der Beklagten Anlage K1, Bl. 6 d.A.), woraus sich deutlich zeigt, dass ein einheitlicher Beförderungsvorgang im Sinne der FluggastrechteVO vorliegt, welcher lediglich in einzelne Abschnitt segmentiert wurde.
74. Dieses kann im Ergebnis jedoch auch dahinstehen. Denn das Entstehen eines Ausgleichsanspruchs setzt auch bei Annahme getrennter Flüge von Frankfurt nach Paris und sodann Paris nach Bordeaux gemäß der Rechtsprechung des EuGH nur voraus, dass der Passagier zum Abflug des ersten Fluges rechtzeitig erschienen ist (was der Fall ist) und das Endziel (welches auch bei Annahme getrennter Flüge Bordeaux ist) um mindestens 3 Stunden verspätet erreicht wurde (auch dieses ist der Fall) sowie etwaig, dass der Abflug verspätet war (siehe hierzu obige Ausführungen; was hier der Fall ist).
75. Entsprechendes folgt auch aus dem angeführten Vorlagebeschluss des BGH vom 09.12.2010. Auch diesem Fall lag eine entsprechende Segmentierung mit Verpassen des Anschlussfluges nach einer nicht relevanten Abflugverspätung vor. Die durch den BGH erfolgte Vorlage zeigt deutlich, dass insoweit die jeweiligen Flugsegmente entsprechend der Rechtsprechung des EuGH nicht komplett einzeln zu betrachten sind. Denn in diesem Fall hätte der BGH einen Anspruch ohne Vorlage verneinen müssen, da bei einer Einzelbetrachtung der erste Flug keine hinreichende Ankunftsverspätung hatte und sich die Passagiere zum zweiten Flug nicht rechtzeitig eingefunden haben.
III.
76. Zinsen stehen der Klägerin erst ab Rechtshängigkeit als Prozesszinsen gemäß den §§ 288 Abs. 1, 291 BGB zu. Ein vorheriger Verzugseintritt ist nicht dargetan. Eine Mahnung der Klägerin hinsichtlich des gegenständlichen Anspruchs auf Ausgleichsleistung ist nicht dargetan. Eine Zahlungsverweigerung der Beklagten gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB hinsichtlich dieses Anspruchs ist ebenfalls nicht dargetan. Eine entsprechende Zahlungsverweigerung kann insbesondere nicht in der E-Mail der Beklagten (Bl. 9-10 d.A.) gesehen werden, denn diese bezog sich ausschließlich auf anderweitige von der Klägerin zuvor geltend gemachte Ansprüche (Anspruch auf Rückerstattung der Ticketkosten etc.). Eine endgültige und ernsthafte Verweigerung eines Anspruchs auf Ausgleichsleistung kann hierin (noch) nicht gesehen werden. Woraus sich sonst der von der Klägerseite geltend gemachte Verzugseintritt zum 07.09.2011 ergeben soll, ist nicht dargetan.
IV.
77. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Insoweit die Klage abgewiesen wurde lag nur eine geringfügige Zuvielforderung hinsichtlich einer Nebenforderung vor, welche keine höheren Kosten verursachte.
78. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 11, 711, 709 S. 1 und 2 ZPO.
V.
79. Mangels letztinstanzlicher rechtskräftiger Entscheidung des erkennenden Gerichts besteht keine Veranlassung einer ansonsten gebotenen Vorlage an den Europäischen Gerichtshof.
80. Vor diesem Hintergrund war jedoch gemäß § 511 Abs. 2 Nr. 4 ZPO die Berufung zuzulassen.
VI.
81. Der Streitwert entspricht dem Wert des geltend gemachten Anspruchs in der Hauptsache (§§ 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 3 ZPO).
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