Haftung bei Flugverspätung für konkrete Schäden

AG Köln: Haftung bei Flugverspätung für konkrete Schäden

Der Kläger buchte für sich, seine Frau und seine beiden Kinder eine Reise bei der Beklagten von Frankfurt nach Phoenix (USA) über Washington D.C. und zurück. Bereits der Abflug in Frankfurt verspätete sich um 3,5 Stunden. Der Anschlussflug von Washington nach Phoenix wurde daraufhin verpasst. Der Kläger verlangt von der Beklagten einen Ausgleich in Geld wegen der Nichtbeförderung auf den Anschlussflug sowie eine Rückzahlung von 20% des hälftigen Flugpreises.

Das Gericht hielt die Klage für unbegründet.

AG Köln 126 C 148/07 (Aktenzeichen)
AG Köln: AG Köln, Urt. vom 11.07.2007
Rechtsweg: AG Köln, Urt. v. 11.07.2007, Az: 126 C 148/07
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Amtsgericht Köln

1. Urteil vom 11. Juli 2007

Aktenzeichen: 126 C 148/07

Leitsatz:

2. Die Fluggastrechte-VO ist nur innerhalb der Europäischen Union anwendbar.

Zusammenfassung:

3. Der Kläger buchte für sich, seine Frau und seine beiden Kinder eine Reise bei der Beklagten von Frankfurt nach Phoenix (USA) über Washington D.C. und zurück. Bereits der Abflug in Frankfurt verspätete sich um 3,5 Stunden. Der Anschlussflug von Washington nach Phoenix wurde daraufhin verpasst. Der Kläger verlangt von der Beklagten einen Ausgleich in Geld wegen der Nichtbeförderung auf den Anschlussflug sowie eine Rückzahlung von 20% des hälftigen Flugpreises.

Das Gericht hielt die Klage für unbegründet. Die Fluggastrechte VO ist nicht innerhalb der USA anwendbar. Der Anschlussflug sei nicht mehr von der EU ausgegangen, sondern sei ein eigenständiger Flug gewesen. Aus dem Montrealer Übereinkommen ergeben sich ebenso keine Ansprüche, weil dieses nur den materiellen Schaden ersetzt, nicht aber vertane Zeit.

Tenor:

4. Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht zuvor die Beklagte Sicherheit in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand:

5. Der Kläger buchte bei der Beklagten für sich, seine Ehefrau und seine beiden Kinder eine Flugbeförderung von Frankfurt nach Phoenix/ U.S.A. via Washington und zurück. Der Flugpreis belief sich auf insgesamt 4.164,48 Euro.“

6. Der Hinflug wurde für den 07.10.2006 von Frankfurt um 13:25 Uhr mit Ankunft in Washington um 15:55 Uhr Ortszeit und Weiterflug nach Phoenix um 16:40 Uhr Ortszeit bestätigt. Jedoch verzögerte sich der Abflug in Frankfurt auf Grund von Problemen beim Boarding bis 17:00 Uhr. Auf Grund der um 3 ½ Stunden verspäteten Ankunft in Washington wurde der für 16:40 Uhr angesetzte Anschlussflug nach Phoenix verpasst. Die Beklagte verbrachte die Familie deshalb für die Nacht vom 07. auf den 08.10.2006 in einem Hotel. Der Weiterflug konnte am 08.10.2006 um 7:00 Uhr mit Flug 529 der P. angetreten werden.

7. Mit der Klage begehren die Kläger von der Beklagten die Zahlung eines Ausgleichs nach Artikel 7 Abs. 1 c) der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 wegen Nichtbeförderung auf den Anschlussflug Washington/Phoenix sowie die Rückzahlung von 20% des hälftigen Flugpreises von 2.083,84 Euro und somit eines Minderungsbetrages von 416,65 Euro.

8. Die Mitreisenden haben ihre geltend gemachten Ausgleichs- und Minderungsansprüche aus der streitgegenständlichen Beförderung durch die Beklagte an den Kläger abgetreten.

9. Dieser behauptet, Grund der Verspätung sei eine Überbuchung des Hinfluges gewesen.

10. Der Kläger ist der Auffassung, er habe deshalb einen Anspruch auf Ausgleichsleistungen nach der EG-Verordnung 261/2004, da der geplante Anschlussflug auf Grund der Überbuchung des ersten Fluges nicht erreicht und erst am folgenden Tag durchgeführt werden konnte. Im Übrigen habe die Beklagte das Nichterscheinen der Fluggäste am Flugsteig des Anschlussfluges wegen der Überbuchung auf dem ersten Flugabschnitt zu vertreten, so dass sie sich auf den begrifflichen Ausschluss der Nichtbeförderung nach Artikel 2 j der EG-VO nicht berufen könne. Schließlich könne die vorliegende Fallkonstellation auch als „Annullierung“ im Sinne der EG-VO Nr. 261/2004 gewertet werden.

11. Der Kläger ist weiterhin der Ansicht, dass auf Grund der um 1 Tag verspäteten Ankunft am Zielort die Fluggäste nach §§ 634 Nr. 3, 638 BGB berechtigt seien, den anteiligen Preis des Hinfluges angemessen zu mindern. Die Einhaltung der Pünktlichkeit eines Linienfluges gehöre zu den wesentlichen Leistungspflichten der Fluggesellschaft und präge geradezu den Luftbeförderungsvertrag. Sei der Flug dann verspätet, habe das Werk nicht die vereinbarte Beschaffenheit im Sinne des §633 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2 BGB, die der Fluggast erwarten könne. Daher habe die Fluggesellschaft verschuldensunabhängig für ihre Minderleistung zu haften.

12. Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.816,65 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.12.2006 zu zahlen.

13. Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

14. Sie ist der Auffassung, eine Beförderungsverweigerung nach Artikel 4 Abs. 3 der EG- VO sei nicht gegeben. Eine solche würde voraussetzen, dass es dem Kläger hätte physisch möglich sein müssen, den Flug anzutreten. Dies sei auf Grund der Verspätung des Fluges von Frankfurt nach Washington aber nicht der Fall gewesen. Da sich der Kläger im Zeitpunkt der Abfertigung von Flug X von Washington nach Phoenix nicht am entsprechenden Abflugsgate befunden habe, habe ihm auch nicht verweigert werden können. Es handele sich vielmehr um eine Verspätung nach Artikel 6 der EG-VO. Im Falle einer Verspätung schulde das Luftfahrtunternehmen allerdings nur die Leistungen nach Artikel 8, 9 der EG-VO. Ein Ausgleichsanspruch nach Artikel 7 der EG-O bestehen in einem solchen Fall gerade nicht.

15. Die Beklagte ist weiterhin der Ansicht, eine Minderung der Beförderungskosten könne nicht auf einen Mangel der verspäteten Ankunft gestützt werden. Ein Überschreiten des Leistungszeitpunkts stelle wegen des Charakters der Luftbeförderung als Fixgeschäft mit einem bestimmten Flug eine Verzögerung des Vertrags dar und keinen Sachmangel.

Entscheidungsgründe:

16. Die Klage ist unbegründet.

17. Der Kläger kann von der Beklagten aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt die geltend gemachte Zahlung eines Ausgleichs gemäß Artikel 4 Abs. 3, Artikel 7 Abs. 1 c) der EG-VO von insgesamt 2.400,00 Euro und die Rückzahlung eines Minderungsbetrages von 20% des hälftigen Flugpreises in Höhe von 416,65 Euro wegen des auf Grund der Verspätung des Hinfluges von Frankfurt nach Washington versäumten Anschlussfluges nach Phoenix verlangen.

18. Zunächst ergibt sich ein Ausgleichsanspruch des Klägers nicht aus Artikel 7 Abs. 1 c) der VO (EG Nr. 261/2004) des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.02.2004.

19. Nach diesem Artikel erhalten Fluggäste Ausgleichszahlungen in Höhe von 600,00 Euro, soweit auf diesen Bezug genommen wird. Dies ist indes lediglich in Artikel 4 Abs. 3 und Artikel 5 Abs. 3 dieser Verordnung der Fall.

20. Eine Verweigerung der Beförderung des Klägers und seiner Familie nach Artikel 4 Abs. 3 VO mit dem gebuchten Anschlussflug von Washington nach Phoenix ist nicht gegeben.

21. Eine Nichtbeförderung im Sinne dieser Vorschrift definiert Artikel 2 j) der EG-VO als die Weigerung, Fluggäste zu befördern, obwohl sie sich unter den in Artikel 3 Abs. 2 dieser Verordnung genannten Bedingungen am Flugsteig eingefunden haben, sofern keine vertretbaren Gründe für die Nichtbeförderung gegeben sind. Diese liegt somit begrifflich nur dann vor, wenn dem fristgerecht am Flugsteig zum Flugantritt erschienenen Fluggast die Beförderung physisch verweigert wird. Dies war bezüglich des Klägers und seiner Familie aber bereits auf Grund der Abflugverspätung des Fluges von Frankfurt nach Washington nicht der Fall.

22. Eine Annullierung des Anschlussfluges von Washington nach Phoenix im Sinne des Artikel 5 Abs. 1 der EG-VO ist ebenfalls nicht gegeben.

23. Gemäß Artikel 2 l) der EG-VO bezeichnet der Ausdruck „Annullierung“ im Sinne dieser Verordnung die Nichtdurchführung eines geplantes Fluges, für den zumindest ein Platz reserviert war. Der Anschlussflug ist jedoch unstreitig durchgeführt worden, wenn auch ohne den Kläger.

24. Nach alledem verbleibt lediglich eine Verspätung des Fluges von Frankfurt nach Washington gemäß Artikel 6 der EG-VO. Danach schuldet das Luftfahrunternehmen nur die Erstattungs- oder anderweitige Beförderungsansprüche gemäß Artikel 8 der EG- VO und die Betreuungsleistungen gemäß Artikel 9 der EG-VO, die die Beklagte dem Kläger und seiner Familie unstreitig ordnungsgemäß erbracht hat. Ein Ausgleichsanspruch gemäß Artikel 7 der EG-VO besteht mangels Bezugnahme auf diese Vorschrift in Artikel 6 der EG-VO in einem solchen Fall gerade nicht. Dies wird bereits ausdrücklich in den Erwägungen in der Präambel der Verordnung klargestellt, wonach Ausgleichsleistungen nur in den Fällen der Beförderungsverweigerung (Erwägung (9)) und der Annullierung von Flügen (Erwägung (12)) zu erbringen sind.

25. Dem Kläger steht gegenüber dem Beklagten auch kein Minderungsanspruch in Höhe von 20% des hälftigen Flugpreises zu.

26. Ein solcher ergibt sich schon nicht aus §651 d Abs. 1 i.V.m. §638 Abs. 3 BGB, da die reisevertraglichen Bestimmungen der §§651 a ff. BGB auf reine Beförderungsleistungen, die keinen Reisevertrag im Sinne dieser Bestimmungen darstellen, keine Anwendung finden.

27. Ein Minderungsanspruch ergibt sich aber auch nicht aus den werkvertraglichen Vorschriften der §§634 Nr. 3, 638 BGB.

28. Abgesehen davon, dass die Verspätungsfolgen eines Fluges in Artikel 6 der EG-Verordnung durch vorrangiges Recht geregelt worden sind, stellt ein Überschreiten des Ankunftszeitpunktes mit einem Flug wegen des Charakters der Luftbeförderung als Fixgeschäft eine Verzögerung des Vertrages dar und keinen Sachmangel. Nur wenn die Verzögerung auf einer qualitativen Beeinträchtigung der Flugleistung beruht, begründet eine Flugverspätung einen Sachmangel. Insoweit ist indes hier nichts vorgetragen und nichts ersichtlich.

29. Schließlich ergibt sich auch kein Schadensersatzanspruch des Klägers aus Artikel 12 Abs. 1 der EG-Verordnung i.V.m. Artikel 19 des Montrealer Übereinkommens vom 28.05.1999. Soweit gemäß Artikel 12 der Verordnung (EG Nr. 261/2004) diese Verordnung unbeschadet eines weitergehenden Schadensersatzanspruchs des Fluggastes gilt, hat gemäß Artikel 19 des Montrealer Übereinkommens der Luftfrachtführer lediglich den materiellen Schaden zu ersetzen, der durch Verspätung bei der Luftbeförderung von Reisenden, Reisegepäck oder Gütern entsteht. Derartigen Schaden hat der Kläger jedoch nicht dargelegt, so dass es sich bei der verspäteten Ankunft in Phoenix lediglich um eine eingetretene Unannehmlichkeit handelt, die keinen materiell-rechtlichen Schadensersatzanspruch begründet.

30. Nach alledem hat die Klage keinen Erfolg.

31. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§91 Abs. 1, 708 Ziffer 11, 711 ZPO.

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