Unfall mit Bodenfahrzeug auf dem Rollfeld

AG Rüsselsheim: Unfall mit Bodenfahrzeug auf dem Rollfeld

Der Flug eines Fluggastes verspätet sich um mehrere Stunden, weil die Maschine auf dem Rollfeld von einem Bodenfahrzeug beschädigt wurde. Der Fluggast verklagt die Airline nun auf Schadensersatz. Die Airline weigert sich der Zahlung und beruft sich auf außergewöhnliche Umstände.
Das Amtsgericht Rüsselsheim hat der Klage stattgegeben. Der Kläger sei für die mehrstündige Verspätung zu entschädigen. In der Kollision eines Bodenfahrzeugs mit einem Flugzeug sei kein außergewöhnlicher Umstand zu sehen.

AG Rüsselsheim 3 C 468/12 (37) (Aktenzeichen)
AG Rüsselsheim: AG Rüsselsheim, Urt. vom 27.07.2012
Rechtsweg: AG Rüsselsheim, Urt. v. 27.07.2012, Az: 3 C 468/12 (37)
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Hessen-Gerichtsurteile

Amtgericht Rüsselsheim

1. Urteil vom 27. Juli 2012

Aktenzeichen: 3 C 468/12 (37)

Leitsatz:

2. Eine Kollision es Flugzeuges mit einem Bodenfahrzeug auf dem Rollfeld des Flughafens, stellt keinen außergewöhnlichen Umstand im Sinne des Art. 5 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 dar.

Zusammenfassung:

3. Der Kläger buchte bei dem beklagten Luftfahrtunternehmen einen Flug von Palma de Mallorca nach Düsseldorf. Dieser Flug verspätete sich um 11 Stunden, da die für den Flug vorgesehene Maschine bei der Abfertigung von einem Bodenfahrzeug auf dem Rollfeld des Flughafens beschädigt wurde. Der Kläger begehrt von dem beklagten Luftfahrtunternehmen nun eine Ausgleichszahlung wegen der Flugverspätung im Sinne des Art. 7 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004. Das beklagte Luftfahrtunternehmen weigert sich der Zahlung und beruft sich bei diesem Vorfall auf einen außergewöhnlichen Umstand im Sinne des Art. 5 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004.

Das Amtsgericht Rüsselsheim hat entschieden, dass es sich in diesem Fall um keinen außergewöhnlichen Umstand handelt, da ein Unfall mit einem Bodenfahrzeug auf dem Rollfeld zu dem allgemeinen Betriebsrisiko eines Luftfahrtunternehmens gehört. Auch eine Verantwortlichkeit des Fahrzeugführers sei auszuschließen, da sich ein Luftfahrtunternehmen ein fahrlässiges Verhalten eines Angestellten des Flughafens jedenfalls dann, gemäß § 278 BGB, zurechnen lassen muss, wenn er den Schaden in Erfüllung seiner Pflichten gegenüber dem Unternehmen hervorruft.
Dem Kläger wurde folglich eine Ausgleichszahlung zugesprochen.

Tenor:

4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger zu 1) und an die Klägerin zu 2) jeweils 250,00 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.11.2010 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

5. Von der Darstellung des Tatbestandes wurde gemäß § 313 a Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

6. Die Klage ist zulässig, insbesondere wirksam erhoben worden. Die Prozessbevollmächtigten der Kläger haben eine Originalvollmacht der Kläger vorgelegt (Bl. 6, 7 d. A.) Gegen die Wirksamkeit dieser Prozessvollmacht bestehen keine Bedenken.

7. Die Klage ist auch begründet.

8. Die Kläger haben gegen die Beklagten einen Anspruch auf Zahlung der Ausgleichspauschale in tenorierter Höhe nach Art. 7 Abs. 1 lit. a) der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 vom 11.02.2004 (nachfolgend: VO).

9. Die VO ist anwendbar. Der Einwand der Beklagtenseite, die Klage sei unschlüssig, weil die Klägerseite keine bestätigte Buchung vorlegen konnte, greift nicht durch. Die Kläger haben Kopien der Flugcoupons und der Bordkarten vorgelegt und damit hinreichend i. S. d. Art. 3 Abs. 2  lit. a) i. V. m. Art. 2 lit. g) VO dargelegt, dass sie von der Beklagten als Fluggäste akzeptiert bzw. registriert worden sind.

10. Unstreitig hatte der von der Beklagten durchgeführte Flug von Palma de Mallorca (Spanien) nach Düsseldorf eine Abflugverspätung von über elf Stunden, so dass die Kläger entsprechend verspätet am Zielort eintrafen. Zwar steht der Ausgleichsanspruch nach Art. 7 i. V. m. Art. 4 und 5 der VO nur denjenigen Passagieren zu, die nichtbefördert oder deren Flug annulliert wurde. Nach einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 19.11.2009 soll Art. 7 der VO aber auch dann anwendbar sein, wenn Passagiere – wie hier – wegen eines verspäteten Fluges einen Zeitverlust von drei Stunden oder mehr erleiden (vgl. EuGH NJW 2010, 43), so dass die Kläger von der Beklagten bei einer Entfernung von 1.342 km zwischen Palma de Mallorca und Düsseldorf die Zahlung der Ausgleichspauschale in Höhe von 250,00 Euro pro Person verlangen können.

11. Der Anspruch ist auch nicht nach Art. 5 Abs. 3 VO ausgeschlossen: Es kann dahingestellt bleiben, ob das für den Flug vorgesehene Flugzeug tatsächlich infolge der Unachtsamkeit eines Schlepperfahrzeugs beschädigt worden ist, wie seitens der Beklagten behauptet und von den Klägern zulässigerweise mit Nichtwissen bestritten wurde. Der Vortrag der Beklagtenseite ist insoweit unsubstantiiert, da insbesondere jeglicher Vortrag zum zeitlichen Ablauf des behaupteten Schadensereignisses fehlt. Ferner ist darauf hinzuweisen, dass sich ein Luftfahrtunternehmen ein fahrlässiges Verhalten eines Bodenfahrzeugführers des Flughafens jedenfalls dann gemäß § 278 BGB zurechnen lassen muss, wenn das Flughafenfahrzeug – wie hier – zur Abfertigung eines Flugzeugs eingesetzt wurde (vgl. LG Darmstadt, Urteil v. 26.03.2010, Az.: 7 S 201/09; AG Frankfurt, Urteil v. 03.02.2010, Az.: 29 C 2088/09 – zitiert nach juris). Ein Entlastungsgrund nach Art. 5 Abs. 3 VO ist mithin vorliegend nicht gegeben.

12. Die Entscheidung über die Zinsen beruht auf §§ 286, 288 Abs. 1 S. 2 BGB. Verzug ist hier spätestens mit der endgültigen Ablehnung der Ansprüche durch das Schreiben der Beklagten vom 24.11.2010 eingetreten. Einer weiteren Mahnung bedurfte es bei dieser Sachlage nicht (vgl. § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB).

13. Die Entscheidung über die Kosten hat ihre Grundlage in § 91 ZPO.

14. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.

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