Keine Ausgleichszahlung bei nicht verknüpften Flügen

LG Frankfurt: Keine Ausgleichszahlung bei nicht verknüpften Flügen

Zwei Fluggäste buchen einen zweiteiligen Flug von Hannover, über Frankfurt, bis auf die Malediven. Weil der Flug von Hannover nach Frankfurt 90 Minuten Verspätung hatte, verpassten die den Anschlussflug und verlangen nun vom ausführenden Reiseunternehmen Schadensersatz.

Das Landgericht Frankfurt hat die Klage abgewiesen. Da die beiden Flügen nur durch die Buchung des Reiseveranstalters zusammenhingen, werden  die Verzögerungszeiten nicht zusammengezählt. Den Klägern wurde folglich nicht die Wartezeit auf einen späteren Flug vom Frankfurter Flughafen gutgeschrieben, sondern nur die 90 Minuten Verspätung des Zubringerfluges. Diese reichen für eine Ausgleichszahlung nicht aus.

LG Frankfurt 2-24 S 21/12 (Aktenzeichen)
LG Frankfurt: LG Frankfurt, Urt. vom 26.07.2012
Rechtsweg: LG Frankfurt, Urt. v. 26.07.2012, Az: 2-24 S 21/12
AG Frankfurt, Urt. v. 11.01.2012, Az: 32 C 1298/11 (41)
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Hessen-Gerichtsurteile

Landgericht Frankfurt

1. Urteil vom 26. Juli 2012

Aktenzeichen: 2-24 S 21/12

Leitsätze:

2. Wenn Fluggäste aufgrund der Verspätung des Zubringerfluges ihren Weiterflug verpassen, steht diesen ein Anspruch auf eine Ausgleichszahlung im Sinne der Fluggastrechteverordnung (Verordnung (EG) Nr. 261/2004) nur dann zu, wenn die beiden Flüge zusammenhängen.

Eine einfache Verknüpfung der Flüge durch den Reiseveranstalter, zwecks Beförderung zum gebuchten Urlaubsort genügt hierbei nicht für den erforderlichen Zusammenhang der Flüge.

Zusammenfassung:

3. Die Kläger buchten eine Pauschalreise auf die Malediven. Die Reise beinhaltete mehrere selbstständige Flüge, welche lediglich vom Reiseveranstalter miteinander verknüpft wurden. Unter anderem einen Flug von Hannover nach Frankfurt am Main und einen Weiterflug von Frankfurt am Main auf die Malediven.

Da sich der Flug von Hannover nach Frankfurt am Main verspätete, verpassten die Kläger deren Weiterflug zum gebuchten Urlaubsort.
Sie begehren von der Beklagten, dem Luftfahrtunternehmen, die Leistung einer Ausgleichszahlung, in Höhe von jeweils 600 €, wegen eines verspäteten Fluges gemäß Art. 5, 6 und 7 der Verordnung (EG) Nr. 251/2004 (Fluggastrechteverordnung.
Die Beklagte beruft sich auf den zu dieser Zeit herrschenden Winterchaos, einen haftungsbefreienden außergewöhnlichen Umstand gemäß Art. 5 III der Fluggastrechteverordnung (Verordnung (EG) Nr. 261/2004)

Das Amtsgericht Frankfurt am Main hat der Klage stattgegeben. Das Landgericht hat die Klage jedoch abgewiesen. Die als Anspruchsgrundlage angeführte Fluggastrechteverordnung fordere für die Auszahlung eines Ausgleichsbetrages eine 3-stündige Flugverspätung.
Die erste Maschine, betrieben von der Beklagten, hatte jedoch lediglich 90 Minuten Verspätung. Da die Flüge nur vom Reiseveranstalter zusammengefasst wurden, rechtlich aber komplett selbstständig sind, seien Beide Zeitspannen getrennt voneinander anzusehen.
Aus flugrechtlicher Sicht bestehe zwischen den beiden Unternehmen keinerlei Verbindung, was die Möglichkeit einer Ausgleichszahlung ausschließe.

Tenor:

4. Auf die Berufung der Beklagten wird das am 11.01.2012 verkündete Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main, Az. 32 C 1298/11 (41), wie folgt abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits haben die Kläger zu tragen

Die Revision wird nicht zugelassen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

5. Die Kläger begehren von der Beklagten die Leistung einer Ausgleichszahlung in Höhe von jeweils 600,– Euro wegen eines verspäteten Fluges gemäß Art. 5, 6 und 7 der Verordnung (EG) Nr. 251/2004 (Fluggastrechteverordnung) i. V. m. der diesbezüglichen Rechtsprechung des EuGH (NJW 2010, 43 ff.).

6. Die Kläger buchten bei dem Reiseveranstalter … eine Pauschalreise auf die Malediven. Die Pauschalreise beinhaltete auch die Flüge auf die Malediven und zurück.

7. Der Hinflug sollte am 15.12.2010 um 17.50 Uhr ab Hannover erfolgen und zwar zunächst nach Frankfurt am Main. Dieser Flug wurde durch die Beklagte durchgeführt und zwar mit der Flugnummer ….

8. Ab Frankfurt am Main am 15.12.2010 um 20.20 Uhr sollte der Weiterflug nach Male/Malediven erfolgen. Dieser Flug sollte durch das Luftfahrtunternehmen … mit der Flugnummer … durchgeführt werden.

9. Diese beiden Flüge standen selbstständig nebeneinander, insbesondere lag kein Fall des CodeSharings vor.

10. Der Flug von Hannover nach Frankfurt am Main am 15.12.2010 verspätete sich um maximal 1 Std. 30 Min.. Infolgedessen verpassten die Kläger am 15.12.2010 den Weiterflug nach Male.

11. Die Beklagte beruft sich zum einen auf außergewöhnliche Umstände i. S. v. Art. 5 III FluggastrechteVO wegen des vorhandenen Winterchaos.

12. Zum Anderen ist die Beklagte der Auffassung, dass eine erhebliche Verspätung i. S. d. EuGH Rechtsprechung nicht vorliege, da nur auf die erste Teilstrecke abgestellt werden könne, da die zweite Teilstrecke nicht durch sie sondern durch die Luftfahrtgesellschaft … durchgeführt werden sollte.

13. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Es hat wie folgt ausgeführt:

14. „Die Klage ist zulässig und begründet. Denn die Haftung für die Verspätung kann nicht außer Kraft gesetzt werden durch den zum Teil in sich widersprüchlichen Vortrag der Beklagtenseite. Es ist Sache des Luftfahrtunternehmens die Abläufe so zu gestalten und zu regulieren, dass eben es so abläuft wie im Flugplan vorgesehen. Dass es im Winter und gerade im Dezember zu klimatischen Schwierigkeiten kommen kann ist eigentlich nichts Neues und wiederholt sich letztlich in jedem Jahr. Daraus kann man lernen und für den nächsten Winter ist man gewappnet. So ist auch der Sinn der Richtlinie, dass eben die Fluglinie alles zu tun hat damit der Fahrplan eingehalten werden kann und der fliegende Reisende hat zu zahlen für den Flugpreis. Die Ausführungen der Beklagtenseite sind keine solchen Außerkraftsetzung der Haftungen, wie sie in der Verordnung vorgesehen sind, denn es sind keine außergewöhnlichen Umstände erkennbar. Vielmehr hat sich eigentlich das wiederholt, was sich jedes Jahr zu wiederholen scheint. Daraus kann man aber entsprechende Folgerungen ziehen.“

15. Von einer Wiedergabe der tatsächlichen Feststellungen des Amtsgerichts und der Darstellung etwaiger Änderungen und Ergänzungen im Übrigen wird gemäß §§ 540 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.

16. Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Beklagten hat in der Sache Erfolg.

17. Die Kläger haben keinen Anspruch gegen die Beklagte als ausführendes Luftfahrtunternehmen auf Leistung einer Ausgleichszahlung wegen eines verspäteten Fluges gem. Art. 5, 6 und 7 der Verordnung (EG) Nr. 251/2004 (Fluggastrechteverordnung i. V. m. der Rechtsprechung des EuGH (Urteil v. 19.11.2009 – Sturgeon –, NJW 2010, 43 ff.) in Höhe der geltend gemachten 600,– Euro pro Person.

18. Die Voraussetzungen für die Gewährung einer Ausgleichszahlung nach der Rechtsprechung des EuGH für die Fälle der großen Verspätung liegen nicht vor.

19. Nach der Rechtsprechung des EuGH bedarf es mindestens einer Ankunftsverspätung von mindestens drei Stunden am Endziel (EuGH, NJW 2010, 43, 43 Leitsatz 2).

20. Eine solche Verspätung liegt hier nicht vor. Vorliegend ist als Endziel in Bezug auf den von der Beklagten durchgeführten Flug Frankfurt am Main anzusehen. In Frankfurt am Main lag jedoch eine Ankunftsverspätung von maximal 1 Std. 30 Min..

21. In der vorliegenden Fallkonstellation kann unzweifelhaft nicht auf den verpassten Weiterflug nach Male mit der entsprechenden Ankunftsverspätung von über drei Stunden abgestellt werden. Insoweit handelt es sich vorliegend insbesondere nicht um die sogenannte Zubringerproblematik im Sinne des Vorlagebeschlusses des BGH vom 09.12.2010, Az. Xa ZR 80/10 (zit. Nach juris).

22. In Fallkonstellationen wie der vorliegenden kann nämlich nicht von einer Gesamtstrecke bzw. einem Flug ausgegangen werden. Vorliegend haben die beiden von unterschiedlichen Luftfahrtgesellschaften durchgeführten Flüge Hannover – Frankfurt am Main (Beklagte) und Frankfurt am Main – Male (…) flugrechtlich überhaupt nichts miteinander zu tun. Sie sind völlig unabhängig. Die Flüge sind auch nicht über ein sog. Code-Sharing verknüpft gewesen. Die Verknüpfung dieser beiden unabhängigen Flüge erfolgte ausschließlich durch den Reiseveranstalter im Rahmen des Pauschalreisevertrages.

23. Danach kann für die Beklagte nur auf den von ihr zu verantwortenden Flug Hannover nach Frankfurt am Main abgestellt werden. Der Weiterflug mit der Luftfahrtgesellschaft … von Frankfurt am Main nach Male hat dagegen außen vor zu bleiben.

24. Nach all dem liegen die Anspruchsvoraussetzungen für eine Ausgleichszahlung nicht vor.

25. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 I ZPO.

26. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 II ZPO nicht vorliegen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes als Revisionsgericht.

27. Wie ausgeführt handelt es sich vorliegend nicht um die sogenannte Zubringerproblematik im Sinne des Vorlagebeschlusses des BGH vom 09.12.2010, Az. Xa ZR 80/10 (zit. nach juris). Weiterhin ist für die vorliegende Fallkonstellation nicht ersichtlich, dass diesbezüglich eine andere Rechtsauffassung vertreten wird.

28. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

29. Ein Rechtsmittel gegen diese Entscheidung besteht nicht, nachdem die Beschwer für eine Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 26 Nr. 8 EGZPO nicht erreicht wird.

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