Klassifizierung von Kreuzfahrtschiffen nach einem Sterne-System des Spitzenverbands

LG Berlin: Klassifizierung von Kreuzfahrtschiffen nach einem Sterne-System des Spitzenverbands

Ein Reiseveranstalter von Kreuzfahrten klagt gegen einen Spitzenverband des Hotelgewerbes, weil dieser Kreuzfahrtschiffe anhand einer Hotelbewertungsskala einstuft.

Das Landgericht Berlin hat den Verband zur Unterlassung verpflichtet. Der Bewertungsmaßstab für Hotels sei auf Kreuzfahrtschiffe nicht anwendbar.

LG Berlin 24 U 145/10(Aktenzeichen)
LG Berlin: LG Berlin, Urt. vom 28.11.2011
Rechtsweg: LG Berlin, Urt. v. 28.11.2011, Az: 24 U 145/10
AG Berlin, Urt. v. 10.08.2010, Az: 16 O 479/08
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Berlin-Gerichtsurteile

Landgericht Berlin

1. Urteil vom 18. November 2011

Aktenzeichen: 24 U 145/10

Leitsatz:

2. Der auf Beherbergungsunternehmen zu Lande zugeschnittene Kriterienkatalog für eine Sterne-Klassifizierung stellt keinen geeigneten Maßstab für die Bewertung von Kreuzfahrtschiffen dar.

Zusammenfassung:

3 .Eine Anbieterin von Kreuzfahrten verklagt einen deutschen Spitzenverband des Hotel- und Gastronomiegewerbes auf Unterlassung. Hintergrund war die durch den Verband erfolgte Klassifizierung von Kreuzfahrtschiffen durch einen für gewöhnlich auf das Hotelgewerbe angewandten Maßstab.
Die entsprechende Sterneklassifizierung ist, in den Augen der Reiseveranstalterin, nicht auf Schiffe übertragbar und vermittle potentiellen Kunden einen falschen Eindruck.

Das Landgericht Berlin hat der Klage stattgegeben. In einer Analyse der getätigten Bewertungen kam es zu dem Schluss, dass ein für Beherbergungsbetriebe auf Kreuzfahrtschiffe hinsichtlich vieler Kriterien nicht passendes Bewertungssystem  herangezogen worden war.
So stimmten die tatsächlichen Ausstattungen der Schiffe nicht mit den endgültigen Bewertungen durch den Verband überein.

Durch die Anwendung des in vielerlei Hinsicht nicht passenden Klassifizierungssystems verstoße der Verband gegen die Werberichtlinien aus §§ 8 Abs.1, 3, 5 Abs.2 S.1 Nr.3 UWG.

In der Folge bestehe ein wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsanspruch der Veranstalterin gegen den Spitzenverband dahin, sein bundesweit einheitliches Klassifizierungssystem auf Kreuzfahrtschiffe zu übertragen.

Tenor:

4. Die Berufung des Beklagten gegen das am 10. August 2010 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin – 16 O 479/08 – wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass unter Klageabweisung auch wegen des weitergehenden Unterlassungsanspruchs Ziffer 1. des Tenors des landgerichtlichen Urteils teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst wird:

Der Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, letztere zu vollziehen an den Mitgliedern des Vorstands, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs die Erteilung der Klassifizierung ”5 Sterne Superior” für das Kreuzfahrtschiff M… D… durch Dritte zu fördern, ohne dass die Klassifizierung auf Basis eines Klassifizierungssystems speziell für Kreuzfahrtschiffe erfolgt und/oder ohne dass die Voraussetzungen für die Vergabe der Klassifizierung ”5 Sterne Superior” anhand des konkret angewendeten Klassifizierungssystems ”D… H… ” vorliegen.

Von den Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz haben die Klägerin 1/10 und der Beklagte 9/10 zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte darf die Vollstreckung der Klägerin zu Ziffer I. durch Sicherheitsleistung in Höhe von 40.000,00 EUR und die Parteien dürfen die Vollstreckung wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Kostenbetrages abwenden, wenn nicht die jeweils vollstreckende Gegenpartei vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

5. Die Klägerin veranstaltet Kreuzschifffahrten. Sie nimmt den Beklagten – einen Spitzenverband des deutschen Hotel- und Gastronomiegewerbes, der u.a. ein bundesweit einheitliches Klassifizierungssystem mit fünf Sternekategorien zur Hotelklassifizierung anbietet und Inhaber der geschützten Wortbildmarke “D… … H… ” und der Wortmarke “D… ” ist – auf Unterlassung in Anspruch, dem Kreuzfahrtschiff “M… D… ” der konkurrierenden P… -D… -R… auf der Grundlage der “D… H… ” und / oder ohne spezifisches Klassifizierungssystem für Kreuzfahrtschiffe die Klassifizierung “… S… … S… ” zu erteilen oder die Erteilung durch Dritte zu fördern bzw. die entsprechende Erteilung durch Landesverbände und von diesen beauftragte Unternehmen nicht zu unterbinden; zugleich verlangt sie den Widerruf der für die Zeit von 2008 bis 2011 erteilten Klassifikation und will die Ersatzpflicht des Beklagten für den aus der Erteilung entstandenen bzw. noch entstehenden Schaden festgestellt wissen.

6. Für alle weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird zunächst auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs.1 ZPO).

7. Das Landgericht Berlin hat dem mit dem Hauptantrag verfolgten Unterlassungsanspruch und der Feststellungsklage stattgegeben und die Klage (nur) hinsichtlich des Widerrufsantrags abgewiesen.

8. Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt:

9. Ein wettbewerblicher Unterlassungsanspruch sei gegeben, weil der Beklagte als Störer eine (irreführende) geschäftliche Handlung vorgenommen habe. Er handele geschäftlich, weil er seinen Landesverbänden ein Klassifizierungssystem für Hotels zur Verfügung stelle und für dessen einheitliche Anwendung sorge, das der einzelne Hotelier unabhängig von seiner Verbandszugehörigkeit nur gegen Entgelt in Anspruch nehmen könne; die Zertifizierung erfolge deshalb am Markt zu Zwecken des Wettbewerbs. Dazu leiste der Beklagte einen Beitrag, auch wenn er nicht selbst die Zertifizierung vornehme. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die die Veröffentlichung von Testergebnissen durch Verbraucherverbände von wettbewerbsrechtlichen Haftungsansprüchen freistelle, sei nicht einschlägig, weil der Beklagte keine Verbraucherinteressen vertrete, sondern als Interessenverband die Belange des deutschen Hotel- und Gaststättengewerbes wahrnehme. Die daraus abzuleitende Vermutung geschäftlichen Handelns habe er nicht widerlegt; vielmehr diene die Klassifizierung erklärtermaßen dem Ziel, die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Hotelbetriebe zu fördern, indem sie es dem Hotelier ermögliche, sich besser als die Konkurrenz am Markt zu platzieren. Diese Förderung fremden Wettbewerbs reiche aus, um den Anwendungsbereich des Lauterkeitsrechts zu eröffnen.

10. Die Auszeichnung des Kreuzfahrtschiffs M… D… mit “… S… S… ” sei auch irreführend, weil der Verbraucher die Klassifizierung als Ergebnis der wertenden Betrachtung von Prüfern wahrnehme, die auf einen umfangreichen Erfahrungsschatz in der Bewertung von Beherbergungsbetrieben zurückgreifen könnten und auf diesem Weg die uneingeschränkte Vergleichbarkeit der derselben Kategorie zugeordneten Häuser gewährleisteten; in dieser Erwartung werde er vorliegend enttäuscht, weil der Beklagte bzw. seine Landesverbände kein anderes Schiff überprüft hätten und der Aussagegehalt der Auszeichnung deshalb keineswegs das gesamte in Deutschland zugängliche Angebot – einschließlich der nicht unter deutscher Flagge fahrenden Kreuzfahrtschiffe – abdecke. Darüber hinaus stelle der auf Beherbergungsunternehmen zu Lande zugeschnittene Kriterienkatalog von vorneherein keinen geeigneten Maßstab für die Bewertung von Kreuzfahrtschiffen dar. Diesen Schwierigkeiten könne auch nicht mit einer wertenden Anwendung des Kriterienkatalogs begegnet werden, bei der das Vorhalten einer zusätzlichen, für Hotels an Land unerheblichen Einrichtung das Fehlen einer anderen – im Katalog genannten – ausgleiche. Dafür fehle es sowohl an einem verbindlichen Punkteschlüssel als auch an der Vergleichbarkeit. Da auch die Kabinen in ihrer Größe hinter dem Kriterienkatalog zurückblieben, werde der angesprochene Verkehrskreis auch über die gleichmäßige Anwendung der Beurteilungskriterien und damit letztlich über die Vorteilhaftigkeit des Angebots getäuscht. Für diese Irreführung habe der Beklagten zwar nicht unmittelbar als Täter oder Teilnehmer oder im Rahmen der Haftung nach § 8 Abs.2 UWG einzustehen; er hafte aber als Täter einer Verkehrspflichtverletzung, weil er durch die Schaffung des Kriterienkatalogs und dessen Überlassung an die Landesverbände die Gefahr einer nicht sachgerechten Anwendung und damit der Verletzung wettbewerblich geschützter Interessen Dritter begründet habe. Durch die Teilnahme des Vorsitzenden des D… -Ausschusses Hotelklassifizierung an der Verleihungszeremonie habe er sich das Ergebnis der Klassifizierung zu eigen gemacht, obwohl die Auszeichnung offenkundig unter Missachtung der eigenen Vergabekriterien verliehen worden sei. Die zu vermutende Wiederholungsgefahr sei mangels Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung nicht ausgeräumt. Durch die schuldhafte Verletzung der dem Beklagten obliegenden Prüfungspflichten sei der Klägerin möglicherweise ein Schaden erwachsen, an dessen Feststellung sie ein rechtliches Interesse habe. Dagegen habe die Klägerin keinen Anspruch auf Widerruf des Prüfungsergebnisses, da der Beklagte die Klassifikation nicht selbst durchgeführt habe und deshalb auch nicht Schuldner eines Beseitigungsanspruchs sei.

11. Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Beklagten, der die vollständige Abweisung der Klage anstrebt. Ihre Anschlussberufung, mit der sie ursprünglich den erstinstanzlich zurückgewiesenen Widerrufsanspruch weiter verfolgt hat, hat die Klägerin in der mündlichen Berufungsverhandlung am 28. November 2011 zurückgenommen.

12. Der Beklagte rügt das angefochtene Urteil als tatsächlich und rechtlich fehlerhaft und macht – unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags – im Wesentlichen geltend: Entgegen der Auffassung des Landgerichts fehle es bereits an einem Irreführungstatbestand, für den er einzustehen hätte. Die in der Zertifizierungsurkunde enthaltene Angabe, dass die M… D… nach den Richtlinien der Deutschen Hotelklassifizierung bewertet worden sei, sei wahr. Sie enthalte auch keine sonstigen zur Täuschung geeigneten Angaben, weil die Bewertung aus der Sicht des verständigen Verbrauchers weder einen Vergleich mit anderen Schiffen impliziere noch voraussetze oder gar suggeriere, dass die Bewertung das gesamte in Deutschland zugängliche Angebot abdecke. Bewertet worden sei auch nicht das Kreuzfahrtschiff, sondern ausschließlich die dort angebotene Hotelleistung. Die Bewertung als solche stelle mangels Tatsachenbehauptung keine “Angabe” im Sinne des Irreführungstatbestands dar. Die Erteilung der Auszeichnung, auf die sich der streitgegenständliche Unterlassungsanspruch richte, sei eine rein tatsächliche Maßnahme. Der Anspruch richte sich überdies an den falschen Adressaten, da er – der Beklagte – die Auszeichnung weder vergeben noch mit ihr geworben habe. Im Übrigen sei die D… H… nicht wettbewerbsgerichtet. Denn sie sei zwar darauf angelegt, die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Hotelbetriebe zu fördern und dem Verbraucher eine bessere Qualitätstransparenz zu vermitteln; sie verfolge aber nicht das Ziel, den Absatz eines einzelnen Hotelbetriebs zu fördern. Eine solche Nebenfolge ergebe sich allenfalls als Reflex der Bewertung. Die entgegenstehende Beurteilung des Landgerichts ziele mit dem “Zertifizierungsmarkt” auf einen Markt, der hier überhaupt nicht angesprochen sei. Er – der Beklagte – sei nicht Mitbewerber der Klägerin und habe sich auch nicht in den Wettbewerb zwischen der Klägerin und der P… -D… -R… “einspannen” lassen, schon gar nicht, indem er eigene Vergabekriterien missachtet habe. Vielmehr werde die M… D… von Fachleuten und Branchenkennern als “Inbegriff des schwimmenden Luxushotels” bewertet; einer eigenständigen Kreuzfahrtklassifizierung bedürfe es dazu nicht. Die von dem Landesverband Hamburg bzw. der G… GmbH vorgenommene Bewertung verstoße auch nicht gegen den Kriterienkatalog. Schließlich habe er – der Beklagte – sich diese Bewertung weder “zu eigen” gemacht noch bestehe ein Schutzbedürfnis zu Gunsten der Klägerin, dieser unter dem Gesichtspunkt der Verkehrssicherungspflicht einen weiteren Haftungsadressaten zur Verfügung zu stellen. Schließlich seien die geltend gemachten Ansprüche auch auf kartellrechtlicher Grundlage unbegründet, da er weder einen Behinderungswettbewerb zu Lasten der Klägerin entfalte noch die Klägerin aus einer marktbeherrschenden Stellung heraus diskriminiere.

13. Letztlich erhebt der Beklagte die Einrede der Verjährung.

14. Der Beklagte beantragt,

15. die Klage unter Abänderung des am 10. August 2010 verkündeten Urteils des Landgerichts Berlin – 16 O 479/08 – abzuweisen.

16. Die Klägerin beantragt,

17. unter Zurückweisung der Berufung das am 10. August 2010 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin – 16 O 479/08 – zu Ziffer 1. und 2. des Tenors aufrecht zu erhalten und den Beklagten wie aus dem Tenor zu Ziffer 1. und 2. des Urteils ersichtlich mit der Maßgabe zu verurteilen, dass in der Verurteilung zu Ziffer 1. nach den Worten “zu erteilen” eingefügt wird “oder die Erteilung durch Dritte zu fördern”.

18. Sie verteidigt das angefochtene Urteil, soweit dieses der Klage stattgegeben hat. Entgegen der Auffassung des Beklagten umfasse das wettbewerbliche Irreführungsverbot nicht nur irreführende Werbung, sondern alle irreführenden geschäftlichen Handlungen, insbesondere solche, die zur Täuschung geeignete Angaben enthielten. Im vorliegenden Fall entnehme der Verkehr der Erteilung der Klassifikation in jedem Fall auch die Angaben, dass die M… D… nach Maßgabe eines geeigneten Klassifizierungssystems für Kreuzfahrtschiffe geprüft und die objektiven Voraussetzungen des Kriterienkatalogs für die Bestnote auch erfüllt worden seien. Dies treffe aber alles nicht zu; vielmehr handele es sich um eine singuläre Ausnahme und Einzelfallentscheidung zugunsten eines Kreuzfahrtschiffes außerhalb des Hotelklassifizierungssystems unter Missachtung der eigenen objektiven Bewertungskriterien. Durch diese willkürliche Bevorzugung fördere der Beklagte konkret die Wettbewerbsposition der klassifizierten Schifffahrtsgesellschaft zu Lasten der Klägerin. Diese Wettbewerbsverzerrung, für die der Beklagte täterschaftlich hafte, sei deshalb auch mit wettbewerbsrechtlichen Mitteln angreifbar. Sie – die Klägerin – sei auch zwingend auf eine Inanspruchnahme des Beklagten angewiesen, da nur dieser die objektiven Prüfkriterien definiere und deren Anwendung kontrollieren könne, während es ihr nicht zugemutet werden könne, gegen eine Vielzahl von in Frage kommenden Landesverbänden vorzugehen. Mit der erst zweitinstanzlich erhobenen Verjährungseinrede sei der Beklagte präkludiert; im Übrigen dauere der wettbewerbswidrige Störungszustand noch an.

19. Für alle weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Parteivorbringens wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Berufungsverhandlung vom 28. November 2011 (Bl. II 188-190 d.A.) Bezug genommen; auf Letzteres auch wegen der Klarstellung der Klägerin in welcher Reihenfolge sie sich auf die reklamierten Ansprüche stütze.

20. Die Berufung des Beklagten ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und auch sonst zulässig. Sie ist aber im wesentlichen nicht begründet.

21. Die Klage ist zulässig; insbesondere liegt kein Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot des § 253 Abs.2 Nr.2 ZPO vor, nachdem die Klägerin in der mündlichen Berufungsverhandlung klargestellt hat, dass die Klage vorrangig auf wettbewerbsrechtliche Ansprüche wegen Irreführung, hilfsweise auf wettbewerbsrechtliche Ansprüche wegen Behinderung und weiter hilfsweise auf kartellrechtliche Ansprüche gemäß §§ 19 Absätze 1 und 4 Nr.1, 20 Abs.1 und 33 Abs.1 GWB gestützt wird (vgl. BGH GRUR 2011, 521 – TÜV I – Ls. 1 und 2 und Rdn. 5-13; GRUR 2011, 1043 – TÜV II – Rdn. 37 – jeweils zitiert nach juris).

22. Die Klage ist im wesentlichen, nämlich mit der aus dem Tenor ersichtlichen Maßgabe, begründet. Dabei ist hinsichtlich der maßgeblichen Rechtsgrundlagen zwischen dem Unterlassungsanspruch einerseits und den Anspruch auf Schadensersatz andererseits zu unterscheiden. Auf das in die Zukunft gerichtete Unterlassungsbegehren der Klägerin sind die Bestimmungen des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb in der derzeit geltenden Fassung anzuwenden. Der auf Wiederholungsgefahr gestützte Unterlassungsanspruch besteht allerdings nur, wenn das beanstandete Verhalten der Beklagten auch nach der zur Zeit der Begehung geltenden Fassung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb wettbewerbswidrig war. Dagegen kommt es für die Frage, ob der Klägerin ein Schadensersatzanspruch zusteht, allein auf das zur Zeit der beanstandeten Handlungen geltende Recht an (st. Rspr. des BGH, vgl. zuletzt Urteil vom 12.05.2011 – I ZR 53/10 – Seilzirkus – Rdn. 39 – zitiert nach juris). Im Ergebnis folgt aus der Anwendung des zum Zeitpunkt der (erstmaligen) Erteilung der Klassifizierung im April 2005 geltenden UWG 2004 und des nunmehr geltenden UWG 2008 jedoch keine abweichende Beurteilung der Rechtslage.

Entscheidungsgründe

23. Der mit dem Hauptantrag verfolgte wettbewerbliche Unterlassungsanspruch wegen Irreführung folgt aus den §§ 8 Abs.1, 3, 5 Abs.2 S.1 Nr.3 UWG a.F. bzw. §§ 8 Abs.1, 3 Abs.1, 5 Abs.1 Nr.3 UWG n.F. Der Senat teilt insoweit im Ergebnis die Bewertung des Landgerichts, allerdings mit der Maßgabe, dass der Beklagte nur Gehilfe der täterschaftlich von seinem Landesverband H… erteilten irreführenden Bewertung ist und Wiederholungsgefahr auch nur bezüglich der Förderung einer Erteilung durch Dritte und auch keine Erstbegehungsgefahr für eine eigene täterschaftliche Erteilung gegeben ist.

24. Entgegen der Auffassung des Beklagten stellt die Bewertung der M… D… bzw. seines Hotelbetriebs durch den Landesverband H… sowohl eine “Wettbewerbshandlung” nach § 2 Abs.1 Nr.1 UWG a.F. als auch eine “geschäftliche Handlung” nach § 2 Abs.1 Nr.1 UWG n.F. zugunsten eines fremden Unternehmens, mit dem die Klägerin in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis steht, dar. Eine andere Beurteilung wäre nur gerechtfertigt, wenn die Bewertung vorrangig anderen Zielen als der Absatzförderung gedient hätte, wie es in der Regel bei Warentests oder der Bewertung durch Verbraucherverbände der Fall ist und auch bei der gleichförmigen Bewertung reiner Hotelbetriebe durch die Landesverbände des Beklagten anzunehmen sein dürfte. Hier ist jedoch schon gut denkbar, dass wegen des Verbandszwecks, die – auch wirtschaftlichen – Belange des deutschen Hotel- und Gaststättengewerbes zu fördern, bereits mit der Entscheidung, nur unter deutscher Flagge fahrende Kreuzfahrtschiffe zu bewerten, ein wirtschaftliches Interesse des Handelnden an der Beeinflussung der Verbraucherentscheidung im Sinne der Buchung bei einem unter deutscher Flagge fahrenden Kreuzfahrtschiff vorliegt. Dies bedarf jedoch keiner abschließenden Entscheidung. Denn jedenfalls ist eine auf Absatzförderung gerichtete Wettbewerbshandlung bzw. geschäftliche Handlung hier deshalb anzunehmen, weil der Landesverband durch irreführende Beeinflussung der Verbraucherentscheidung gezielt in den Wettbewerb von Unternehmen eingreift. Dies ergibt sich, wie das Landgericht im Einzelnen zutreffend dargelegt hat, aus dem Umstand, dass ein für Beherbergungsbetriebe auf Kreuzfahrtschiffe hinsichtlich vieler Kriterien nicht passendes Bewertungssystem “verbiegend” herangezogen worden ist. Da die Einzelbewertung nicht offen gelegt worden ist, ist auch nicht nachvollziehbar, wie die vom Landgericht genannten einzelnen Punkte auf- oder abwertend berücksichtigt worden sind und in welcher Weise die Prüfungskommission dabei von ihrem – in den Kriterienkatalogen selbst nicht genannten – Ermessen Gebrauch gemacht hat. Besonders gravierend fällt nach Auffassung des Senats ins Gewicht, dass die M… D… die Höchstbewertung (5 Sterne Superior) erhalten hat, obwohl der Beherbergungsbetrieb nach dem unbestrittenen Vortrag der Klägerin allein 70 fensterlose Innenkabinen umfasst. Dass ein Hotelbetrieb zu Land mit 70 fensterlosen Zimmern die Höchstnote erhalten würde, erscheint ausgeschlossen. Dies wird auch dadurch erhärtet, dass nach allen im Verfahren eingereichten Kriterienkatalogen (vgl. Anlagen K3, K16, B7, B8 und BK2) die Verdunkelungsmöglichkeit (durch Vorhänge oder Rolläden), die bei jedem Hotelzimmer durchgängig erfüllt sein muss, als Mindestvoraussetzung für die Erteilung jeder Klassifizierung – also bereits für die Auszeichnung mit einem Stern – ausgestaltet ist. Dies setzt aber die Existenz von Fenstern zwingend voraus.

25. Dass auch die weiteren Voraussetzungen des Irreführungstatbestands erfüllt sind, hat das Landgericht überzeugend ausgeführt; dem schließt sich der erkennende Senat an. Dies gilt insbesondere für die Ausführungen zur Irreführung des Verbrauchers bei Erteilung der Klassifizierung “5 Sterne Superior” ohne Klassifizierung nach einem System speziell für Kreuzfahrtschiffe und ohne Erfüllung des konkret angewendeten Klassifizierungssystems “D… H… ”. Damit wird lauterkeitsrechtlich nichts dagegen eingewandt, dass der Landesverband H… des Beklagten aufgrund seines Verbandszwecks die Entscheidung dahin getroffen hat, nur unter deutscher Flagge fahrende Kreuzfahrtschiffe zu bewerten. Wenn er dies tut, muss er dies aber in einer Weise tun, die den Verbraucher nicht irreführt.

26. Täter der Erstbegehung sind allein diejenigen, die unten auf der Zertifizierungsurkunde (B2) die Verantwortung für die Erteilung übernommen haben, also der rechtlich selbständige Landesverband Hamburg des Beklagten und die von diesem mit der Durchführung der Zertifizierung beauftragte G… -GmbH. Die aus der Analogie zu § 1004 BGB entwickelte Störerhaftung, auf die das Landgericht sein Urteil gestützt hat, kommt – wie der Bundesgerichtshof inzwischen entschieden hat – in den dem Verhaltensunrecht zuzuordnenden Fällen, zu denen insbesondere das Wettbewerbsrecht zählt, nicht (mehr) in Betracht (vgl. BGH GRUR 2011, 152 – Kinderhochstühle im Internet – Rdn. 48 – zitiert nach juris). Auch eine täterschaftliche Haftung aufgrund Organisationsverschuldens oder aufgrund einer Verkehrspflichtverletzung erscheint dem erkennenden Senat zu weit hergeholt. Unter dem Gesichtspunkt einer wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflichtverletzung haftet nur, wer durch sein Handeln im geschäftlichen Verkehr die ernsthafte Gefahr begründet, dass Dritte durch das Wettbewerbsrecht geschützte Interessen von Marktteilnehmern verletzen, und gleichwohl diese Gefahr nicht im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren begrenzt (vgl. nur BGHZ 173, 188 – Jugendgefährdende Medien bei eBay – Ls.2 und Rdn. 22, 36 – zitiert nach juris). Indem der Beklagte den Kriterienkatalog schuf und den Landesverbänden zur Anwendung überließ, hat er aber nicht bereits “in nahe liegender Weise” (vgl. BGH aaO. Rdn. 22 – zitiert nach juris) die “ernsthafte” Gefahr einer Verletzung wettbewerbsrechtlicher geschützter Interessen von Marktteilnehmern geschaffen, die der Gefahr durch eine allgemein zugängliche Internetplattform – die das Modell für die richterrechtliche Fortentwicklung des Begriffs der Täterschaft aufgrund Verkehrspflichtverletzung abgegeben hat – vergleichbar wäre.

27. Wohl aber ist der Beklagte Teilnehmer der Erstbegehung, weil er als Gehilfe die irreführende Bewertung durch seinen Landesverband vorsätzlich gefördert hat. Der fördernde Beitrag ergibt sich aus Folgendem: Der Beklagte ist Inhaber der geschützten Wortbildmarke “D… H… ” und der Wortmarke “D… ”, die auf dem Zertifikat (Anlage B 2 = Bl. I 44 d.A.) Verwendung gefunden haben und deren Verwendung für einen zertifizierten Betrieb gerade das Gütesiegel im Verkehr bedeutsam prägen. Er muss deren Verwendung gerade auch für die Zertifizierung des Betriebs der M… D… zumindest konkludent lizensiert haben. Dies ist daraus herzuleiten, dass er nicht nur gegen die Verwendung nicht eingeschritten ist, sondern sie positiv mitgetragen haben muss, wie daraus ablesbar ist, dass der Vorsitzende des Hotelzertifizierungsausschusses des Beklagten, Herr Otto, das so gestaltete Zertifikat öffentlich verliehen hat (vgl. Anlage K 15). Das feierliche Überreichen des Zertifikats durch diesen Funktionsträger des Beklagten selbst stellt darüber hinaus eine bedeutsame Mitwirkungshandlung bei der Verlautbarung des Zertifizierungsergebnisses dar, die den Umständen nach auch darauf gerichtet war, das Gewicht eines solchen Funktionsträgers, dem besondere Sachkunde im Verkehr zuerkannt wird, positiv für die öffentliche Aussagekraft des Bescheinigten fruchtbar zu machen. Die Richtigkeit dieser Gesamtbewertung wird indiziell auch durch die sachliche Verteidigung durch den Beklagten im Nachhinein unterstrichen. Dass der Vorsitzende des Hotelzertifizierungsausschusses wusste, dass keine eigenständigen Bewertungskriterien für Kreuzfahrtschiffe entwickelt worden waren, liegt auf der Hand. Dass die Kriterien für die Hotelklassifizierung auf Kreuzfahrtschiffe nicht direkt und vollständig übertragbar waren, muss ihm auch klar gewesen sein, so dass ohne Vergewisserung über die Art der Anwendung zumindest ein eventual-vorsätzliches Mitwirken gegeben ist.

28. Die Wiederholungsgefahr ist mangels Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung nicht ausgeräumt.

29. Der Durchsetzung des nach alledem begründeten Unterlassungsanspruchs steht auch die erst zweitinstanzlich erhobene Verjährungseinrede nicht entgegen, weil der durch die Mitwirkung des Beklagten geschaffene Störungszustand mindestens bis Oktober 2011 – dem Ablauf der im Jahre 2008 erneuerten Zertifizierung – noch angedauert hat. Ob dem Unterlassungsanspruch auch unter dem Gesichtspunkt des Behinderungswettbewerbs oder auf kartellrechtlicher Grundlage stattzugeben wäre, bedarf keiner weiteren Prüfung, weil schon der Hauptklagegrund durchgreift.

30. Der nach § 256 ZPO zulässige Feststellungsantrag ist nach § 9 S.1 UWG a.F. aus den bereits vom Landgericht zutreffend aufgezeigten Gründen begründet.

31. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 92 Abs.1, 97 Abs.1, 516 Abs.3 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr.10, 711 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs.2 ZPO nicht erfüllt sind. Weder hat die Sache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs. Die für die Entscheidung maßgeblichen Rechtsfragen sind hinreichend geklärt. Im Übrigen beruht die Entscheidung auf den besonderen Umständen des vorliegenden Falls.

32. Die beantragte Erklärungsfrist war dem Beklagten nicht einzuräumen, da der Schriftsatz der Gegenseite vom 21. November 2011 kein neues entscheidungserhebliches Tatsachenvorbringen enthält.

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