Keine Sterne-Klassifizierung für Schiffe

LG Offenburg: Keine Sterne-Klassifizierung für Schiffe

Ein Verband zur Förderung der gewerblichen Interessen klagt wegen eines Wettbewerbsverstoßes gegen die Herausgeberin einer Zeitschrift. Sie hatte in dieser für eine Kreuzfahrt auf einem 5-Sterne Schiff geworben. Der Verband geht hiergegen vor, da eine Sterne-Klassifizierung bei Schiffen unüblich ist.
Das Landgericht Offenburg hält die Klage für begründet. Eine offizielle Sterneklassifizierung existiere für Schiffe nicht.

LG Offenburg 5 O 32/12 KfH (Aktenzeichen)
LG Offenburg: LG Offenburg, Urt. vom 30.07.2012
Rechtsweg: LG Offenburg, Urt. v. 30.07.2012, Az: 5 O 32/12 KfH
Fragen & Antworten zum Thema
Verwandte Urteile
Weiterführende Hinweise und Links
Hilfe und Beratung bei Fragen

Baden-Württemberg-Gerichtsurteile

Landgericht Offenburg

1. Urteil vom 30. Juli 2012

Aktenzeichen: 5 O 32/12 KfH

Leitsatz:

2. Eine Werbung mit einer bestimmten Sternezahl für ein Kreuzfahrtschiff ist unzulässig und irreführend, da eine offizielle Sterneklassifizierung für Schiffe nicht existent ist.

Zusammenfassung:

3. Der Kläger, ein Verband zur Förderung der gewerblichen Interessen, klagt wegen eines mutmaßlichen Wettbewerbsverstoßes gegen die Beklagte, die unter anderem Herausgeberin einer Zeitschrift ist. In dieser Zeitschrift habe sich ein Artikel befunden in dem eine Kreuzfahrt beworben wurde. Diese enthielt in der Beschreibung die Werbeaussage „Fünf-​Sterne-​Komfort auf dem schönen Schiff“. Der Kläger hält diese Werbeaussage für unzulässig, da sie irreführend und folglich für den Verbraucher nachteilig sei.

Das Landgericht Offenburg hält die Klage für begründet und spricht dem klagenden Verband einen Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte zu. Das Gericht ist der Ansicht, die Beklagte habe gegen § 5 a Abs. 3 Nr. 2 UWG verstoßen und sieht in der streitgegenständlichen Werbeaussage eine unzulässige geschäftliche Handlung gegenüber Verbrauchern (§ 3 Abs. 2 UWG i. V. m. § 5 a Abs. 2 UWG).

Unter der Bezeichnung „5 Sterne“ assoziiere der durchschnittliche Verbraucher ein Hotel mit einem bestimmten, hohen Standard, der von unabhängiger und neutrale Stelle geprüft und gewertet werde. Eine solche offizielle Sterneklassifizierung bzw. Bewertung ist für Schiffe jedoch nicht existent. Die Beklagte habe für die Schiffsreise also mit irreführenden Angaben geworben.

Tenor:

4. Die Beklagte wird verurteilt, es ab sofort zu unterlassen,

a) im geschäftlichen Verkehr in Werbeanzeigen oder sonst werblich für Reisen mit Kreuzfahrtschiffen mit der Aussage „Fünf-​Sterne-​Komfort auf dem schönen Schiff …“ zu werben und/oder werben zu lassen;

und/oder

b) im geschäftlichen Verkehr für von Dritten veranstaltete Pauschalreisen unter Hinweis auf konkrete Merkmale der Reise, wie Ausgangs- und Endpunkt, Reiseroute, Dauer der Fahrt, vom Reisepreis umfasste Leistungen, sowie unter den Hinweis auf den Preis zu werben und/oder werben zu lassen, ohne dabei die Identität und Anschrift des Reiseveranstalters anzugeben.

Der Beklagten wird für jeden Fall einer Zuwiderhandlung gegen eine der Unterlassungsverpflichtungen gemäß
Ziff. 1 Ordnungsgeld bis zu 250.000 EUR und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, an ihrem Geschäftsführer zu vollziehende Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten angedroht. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Tatbestand:

5. Die Parteien streiten um einen Wettbewerbsverstoß.

6. Der Kläger ist ein Verband zur Förderung der gewerblichen Interessen. Die Beklagte gibt unter anderem die Zeitschrift F. heraus. In der Ausgabe Nr. 16 der Zeitschrift F. vom 11. April 2012 befand sich ein Artikel, der sich unter der Überschrift „Große F. Leserkreuzfahrt von Köln nach Frankfurt und zurück. Erleben Sie mit uns den Rhein in Flammen!“ mit einer Schiffsreise befasste. In diesem Artikel hieß es unter anderem als Bildunterschrift zu dem Kreuzfahrtschiff … Fünf-​Sterne-​Komfort auf dem schönen Schiff …“. Veranstalter dieser Reise war die Firma … . Angaben über diesen Veranstalter der Reise waren in diesem Artikel nicht enthalten. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Ablichtung des Artikels Anlage K 1 Bezug genommen.

7. Der Kläger mahnte die Beklagte wegen dieses Artikels zunächst mit Schreiben vom 24. April 2012 (Anlage K 3) u. a. wegen der Angabe „Fünf-​Sterne-​Komfort“ ab. Nachdem die Beklagte diese Abmahnung mit Schreiben vom 26. April zurückwies, weil es sich um eine Leserreise handele, forderte der Kläger die Beklagte mit Schreiben vom 7. Mai 2012 (Anlage K 5) wegen der streitgegenständlichen Wettbewerbsverstöße zu einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf. Dies wies die Beklagte mit Schreiben vom 14. Mai 2012 zurück. Mit Schriftsatz vom 25. Mai 2012, beim Gericht eingegangen am 29. Mai 2012, hat der Kläger den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt.

8. Der Kläger meint, dass die Beklagte verpflichtet sei, den Veranstalter der Reise in der Anzeige bekannt zu geben. Sie genüge ihren Informationspflichten gemäß § 5 a Abs. 1 und 3 Nr. 2 BGB nicht. Es handele sich um eine Werbeanzeige; denn die Beklagte begleitet die Reise lediglich redaktionell. Zum anderen werde in irreführender Weise mit einem Fünf-​Sterne-​Komfort geworben. Für Schiffe existiere jedoch kein allgemein anerkanntes Gütesicherungssystem ähnlich wie bei Hotels.

9. Der Kläger beantragt,

10. die Beklagte zu verurteilen, es ab sofort zu unterlassen,

11. im geschäftlichen Verkehr in Werbeanzeigen oder sonst werblich für Reisen mit Kreuzfahrtschiffen mit der Aussage „Fünf-​Sterne-​Komfort auf dem schönen Schiff …“ zu werben und/oder werben zu lassen;

12. und/oder

13. im geschäftlichen Verkehr für von Dritten veranstaltete Pauschalreisen unter Hinweis auf konkrete Merkmale der Reise, wie Ausgangs- und Endpunkt, Reiseroute, Dauer der Fahrt, vom Reisepreis umfasste Leistungen, sowie unter den Hinweis auf den Preis zu werben und/oder werben zu lassen, ohne dabei die Identität und Anschrift des Reiseveranstalters anzugeben.

14. der Beklagten für jeden Fall einer Zuwiderhandlung gegen eine der Unterlassungsverpflichtungen gemäß Ziff. 1 Ordnungsgeld bis zu 250.000 EUR und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, an ihrem Geschäftsführer zu vollziehende Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten anzudrohen.

15. Die Beklagte beantragt,

16. die Klage abzuweisen.

17. Sie meint, dem Antrag Ziff. 1 b fehle es bereits an der erforderlichen Dringlichkeit. Der Kläger habe erst am 7. Mai 2012 gerügt, dass unzureichende Angaben vorliegen, und einen Eilantrag erst 3 Wochen später eingereicht.

18. Im übrigen bestehe kein Verfügungsanspruch. Bei dem Artikel handele es sich nicht um Werbung, sondern um einen redaktionellen Beitrag zu einer Leserreise. Deshalb greift das Haftungsprivileg der Presse. Die Anforderungen des § 5 a UWG seien – selbst wenn man diese Norm anwenden wollte – erfüllt. Der Hinweis im Fließtext auf die … Reiseleitung genüge, weil der Verbraucher die Kontaktdaten des Veranstalters … ohne Schwierigkeiten selbst herausfinden können. Bei der Angabe „Fünf-​Sterne-​Komfort auf dem schönen Schiff … handele es sich lediglich um einen redaktionellen Hinweis darauf, dass der Komfort des beschriebenen Schiffes mit demjenigen einer Fünf-​Sterne-​Einrichtung vergleichbar sei. Auf eine Kennzeichnung eines Gütesystems werde nicht abgestellt.

19. Die Parteien haben sich mit einer Entscheidung durch den Vorsitzenden allein einverstanden erklärt (§ 349 Abs. 3 ZPO).

Entscheidungsgründe:

20. Die Klage ist zulässig und begründet.

21. Ein Verfügungsgrund besteht bezüglich beider Unterlassungsbegehren. Die Dringlichkeit ist nicht schon deshalb entfallen, weil der Kläger die Beklagte zunächst nicht im Hinblick auf die Angaben zu dem Veranstalter abgemahnt hat und zwischen der ersten Abmahnung wegen einer Preisrätselauslobung und dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung fünf Wochen liegen. Diese Zeitspanne genügt unter den Umständen des Streitfalles nicht, damit die Dringlichkeitsvermutung (§ 12 Abs. 2 UWG) widerlegt ist.

22. Dem Kläger steht auch ein Verfügungsanspruch zu. Der Kläger ist gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG klagebefugt. Die Beklagte hat wettbewerbswidrig gehandelt, so dass dem Kläger gemäß § 8 Abs. 1 UWG i. V. m. § 3 Abs. 1 UWG Unterlassungsansprüche zustehen, was nach § 12 Abs. 2 UWG auch im Wege der einstweiligen Verfügung erfolgen kann.

23. Die Beklagte hat gegen § 5 a Abs. 3 Nr. 2 UWG verstoßen. Darin liegt eine unzulässige geschäftliche Handlung gegenüber Verbrauchern (§ 3 Abs. 2 UWG i. V. m. § 5 a Abs. 2 UWG). Veranstalter und tatsächlicher Anbieter der Reise ist unstreitig die … . Der Text des Artikels enthält keine genauen Angaben über die Identität des Unternehmens, dass die Reise tatsächlich anbietet. Auch im übrigen lässt sich dem Artikel nicht entnehmen, wer sich hinter … verbirgt. Angaben über die Anschrift der … fehlen ebenfalls. Es genügt nicht, dass der Verbraucher erkennen kann, auf welche Weise außerhalb des Artikels er sich die Kontaktdaten des Veranstalters besorgen kann. Vielmehr liegt im Sinne der Rechtsprechung des EuGH (GRUR 2011, 930) bereits aufgrund des Artikels eine Aufforderung zum Kauf vor.

24. Zu Unrecht macht die Beklagte geltend, es handele sich um einen redaktionellen Beitrag zu einer Leserreise. Der Artikel ist nach Gestaltung, Duktus und Inhalt nichts anderes als eine Werbung für eine Schiffskreuzfahrt auf dem Rhein. Er zielt nach dem Verständnis eines durchschnittlich informierten Verbrauchers allein darauf, die Leser der Zeitschrift … für die Schiffskreuzfahrt als Teilnehmer und zahlende Kunden zu gewinnen. Dieses Interesse verfolgt die Beklagte, die mit diesem Artikel Werbung für ihre Leserreise macht, so dass das geschäftliche Interesse zweifelsfrei im Vordergrund steht.

25. Die Beklagte hat für die Reise auf dem Schiff … auch mit irreführenden Angaben geworben und damit gegen § 5 Abs. 1 Nr. 3 UWG verstoßen.

26. Die Angabe „Fünf-​Sterne-​Komfort auf dem schönen Schiff, …“ nimmt auf ein dem durchschnittlich informierten Verbraucher bekanntes Bewertungssystem insbesondere aus dem Hotelgewerbe Bezug. Tatsächlich existiert ein solches Bewertungssystem für Schiffe nicht. Es handelt sich auch nicht lediglich um eine Anpreisung eines bestimmten Standards oder einen bloß vergleichender Hinweis auf einen Komfort, der dem eines Fünf-​Sterne-​Hotels entsprechen soll. Der durchschnittlich informierte Verbraucher versteht die Gestaltung der Werbung und die Aussage der Beklagten vielmehr so, dass das Schiff … einer Fünf-​Sterne-​Kategorie zuzuordnen ist. Da es eine solche Kategorisierung für Schiffe nicht gibt und die bekannte Kategorisierung für Hotels auf Schiffe nicht passt (vgl. KG, WRP 2012, 480), wird der Verbraucher in irreführender Weise über das beworbene Schiff und die angebotene Leistung getäuscht. Insbesondere ist es – worauf die Klägervertreterin in der mündlichen Verhandlung hingewiesen hat – so, dass bei Schiffen die innenliegenden Kabinen schon von vornherein nicht den Komfort einer Fünf-​Sterne-​Kategorie bieten können. Die entsprechende Werbung ist daher zu unterlassen.

27. Die Kostenentscheidung folgt § 91 ZPO, eine Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ist entbehrlich, weil es sich um eine einstweilige Verfügung handelt.

Fragen zu diesem Urteil? Diskutiere in unserem Forum.

Fragen & Antworten zum Thema

Fragen & Antworten zum Thema: LG Offenburg: Keine Sterne-Klassifizierung für Schiffe

Verwandte Entscheidungen

OLG Celle, Urt. v. 09.12.2004, Az: 11 U 170/03
AG Hamburg, Urt. v. 31.10.2011, Az: 4 C 254/09

Berichte und Besprechungen

Spiegel: Luxus-Kreuzfahrtschiff: Gericht untersagt Hotelsterne für „MS Deutschland“
Die Welt: Keine Hotelsterne mehr für das „Traumschiff“
Focus: Die Sehnsucht nach Meer“Sterne taugen nichts“
Forum Fluggastrechte: Gibt es Sterne-Klassifizierung bei Schiffen?
Passagierrechte.org: Irreführende Werbung

Rechtsanwälte für Reiserecht

Hilfe bei rechtlichen Fragen: Rechtsanwälte für Reiserecht oder Rechtsanwälte für Fluggastrechte