Weitere Zahlung an Hotelbetreiber wegen Insolvenz des Reiseveranstalters
EuGH: Weitere Zahlung an Hotelbetreiber wegen Insolvenz des Reiseveranstalters
Aufgrund der Insolvenz ihres Reiseveranstalters mussten Hotelurlauber den bereits gezahlten Reisepreis noch einmal an den Hotelinhaber zahlen, der sie an der Abreise hinderte. Den doppelt entrichteten Preis fordern diese nun vom Versicherer des insolventen Veranstalters ersetzt.
Der Europäische Gerichtshof hat den Klägern Recht zugesprochen. Der Zahlungsanspruch gegen die Versicherung ergebe sich aus dem in Artikel 7 der Richtlinie 90/314/EWG garantierten Gewährleistungsschutz.
Gericht | C-364/96 (Aktenzeichen) |
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EuGH: | EuGH, Urt. vom 04.05.1998 |
Rechtsweg: | EuGH, Urt. v. 04.05.1998, Az: C-364/96 |
EuGH, Urt. v. 04.12.1997, Az: C-364/96 | |
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Leitsatz:
2. Urlauber, die aufgrund der Insolvenz des Reiseveranstalters die bereits bezahlten Unterbringungskosten ein weiteres Mal an den Hotelinhaber entrichten müssen, da sie andernfalls das Hotel nicht verlassen können, um den Rückflug anzutreten, sind von der Erstattungsgarantie gemäß Artikel 7 der Richtlinie 90/314/EWG geschützt.
Zusammenfassung:
3. Die Kläger hatten bei eine Kretareise mit Unterbringung in einem Hotel gebucht und den Preis vor Reiseantritt komplett bezahlt. Aufgrund der Insolvenz des Reiseveranstalters hinderte der Hotelinhaber die Reisenden an der Abreise, um sie zur erneuten Entrichtung der Unterbringungskosten zu zwingen. Vom Versicherer des Reiseveranstalters forderten die Reisenden die Erstattung der gezahlten Beträge.
Das Wiener Bezirksgericht für Handelssachen setzte die Verhandlung aus, da das Urteil von der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes abhing, ob im vorliegenden Fall der Gewährleistungsschutz des Artikel 7 der Richtlinie 90/314/EWG greife, der vorsehe, dass den Kunden insolventer Reiseveranstalter gezahlte Beiträge zu erstatten sein und ihre Rückreise gewährleistet werden müsse.
Der Europäische Gerichtshof hat den Klägern Recht zugesprochen. Der besagte Artikel sei so auszulegen, dass die Kläger den zusätzlich gezahlten Preis erstattet bekommen müssten, da dieser ein gezahlter Betrag im Sinne der Verordnung sei und ihre Rückreise vereitelt worden wäre, hätten sie ihn nicht an den Hotelier bezahlt.
Tenor:
4. Artikel 7 der Richtlinie 90/314/EWG des Rates vom 13. Juni 1990 über Pauschalreisen ist dahin auszulegen, daß ein Sachverhalt, bei dem ein Pauschalreisender, der seine Unterbringungskosten vor der Reise an den Veranstalter gezahlt hat, aufgrund von dessen Zahlungsunfähigkeit gezwungen ist, diese Kosten noch einmal gegenüber dem Hotelier zu begleichen, weil er anderenfalls nicht das Hotel verlassen könnte, um seinen Rückflug anzutreten, unter dem Gesichtspunkt der Erstattung der gezahlten Beträge in den Geltungsbereich dieses Artikels fällt.
Gründe:
5. Das Bezirksgericht für Handelssachen Wien hat dem Gerichtshof mit Beschluß vom 21. Oktober 1996, beim Gerichtshof eingegangen am 14. November 1996, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag eine Frage nach der Auslegung der Richtlinie 90/314/EWG des Rates vom 13. Juni 1990 über Pauschalreisen (ABl. L 158, S. 59; im folgenden: Richtlinie) zur Vorabentscheidung vorgelegt.
6. Diese Frage stellt sich in einem Rechtsstreit zwischen dem Verein für Konsumenteninformation und der Österreichischen Kreditversicherungs AG über die Erstattung der Unterbringungskosten, die die Käufer einer Pauschalreise infolge der Zahlungsunfähigkeit eines Reiseveranstalters an einen Hotelier gezahlt haben, an diese.
7. Nach Artikel 7 der Richtlinie muß der Reiseveranstalter nachweisen, „daß im Fall der Zahlungsunfähigkeit oder des Konkurses die Erstattung gezahlter Beträge und die Rückreise des Verbrauchers sichergestellt sind“.
8. Dieser Artikel wurde durch die Verordnung BGBl. Nr. 881/94 (BGBl. Nr. 881/94 vom 15. November 1994, S. 6501) in österreichisches Recht umgesetzt, die in § 3 bestimmt, daß der Reiseveranstalter durch Abschluß eines Versicherungsvertrags bei einem in Österreich zugelassenen Versicherer sicherzustellen hat, daß dem Pauschalreisenden die bereits entrichteten Zahlungen, soweit die Reiseleistungen gänzlich oder teilweise infolge Insolvenz des Reiseveranstalters nicht erbracht wurden, und notwendige Aufwendungen für die Rückreise, die infolge Insolvenz des Reiseveranstalters entstanden sind, erstattet werden.
9. Die Eheleute Hofbauer hatten bei der Karthago-Reisen GmbH (im folgenden: Karthago-Reisen), Wien, eine Pauschalreise nach Kreta für die Zeit vom 9. bis 16. September 1995 gebucht, die den Flug und die Unterbringung in Halbpension umfasste. Der Preis der Reise war vor ihrem Antritt vollständig gezahlt worden.
10. Nachdem er von der Zahlungsunfähigkeit der Karthago-Reisen Kenntnis erlangt hatte, verlangte der Inhaber des Hotels, in dem die Eheleute Hofbauer sowie weitere Kunden der Karthago-Reisen untergebracht waren, am 15. September 1995 von diesen die Bezahlung sämtlicher Übernachtungen in seinem Hotel, wobei er sie nach Angaben der Reisenden mit physischer Gewalt am Verlassen des Hotels hinderte.
11. Um ihren Rückflug antreten zu können, bezahlten die Eheleute Hofbauer daher einen Betrag von 157 542 DR an Kosten für die Unterbringung im Hotel.
12. Nach ihrer Rückkehr beauftragten die Eheleute Hofbauer und die anderen betroffenen Reisenden den Verein für Konsumenteninformation (im folgenden: Kläger), dessen Vereinszweck u. a. der Rechtsschutz auf dem Gebiet des Verbraucherschutzes ist, ihre Rechte gegenüber der Österreichischen Kreditversicherungs AG (im folgenden: Beklagte) als Versicherer der Karthago-Reisen geltend zu machen.
13. Da letztere es ablehnte, den Reisenden die an den Hotelier gezahlten Hotelkosten zu erstatten, erhob der Kläger mit Schriftsatz vom 16. Januar 1996 Klage beim Bezirksgericht für Handelssachen Wien.
14. Dieses ist der Auffassung, die Entscheidung über den Rechtsstreit hänge von der Auslegung der Richtlinie ab; es hat daher beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:
15. Ist Artikel 7 der Richtlinie 90/314/EWG des Rates vom 13. Juni 1990 über Pauschalreisen dahin gehend auszulegen, daß auch die Bezahlung von Beträgen, die der Verbraucher an den Leistungsträger (z. B. den Hotelier) vor Ort erbringt, weil ihn dieser ohne Bezahlung an der Rückreise hindert, vom Schutzbereich der genannten Bestimmung als „Sicherstellung der Rückreise des Verbrauchers“ umfasst wird?
16. Die Frage des vorlegenden Gerichts geht im wesentlichen dahin, ob Artikel 7 der Richtlinie dahin auszulegen ist, daß ein Sachverhalt, bei dem ein Pauschalreisender, der seine Unterbringungskosten vor der Reise an den Veranstalter gezahlt hat, aufgrund von dessen Zahlungsunfähigkeit gezwungen ist, diese Kosten noch einmal gegenüber dem Hotelier zu begleichen, weil er anderenfalls nicht das Hotel verlassen könnte, um seinen Rückflug anzutreten, in den Geltungsbereich dieses Artikels fällt.
17. Der Kläger, die griechische Regierung und die Kommission tragen vor, in Anbetracht des von Artikel 7 verfolgten Zieles, den Verbraucher gegen die wirtschaftlichen Risiken der Zahlungsunfähigkeit oder des Konkurses des Reiseveranstalters zu schützen, falle ein Sachverhalt wie der in der Vorabentscheidungsfrage beschriebene in den Geltungsbereich des Artikels 7, da der Wortlaut dieser Vorschrift einer solchen Auslegung nicht entgegenstehe.
18. Nach Auffassung des Klägers und der griechischen Regierung lässt sich die in Anspruch genommene Deckung nämlich im Sinne von Artikel 7 der Richtlinie entweder als „Erstattung der gezahlten Beträge“ ansehen, da die vom Reisenden unmittelbar an den Hotelier geleistete Zahlung bedeute, daß die Unterbringung nicht vom Reiseveranstalter bezahlt worden sei, oder als Erstattung der für die „Rückreise“ notwendigen Aufwendungen.
19. Die Kommission ist der Auffassung, die Aufwendungen, um die es im Ausgangsverfahren gehe, seien als für die „Rückreise des Verbrauchers“ notwendig anzusehen.
20. Die österreichische Regierung trägt vor, mit Rücksicht auf die Schadensminderungspflicht des Verbrauchers komme die Erstattung nur für die Aufwendungen in Betracht, die notwendig und unvermeidbar seien.
21. Die Beklagte und die französische Regierung vertreten die Auffassung, die Vorabentscheidungsfrage sei zu verneinen. Aus dem Begriff der „Sicherstellung der Rückreise des Verbrauchers“ ergebe sich, daß nur die Aufwendungen erstattet werden müssten, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Rückreise des Verbrauchers stuenden, wie Taxi- oder Flugkosten.
22. Da die Richtlinie ausschließlich das Vertragsverhältnis zwischen dem Pauschalreisenden und dem Veranstalter der Reise regele, dürfe sie nicht so ausgelegt werden, daß auch ein Dienstleistungserbringer in den Genuß des durch Artikel 7 gewährten Schutzes gelange und damit indirekt, auf dem Umweg über den Verbraucher, den er „als Geisel genommen“ habe, das Entgelt für seine Leistungen erhalte, obwohl er nicht am Pauschalreisevertrag selbst beteiligt sei. Die Aussicht auf eine mögliche indirekte Entschädigung über den Verbraucher könnte die Leistungserbringer zur Ausweitung derartiger Praktiken anregen.
23. Zunächst einmal ist darauf hinzuweisen, daß das Ziel des Artikels 7 der Richtlinie im Schutz der Verbraucher gegen Risiken besteht, die sich aus der Zahlungsunfähigkeit oder dem Konkurs des Veranstalters ergeben. Wie die französische Regierung vorgetragen hat, ergeben sich diese mit dem Vertrag zwischen dem Verbraucher und dem Veranstalter der Pauschalreise verbundenen Risiken aus der Vorauszahlung des Pauschalreisepreises und aus der ungeklärten Aufteilung der Haftung zwischen dem Veranstalter und den verschiedenen Leistungsträgern, aus deren Dienstleistungen sich diese Pauschalreise zusammensetzt. Somit schließt das in Artikel 7 der Richtlinie vorgegebene Ziel das Recht des Pauschalreisenden ein, daß im Fall der Zahlungsunfähigkeit oder des Konkurses des Veranstalters die Erstattung der von ihm gezahlten Beträge und seine Rückreise sichergestellt werden (Urteil vom 8. Oktober 1996 in den verbundenen Rechtssachen C-178/94 , C-179/94 , C-188/94 , C-189/94 und C-190/94 , Dillenkofer u. a., Slg. 1996, I-4845, Randnr. 42).
24. Sodann ist festzustellen, daß die Garantie der „Erstattung der gezahlten Beträge“ die Fälle betrifft, in denen die Zahlungsunfähigkeit oder der Konkurs des Veranstalters nach Vertragsschluß und vor Beginn der Erfuellung des Vertrages eintritt oder in denen die Leistungen während der Vertragserfuellung eingestellt werden und dem Verbraucher der Teil der Zahlung zu erstatten ist, der den nicht erbrachten Leistungen entspricht. Was die Garantie der „Rückreise des Verbrauchers“ angeht, soll diese verhindern, daß letzterer während der Erfuellung des Vertrages an seinem Aufenthaltsort deswegen festgehalten wird, weil der Beförderer sich wegen der Zahlungsunfähigkeit des Veranstalters weigert, die der Rückreise entsprechende Leistung zu erbringen.
25. In Anbetracht der Zielsetzungen der Richtlinie, insbesondere ihres Artikels 7, ist letzterer dahin auszulegen, daß er auch einen Sachverhalt erfasst, in dem ein Hotelier den Reisenden zur Zahlung der Unterbringungskosten zwingt mit der Begründung, dieser Betrag werde ihm von dem zahlungsunfähig gewordenen Reiseveranstalter nicht bezahlt. Das fragliche Risiko ergibt sich nämlich für den Verbraucher, der die Pauschalreise gekauft hat, aus der Zahlungsunfähigkeit oder dem Konkurs des Veranstalters; es muß daher durch die Garantien, die der Veranstalter dem Verbraucher bietet, gedeckt sein.
26. Zum Argument der Beklagten und der französischen Regierung, eine solche Auslegung des Artikels 7 würde die Hoteliers zur Ausweitung von Praktiken der im Ausgangsverfahren beschriebenen Art anregen, ist festzustellen, daß – wie der Kläger hervorgehoben hat – die Versicherer sich, wenn sie dies für erforderlich halten, an die Hoteliers halten können und daß sie jedenfalls besser in der Lage sind, gegen die Hoteliers vorzugehen, als die Reisenden.
27. Ferner ist darauf hinzuweisen, daß in Anbetracht dessen, daß der Reisende in einer Situation wie derjenigen des Ausgangsverfahrens die Unterbringungskosten tatsächlich zweimal gezahlt hat – zunächst an den Reiseveranstalter, dann an den Hotelier – die dem Versicherer obliegende Verpflichtung in der „Erstattung der gezahlten Beträge“ besteht. Da der Reisende in Wirklichkeit auf seine eigenen Kosten untergebracht worden ist, müssen ihm die Beträge, die er an den Veranstalter gezahlt hatte, erstattet werden, da infolge der Zahlungsunfähigkeit des letzteren die vereinbarten Leistungen nicht vom Veranstalter an den Reisenden erbracht worden sind.
28. Somit ist auf die Vorlagefrage zu antworten, daß Artikel 7 der Richtlinie dahin auszulegen ist, daß ein Sachverhalt, bei dem ein Pauschalreisender, der seine Unterbringungskosten vor der Reise an den Veranstalter gezahlt hat, aufgrund von dessen Zahlungsunfähigkeit gezwungen ist, diese Kosten noch einmal gegenüber dem Hotelier zu begleichen, weil er anderenfalls nicht das Hotel verlassen könnte, um seinen Rückflug anzutreten, unter dem Gesichtspunkt der Erstattung der gezahlten Beträge in den Geltungsbereich dieses Artikels fällt.
Kosten:
29. Die Auslagen der österreichischen, der griechischen und der französischen Regierung sowie der Kommission, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.
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