Verkauf von Bahnkarten in Discountmärkten

LG Frankfurt: Verkauf von Bahnkarten in Discountmärkten

Die beklagte Deutsche Bahn hatte in einer Supermarktkette limitiert Fernreisetickets verkauft. Die Klägerin, ein Reiseunternehmen, sah hierin eine unzulässige Beschränkung des Wettbewerbs und klagte auf Unterlassung.

Das Landgericht wies die Klage ab. Es stehe der Deutschen Bahn als Wirtschaftsunternehmen offen, zur Gewinnung von Neukunden auch andere Vertriebskanäle zu verwenden. Eine einschneidende Behinderung des Geschäftes der Klägerin sei nicht erkennbar.

LG Frankfurt 2-6 O 226/05 (Aktenzeichen)
LG Frankfurt: LG Frankfurt, Urt. vom 19.05.2005
Rechtsweg: LG Frankfurt, Urt. v. 19.05.2005, Az: 2-6 O 226/05
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Landgericht Frankfurt

1. Urteil vom 19. Mai 2005

Aktenzeichen 2-6 O 226/05

Leitsatz:

2. Der deutschen Bahn steht es offen, Karten für Fernreisen in zeitlich limitierten Angeboten auch über Lebensmitteldiscounter zu vertreiben.

Zusammenfassung:

3. Die beklagte Deutsche Bahn hatte in einer Kette von Lebensmitteldiscountern zeitlich limitiert Fernreisetickets verkauft. Die Klägerin, ein Reiseunternehmen, sah hierin eine unzulässige Beschränkung des Wettbewerbs und eine unbillige Beeinträchtigung ihres Geschäftes. Daher verlangte sie, der Beklagten per einstweiliger Verfügung die in Rede stehende Sonderaktion zu untersagen.

Das Landgericht wies die Klage ab. Die Deutsche Bahn sei zwar potentiell auf dem Markt für Personenbeförderungsleistungen marktbeherrschend. Es stehe der Deutschen Bahn als Wirtschaftsunternehmen aber offen, zur Gewinnung von Neukunden auch andere Vertriebskanäle zu verwenden. Eine einschneidende Behinderung des Geschäftes der Klägerin sei nicht erkennbar. Daher sei der Antrag abzulehnen.

Tenor

4. Der Antrag vom 12.05.2005 auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Der Streitwert wird auf EUR 100.000,– festgesetzt.

Gründe

5. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung war zurückzuweisen.

6. Es besteht kein Verfügungsgrund.

7. Nach § 940 ZPO sind einstweilige Verfügungen zulässig, wenn eine vorläufige Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile erforderlich ist. Die Antragstellerin hat vorgetragen, durch den Fahrkartenvertrieb zu einem Aktionspreis bestünde die Gefahr, dass Kunden regulärer Fahrkarten für den Zeitraum der Gültigkeit der Sonderfahrkarten zu dem Discountmarkt abwandern. Hierdurch würde ein nicht wieder gutzumachender Schaden entstehen. Es ist nicht plausibel dargelegt, warum ein nicht wieder gutzumachender Schaden entsteht. Die Antragstellerin hat nicht vorgetragen, welche konkreten Auswirkungen auf ihren Umsatz zu erwarten sind. Das Gericht weiß zum Beispiel nicht, welchen Anteil das Fernreisengeschäft an dem Gesamtumsatz der Antragsgegnerin hat. Es ist deshalb nicht erkennbar, ob die Antragstellerin bei Durchführung der Aktion in eine existenzbedrohende Lage geraten könnte. Da die Aktion zeitlich begrenzt ist, ist auch nicht zu befürchten, dass Kunden dauerhaft zu Lidl abwandern. Führt die Aktion nur allgemein zu einem Umsatzverlust, kann dieser Schaden bei Durchführung des Hauptsacheverfahrens geltend gemacht werden. Ein Grund für eine Eilentscheidung besteht deshalb nicht.

8. Es besteht auch kein Verfügungsanspruch.

9. Die Antragstellerin kann von der Antragsgegnerin nicht Unterlassung des Angebots von Fahrkarten zu einem Aktionspreis über Lebensmittel-Discountmärkte verlangen. Sie kann auch nicht das Anbieten solcher Fahrkarten ohne Beteiligung der Antragstellerin verlangen.

10. Ein entsprechender Unterlassungsanspruch lässt sich nicht auf § 20 GWB stützen. Danach dürfen marktstarke Unternehmen in einem Geschäftsverkehr, der gleichartigen Unternehmen üblicherweise zugänglich ist, ein Unternehmen nicht unbillig behindern. Die Antragsgegnerin mag auf dem Angebotsmarkt der Personenbeförderungsleistungen bzw. auf dem Nachfragemarkt für die Vermittlung von Personenbeförderungsleistungen eine marktbeherrschende Stellung innehaben. In dem Angebot von Fahrkarten über Lebensmittel-Discountmärkte zu einem Aktionspreis liegt jedoch keine unbillige Behinderung oder Ungleichbehandlung der Antragstellerin.

11. Eine unbillige Behinderung liegt vor, wenn wirtschaftlich gleichliegende Sachverhalte ungleich zu behandelt werden, sofern kein sachlich rechtfertigender Grund für die Ungleichbehandlung gegeben ist (vgl. BGH WuW/E 2483, 2490 – Sonderungsverfahren; Bechtold, § 20 GWB, Rn. 41). Für die Beurteilung, ob ein sachlicher Grund für eine Ungleichbehandlung vorliegt, ist im Einzelfall eine Interessenabwägung erforderlich. Dabei sind einerseits entsprechend der Zielsetzung des Gesetzes die Freiheit des Wettbewerbs und andererseits die Respektierung eines gewissen unternehmerischen Freiraums zu berücksichtigen.

12. In dem exklusiven Vertrieb der Fahrkarten über die Lebensmitteldiscountmarktkette Lidl liegt keine unbillige Behinderung anderer Vertriebskanäle. Erklärtes Ziel der Maßnahme ist die Gewinnung von Neukunden. Dies ergibt sich aus dem als Anlage CBH 2 vorgelegten Rundschreiben der Antragsgegnerin. Hierbei handelt es sich für ein auf Gewinnerzielung ausgerichtetes Wirtschaftsunternehmen um einen legitimen Zweck. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin erscheint das zeitlich befristete Angebot einer Fahrkarte zu einem Aktionspreis über einen Discountmarkt nicht von vornherein ungeeignet, dieses Ziel zu fördern. Das Angebot hat den Charakter einer einmaligen Sonderaktion und ist damit besonders werbewirksam. Vergleichbare Sonderaktionen von Lebensmitteldiscountmarktketten für non-food-Artikel sind inzwischen üblich und werden von vielen Verbrauchern wahrgenommen. Es wird dadurch ein gewisser Jagdinstinkt ausgelöst, der zum Absatz hoher Stückzahlen führt. Gerade dadurch, dass die Fahrkarten nicht wie üblich im Reisebüro oder am Fahrkartenschalter, sondern in Lebensmittelmärkten angeboten werden, können neue Kundenpotentiale angesprochen werden.

13. Die Interessen der Antragstellerin werden nicht unverhältnismäßig beeinträchtigt. Das Angebot ist nur für Fernreisende, nicht für alle Fahrkartenkunden attraktiv. Das Angebot ist zeitlich befristet. Die Absatzchancen der Antragstellerin werden deshalb nicht vollständig blockiert. Letztlich kommt der Antragstellerin langfristig die Gewinnung von Neukunden, die sonst andere Verkehrsmittel bevorzugen, zugute.

14. Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch lässt sich auch nicht auf eine Verletzung des Agenturvertrages zwischen den Parteien oder auf eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots nach § 86 a HGB stützen. Nach dem Agenturvertrag ist es nicht ausgeschlossen, dass die Antragsgegnerin auch andere Vertriebswege für den Absatz von Fahrkarten nutzt. Dem Vertragsziel, Kunden zu gewinnen, läuft die streitgegenständliche Aktion aus den oben dargelegten Gründen nicht zuwider. Eine systematische Schädigung der Antragstellerin durch Preisunterbietung kann nicht angenommen werden. Hierfür sind keinerlei Anhaltspunkte ersichtlich. Gelegentliche Sonderaktionen über andere Vertriebskanäle stellen keine systematische Schädigung der Handelsvertreter dar. Der Antragsgegnerin darf es nicht verwehrt sein, durch besondere Aktionen auf ihr Angebot aufmerksam zu machen und neue Kundenkreise zu erschließen.

15. Die Schutzschrift der Antragsgegnerin vom 12.05.2005 lag vor.

16. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Streitwertfestsetzung richtet sich nach §§ 20 Abs. 1 GKG, 3 ZPO.

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