Stornopauschale in Höhe von 100% des Reisepreises ist unzulässig

LG Frankfurt: Stornopauschale in Höhe von 100% des Reisepreises ist unzulässig.

Mit der Unterzeichnung eines Reisevertrages werden auch die allgemeinen Geschäftsbedingungen (kurz: AGB) des Reiseveranstalters Vertragsbestandteil.

Einige Klauseln der AGB sind nicht immer im Sinne des Reisenden und sogar unzulässig. So zum Beispiel Klauseln die eine Stornopauschale in Höhe des Reisepreises vorschreiben.

LG Frankfurt 2-2 O 114/09 (Aktenzeichen)
LG Frankfurt: LG Frankfurt, Urt. vom 18.12.2009
Rechtsweg: LG Frankfurt, Urt. v. 18.12.2009, Az: 2-2 O 114/09
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Landgericht Frankfurt

1. Urteil vom 18. Dezember 2009

Aktenzeichen: 2-2 O 114/09

Leitsätze:

2. Allgemeine Geschäftsbedingungen eines Reiseveranstalters werden zum Bestandteil des Reisevertrages mit der Unterschrift des Reisenden.

Eine Klausel in den allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Reiseveranstalters, die eine Stornopauschale in Höhe von 100 % des Reisepreises vorschreibt ist unzulässig.

Zusammenfassung:

3. Die Klägerin, ein Verbraucherschutzverein, begeht von der Beklagten, einer Reiseveranstalterin, die Unterlassung von der Verwendung einer Klausel in den allgemeinen Geschäftsbedingungen (kurz: AGB). Jene Klausel verlangt von dem Reisenden eine Stornopauschale in Höhe von 100 % des Reisepreises, wenn er die Reise storniert. Mit Unterzeichnung des Reisevertrages werden die AGB zum geltenden Bestandteil des Reisevertrages und entwickeln Pflichten für den Reisenden.

Die Richter am Landgericht in Frankfurt waren der Ansicht der Klägerin. Eine solche Klausel darf nicht verwendet werden. Sie stellt eine Benachteiligung für den Reisenden dar, da sie gegen den Grundgedanken des Reisevertrages – jeder hat das Recht, wann er will von der Reise zurückzutreten – verstößt.

Tenor:

4. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- Euro, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an ihren Geschäftsführern, zu unterlassen, im Wettbewerb handelnd

in Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Zusammenhang mit Pauschalreiseverträgen gegenüber Verbrauchern wörtlich oder inhaltsgleich nachstehende Klauseln zu verwenden und/oder sich bei der Abwicklung bestehender Verträge auf diese Klauseln zu berufen:

„Anzahlung 200,- Euro pro Person (bitte bei Anmeldung) am… geleistet“;

„Stornogebühren:… ab 06.03.2009 1.598,- Euro jeweils pro Person.“

im Zusammenhang mit der Veranstaltung von Pauschalreisen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen Stornopauschalen zu verwenden, ohne den Verbraucher auf die Möglichkeit des Nachweises eines geringeren Schadens hinzuweisen

und/oder

sich bei der Abwicklung bestehender Verträge auf derartige Stornopauschalen zu berufen;

Die Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin 208,65 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5%-​Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.07.2009 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 50.000,- Euro vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

5. Die Klägerin, die als Verbraucherschutzverein in die beim Bundesjustizamt nach § 4 Abs. 1 UKlaG geführte Liste qualifizierter Einrichtungen eingetragen ist, nimmt die Beklagte auf Unterlassung der Verwendung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen in Anspruch.

6. Die Beklagte, die als Reiseveranstalterin für Einzel- und Gruppenreisen im In- und Ausland tätig ist, erstellte ein Anmeldeformular, auf das im übrigen verwiesen wird (Bl. 11 d. A.), für eine Reise der Deutsch-​Israelischen Gesellschaft nach Israel in der Zeit vom 18.03.2009 bis 29.03.2009 zu einem Reisepreis von 1.598,-​Euro, welches u.a. nachfolgende Bedingungen enthielt:

7. „Anzahlung 200,- Euro pro Person (bitte bei Anmeldung) am… geleistet“.

8. „Stornogebühren: Nach Anmeldung bis 28.01.2009 50,- Euro, bis 11.02.2009 100,-​Euro, ab 25.02.2009 500,-​Euro, ab 06.03.2009 1.598,-​Euro jeweils pro Person.“

9. Das Anmeldeformular wurde von Reisenden zur Buchung der Israelreise benutzt.

10. Die Klägerin forderte die Beklagte mit Schreiben vom 23.03.2009 und 07.04.2009 auf, die Verwendung der o. g. Klausel zu unterlassen und insoweit eine strafbewehrte Unterlassungserklärung zu unterzeichnen. Dies wurde von der Beklagten mit Schreiben vom 30.03.2009 abgelehnt.

11. Die Klägerin begehrt mit ihrer der Beklagten am 30.06.2009 zugestellten Klage die Unterlassung o. g. Klauseln.

12. Die Klägerin behauptet, das Anmeldeformular sei von der Beklagten an sämtliche Mitglieder der Deutsch-​Israelischen Gesellschaft versandt worden. Sie ist der Ansicht, die Klausel, nach der bei Anmeldung eine Anzahlung geleistet werden solle, verstoße gegen die Vorschrift des § 651 k BGB. Die in dem Anmeldeformular enthaltenen Stornopauschalen seien insoweit unzulässig, als bei Nichtantritt der Reise der Verfall des vollständigen Reisepreises vorgesehen sei, da dies nicht dem gewöhnlichen Schadensverlauf entspreche. Zudem seien die Stornopauschalen nicht mit § 309 Ziff. 5 b BGB vereinbar.

13. Die Klägerin beantragt,

14. die Beklagte zu verurteilen,

16. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- Euro, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an ihren Geschäftsführern, zu unterlassen, im Wettbewerb handelnd

17. a) in Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Zusammenhang mit Pauschalreiseverträgen gegenüber Verbrauchern wörtlich oder inhaltsgleich nachstehende Klauseln zu verwenden und/oder sich bei der Abwicklung bestehender Verträge auf diese Klauseln zu berufen:

18. aa) „Anzahlung 200,- Euro pro Person (bitte bei Anmeldung) am… geleistet“;

19. bb) „Stornogebühren:… ab 06.03.2009 1.598,- Euro jeweils pro Person.“

20. b) im Zusammenhang mit der Veranstaltung von Pauschalreisen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen Stornopauschalen zu verwenden, ohne den Verbraucher auf die Möglichkeit des Nachweises eines geringeren Schadens hinzuweisen;

21. und/oder

22. sich bei der Abwicklung bestehender Verträge auf derartige Stornopauschalen zu berufen;

23. an sie 208,65 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5%-​Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.07.2009 zu zahlen.

23. Die Beklagte beantragt,

24. die Klage abzuweisen.

25. Die Beklagte behauptet, dass das streitgegenständliche Reiseformular nicht direkt an die Reisenden versandt worden sei. Vielmehr sei das Formular direkt und ohne Wissen und Zutun von der Deutsch-​Israelischen Gesellschaft auf deren Homepage gestellt worden.

Entscheidungsgründe:

26. Die Klage ist begründet.

1.

27. Die Beklagte hat die von der Klägerin in dem Anmeldeformular beanstandeten Klauseln i. S. des § 1 UKlaG verwendet.

28. Dabei kann dahinstehen, ob die Beklagte das Formular direkt an die Mitglieder der Deutsch-​Israelischen Gesellschaft gesandt hatte oder lediglich als Abstimmungspapier an die Vizepräsidentin der Gesellschaft. Auch ist es unerheblich, ob bzw. auf welche Art und Weise das Anmeldeformular auf der Homepage der Deutsch-​Israelischen Gesellschaft eingestellt worden ist.

29. Eine Verwendung der Klauseln durch die Beklagte liegt unzweifelhaft vor, da Reisende die Reise bei der Beklagten unstreitig über das streitgegenständliche Anmeldeformular gebucht haben, so dass die in dem Formular enthaltenen Klauseln Bestandteil des Vertrages zwischen der Beklagten und den Reisenden geworden sind.

2.

30. Die von der Klägerin beanstandete Klauseln sind unwirksam, da sie gegen die Vorschriften der §§ 307 Abs. 2 Nr. 1, 309 Ziff. 5 b, 651 k, m BGB verstoßen.

31. Die Klausel betreffend die Anzahlung von 200,- Euro verstößt gegen §§ 651 k, 651 m BGB.

32. Reiseveranstalter dürfen Zahlungen der Reisenden auf den Reisepreis nämlich nur annehmen, wenn dem Reisenden ein Sicherungsschein übergeben wurde (§ 651 k Abs. 4 BGB). Dass die Beklagte vor der Entgegennahme der Anzahlung einen Sicherungsschein an die Reisenden aushändigt, sieht das Anmeldeformular jedoch nicht vor. Eine Abweichung von der Vorschrift des § 651 k BGB zum Nachteil des Reisenden ist gem. § 651 m BGB unzulässig.

33. Dass die Stornogebühr ab 06.03.2009 den vollen Reisepreis beträgt, verstößt gegen die Vorschrift des § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB, da dies eine Abweichung von dem wesentlichen Grundgedanken des § 651 i BGB bedeutet.

34. Gem. § 651 i BGB ist der Partner eines Reisevertrages berechtigt, jederzeit, also auch unmittelbar vor Antritt der Reise, vom Reisevertrag zurück zu treten. Macht er hiervon Gebrauch, verliert der Reiseveranstalter seinen Anspruch auf den vereinbarten Reisepreis. An seine Stelle tritt eine angemessene Entschädigung. Anders als bei § 649 BGB entfällt also der vertragliche Vergütungsanspruch, weshalb Pauschalen nach § 651 i Abs. 3 BGB im allgemeinen niedriger angesetzt werden müssen als bei einem Werkvertrag. Der Reiseveranstalter muss sich nicht nur den böswillig unterlassenen, sondern jeden möglichen anderweitigen Erwerb sowie die ersparten Aufwendungen anrechnen lassen. Die 100%-​ige Pauschale ab dem 06.03.2009 bewirkt in ihrer Konsequenz, dass die Beklagte abweichend von der gesetzlichen Regelung des § 651 i BGB ihren vollen Vergütungsanspruch für die Reise behält (vgl. OLG Nürnberg, NJW 1999, 3128).

35. Schließlich verstoßen die von der Beklagten in dem Anmeldeformular vorgesehene Stornogebühren gegen § 309 Ziff. 5 b) BGB, der auf alle Schadenersatzansprüche und auch auf die Entschädigung des § 651 i Abs. 3. BGB anzuwenden ist (vgl. Palandt/Sprau, BGB, 67. Aufl., § 651 i, Rz. 4) und der bestimmt, dass die Pauschalierung von Schadensersatzansprüchen unzulässig ist, wenn – wie vorliegend – dem anderen Vertragsteil nicht ausdrücklich der Nachweis gestattet wird, ein Schaden sei überhaupt nicht entstanden oder wesentlich geringer als die Pauschale.

3.

36. Die Klägerin hat gegen die Beklagte Anspruch auf Zahlung von 208,65 Euro, da die Beklagte gem. §§ 5 UKlaG, 12 UWG zum anteiligen Ersatz der Personal- und Sachkosten in Form einer Kostenpauschale, die auch der Höhe nach gerechtfertigt ist, verpflichtet ist (vgl. OLG Hamburg, MMR 2008, 743).

37. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 1 BGB.

38. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1, ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.

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