Seltener technischer Defekt

AG Rüsselsheim: Seltener technischer Defekt

Im vorliegenden Fall buchte die Klägerin bei der Beklagten einen Flug, welcher mehr als 7 Stunden Verspätung hatte. Die Beklagte, als ausführendes Luftfahrtunternehmen begründete diese Verspätung mit einem technischen Defekt. Die Klägerin verlangt nun von ihr eine Ausgleichszahlung wegen Flugverspätung bzw. wegen Flugannullierung.

Das Amtsgericht Rüsselsheim hat der Klägerin einen solchen Anspruch zugesprochen, da ein technischer Defekt kein außergewöhnlicher Umstand im Sinne der VO ist und eine Inanspruchnahme der Beklagten somit nicht ausschließt.

AG Rüsselsheim 3 C 774/10 (31) (Aktenzeichen)
AG Rüsselsheim: AG Rüsselsheim, Urt. vom 11.08.2010
Rechtsweg: AG Rüsselsheim, Urt. v. 11.08.2010, Az: 3 C 774/10 (31)
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Amtsgericht Rüsselsheim

1.Urteil vom 11. August 2010

Aktenzeichen 3 C 774/10 (31)

Leitsatz:

2. Das Risiko, dass an dem eingesetzten Fluggerät selbst ein Defekt auftritt, fällt grundsätzlich in den betrieblichen Einflussbereich von Luftfahrtunternehmen und begründet keinen außergewöhnlichen Umstand im Sinne der Fluggastverordnung.

Zusammenfassung:

3. Vorliegend buchte die Klägerin bei der Beklagten einen Flug, wodurch die Parteien einen Luftbeförderungsvertrag schlossen. Dieser Flug hatte eine Verspätung von mehreren Stunden aufgrund eines technischen Defekts. Die Klägerin erreichte ihr Zielort erst sieben Stunden später, da die Maschine unplanmäßig an einem anderen Ort landete und die Passagiere dann mit einem Bus weiterbefördert wurden. Sie verlangt nun von der Beklagten eine Ausgleichszahlung wegen Flugannullierung bzw. Flugverspätung nach der Fluggastverordnung.

Das Amtsgericht Rüsselsheim sprach der Klägerin einen Anspruch auf Ausgleichzahlung nach der Fluggastverordnung zu. Es kann vorliegend dahingestellt bleiben, ob eine Flugverspätung oder Flugannullierung vorlag. Wenn der Flug mehr als 3 Stunden Verspätung hatte, steht den Fluggästen ebenso ein Ausgleichsanspruch zu, wie bei einer Flugannullierung. Hier erlitten die Fluggäste einen Zeitverlust von sieben Stunden durch den verspäteten Flug.

Mithin begründet der hier vorliegende technische Defekt keinen außergewöhnlichen Umstand im Sinne der VO, die das Luftfahrtunternehmen von einer Inanspruchnahme befreien könnten. Dies gilt auch dann, wenn das Luftfahrtunternehmen alle vorgeschriebenen oder sonst bei Beachtung der erforderlichen Sorgfalt gebotenen Wartungsarbeiten frist- und ordnungsgemäß ausgeführt hat.

 

Tenor:

4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 200 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit der 10.05.2010 zzgl. 83,54 Euro vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten zu zahlen; im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

5. Von der Ausführung des Tatbestandes wird gemäß § 313 a Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

6. Die Klage ist überwiegend begründet.

7. Die Klägerin hat gegen die Beklagte ihm zuerkannten Umfang wegen der nicht planmäßigen Durchführung einer Flugreise einen Ausgleichsanspruch nach Artikel 7 Abs. 1 b der Verordnung (EG) Nr. 261/2004.

8. Nach dem insoweit unstreitigen Parteienvortrag führte die Klägerin den planmäßigen Flug DE 1633 von L nach D am 12.04.2010 nicht planmäßig aus sondern mit mehrstündiger Verspätung, wobei zudem die Maschine nicht in D sondern in F landete und die Flugpassagiere dann per Bustransfer an den eigentlichen Zielflughafen D gebracht wurden. Gegenüber der planmäßigen Ankunft verzögerte sich hierdurch die Ankunft um insgesamt über 7 Stunden.

9. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 18.02.2010 Az.: Xa ZR 95/06) hat die Klägerin als Fluggast wegen einer mehr als dreistündigen Ankunftsverspätung einen Ausgleichsanspruch nach Artikel 7 der vorgenannten Verordnung.

10. Diesem Ergebnis steht nicht entgegen, dass die Beklagte im Sinne von Artikel 5 Abs. 3 der vorgenannten Verordnung als außergewöhnliche Umstände für den verspäteten Rückflug einen technischen Defekt im Kompressor des linken Motors des eingesetzten Fluggerätes anführt.

11. Das Risiko, dass an dem eingesetzten Fluggerät selbst ein Defekt auftreten, fällt grundsätzlich in den betrieblichen Einflussbereich der Beklagten als Luftfahrtunternehmen. Die Beklagte hat jedoch keine Umstände vorgetragen, wonach dieses technische Problem seine Ursache in von ihr nicht beherrschbaren Umständen hatte. Allein die Seltenheit eines derartigen Defektes und die fehlende Verpflichtung, die defekten Teile einer ständigen Wartung und Kontrolle zu unterziehen, rechtfertigt nicht die Annahme des Vorliegens außergewöhnlicher Umstände im Sinne von Artikel 5 Abs. 3 der vorgenannten Verordnung. Es fehlt mithin an einer Exkulpationsmöglichkeit für die Beklagte, so dass die Klägerin einen Ausgleichsanspruch nach Artikel 7 der Verordnung hat.

12. Unter Berücksichtigung der vorprozessualen Leistung der Beklagten besteht daher noch der titulierte Anspruch der Klägerin.

13. Der Zinsanspruch ist aus dem Zahlungsverzug der Beklagten begründet (§§ 286 ff. BGB), wobei für den Verzugseintritt die endgültige Leistungsverweigerung der Beklagten gemäß dem Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 10.05.2010 den Verzug auslöste. Die einseitige Fristsetzung seitens der Klägerin führte nicht zum Verzug, sondern allenfalls zur Fälligkeit eines Anspruchs. Wegen der Zinsmehrforderung war die Klage daher abzuweisen.

14. Die vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten hat die Klägerin der Beklagten als Verzugsschaden zu ersetzen.

15. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 92 Abs. 2 ZPO.

16. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht nach §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.

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