Schlechte Wetterbedingungen und Anordnungen der Flugsicherung

AG Köln: Schlechte Wetterbedingungen und Anordnungen der Flugsicherung

Eine Reisende buchte bei einer Airline einen zweiteiligen Linienflug. Weil der Anschlussflug wegen einer schweren Unwetters annulliert wurde, verlangt die Reisende eine Ausgleichszahlung für den annullierten sowie den unnötig gewordenen Zubringerflug.

Das Amtsgericht Köln hat der Klägerin teilweise Recht zugesprochen. Während ein Anspruch auf Ausgleichszahlung bezüglich des Zubringerfluges bestehe, entfalle ein solcher bezüglich des Anschlussfluges wegen des Vorliegens außergewöhnlicher Umstände.

AG Köln 142 C 537/16 (Aktenzeichen)
AG Köln: AG Köln, Urt. vom 06.11.2017
Rechtsweg: AG Köln, Urt. v. 06.11.2017, Az: 142 C 537/16
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Amtsgericht Köln

1. Urteil vom 6. November 2017

Aktenzeichen 142 C 537/16

Leitsätze:

2. Bestehen keine zumutbaren Möglichkeiten, die ein Flugveranstalter bei außergewöhnlichen Umständen ergreifen kann, um eine Annullierung zu verhindern, besteht für die Passagiere ein Anspruch auf Erstattung des Beförderungsentgelts.

Passagieren zugestandene Ausgleichszahlungen, die an einen Drittanbieter gezahlt werden, befreien eine Fluggesellschaft nicht von der Ausgleichspflicht gegenüber den Passagieren, sofern die Geldempfangsbevollmächtigung des Drittanbieters nicht nachgewiesen wird.

Zusammenfassung:

3. Die Kläger sind Flugreisende, die von einer Airline wegen der Annullierung eines Fluges die Erstattun des Pflugpreises und weiteren Schadensersatz fordern. Vor dem Amtsgericht Köln berief sich die Beklagte auf außergewöhnliche Umstände, die in schlechter Wetterlage und daraus folgenden Steuerungsmaßnahmen der Flugsicherung bestanden hätten.

Das Amtsgericht Köln hat der Klägerin teilweise Recht zugesprochen. Für das Gericht war nicht ersichtlich, dass Maßnahmen, beispielsweise die Bereitsstellung eines Ersatzfluges oder Subcharters, um den außergewöhnlichen Umständen beizukommen und die Annullierung abzuwenden in zumutbarem Maß möglich gewesen wären.
Daher gestand es den Klägern die Erstattung der Beförderungskosten zu, wies jedoch sonstige Schadensersatzansprüche ab. Zugleich stellte es fest, dass eine Zahlung an das buchende Reisebüro, die vor der Verhandlung erfolgt war, nicht von der Ausgleichspflicht befreie, da es an einem Nachweis fehlte, dass das Reisebüro für die Ansprüche der Kläger geldempfangsbevollmächtigt war.

Tenor:

4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger zu 1.) 36,33 Euro, an die Klägerin zu 2.) und die Klägerin zu 3.) jeweils 35,33 Euro und an die Klägerin zu 4.) 33,33 Euro jeweils nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 08.12.2016 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreites tragen die Kläger jeweils 22,5 % und die Beklagte 10 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Klägern wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteiles vollstreckbaren Betrages abzuwenden, soweit nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils aufgrund des Urteiles vollstreckbaren Betrages geleistet hat.

Tatbestand:

5. Die Kläger nehmen die Beklagte, eine Fluggesellschaft, auf Ausgleichszahlung und Rückzahlung von Beförderungsentgelt in Anspruch.

6. Die Kläger buchten bei der Beklagten über das Online Reisebüro F. für sich am 00.00.0000 Flüge von Lamezia nach München und von München nach Frankfurt zu einem Gesamtpreis in Höhe von 924,00 Euro. Gebucht wurde der Flug XX 0000 von Lamezia nach München mit Start in Lamezia um 17:35 Uhr und Landung in München um 19:31 Uhr sowie der Flug XX 000 von München nach Frankfurt mit Start in München um 21:00 Uhr und Landung in Frankfurt um 22:00 Uhr. Der Flug von München nach Frankfurt wurde annulliert. Die Beklagte zahlte an das Reisebüro für die annullierte Teilstrecke einen Betrag in Höhe von 140,33 Euro.

7. Die Kläger behaupten, dass der Flugpreis für die Strecke Lamezia – München – Frankfurt 235,35 Euro gekostet habe. Sie sind der Ansicht, dass die Beklagte ihnen nach Art. 8 Abs. 1 lit. a) EG VO 261/2004 (im Folgenden: FluggastVO) zur Rückzahlung des gesamten auf diese Flugstrecke entfallenden Flugpreises verpflichtet sei. Dieser belaufe sich auf 58,83 Euro je Kläger. Weiter stehe ihnen wegen der Annullierung eine Ausgleichszahlung nach Art. 7 Abs. 1 lit. a) FluggastVO in Höhe von jeweils 250,00 Euro zu.

8. Nach Klagerücknahme in Höhe von jeweils 4 Cent beantragen die Kläger,

die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger jeweils 308,83 Euro nebst Zinsen in Höhe von jeweils 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 08.12.2016 zu zahlen.

9. Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

10. Die Beklagte behauptet, dass sich der auf den annullierten Flug entfallende Teil des Beförderungsentgeltes auf 36,33 Euro für den Kläger zu 1.), jeweils 35,33 Euro für die Klägerinnen zu 2.) und 3.) sowie 33,33 Euro für die Klägerin zu 4.). Durch die Erstattung an das Reisebüro sei Erfüllung eingetreten. Die Beklagte behauptet weiter, dass die Annullierung des Fluges von München nach Frankfurt auf einen aussergewöhnlichen Umstand gemäss Art. 5 Abs. 3 FluggastVO zurückzuführen sei. Durch die Deutsche Flugsicherung sei es am 00.00.0000 um 15.40 Uhr UTC zu einer Reduzierung der Anflugrate auf 42 Flüge pro Stunde, ab 16:40 Uhr UTC zu einer Reduzierung der Anflugrate auf 20 Anflüge pro Stunde und ab 18:40 Uhr UTC zu einer Anhebung der Anflugrate auf 30 Anflüge pro Stunde gekommen. Grund für die Steuerungsmassnahmen der Flugsicherung seien schwere, den Flughafen Frankfurt betreffende Gewitter gewesen. Aufgrund der durch die Steuerungsmassnahmen hervorgerufenen verzögerten Abwicklung am Flughafen Frankfurt sei absehbar gewesen, dass Flug XX 000 von einer erheblichen, über drei Stunden liegenden Verspätung im Umlauf betroffen sein würde. Die eingesetzte Crew drohte das gesetzlich vorgeschriebene Arbeitszeitlimit zu überschreiten und ab 23.00 Uhr (01.00 Uhr UTC) galt in Frankfurt ein Nachflugverbot. Aus diesem Grunde sei der Flug um 15.10 Uhr UTC annulliert worden.

11. Das Gericht hat Beweis erhoben gemäss Beweisbeschluss vom 30.01.2017 (Bl. 36 d.A.) durch Einholung einer Auskunft bei der Deutschen Flugsicherung und gemäss Beweisbeschluss vom 03.07.2017 (Bl. 59 d.A.) durch schriftliche Vernehmung der Zeugin J. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die schriftliche Stellungnahme der Deutschen Flugsicherung vom 13.03.2017 (Bl. 42 f d.A.) und auf die schriftliche Aussage der Zeugin J. vom 21.07.2017 (Bl. 66 ff d.A.) Bezug genommen.

12. Es wird weiter verwiesen auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen.

Entscheidungsgründe:

13. Die Klage ist teilweise begründet.

14. Den Klägern steht gegen die Beklagten ein Anspruch auf Rückzahlung von Beförderungsentgelt gemäss Art. 8 Abs. 1 lit. a) FluggastVO in Höhe von insgesamt 140,33 Euro zu. Weitere Ansprüche auch auf Ausgleichszahlung nach Art. 7 Abs. 1 lit. a) bestehen nicht.

I.

15. Die Kläger haben aus Art. 8 Abs. 1 lit a) FluggastVO einen Anspruch in Höhe des jeweils auf jeden Kläger entfallenden Anteiles (36,33 Euro für den Kläger zu 1.), jeweils 35,33 Euro für die Klägerinnen zu 2.) und 3.) sowie 33,33 Euro für die Klägerin zu 4.)) am Beförderungsentgelt, das auf die annullierte Strecke von München nach Frankfurt am 00.00.0000 entfällt. Dieser Anspruch ist durch die Zahlung an das Online Reisebüro nicht durch Erfüllung erloschen.

16. Art. 8 Abs. 1 lit. a) FluggastVO gewährt dem Fluggast iVm Art. 5 Abs. 1 lit. a) FluggastVO einen Anspruch auf Rückzahlung der Flugscheinkosten, wenn ein Flug annulliert wird. Dieser Anspruch erfasst auch die Kosten für bereits zurückgelegte Reiseabschnitte, wenn der Flug in Hinblick auf den ursprünglichen Reiseplan zwecklos geworden ist. Der Anspruch richtet sich gegen die den Flug ausführende Fluggesellschaft und ist gegenüber dem Fluggast zu erfüllen. Da es sich hierbei um einen unmittelbar aus der FluggastVO herrührenden Anspruch handelt und nicht um einen aus dem von dem Reisebüro vermittelten Beförderungsvertrag kann er grundsätzlich nicht durch Zahlung diesem gegenüber erfüllt werden, es sei denn diese wäre ausdrücklich von dem Fluggast dazu ermächtigt worden den Betrag in Empfang zu nehmen. Entgegen der Ansicht der Beklagten kommt es daher im Rahmen des Erstattungsanspruches aus Art. 8 Abs. 1 lit. a) auf die Rechtsverhältnisse zwischen ihr und dem Reisebüro nicht an. Gegen eine doppelte Inanspruchnahme kann sie sich dadurch schützen, dass sie sich bei der Zahlung eine Freistellung von Ansprüchen Dritter ausbedingt. Das Bestehen einer solchen Geldempfangsvollmacht bei dem Reisebüro auch für Zahlungen, die auf der Grundlage der FluggastVO erbracht werden, ist aber von der Fluggesellschaft darzulegen und zu beweisen. Zu der Höhe der zurückzuzahlenden Flugscheinkosten sowie ggfs. zu der Zwecklosigkeit der bereits zurückgelegten Reiseabschnitte muss indes der Fluggast vortragen und im Falle des Bestreitens den Nachweis erbringen.

17. Da die Beklagte vorliegend nicht dargelegt hat, dass das Online Reisebüro für eine Erfüllung des Anspruches aus Art. 8 Abs. 1 lit. a) geldempfangsbevollmächtigt war, kommt der Zahlung gegenüber den Klägern keine schuldbefreiende Wirkung zu. Soweit die Kläger den von ihnen beanspruchten Betrag in Höhe von 235,35 Euro der gesamten Strecke von Lamazia nach Frankfurt zugrunde legen, fehlt es an der substantiierten Darlegung der Zwecklosigkeit des Reiseabschnittes Lamazia / München. Insoweit ist festzustellen, dass es sich nach Massgabe der Buchungsbestätigung um die Rückreise handelte. Die teilweise bis nach München erfolgte Rückreise erweist sich aber nicht als zwecklos, da diese in jedem Fall hätte erfolgen müssen. Hinsichtlich der Höhe der für die annullierte Strecke von München nach Frankfurt angefallenen Flugscheinkosten sind die Kläger ihrer Darlegungslast nicht nachgekommen. Es ist nicht substantiiert dargelegt, welcher Kostenanteil nach Auffassung der Kläger auf den Streckenabschnitt München / Frankfurt entfallen soll. Aus der vorgelegten Buchungsbestätigung vom 00.00.0000 (Bl. 54 d.A.) ergibt sich nur der Gesamtpreis. Dementsprechend kann nur der von der Beklagten eingeräumte Betrag in Höhe von 140,33 entsprechend der von der Beklagten vorgetragenen Verteilung auf die Kläger zuerkannt werden.

18. Ein Anspruch auf Ausgleichzahlung in Höhe von jeweils 250,00 Euro gemäß Art. 7 FluggastVO besteht nicht, da die Beklagte sich zu Recht auf das Vorliegen eines außergewöhnlichen Umstandes gemäß Art. 5 Abs. 3 FluggastVO in Gestalt von mit dem Flug nicht zu vereinbaren Wetterbedingungen am 00.00.0000 berufen kann, ohne dass sie zumutbare Ersatzmaßnahmen zur Vermeidung der Annullierung von Flug XX 000 von München nach Frankfurt  hätte ergreifen können.

19. Am 00.00.0000 lagen aufgrund schwerer Gewitter über dem Zielflughafen Frankfurt einen außergewöhnlichen Umstand nach Art. 5 Abs. 3 FluggastVO iVm dem 14. Erwägungsgrund begründende Wetterbedingungen vor, die Steuerungsmaßnahmen der Flugsicherung auslösten, so dass nach dem 15. Erwägungsgrund für alle von den Steuerungsmaßnahmen betroffenen Flüge des Flug XX 000 ausführenden Flugzeuges an diesem Tag ein außergewöhnlicher Umstand vorlag.

20. Nach Art. 5 Abs. 3 der Fluggast VO entfällt die Pflicht zur Leistung von Ausgleichzahlungen, wenn das ausführende Luftfahrtunternehmen nachweisen kann, dass die Annullierung auf außergewöhnliche Umstände zurückzuführen ist, die sich auch dann nicht hätte vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären. Nach dem 14. Erwägungsgrund der FluggastVO können solche Umstände politische Instabilität, mit der Durchführung des betreffenden Fluges nicht zu vereinbarende Wetterbedingungen, Sicherheitsrisiken, unerwartete Flugsicherheitsmängel und Streiks sein. Der 15. Erwägungsgrund der FluggastVO sieht vor, dass von dem Vorliegen außergewöhnlicher Umstände ausgegangen werden sollte, wenn eine Entscheidung des Flugverkehrsmanagements zu einem einzelnen Flugzeug an einem bestimmten Tag zur Folge hat, dass es bei einem oder mehreren Flügen des betreffenden Flugzeuges zu einer großen Verspätung auch bis zum nächsten Tag oder zu einer Annullierung kommt. Hieraus ließe sich der Schluss ziehen, dass bereits jede Entscheidung des zuständigen Flugverkehrsmanagements losgelöst von ihrem Anlass einen außergewöhnlichen Umstand nach Art. 5 Abs. 3 FluggastVO darstellt, wenn sie zu einer großen Verspätung oder Annullierung führt. Diese Sichtweise würde bedeuten, dass der 15. Erwägungsrund einen eigenständigen von der Aufzählung in dem 14. Erwägungsgrund unabhängigen außergewöhnlichen Umstand definiert. Ein solches Verständnis ist aber schon aufgrund einer grammatikalischen und systematischen Auslegung zweifelhaft und würde auch dem Ausnahmecharakter des Art. 5 Abs. 3 FluggastVO zuwiderlaufen. Der 15. Erwägungsgrund folgt dem 14. unmittelbar nach und greift den in dem 14. Erwägungsrund erwähnten und definierten Begriff des außergewöhnlichen Umstandes am Anfang wieder auf und bestimmt, dass von dem Vorliegen außergewöhnlicher Umstände ausgegangen werden sollte, wenn die weiteren Voraussetzungen des 15. Erwägungsgrundes vorliegen. Damit wird inhaltlich auf den 14. Erwägungsgrund Bezug genommen. Durch die Wendung „soll ausgegangen werden“ wird der 14. Erwägungsgrund um eine Vermutung für das Vorliegen eines außergewöhnlichen Umstandes nach dem 14. Erwägungsgrund ergänzt, wenn eine Anordnung des Flugverkehrsmanagements vorliegt. Weiter wird der Anwendungsbereich des 14. Erwägungsgrundes für den Fall der mit der Durchführung des betreffenden Flug nicht zu vereinbarenden Wetterbedingungen erweitert, wenn sich die Anordnung des Flugverkehrsmanagements auf die Flüge eines Flugzeuges an einem bestimmten Tag im Sinne einer grossen Verspätung, einer Verspätung bis zum nächsten Tag oder einer Annullierung auswirkt. Dass es sich bei dem 15. Erwägungsgrund um eine Ergänzung und Erweiterung und nicht um einen weiteren selbständigen außergewöhnlichen Umstand handelt, ergibt sich auch aus Sinn und Zweck des Ausschlusses nach Art. 5 Abs. 3 FluggastVO. Art. 5 Abs. 3 FluggastVO ist als Ausnahmevorschrift grundsätzlich eng auszulegen. Das Gegenteil wäre der Fall, wenn schon jede Anordnung des Flugverkehrsmanagements einen außergewöhnlichen Umstand darstellen würde. Im normalen Flugbetrieb werden laufend Entscheidungen des Flugverkehrsmanagements getroffen, sei es von der Flugsicherung am Flughafen oder den regionalen und internationalen für verschiedene Flughöhen und Bereiche zuständigen Flugsicherungen. Würde man ohne auf den Grund der Anordnung abzustellen, bereits die Anordnung alleine genügen lassen würde der Anwendungsbereiches von Art. 5 Abs. 3 FluggastVO erheblich ausgedehnt. Die Aufzählung aussergewöhnlicher Umstände im 14. Erwägungsgrund wäre zum Teil überflüssig; da das Flugverkehrsmanagement bei Vorliegen solcher Umstände in der Regel regulierend eingreift. Dies ist mit dem Ziel der Verordnung ein hohes Schutzniveau für Fluggäste zu erreichen, nicht vereinbar. Der 15. Erwägungsgrund ist daher nur als Ergänzung um eine gesetzliche Vermutung für das Bestehen eines außergewöhnlichen Umstandes und als Erweiterung des Anwendungsbereich auf alle von einem Flugzeug durchgeführten Flüge eines Umlaufes im Falle der Beeinträchtigung durch Wetterbedingungen zu verstehen. Die Anordnung einer Vermutung wirkt sich auf Darlegungs- und Beweisebene für die Fluggesellschaft dergestalt erleichternd aus, dass sie abweichend von dem 14. Erwägungsgrund nur vortragen und ggfs. nachweisen muss, dass eine auf einen der im 14. Erwägungsgrund genannten außergewöhnlichen Umstände beruhende Anordnung des Flugverkehrsmanagements vorliegt. Dass die außergewöhnlichen Umstände tatsächlich vorlagen wird dann  vermutet und es bedarf keiner weiteren konkretisierenden Darlegung oder eines Beweises. Der Grund für diese Beweiserleichterung liegt darin, dass den Anordnungen der Flugsicherung aufgrund ihres oftmals auch hoheitlichen Charakters eine hohe Beweiskraft zukommt und zudem die Fluggesellschaften diesen Anordnungen Folge leisten müssen. Im Falle schlechter Wetterbedingungen genügt die Fluggesellschaft daher ihrer Darlegungs- und Beweislast, wenn sie darlegt und beweist, dass die große Verspätung oder Annullierung des Fluges oder der Flüge eines Flugzeuges an einem Tag auf eine auf Wetterbedingungen beruhende Anordnung der Flugsicherung zurückzuführen ist. Es ist dann Sache des Fluggastes diese Vermutung dadurch zu erschüttern, dass dargelegt wird, dass der Grund der Anordnung nicht in einer die Durchführung der Flüge hindernden Wetterlage lag sondern auf einen nicht von dem 14. Erwägungsgrund erfassen Umstand beruht.

21. Dies berücksichtigend hat die Beklagte auf der Grundlage der durchgeführten Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichtes den Nachweis geführt, dass eine auf schlechte Wetterbedingungen beruhende Anordnung der Flugsicherung am Flughafen Frankfurt am Main zu der Annullierung von Flug XX 000 von München nach Frankfurt am 28.08.2016 führte. Die Deutsche Flugsicherung GmbH hat in ihrer Auskunft angegeben, dass es am Flughafen Frankfurt zu Steuerungsmaßnahmen wegen Gewitter kam. Sie begannen um 15.40 Uhr UTC mit einer Reduzierung der Anflüge auf 42 bis 16:10 Uhr UTC und waren bis 19.40 Uhr UTC mit einer Reduzierung der Anflüge auf 49 angeordnet, wurden aber bereits um 17.04 Uhr UTC beendet. Weitere Steuerungsmaßnahmen betrafen die Startbahn 18 zwischen 13:20 Uhr UTC und  15:18 Uhr UTC. Dort konnte wegen Schäden an der Betondecke und erforderlichen Reparaturarbeiten nur Abflüge von Flugzeugen einer bestimmten Kategorie durchgeführt werden. Zweifel an der Richtigkeit dieser Angaben bestehen nicht. Die Zeugin J. hat in ihrer schriftlichen Aussage bekundet, dass es um 14:00 Uhr UTC zunächst die Anordnung der Flugsicherung gab ab 15.40 Uhr UTC bis 18:30 Uhr UTC die Rate von 56 auf 42 Anflüge zu senken und ab 18.30 Uhr UTC bis 21.00 Uhr UTC auf 49 Anflüge. Als Grund wurde die unberechenbare Wetterlage hinsichtlich Gewitter angegeben. Diese Anordnung wurde dann geändert und es wurden bereits ab 16:10 Uhr UTC 49 Anflüge zugelassen. Ab 17.20 Uhr UTC wurde die nach der Angabe der Zeugin wieder die volle Kapazität zugelassen. Weiter hat die Zeugin J. ausgesagt, dass nach der Information des Flughafens um 15.14 Uhr Ortszeit die Startbahn 18 nur für Flugzeuge mit Code C nutzbar war. Diese Maßnahme wurde um 17:24 Uhr Ortszeit. Die Zeugin hat sodann ausgeführt, dass diese Kapazitätsbegrenzung dazu führte, dass die Beklagte um 15.10 Uhr UTC wetterbedingte Annullierungen vornahm, die auch den Umlauf des für den streitgegenständlichen Flug vorgesehenen Flugzeuges erfassten, welches den Flug XX 000 von Hamburg nach Frankfurt und den Flug XX 000 von Frankfurt nach München ausführen sollte bevor es den streitgegenständlichen Flug XX 000 von München nach Frankfurt durchführen sollte. Der Flug XX 000 erhielt nach den weiteren Angaben der Zeugin eine Starterlaubnis erst um 16:36 Uhr UTC, so dass der weitere Flugumlauf ab Frankfurt nicht mehr durchzuführen war. Die Aussage der Zeugin ist glaubhaft, sie ist detailliert und inhaltlich widerspruchsfrei. Der Beweiswert ihrer Aussage wird nicht dadurch beeinträchtigt, dass sie sich in ihrer Aussage auf die in der Verkehrszentrale der Beklagten eingegangenen Informationen stützt. Die Zeugin ist selbst in der Verkehrszentrale der Beklagten beschäftigt, die von der Flugsicherung und dem Flughafen elektronisch eingehenden Informationen werden dort verarbeitet. Die Zeugin gibt insoweit eine eigene Wahrnehmung wieder, wenn sie diese Informationen zusammenträgt. Dass es sich tatsächlich um der Beklagten seinerzeit zugegangene Informationen und Anordnungen handelt, ergibt sich aus den in der Aussage eingefügten Screenshots. Da es vorliegend – wie dargelegt – auch nur auf die Anordnungen an sich und den mitgeteilten Grund ankommt, nicht aber darauf, ob die Wetterlage tatsächlich diese Anordnungen erforderte ist die Aussage der Zeugin auch zum Nachweis geeignet. Schliesslich stimmt die Aussage auch mit den Angaben der Deutschen Flugsicherung überein, soweit zeitlich unterschiedliche Angaben vorliegen, sind diese darauf zurückzuführen, dass die Flugsicherung die tatsächlichen Zeiträume der Steuerungsmaßnahmen angegeben hat und die Zeugin zum Teil die zunächst geplanten dann aber geänderten.

22. Auf der Grundlage dieses Ergebnisses der Beweisaufnahme ist die Annullierung auf die wetterbedingten Anordnungen der Flugsicherung rückführbar. Im Zeitpunkt der Annullierung um 15.10 Uhr UTC / 17.10 Uhr Ortszeit bestand die Anordnung der Reduzierung von Anflügen auf Frankfurt auf 42 bis 19:40 Uhr UTC / 21:40 Uhr Ortszeit. Die Anhebung der Anflugrate auf 49 Flüge erfolgte erst um 16:10 Uhr UTC / 18:10 Uhr Ortszeit. Diese Steuerungsmaßnahmen haben zur Folge, dass nicht mehr alle Flugzeuge Frankfurt  wie  geplant anfliegen können und die Fluggesellschaften daher reagieren müssen. Im Zeitpunkt der Annullierungsentscheidung befand sich das eingesetzte Flugzeug in Hamburg. Da wetterbedingt nicht abzusehen war, ob dieses Flugzeug Frankfurt würde pünktlich anfliegen können, war die Einhaltung des weiteren Umlaufes Frankfurt / München / Frankfurt nicht absehbar.

23. Zumutbare Ersatzmaßnahmen gemäss Art. 5 Abs. 3 FluggastVO, durch die die zu der Annullierung von Flug XX 000 führenden Umstände seitens der Beklagten am 00.00.0000 hätten vermieden werden können sind nicht ersichtlich.

24. Die von der Fluggesellschaft zu ergreifenden zumutbaren Maßnahmen müssen sich dabei auf die außergewöhnlichen Umstände beziehen und nicht auf die Annullierung. Welche Maßnahmen eine Fluggesellschaft zuzumuten sind, um zu vermeiden, dass außergewöhnliche Umstände zu einer erheblichen Verspätung eines Fluges führen oder Anlass zu seiner Annullierung geben, bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls; die Zumutbarkeit ist situationsabhängig zu beurteilen. Nach der Rechtsprechung des BGH (BGH, Urteil vom 12.06.2014, X ZR 121/13 zitiert nach juris) ist zu prüfen, ob die Fluggesellschaft Vorkehrungen getroffen hat, damit nicht bereits bei gewöhnlichem Ablauf des Luftverkehrs durch den Eintritt geringfügiger Beeinträchtigungen die Gefahr besteht, dass die Gesellschaft den Flugplan nicht mehr einhalten kann. Kommt es zu einer mehr als geringfügige Beeinträchtigung oder droht diese einzutreten droht, muss geprüft werden, ob die Fluggesellschaft alle ihr in dieser Situation möglichen Maßnahmen ergriffen hat, dass es zu einer Annullierung oder große Verspätung kommt. Gravierende Beeinträchtigungen des Flugplans müssen nach Möglichkeit vermieden werden. Die Fluggesellschaft kann daher in dieser Situation gehalten sein, verfügbare Flugzeuge Dritter zu chartern, um die vorgesehenen Flüge ohne wesentliche Verzögerungen durchführen zu können. Auch insoweit gilt, dass die Maßnahmen zumutbar sein müssen (BGH a.a.O.). Dabei ist anerkannt, dass die Fluggesellschaften nicht verpflichtet sind, an jedem Flughafen Ersatzflugzeuge vorzuhalten.

25. Ausgehend hiervon standen der Beklagten nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme keine zumutbaren Massnahmen zur Verfügung die Annullierung zu verhindern. Die Beklagte wurde um 14:00 Uhr UTC / 16:00 Uhr Ortszeit über die Ankündigung der Reduzierung der Anflugrate ab 15:40 Uhr UTC informiert. Zu diesem Zeitpunkt waren die Beschränkungen bis 21:00 Uhr UTC geplant. Flug XX 000 hätte um 19.00 Uhr UTC starten sollen. Auch wenn die Beklagte nicht verpflichtet war, ein Ersatzflugzeug in München vorzuhalten, bestand zu diesem Zeitpunkt theoretisch die Möglichkeit ein Ersatzflugzeug nach München zu überführen und es dort bereitzustellen, um den Flug XX 000 ausführen zu können, indes hat die Zeugin J. bekundet, dass die verfügbaren Reserven der Beklagten an diesem Tage bereits im Einsatz waren. Soweit dann noch die Bereitstellung eines Flugzeuges durch die Anmietung bei einem Subcharter in Betracht zu ziehen wäre, ist festzustellen, dass keine derartig gravierende Beeinträchtigung des Flugplanes zu besorgen war, dass eine solche, als ultima ratio anzusehende Maßnahme geboten gewesen wäre. Insoweit ist zu beachten, dass von den wetterbedingten Steuerungsmaßnahmen nach der Aussage der Zeugin J. nur wenige Flüge (insgesamt 6) betroffen waren und es sich um innerdeutsche Kurzstreckenflüge handelte. Insoweit handelte es sich nicht um eine gravierende Beeinträchtigung der Flugplanung im Sinne der Rechtsprechung des BGH. Neben den erheblichen Kosten eines Subcharters ist auch der mit 5 Stunden, für eine so weitreichende Maßnahme geringe Vorbereitungszeitraum zu berücksichtigen, in dem ein Subcharter gefunden sowie Crew und Fluggerät in München hätten bereitgestellt werden müssen. Berücksichtigt man weiter die gute Verkehrsanbindung von München nach Frankfurt gehörte die Anfrage und ggfs. Bereitstellung eines Subchartes nur für den Flug München Frankfurt nicht mehr zu den der Beklagten zumutbaren Ersatzmaßnahmen.

II.

26. Der Zinsanspruch beruht auf §§ 288, 291 BGB.

III.

27. Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92, 708 Nr.11, 711 ZPO.

28. Streitwert: 1.235,50 Euro

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