Schlechtes Wetter ist kein außergewöhnlicher Umstand
AG Hannover: Schlechtes Wetter ist kein außergewöhnlicher Umstand
Die Kläger fordern vom beklagten Luftfahrtunternehmen eine Ausgleichzahlung gemäß der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 vom 11.02.2004 wegen eines Fluges, der erst mit einer Verspätung von rund 24 Stunden durchgeführt wurde. Als Grund für diese Verspätung gab die Beklagte schlechte Wetterverhältnisse an. Aus diesem Grund sieht sich die Beklagte auch von einer Haftung befreit, weil ein haftungsbefreiender außergewöhnlicher Umstand vorliege.
Das Amtsgericht Hannover hat die Klage für begründet. Die Klägerin haben Anspruch auf die geforderten Ausgleichszahlungen gem. Artikel 5 i. V. m. Artikel 7 Abs. 1 c der EG-Verordnung 261/2004. Ein haftungsbefreiender außergewöhnlicher Umstand liege nicht vor. Die Beklagte habe nicht alles in ihrer Macht stehende getan, um den vertraglich vereinbarten Transport zu gewährleisten. Deshalb habe sie für die entstandene Verspätung zu haften.
AG Hannover | 451 C 9817/11 (Aktenzeichen) |
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AG Hannover: | AG Hannover, Urt. vom 05.01.2012 |
Rechtsweg: | AG Hannover, Urt. v. 05.01.2012, Az: 451 C 9817/11 |
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Leitsatz:
2. Schlechtes Wetter begründet keinen außergewöhnlichen Umstand im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 vom 11.02.2004.
Zusammenfassung:
3. Die Kläger buchten bei der Beklagten, einem Luftfahrtunternehmen, einen Flug, der erst mit einer Verspätung von rund 24 Stunden ausgeführt wurde. Als Grund dafür wurden schlechte Wetterverhältnisse angegeben. Die Kläger fordern nun von der Beklagten eine Ausgleichzahlung gemäß der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 vom 11.02.2004. Die Beklagte sieht sie allerdings nicht in einer Haftungspflicht. Sie beruft sich auf einen haftungsbefreienden außergewöhnlichen Umstand aufgrund der Wetterlage.
Das Amtsgericht Hannover entscheidet, dass den Klägern die geforderten Ausgleichszahlungen gem. Artikel 5 i. V. m. Artikel 7 Abs. 1 c der EG-Verordnung 261/2004 zustehen.
Die Beklagte könne sich im vorliegenden Fall nicht auf einen haftungsbefreienden außergewöhnlichen Umstand berufen, weil sie nicht beweisen konnte, dass sie alles in ihrer Macht stehende getan habe, um den vertraglich vereinbarten Transport zu gewährleisten. Beispielsweise hatte die Beklagte einen Flug mit einem Ersatzflugzeug von einem anderen Flughafen trotz bestehender Möglichkeit nicht unternommen.
Tenor:
4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 600,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.08.2011 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, soweit nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand:
5. Der Kläger macht gegen die Beklagte Ausgleichsansprüche wegen Annullierung eines Fluges nach der EG-Verordnung 261/2004 geltend. Die Beklagte schuldete dem Kläger die Durchführung des Fluges am … 2011 in der Zeit von 20:40 Uhr bis 21:35 Uhr von Hannover nach Frankfurt/Main und von 22:45 Uhr bis 14:10 Uhr von Frankfurt/Main nach Bangkok. Tatsächlich flog der Kläger am 02.06.2011 von Hannover über München nach Bangkok und kam dort mit 24-stündiger Verspätung an. Der Flug am 01.06.2011 von Hannover nach Frankfurt/Main wurde annulliert.
6. Der Kläger behauptet, unmittelbar vor dem Abflug am 01.06.2011 habe der Kläger die Mitteilung erhalten, dass die Beklagte die beiden Flüge ohne Angabe von Gründen storniert habe. Der Kläger sei rechtzeitig am Flughafen Hannover gewesen und hätte auf die Verbindung Hannover-München-Bangkok am 01.06.2011 umgebucht werden können. Der Kläger ist der Ansicht, er habe einen Anspruch wegen des annullierten Fluges auf eine Entschädigung in Höhe von 600,00 € nach der EG-Verordnung 261/2004, da die Flugentfernung mehr als 3.500 km betrage. Für die Bemessung der Entschädigung sei die Flugstrecke von Hannover nach Bangkok insgesamt maßgeblich. Es seien weitere Kosten in Höhe von 20,00 € für Telekommunikation entstanden, da der Kläger Dispositionen in Deutschland und Thailand habe treffen müssen, die viele Ferngespräche erfordert hätten. Der Kläger ist der Ansicht, seine Ansprüche seien nicht nach Artikel 5 der EGVerordnung 261/2004 ausgeschlossen. Die Beklagte habe nicht alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen, um außergewöhnliche Umstände zu vermeiden. Die Fluggesellschaft müsse gewisse Zeitreserven einplanen, um die mit dem Eintritt außergewöhnlicher Umstände verbundene Möglichkeit von Verspätungen zu berücksichtigen. Der Kläger ist der Ansicht, dass Wetterverhältnisse zwar außergewöhnliche Umstände begründen können, die Fluggesellschaft müsse dann aber darlegen, dass auch unter Einsatz aller Mittel die Umstände nicht vermieden werden konnten. Die Beklagte hat nach Ansicht des Klägers nicht hinreichend hierzu vorgetragen. Der Kläger behauptet, die Beklagte hätte die Startbahn 18 in Frankfurt/Main in Richtung Norden nutzen können. Es sei kein Betrag in Höhe von 10,00 € von der Beklagten bei ihm eingegangen.
8. 1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 620,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.08.2011 zu zahlen,
9. 2. die Beklagte zu verurteilen, 120,67 € vorgerichtliche Kosten zu zahlen.
12. Die Beklagte behauptet, nur der Flug von Hannover nach Frankfurt sei annulliert worden. Die Annullierung beruhe auf Wetterverhältnissen in Frankfurt und auf der Entscheidung der Deutschen Flugsicherheit ab den frühen Morgenstunden am 01.06.2011 keine Abflüge mehr von der Startbahn 18 in Frankfurt/Main mehr zuzulassen. Es hätten Bodenwinde von über 20 km/h geherrscht, die auf der Startbahn 18 zu Rückenwindwerten überhalb des erlaubten Limits geführt hätten. Aus diesem Grund sei es bei den Abflügen am Flughafen Frankfurt zu erheblichen Verspätungen gekommen. Das Flugzeug, das den Flug von Hannover nach Frankfurt des Klägers hätte durchführen sollen, sei in einem Umlauf eingebunden gewesen, wonach es viermal über den Flughafen Frankfurt hätte fliegen sollen. Vor dem Abflug von Frankfurt nach Hannover sei es bereits zu Verzögerungen von mehr als 90 Minuten gekommen. Das Flugzeug sei statt um 16:20 Uhr erst um 17:56 Uhr aus Zürich zurückgekommen. Es hätte dann nach Hannover, von dort zurück nach Frankfurt und dann nach Turin fliegen sollen. Wegen der fortdauernden Startbahnsperrungen sei erkennbar gewesen, dass die planmäßige Durchführung nicht möglich gewesen wäre. Auch im Hinblick auf das Nachtflugverbot sei der Flug des Klägers annulliert worden, dies auch, um den Flug nach Turin möglichst planmäßig durchführen zu können. Bei der Entscheidung darüber, welcher Flug annulliert werde, seien die Belange der Fluggäste berücksichtigt worden. Für die Verbindung von Hannover nach Frankfurt seien im Gegensatz zur Verbindung Frankfurt-Turin auch andere Beförderungsmöglichkeiten verfügbar gewesen. Der Anspruch des Klägers wegen der Telekommunikationskosten sei in Höhe von 10,00 € erfüllt worden, da außergerichtlich bereits 10,00 € furch die Beklagte an den Kläger gezahlt worden seien. Die Annullierung sei auf außergewöhnliche Umstände zurückzuführen, zumal nördliche Winde in Frankfurt nur sehr selten vorkämen. Die Annullierung sei für die Beklagte unvermeidbar gewesen, da der Beklagten hinsichtlich der Entscheidung, welcher Flug annulliert werde, unternehmerische Dispositionsfreiheit zustehe und es für die Beklagte auch nicht zumutbar gewesen sei, den Flug trotz der zu erwartenden Verspätung durchzuführen. Ein Ersatzflugzeug, das den streitgegenständlichen Flug hätte durchführen können, habe am Flughafen Hannover nicht zur Verfügung gestanden, da der Flughafen Hannover keines der Drehkreuze der Beklagten sei und dort keine Ersatzflugzeuge stationiert seien. Die Stationierung eines Ersatzflugzeuges in Hannover sei der Beklagten auch nicht zuzumuten, da die Beklagte von Hannover aus werktäglich nur etwa 15 Flüge durchführe. Die Überführung eines ersatzweise einzusetzenden Flugzeuges von Frankfurt nach Hannover sei aus tatsächlichen Gründen nicht in Betracht gekommen.
13. Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 15.11.2011 (Bl. 93 d. A.) sowie auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe:
14. Die zulässige Klage ist überwiegend begründet.
15. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Ausgleichszahlung in Höhe von 600,00 € gemäß Artikel 5 i. V. m. Artikel 7 Abs. 1 c der EG-Verordnung 261/2004. Nach Artikel 7 Abs. 1 S. 2 der Fluggastrechteverordnung wird bei der Ermittlung der Entfernung der letzte Zielort zugrunde gelegt, an der der Fluggast infolge der Annullierung später als zur planmäßigen Ankunftszeit ankommt. Damit ist nicht allein auf den Zielort des einzelnen Beförderungsvorgangs abzustellen, der annulliert worden ist, vielmehr sind auch die Zielorte von direkten Anschlussflügen im Sinne von Artikel 2 h der Fluggastrechte zu berücksichtigen, sofern die Annullierung dazu führt, dass der Fluggast auch an diesen verspätet ankommt (vgl. BGH, RRA 2011, Seite 33, Rd-Nr. 32, zitiert nach Juris). Der Kläger kam hier mit 24-stündiger Verspätung in Bangkok an. Die Ansprüche des Klägers sind nicht nach Artikel 5 Abs. 3 der Fluggastrechteverordnung ausgeschlossen. Dabei kann dahin stehen, ob die von der Beklagten vorgetragenen Bodenwinde in Frankfurt tatsächlich geherrscht haben und zu der vorgetragenen Beeinträchtigung und Sperrung der Startbahn 18 geführt haben. Schlechte Wetterbedingungen entlasten als außergewöhnliche Umstände nur dann, wenn das Luftfahrtunternehmen zu seiner Entlastung nachweist, dass sich die Annullierung auch nicht hätte vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären (vgl. Führich, Reiserecht, 6. Auflage, Rd-Nr. 1036), Die Beklagte hat hier nicht dargelegt, dass sie alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat. Zwar hat die Beklagte überzeugend dargelegt, dass bei der Auswahl des Fluges, der annulliert wurde, auf alternative Beförderungsmöglichkeiten der Passagiere geachtet wurde. Die Beklagte hat jedoch nicht hinreichend dazu vorgetragen, warum kein Ersatzflugzeug für den Flug von Hannover nach Frankfurt bereit gestellt werden konnte. Sie hat nachvollziehbar dargelegt, dass regulär kein Ersatzflugzeug in Hannover stationiert ist und auch ist für das Gericht nachvollziehbar, dass aufgrund der von der Beklagten vorgetragenen Schwierigkeiten am Flughafen Frankfurt von dort kein Flugzeug nach Hannover geschafft werden konnte. Als eines der größten deutschen Luftfahrtunternehmen hält die Beklagte jedoch nicht nur am Flughafen Frankfurt Ersatzflugzeuge vor. Dies ergibt sich auch aus dem Vortrag der Beklagten im Schriftsatz vom 29.11.2011, in dem die Beklagte ausführt, dass der Flughafen Hannover keines der Drehkreuze der Beklagten ist, weshalb dort keine Ersatzflugzeuge stationiert seien (vgl. Bl. 102 d. A.). Daraus ergibt sich im Umkehrschluss, dass die Beklagte an anderen Drehkreuzen Ersatzflugzeuge stationiert hat. Die Beklagte hat nicht dargelegt, warum von diesen anderen Drehkreuzen kein Flugzeug nach Hannover zur Durchführung des Fluges Hannover – Frankfurt verbracht werden konnte.
16. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Ersatz der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten und der Kosten für Telekommunikation, da die Ausgleichsleistung in Höhe von 600,00 € auf diese Ersatzansprüche nach Artikel 12 Abs. 1 der Verordnung angerechnet werden.
17. Die Zinsentscheidung folgt aus §§ 280, 286, 288, 247 BGB.
18. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.
19. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gemäß §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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