Rückerstattung des Reisepreises wegen unvorhersehbarer Massenproteste

AG Bad Homburg: Rückerstattung des Reisepreises wegen unvorhersehbarer Massenproteste

Der Kläger hatte bei der Beklagten eine Reise mit Hotelaufenthalt gebucht. Aufgrund von Massenprotesten am Reiseort stornierte er die Reise. Er verlangt den Reisepreis zurück.

Das Gericht gab dem Kläger recht. Die Massenproteste seien zum Zeitpunkt der Reisebuchung nicht vorhersehbar gewesen, sodass dem Kläger ein außerordentliches Kündigungsrecht zustehe.

AG Bad Homburg 2 C 2250/14 (Aktenzeichen)
AG Bad Homburg: AG Bad Homburg, Urt. vom 22.12.2014
Rechtsweg: AG Bad Homburg, Urt. v. 22.12.2014, Az: 2 C 2250/14
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Amtsgericht Bad Homburg

1. Urteil vom 22. Dezember 2014

Aktenzeichen 2 C 2250/14

Leitsatz:

2. Bei unvorhersehbaren Massenprotesten im Reisegebiet kann ein außerordentliches Kündigungsrecht bestehen.

Zusammenfassung:

3. Der Kläger hatte bei der Beklagten eine Reise mit dreitägigem Hotelaufenthalt in Bangkok gebucht. Aufgrund von Massenprotesten am Reiseort stornierte er die Reise. Er verlangt den Reisepreis zurück.

Das Gericht gab dem Kläger recht. Die Massenproteste seien zum Zeitpunkt der Reisebuchung nicht vorhersehbar gewesen, sodass dem Kläger ein außerordentliches Kündigungsrecht zustehe. Hierbei seien auch die Reisewarnung des Auswärtigen Amtes und die Tatsache, dass es sich um spontane Proteste und nicht eine dauerhaft angespannte Situation handelte, zu berücksichtigen. Außerdem sei der Standort des Hotels im Mittelpunkt der Proteste zu beachten.

Tenor

4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 669,– nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 12.07.2014 zu zahlen.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht zuvor der Kläger Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

5. Die Parteien streiten um einen Rückzahlungsanspruch aus einer klägerseits gebuchten Reise mit einer Unterbringung in einem Hotel „Hansar Bangkok“. Gemäß Reisebestätigung vom 16.11.2013 war die Reise für den 28.01.2014 bis 01.02.2014 vorgesehen (Bl. 10 d. A.). Für das Stadtgebiet von Bangkok wurde ab dem 22.01.2014 auf nicht absehbare Zeit der Ausnahmezustand verhängt. Hintergrund hierfür waren Massenproteste, die auch dazu führten, dass von Seiten des Auswärtigen Amtes geraten wurde, ausländische Touristen mögen das gesamte Stadtgebiet meiden. Das gebuchte Hotel lag inmitten der zentralen Regionen in denen Massenproteste gegeben waren. Mit E-Mail vom 25.01.2014 erkundigte sich der Kläger nach einer kostenlosen Stornierung der Reise aufgrund der Unruhen und des Ausnahmezustandes in Bangkok. Der Kläger versuchte über seine Kreditkarte, den gezahlten Reisepreis in Höhe des nunmehr geltend gemachten und zuerkannten Hauptsachebetrages zurückbuchen zu lassen, dies misslang. In der weiteren Korrespondenz bezog sich die Beklagte auf die Regelungen hinsichtlich der Umbuchung und Stornierung in ihren allgemeinen Geschäftsbedingungen und ließ mit E-Mail vom 25.01.2014 mitteilen: „Das Auswärtige Amt beurteilt die Situation weiterhin kritisch und rät weiter, die Demonstrationsorte sowie Menschensammlungen zu meiden“ (Bl. 33 d. A.). Mit E-Mail vom 27.01.2014 (Bl. 39 d. A.) wurde auf die Möglichkeit einer Stornierung bei Anfall von Stornogebühren in Höhe von € 369,– hingewiesen (Bl. 39 d. A.). Mit anwaltlichem Schreiben vom 16.06.2014 wurde unter Fristsetzung zum 23.06.2014 die Rückzahlung des gezahlten Preises in Höhe von € 669,– begehrt und die Kosten anwaltlicher außergerichtlicher Tätigkeit der Beklagten in Rechnung gestellt.

6. Der Kläger ist der Auffassung, er sei entsprechend seines Mail-Verkehrs zum Rücktritt aufgrund nicht vorhersehbarer lokaler Konflikte gemäß § 651 j BGB berechtigt gewesen. Die Beklagte schuldet daher die Rückzahlung des gesamten gezahlten Reisepreises und der weiter geltend gemachten Anwaltskosten.

7. Der Kläger beantragt,

8. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger € 669,– nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.07.2014 zu zahlen,

9. die Beklagte zu verurteilen, € 147,56 vorgerichtliche Kosten nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.07.2014 zu zahlen.

10. Die Beklagte beantragt,

11. die Klage abzuweisen.

12. Die Beklagte ist der Auffassung, dass die Voraussetzungen für eine Kündigung gemäß § 651 j BGB nicht gegeben seien. Bereits zum Zeitpunkt der Buchung der streitgegenständlichen Reise seien Massenproteste vorhersehbar gewesen, wie sich dies aus der öffentlichen Berichterstattung unschwer habe entnehmen lassen. Die klägerseits vorgetragenen Beeinträchtigungen aufgrund der Massenproteste seien daher vorhersehbar gewesen, so dass eine Rückerstattung des Reisepreises nicht zu erfolgen habe.

13. Im Übrigen habe die Beklagte die nunmehr geltend gemachten Ansprüche vor Einschaltung des klägerischen Prozessbevollmächtigten zurückgewiesen, so dass die geltend gemachten Anwaltskosten auch nicht zu erstatten seien.

14. Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird auf die zwischen diesen gewechselten Schriftsätze einschließlich beigefügten Anlagen ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

15. Die Klage ist in tenoriertem Umfange begründet.

16. Der Kläger war berechtigt, ein Kündigungsrecht gemäß § 651 j BGB auszuüben. Ausweislich des Inhalts der klägerseits vorgelegten Mails ist auch zumindest konkludent eine Kündigung ausgesprochen worden. Dies ergibt sich auch insbesondere aus der E-Mail vom 25.01.2014 (Bl. 25 d. A.). Die konkret vorgetragenen Massenproteste im Reisezeitraum waren auch entgegen der Ansicht der Beklagten nach Ansicht des Gerichtes nicht vorhersehbar. Das Gericht folgt insoweit der Argumentation des Klägers, die zuvor gegebenen Proteste aufgrund der seitens der Regierung verfügten Amnestiegesetze waren nicht mehr erwartbar, nachdem sich die Regierung den Antiamnestieproesten gebeugt hatte. Dies hat der Kläger mit Anlage K 21 (Bl. 137 d. A.) belegt. Die erneute Zuspitzung der Situation war daher zum Zeitpunkt der Buchung der Reise für den Kläger gerade nicht vorherzusehen. Bei den klägerseits konkret vorgetragenen Protesten handelt es sich daher nicht um eine allgemeine politische Krise des Zielgebietes, die schon seit längerem besteht und die Durchführung der konkreten Reise nicht beeinträchtigt hat. In diesem Zusammenhang war auch zu berücksichtigen, dass das gebuchte Hotel inmitten der Örtlichkeit lag, an dem die klägerseits vorgetragenen Massenansammlungen und Proteste stattgefunden haben. Entsprechend durfte der Kläger den geschlossenen Reisevertrag kündigen, so dass die Beklagte zur Rückerstattung des gezahlten Reisepreises verpflichtet ist.

17. Sämtliche Nebenforderungen sind gemäß den §§ 286 ff BGB begründet, im Übrigen unbegründet. Dies bezieht sich insbesondere auf die geltend gemachten Anwaltskosten, da die Beklagte vor Einschaltung der klägerischen Bevollmächtigten den geltend gemachten Anspruch bereits zurückgewiesen hatte, wäre der Kläger veranlasst gewesen, unmittelbar den Klageweg zu beschreiten. Eine Notwendigkeit für eine außergerichtliche Tätigkeit bestand zu diesem Zeitpunkt nicht mehr, so dass der diesbezügliche Klageantrag abzuweisen war.

18. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 92 Abs. 2 ZPO.

19. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

20. Diese Entscheidung kann mit der Berufung angefochten werden. Sie ist einzulegen innerhalb einer Notfrist von einem Monat bei dem Landgericht Frankfurt am Main, Gerichtsstraße 2, 60313 Frankfurt am Main.

21. Die Frist beginnt mit der Zustellung der in vollständiger Form abgefassten Entscheidung. Die Berufung ist nur zulässig, wenn der Beschwerdegegenstand 600,00 € übersteigt oder das Gericht die Berufung in diesem Urteil zugelassen hat. Zur Einlegung der Berufung ist berechtigt, wer durch diese Entscheidung in seinen Rechten beeinträchtigt ist. Die Berufung wird durch Einreichung einer Berufungsschrift eingelegt. Die Berufung kann nur durch einen Rechtsanwalt eingelegt werden.

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