Reisemangel bei am ersten Tag überbuchter Hotelunterkunft

AG Hannover: Reisemangel bei am ersten Tag überbuchter Hotelunterkunft

Der Kläger hatte bei der Beklagten eine Reise mit Hotelaufenthalt gebucht. Am Anreisetag stellte sich heraus, dass in der gebuchten Unterbringung keine Zimmer mehr frei waren. Daher sollte der Kläger in ein anderes Hotel umziehen. Dieses akzeptierte er nicht als gleichwertig und buchte daher selbst eine dritte Unterkunft. Er verlangt hauptsächlich Erstattung dieser Buchungskosten.

Das Gericht gab dem Kläger recht.

AG Hannover 504 C 909/05 (Aktenzeichen)
AG Hannover: AG Hannover, Urt. vom 21.04.2005
Rechtsweg: AG Hannover, Urt. v. 21.04.2005, Az: 504 C 909/05
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Amtsgericht Hannover

1. Urteil vom 21. April 2005

Aktenzeichen 504 C 909/05

Leitsätze:

2. Der Auszug aus einer Ersatzunterkunft nach vorheriger Einbestellung der Reiseleitung kann als Kündigungserklärung zu werten sein.

Bei der Zumutbarkeit von Abhilfemaßnahmen sind die Dauer der gebuchten Reise und mitreisende kleine Kinder zu berücksichtigen.

Zusammenfassung:

3. Der Kläger hatte bei der Beklagten für sich, seine Frau und seine beiden jungen Kinder eine Reise mit Hotelaufenthalt in der Türkei gebucht. Am Anreisetag stellte sich heraus, dass in der gebuchten Unterbringung wegen Überbuchung keine Zimmer mehr frei waren. Daher sollte der Kläger in ein anderes Hotel umziehen. Dieses akzeptierte er nicht als gleichwertig und buchte daher selbst eine dritte Unterkunft. Er verlangt hauptsächlich Erstattung dieser Buchungskosten, daneben Mehrkosten durch Wegfall der all-inclusive Verpflegung. Die Beklagte beantragt die Abweisung, da dem Kläger kein Kündigungsrecht zugestanden habe.

Das Gericht gab dem Kläger recht. Die Überbuchung der ersten Unterkunft sei ein Reisemangel. Dass das zweite Hotel gleichwertig und damit eine ausreichende Abhilfe gewesen sei, habe die Beklagte nicht dargelegt. Daher sei von einer unzureichenden Abhilfe auszugehen. Das Anbieten einer unzureichenden Abhilfe sei wie die Verweigerung der Abhilfe zu bewerten, die ein Kündigungsrecht des Klägers begründe.

Der Umzug in das dritte Hotel sei auch als Kündigungserklärung zu verstehen gewesen, da der Kläger vorher die Reiseleitung zu sich bestellt hatte. Eine Fristerklärung war schon wegen der Quasi-Verweigerung der Abhilfe nicht notwendig, außerdem weil der Kläger mit kleinen Kindern reiste. Die entstandenen Mehrkosten seien durch die Beklagte zu ersetzen. Ein späterer Umzug in die ursprünglich gebuchte Anlage sei dem Kläger auf Grund der kurzen Reisedauer von nur einer Woche nicht zuzumuten gewesen.

Tenor

4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 945,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.11.2004 zu zahlen.

im Übrigen wir die Klage abgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

5. Der Kläger buchte bei der Beklagten für sich, seine Ehefrau und ihre beiden fünf und drei Jahre alten Kinder eine Flugpauschalreise vom 22.09. bis 29.09.2004 nach Belek/Türkei mit Unterbringung in dem mit vier Seesternen klassifizierten „Club L G“ und Vollverpflegung (all inclusive) für 1.536,00 €. Bei ihrem Eintreffen wurde ihnen gegen 11.45 Uhr mitgeteilt, dass die Zimmer noch nicht bezugsfertig seien. Gegen 13.15 Uhr wurde ihnen von der Hotelleitung mitgeteilt, dass sie die Zimmer nicht beziehen und eine Nacht in einem zwei Kilometer entfernten Hotel verbringen müssten. Die daraufhin eingeschaltete Reiseleitung der Beklagten räumte ein, dass der „Club L G“ überbucht sei und auch kein Ersatzzimmer in einer anderen Anlage für eine Woche zur Verfügung gestellt werden könne.

6. Der Kläger zog daraufhin für eine Woche in das Hotel „A B“.

7. Mit der Klage werden die Übernachtungskosten im Hotel „A B“ von 1.050,00 € geltend gemacht sowie Mehraufwendungen für Getränke und Eis von 112,00 €, Kosten einer Taxifahrt vom Hotel zum Flughafen von 10,00 € sowie Telefonkosten von 15,00 € abzgl. von der Beklagten gezahlter 230,00 €.

8. Der Kläger trägt vor, er sei berechtigt gewesen, den Reisevertrag zu kündigen, weil die Beklagte keine Abhilfe habe schaffen können. Das dem Kläger und seiner Familie zugewiesene Zimmer im Hotel „A“ sei verdreckt gewesen und habe nicht der gebuchten Kategorie entsprochen. Er habe gegen 15.15 Uhr die örtliche Reiseleitung der Beklagten darüber informiert, dass das Hotel „A“ nicht akzeptiert werde. Die Reiseleitung der Beklagten sei jedoch erst um 16.45 Uhr erschienen. Zu diesem Zeitpunkt sei die anderweitige Unterbringung im Hotel „A B“ bereits gebucht worden. Er habe der Reiseleitung daraufhin mitgeteilt, dass er in das Ersatzhotel umziehen werde. Die Beklagte sei schadensersatzpflichtig. Der ihm entstandene Schaden belaufe sich auf 1.187,00 €.

9. Der Kläger beantragt,

10. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 957,00 € nebst Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.11.2004 zu bezahlen.

11. Die Beklagte beantragt,

12. die Klage abzuweisen.

13. Sie trägt vor, der Kläger habe den Reisevertrag nicht gekündigt. Es habe auch kein Recht zur Kündigung bestanden. Die Beklagte sei auch nicht zur Erstattung von Abhilfekosten verpflichtet, denn der Kläger habe der Beklagten zuvor keine Frist zur Abhilfe gesetzt.

14. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

15. Die Klage ist überwiegend begründet.

16. Der Kläger kann von der Beklagten Zahlung von 945,00 € aus § 651 f Abs. 1 BGB verlangten. Unstreitig war die von der Beklagten veranstaltete Reise fehlerhaft. Wenn die Beklagte dem Kläger erklärt, dass sie ihn und seine Familie nicht in dem gebuchten Hotel „Club L G“ unterbringen könne, weil das Quartier am Ankunftstag überbucht sei, so lag dem entweder die Unmöglichkeit der vertraglich geschuldeten Leistung oder eine Leistungsverweigerung zugrunde (vgl. Urteil des BGH vom 11.01.2005, Az.: X ZR 118/03). Die Beklagte war auch nicht berechtigt, dem Kläger ohne seine Zustimmung in dem zwei Kilometer entfernten Hotel „A“ unterzubringen. Zwar kann der Reiseveranstalter einem Mangel grundsätzlich auch dadurch abhelfen, dass er dem Reisenden ein anderes Hotel anbietet; in diesem Fall muss die angebotene Anlage dem gebuchten Objekt aber vergleichbar sein. Hier hat die Beklagte keinerlei Umstände vorgetragen, die den Schluss rechtfertigen könnten, dass das Hotel A mit dem gebuchten Club L G vergleichbar gewesen sein könnte. Die Beklagte trägt insoweit auch die Darlegungs- und Beweislast, so dass ihr Bestreiten der Zumutbarkeit nicht ausreichend ist. Der Kläger war daher nicht gehalten, das Ersatzquartier anzunehmen, weil dieses Angebot ihm nicht zumutbar war.

17. Der Kläger hat daher zu Recht noch am 22.09. den Reisevertrag gekündigt. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob er die Kündigung der Reiseleitung der Beklagten gegenüber ausdrücklich ausgesprochen hat, weil sich die schlüssige Kündigungserklärung des Klägers eindeutig aus dem Verhalten des Klägers ergab. Denn nach dem Vortrag der Beklagten hat die Reiseleitung den Kläger vor Ort nicht mehr angetroffen und vom Hotel erfahren, dass dieser ein anderes Quartier bezogen hat. Insoweit unterscheidet sich der Sachverhalt auch von dem bei Führich (Reiserecht, 6. Auflage, Rn. 316) geschilderten Fall. Denn der Kläger ist nicht einfach nur ausgezogen; er hatte vorher die Reiseleitung zu sich bestellt, so dass seine Abreise aus dem Hotel entgegen der Auffassung der Beklagten ein Erklärungswert – nämlich der der Kündigung – beizumessen ist. Der Umstand, dass der Kläger mit der Beklagten zurückgeflogen ist, schließt seine Kündigungsabsicht nicht aus, wie sich aus § 651 e Abs. 4 S. 1 BGB ergibt.

18. Der Kläger war auch berechtigt den Reisevertrag zu kündigen. § 651 e Abs. 1 BGB bestimmt, dass der Reisende den Vertrag kündigen kann, wenn die Reise infolge eines Mangels erheblich beeinträchtigt wird. Eine solche erhebliche Beeinträchtigung lag hier vor. Der Kläger und seine Familie hatten am 22.09.2004 schlicht kein Zimmer.

19. Der Kläger musste der Beklagten auch nach § 651 e Abs. 2 BGB keine Frist zur Abhilfe mehr setzten. Denn die Beklagte hatte die buchungsgerechte Unterbringung im Club L G durch ihre Erklärung, dass für den Kläger und seine Familie infolge der Überbuchung kein Zimmer vorhanden war, bereits verweigert. Als Verweigerung der Abhilfe wird darüber hinaus auch das Angebot einer unzumutbaren Abhilfemaßnahme angesehen (vgl. Führich, Reiserecht, 6. Auflage, Rn. 255). Aber auch ansonsten war die sofortige Kündigung des Vertrages durch ein besonderes Interesse des Klägers gerechtfertigt. Er reiste mit kleinen Kindern, hatte von 11.00 Uhr bis 16.45 Uhr auf eine angemessene Abhilfe der Beklagten gewartet. Angesichts des Umstandes, dass die Reise insgesamt nur eine Woche andauern sollte, war ihm nach Auffassung des Gerichts ein weiteres Abwarten nicht zuzumuten. Dabei muss man berücksichtigen, dass der Kläger seine Leistung, den Reisepreis zu entrichten, ordnungsgemäß erbracht hat und es die Beklagte war, die das gebuchte Zimmer nicht zur Verfügung gestellt hat. In einer solchen Situation die Pflichten einseitig auf den Reisenden zu verlagern dürfte nicht angemessen sein; vielmehr hätte hier die Beklagte sich vergewissern müssen, ob das vorgeschlagene Angebot vom Kläger und seiner Familie überhaupt akzeptiert werden könne.

20. Das Verschulden des Reiseveranstalters – oder seiner Erfüllungsgehilfen (§ 278 BGB) – wird nach § 651 f Abs. 1 BGB vermutet. Die Beklagte hat nichts zu ihrer Entlastung vorgetragen.

21. Infolge der Kündigung des Reisevertrages war der Kläger ohne eine Unterbringung am Urlaubsort. Er war daher berechtigt, sich für die gesamte Reisezeit ein Ersatzquartier anzumieten. Die dafür unstreitig entstandenen Kosten von 1.050,00 € hat die Beklagte nach § 651 f Abs. 1 BGB zu tragen.

22. Die Beklagte kann gegenüber diesem Schadensersatzanspruch auch nicht den Einwand des Mitverschuldens nach § 254 BGB erheben. Dabei ist sie darauf hinzuweisen, dass der Kläger eine Reise nur für eine Woche gebucht hatte. Ein Reisetag war bereits durch die Anreise, die Wartezeit im Hotel L G, die Fahrt zum Hotel A und die anschließende Fahrt zum Hotel A B verbraucht. Der Kläger und seine Familie hätten einen weiteren halben Urlaubstag opfern müssen, um vom Hotel A B in das gebuchte Objekt L G umzuziehen. Dies war ihnen bei einer derart kurzen Reise nach Auffassung des Gerichts nicht zuzumuten.

23. Der Kläger hatte Vollverpflegung (all-inclusive) gebucht. Im Hotel A B musste er die Getränke und Eis außerhalb der Mahlzeiten gesondert bezahlen. Auf der Grundlage der von ihm eingereichten Abrechnung schätzt das Gericht die dafür entstandenen Kosten auf 100,00 € (§ 287 ZPO).

24. Die Beklagte hätte zudem den Transfer vom Club L G zum Flughafen organisiert. Der Kläger musste ein Taxi nehmen. Hierfür sind ihm Kosten in Höhe von 10,00 € entstanden, die die Beklagte zu ersetzen hat.

25. Der Kläger hat das Ersatzobjekt dadurch anmieten können, dass er über seine Handy diverse Gespräche geführt hat. Die Kosten für diese Gespräche schätzt das Gericht gemäß § 287 ZPO auf 15,00 €. Auch diese Kosten hat die Beklagte zu ersetzen.

26. Die Gesamtforderung des Klägers beläuft sich auf 1.175,00 €. Hierauf hat die Beklagte bereits 230,00 € bezahlt, so dass noch ein Restbetrag in Höhe von 945,00 € offen ist.

27. Hierauf stehen dem Kläger die geltend gemachten Verzugszinsen gemäß §§ 286, 288 BGB zu.

28. Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 2, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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