Minderung bei Rundreise
LG Frankfurt: Minderung bei Rundreise
Die Klägerin bucht bei der Beklagten für die Zeit vom 11.10. – 02.11.1989 eine Reise nach Sri Lanka zum Preis von 5.532,– DM für sich und eine weitere Person. Die erste Woche bestand aus einer Rundreise, die letzten zwei aus einem Hotelaufenthalt, während derer die Klägerin bürgerkriegsähnliche Zustände erlebte. Hierin sieht sie einen Reisemangel und fordert vom beklagten Reiseveranstalter die Erstattung des Reisepreises i.H.v. 3.253,20 DM nebst Zinsen.
In erster Instanz wies das AG Frankfurt die Klage zurück. Seiner Ansicht nach war „höhere Gewalt“ schuld an dem Mangel. Das LG Frankfurt änderte die Klage in der Berufung ab und verurteilte den Beklagten zur Zahlung von 3.168,– DM nebst Zinsen an die Klägerin.
LG Frankfurt | 2-24 S 273/90 (Aktenzeichen) |
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LG Frankfurt: | LG Frankfurt, Urt. vom 23.09.1991 |
Rechtsweg: | LG Frankfurt, Urt. v. 23.09.1991, Az: 2-24 S 273/90 |
AG Frankfurt, Urt. v. 10.05.1990, Az: 32 C 446/80-84 | |
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Leitsätze:
2. Bei der Berechnung der Reisepreisminderung einer Rundreise ist der Gesamtreisepreis zu betrachten.
Erweitert der Reiseveranstalter durch Zusicherung von Eigenschaften seine Verantwortlichkeit, ist eine Minderung oder Kündigung möglich.
Zusammenfassung:
3. Die Klägerin bucht bei der Beklagten für sich und eine weitere Person für die Zeit vom 11.10. – 02.11.1989 eine Reise nach Sri Lanka zum Preis von 5.532,– DM. Die erste Woche bestand aus einer Rundreise, die letzten zwei aus einem Hotelaufenthalt am Strand. Während der letzten zwei Wochen erlebte die Klägerin bürgerkriegsähnliche Zustände. Von der Möglichkeit hiervon wusste sie, da sie von der Situation noch vor Reiseantritt erfahren hatte. Auf Nachfrage garantierte aber der Reiseveranstalter, dass der Aufenthalt in Sri Lanka störungsfrei ablaufen werde. Dies war indes nicht der Fall. Hierin sieht die Klägerin einen Reisemangel und fordert vom beklagten Reiseveranstalter die Erstattung des Reisepreises i.H.v. 3.253,20 DM nebst Zinsen.
In erster Instanz wies das AG Frankfurt die Klage zurück. Seiner Ansicht nach war „höhere Gewalt“ schuld an dem Mangel. Das LG Frankfurt änderte die Klage in der Berufung ab und verurteilte den Beklagten zur Zahlung von 3.168,– DM nebst Zinsen an die Klägerin.
Tenor:
4. Auf die Berufung der Klägerin wird das am 10.05.1990 verkündete Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main (Az.: 32 C 446/80-84) wie folgt abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 3.168,– DM nebst 4 % Zinsen seit dem 21.12.1989 zu zahlen.
Im übrigen werden die Berufung zurück- und die weitergehende Klage abgewiesen.
Die … Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Tatbestand:
5. Die Klägerin macht Ansprüche aus Reisevertrag geltend.
6. Sie buchte für zwei Personen bei der Beklagten für die Zeit vom 11.10. – 02.11.1989 eine Reise nach Sri Lanka zum Preis von 5.532,– DM. Die erste Woche sollte eine Rundreise über die Insel erfolgen. In den darauffolgenden zwei Urlaubswochen wurde die Klägerin im Hotel B an der Westküste untergebracht. Während der letzten beiden Urlaubswochen wurde die Klägerin des öfteren mit bürgerkriegsähnlichen Unruhen am Strand, in der Umgebung und auf privaten Ausflugsfahrten konfrontiert.
7. Mit ihrer Klage hat die Klägerin Rückzahlung des Reisepreises in Höhe von 3.253,– DM verlangt. Hilfsweise hat sie ihre Forderung auf § 651 f Abs. 2 BGB und auf positive Forderungsverletzung gestützt. Sie hat vorgetragen, durch allgemeine Presseveröffentlichungen kurz vor Reiseantritt Kenntnis von Unruhen auf Sri Lanka erlangt zu haben. Ihr Mitreisender, der Zeuge R, habe deshalb daraufhin bei einer Geschäftsstelle der Beklagten in O angerufen. Ihm sei mitgeteilt worden, die Reise würde ordnungsgemäß durchgeführt werden, Zwischenfälle seien in keiner Weise zu erwarten.
8. Die Beklagte hat den Inhalt dieses Telefonates bestritten und ist im übrigen der Ansicht gewesen, eine Haftung für höhere Gewalt scheide aus.
9. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen mit der Begründung, die vorgetragenen Mängel lägen außerhalb der Einflusssphäre der Beklagten.
10. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten Berufung.
das Urteil des Amtsgerichts Frankfurt vom 10.05.1990 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an sie 3.253,20 DM nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 21.12.1989 zu zahlen.
die Berufung zurückzuweisen.
13. Die Kammer hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen G R (Bl. 98 d.A.).
Entscheidungsgründe:
14. Die zulässige Berufung ist bis auf einen ganz geringen Teil begründet.
15. Die Klägerin hat reisevertragliche Ansprüche gegen die Beklagte in Höhe von insgesamt 3.168,– DM.
16. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Minderung und Rückzahlung des anteiligen Reisepreises aus §§ 651 c Abs. 1, 651 d Abs. 1, 472 BGB in Höhe von 1.768,– DM.
17. Unstreitig wurde die Klägerin während ihres zweiwöchigen Badeaufenthaltes an der Westküste nahezu täglich mit den bürgerkriegsähnlichen Unruhen konfrontiert. Zwar war die Hotelanlage selbst von den Unruhen nicht in Mitleidenschaft gezogen. Bereits ein Baden am Strand vor dem Hotel war aber nicht möglich, da zeitweise Leichen oder Leichenteile angeschwemmt wurden. Auch eine Benutzung des Strandes selbst war dann ausgeschlossen, da dieser durch Militär abgesperrt war. Bereits im nächsten Dorf lagen in einer Seitenstraße mehrere Leichen. Private Ausflüge ins Hinterland waren von erschreckenden Begleiterscheinungen geprägt, nachts bestand eine Ausgangssperre.
18. Die Beklagte kann sich demgegenüber nicht darauf berufen, diese Ereignisse beruhten auf höherer Gewalt und lägen außerhalb ihrer Einflussmöglichkeit. Zwar kommt nach der Rechtsprechung der Kammer eine Minderung oder eine Kündigung des Reisevertrags bei Störungen höherer Gewalt lediglich des Umfeldes nicht in Betracht (vgl. Kammer NJW – RR 1990, 761 – Algenpest). Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn die Beklagte durch Zusicherung von Eigenschaften ihre Verantwortlichkeit erweitert. So verhält es sich im vorliegenden Fall. Die Beweisaufnahme hat ergeben, dass der Zeuge R kurz vor Reiseantritt bei der Geschäftsstelle der Beklagten in O angerufen und konkrete Pressemitteilungen über Unruhen vorgehalten hatte. Ihm wurde die Auskunft gegeben, es bestünde kein Anlass zur Sorge, die Reise könne durchgeführt werden. Erkenntnisse über Unruhen lägen nicht vor. Der Zeuge R hat einen glaubwürdigen Eindruck hinterlassen. Die Kammer sieht keinen Anhaltspunkt am Wahrheitsgehalt seiner Angaben zu zweifeln.
19. Damit aber hat die Beklagte einen störungsfreien, von den Unruhen unbeeinträchtigten Urlaub zugesichert. Sie hat im Hinblick auf eigene Informationsquellen trotz konkreter Vorhalte von Erschießungen und Unruhen die Gewähr übernommen, die Klägerin könne gleichwohl einen störungsfreien Urlaub verbringen. Die Äußerung der Geschäftsstelle kann nicht einschränkend dahingehend verstanden werden, die Zusicherung habe sich nur auf die vertraglich geschuldeten Leistungen wie Unterkunft und Verpflegung, nicht aber auch auf das Umfeld bezogen. Es versteht sich von selbst, dass gerade bei Fernreisen der Reisende nicht bloß wegen einer möglichen Beeinträchtigung des unmittelbaren Hotelbereichs selbst besorgt ist. Dem Reisenden ist mindestens in gleicher Weise an einer Störungsfreiheit der Umgebung seines Quartiers, des Strandes, der nächsten Ortschaften und Städte, der Umgebung, der touristischen Sehenswürdigkeiten gelegen. Der Zeuge R durfte die Äußerung der Geschäftsstelle der Beklagten deshalb dahingehend auslegen, auch das Umfeld sei von den Unruhen nicht betroffen.
20. Hinsichtlich der Höhe der Minderung geht die Kammer davon aus, dass zwar die vertraglich geschuldeten Leistungen wie Flug, Unterkunft und Verpflegung an sich mangelfrei erbracht wurden, für die Klägerin jedoch nur einen höchst eingeschränkten Wert besaßen. Aufgrund der oben geschilderten Umstände sah sich die Klägerin gezwungen, die Urlaubszeit gleichsam wie in einem Ghetto zu verbringen. Die höchst eingeschränkte Bewegungsmöglichkeit der Klägerin strahlte auch auf die mangelfrei erbrachten Leistungen aus. Die Kammer bemisst den verbliebenen Wert dieser Leistungen mit 50 %, so dass die andere Hälfte im Wege der Minderung zurückzuzahlen ist. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass dieser Satz aus dem auf zwei Wochen entfallenen Reisepreis zu entnehmen ist, da die erste Woche (Rundreise) störungsfrei verlief.
21. Die Minderung ist … in der Weise vorzunehmen, dass maßgeblicher Ausgangspunkt für die Berechnung der anteilige, aus Rundreise und anschließendem Hotelaufenthalt zusammengesetzte Gesamtreisepreis ist. Zwar waren beide Reisebausteine getrennt buchbar, so dass nach Ziffer 3 c der Erläuterungen zur Mängeltabelle (NJW 1985, 113) die Minderung nur aus dem auf den reinen Hotelaufenthalt entfallenen Reisepreis zu entnehmen wäre. Dies würde im vorliegenden Fall bedeuten, dass jedenfalls für die letzte Urlaubswoche ein Reisepreis von lediglich 273,– DM pro Person (= Preis für eine Verlängerungswoche) Grundlage für die Berechnung sein würde. An dieser Rechtsprechung hält die Kammer nicht mehr fest. Bei zusammengesetzten Reisen (z.B. Rundreise mit anschließendem Erholungsaufenthalt) ist die Minderung stets dem anteiligen Gesamtreisepreis zu entnehmen ohne Rücksicht darauf, ob die einzelnen Reiseteile hätten getrennt gebucht werden können (so im Grundsatz auch OLG Düsseldorf in NJW-RR 1991, 1202). Die Berechnung nach der bisherigen Regelung in Ziffer 3 c der Erläuterungen der Mängeltabelle führt zu höchst unterschiedlichen Ergebnissen, die davon abhängen, ob der Preis für den mangelhaften Reiseteil die (gesamten) Flugkosten beinhaltet oder ob diese dem mangelfreien Reiseteil zugeschlagen wurden. Durch diese eher zufällige buchungstechnische Verteilung wäre im ersten Fall der Reiseveranstalter, im letzteren Fall der Reisende benachteiligt. Dies wird durch eine Zugrundelegung des anteiligen Gesamtreisepreises vermieden, da insofern auch die Flugkosten anteilig umgelegt werden. Auch aus der Sicht des Reisenden werden die Flugkosten nicht isoliert für einen Reiseteil aufgewandt. Vielmehr zahlt der Reisende gerade aus seiner Sicht einen Gesamtreisepreis, um in den Genuss der einzelnen Reiseteile und -leistungen zu kommen. Der Berechnung des OLG Düsseldorf (a.a.o.), wonach die Flugkosten zunächst herausgenommen und dann anteilig den Kosten für den jeweils mangelhaften Reiseteil wieder zugeschlagen werden, schließt sich die Kammer nicht an. Erfahrungsgemäß kann der tatsächliche Anteil der Flugkosten am Gesamtreisepreis selten genau bestimmt werden (auch die zitierte Entscheidung behilft sich letztlich mit einer Schätzung nach § 287 ZPO). Zudem zahlt der Reisende aus seiner Sicht gesehen stets einen Gesamtreisepreis, wobei möglicherweise unterschiedliche Kosten für die einzelnen Reiseteile eher von untergeordneter Bedeutung sind. Insofern ist Grundlage für die Berechnung hier der auf zwei Wochen entfallene Gesamtreisepreis von 3.536,– DM. Eine 50prozentige Minderung ergibt damit einen Betrag von 1.768,– DM Auf eine teilweise fehlende Mängelrüge kann sich die Beklagte naturgemäß nicht berufen. Es ist in keiner Weise ersichtlich, dass und inwiefern die Beklagte zur Abhilfe in der Lage gewesen wäre.
22. Die Klägerin hat weiterhin einen Anspruch auf Entschädigung wegen entgangener Urlaubsfreude nach § 651 f Abs. 2 BGB in Höhe von 1.400,– DM. Die Beklagte hat die wesentliche Beeinträchtigung zu vertreten. Die Geschäftsstelle der Beklagten hat eine Auskunft gegeben, die so nicht hätte erteilt werden dürfen. Inhaltlich besagte die Auskunft im Prinzip, da keine anderslautenden Informationen vorlägen, könne die Klägerin ohne Sorge reisen. Angesichts der Tatsache, dass der Zeuge R konkret Pressemitteilungen über Unruhen erwähnte, und die allgemeinpolitische Lage in Sri Lanka auch im vorangegangenen Jahr zu dieser Reisezeit eskalierte, so dass die Beklagte die Urlauber sogar vorzeitig zurückholen musste, handelte es sich bei der Antwort der Geschäftsstelle um eine Angabe ins Blaue hinein. Die Geschäftsstelle hätte jedenfalls einen Vorbehalt machen oder eigene Erkundungen bei der Zentrale der Beklagten einholen müssen. Dieses Verschulden ist der Beklagten nach § 278 BGB zuzurechnen.
23. Da hier eine Beeinträchtigung des Urlaubs zu 50 % für 14 Tage vorlag, rechtfertigt sich nach ständiger Rechtsprechung der Kammer eine Entschädigung von 50,- DM pro Tag und Person. Somit beläuft sich die Entschädigung insgesamt auf 1.400,– DM.
24. Die Zinsforderung rechtfertigt sich aus §§ 286, 288 BGB.
25. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO, da die Zuvielforderung der Klägerin relativ geringfügig war und keine besonderen Kosten verursacht hat.
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