Haftung des Reiseveranstalters bei falschen Informationen über Einreisebestimmungen

LG Berlin: Haftung des Reiseveranstalters bei falschen Informationen über Einreisebestimmungen

Der Kläger nahm den beklagten Reiseveranstalter auf Reisepreisminderung in Anspruch, weil dieser ihn falsch über die gültigen Visabestimmungen informierte und dem Kläger die Einreise verweigert wurde.

Das LG Berlin hat dem Kläger die Reisepreisminderung zugesprochen und entschieden, dass die Erteilung falscher Informationen einen Reisemangel darstellt.

LG Berlin 56 S 45/13 (Aktenzeichen)
LG Berlin: LG Berlin, Urt. vom 08.11.2013
Rechtsweg: LG Berlin, Urt. v. 08.11.2013, Az: 56 S 45/13
AG Berlin, Urt. v. 12.06.2013, Az: 15 C 565/12
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Amtsgericht Berlin

1. Urteil vom 08.11.2013

Aktenzeichen: 56 S 45/13


Leitsatz
:

2. Der Reiseveranstalter haftet bei falschen Informationen über Einreisebestimmungen.


Zusammenfassung
:

3. Der Kläger und seine Ehefrau buchten bei dem beklagten Reiseveranstalter eine Reise nach Dubai. Der Reiseveranstalter lies den Klägern 23 Tage vor Reiseantritt Informationen über notwendige Einreisedokumente zukommen. In dem Informationsschreiben gab der Beklagte an, dass zum Reiseantritt neben den Flugtickets  Reisepässe oder Personalausweise des Klägers und seiner Ehefrau vorzulegen sind, dass also auch die Vorlage der Personalausweise ausreichend sei. Beim Flugantritt stellten die Kläger fest, dass ein Personalausweis nicht als gültiges Einreisedokument gilt. Dem Kläger und seiner Frau wurde die Beförderung verweigert. Der Kläger verlangt von dem beklagten Reiseveranstalter eine Reisepreisminderung.

Das Landgericht Berlin hat im Sinne des Klägers entschieden und im die Minderung des Reisepreises zugesprochen. Der Reiseveranstalter ist zwar nicht verpflichtet seine Kunden über die gültigen Visabestimmungen in dem Zielland der Reise zu informieren. Jedenfalls ist er, für den Fall, dass er seinen Kunden nach der Buchung Informationen über notwendige Einreisedokumente zukommen lässt, dazu verpflichtet, diese Informationen sachlich korrekt zu erteilen. Dies hat der Reiseveranstalter vorliegend nicht getan. Es liegt deshalb ein Reisemangel vor, welcher gem. § 651 d Abs. 1 Satz 1 BGB zur Minderung des Reisepreises berechtigt.


Tenor
:

4. Auf die Berufung des Klägers und die Anschlussberufung des Beklagten wird das am 12. Juni 2013 verkündete Urteil des Amtsgerichts Mitte – 15 C 565/12- unter Zurückweisung der jeweiligen Rechtsmittel im Übrigen abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 952,67 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23. November 2012 sowie außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 147,56 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 3. Januar 2013 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits fallen dem Kläger zu 25 % und der Beklagten zu 75 % zur Last.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar

Gründe:

5. Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen wird Bezug genommen auf das angefochtene Urteil des Amtsgerichts Mitte. Das Amtsgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 518,26 € sowie von 101,64 € außergerichtlicher Anwaltskosten, jeweils nebst Zinsen verurteilt und im Übrigen die Klage abgewiesen. Mit der Berufung begehrt der Kläger, das amtsgerichtliche Urteil abzuändern und die Beklagte zur Zahlung weiterer 751,96 € und weiterer außergerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von 84,59 €, jeweils nebst Zinsen, zu verurteilen. Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Mit ihrer Anschlussberufung beantragt sie ferner, das Urteil abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen. Der Kläger beantragt, die Anschlussberufung zurückzuweisen.

6. Die Berufung und die Anschlussberufung sind zulässig, sie sind insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 511ff, 524 ZPO).

7. Die Berufung hat in der Sache zum Teil Erfolg. Dem Kläger steht nach § 651 d Abs. 1 Satz 1 BGB ein Anspruch auf Minderung in Höhe von 295,29 € zu. Die Reise war mangelhaft im Sinne des § 651c Abs. 1 BGB. Die Beklagte hat eine ihr zukommende Informationspflicht verletzt. Es kann dahin stehen, ob sie als Reiseveranstalter nach der Buchung der Reise eine Pflicht trifft, ihre Kunden über die gültigen Visabestimmungen in dem Zielland der Reise zu informieren. Jedenfalls ist sie, für den Fall, dass sie ihren Kunden nach der Buchung Informationen über notwendige Einreisedokumente zukommen lässt, dazu verpflichtet, diese Informationen sachlich korrekt zu erteilen. Dies hat sie nicht getan. Sie hat den Kläger und seine Ehefrau am 4. September 2012, mithin 23 Tage vor Reisebeginn, in dem übersandten Reisedokument für den ticketlosen Flug fälschlich dahingehend informiert, dass zum Reiseantritt neben diesem Dokument deren Reisepässe oder deren Personalausweise vorzulegen sind, dass also auch die Vorlage der Personalausweise ausreichend sei. Auch wenn man unterstellt, dass die Beklagte ihrer Informationspflicht bei der Buchung der Reise und im Nachhinein auf der Reisebestätigung vom 9. September 2011hinreichend nachgekommen ist und sie damit keine Pflicht mehr traf, den Kläger weitergehend zu informieren, muss eine spätere abändernde Information, die kurz vor der Reise auf dem entscheidenden Reisedokument erfolgt, ohne dessen Vorlage ausdrücklich kein Beförderungs- bzw. Leistungsanspruch besteht, unmissverständlich und korrekt sein. Dies ist vorliegend aus den Gründen der amtsgerichtlichen Entscheidung nicht der Fall. Der Hinweis auf dem Reisedokument für den ticketlosen Flug ist auch für einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher eindeutig und ohne Weiteres so zu verstehen, dass in Abweichung von der Buchungsbestätigung auch ein Personalausweis als Einreisedokument ausreichend ist.

8. Nach Ansicht der Kammer müssen sich der Kläger und seine Ehefrau allerdings nach § 242 BGB eine schuldhafte Mitverantwortung für den Mangel von 25 % zurechnen lassen. Auch wenn es sich bei ihnen um Verbraucher handelt, die die Reise nicht selbst organisiert und vorbereitet, sondern dies im Einzelnen der Beklagten als Reiseveranstalter überlassen haben, konnten sie sich insbesondere angesichts dessen, dass ihnen in der Reisebestätigung vom 9. September 2011 mitgeteilt worden war, dass sie zur Einreise einen mindestens 6 Monate gültigen Reisepass benötigen würden, nicht ohne Weiteres auf die Mitteilungen in dem am 4. September 2012 übersandten Reisedokument für den ticketlosen Flug angegebenen Informationen verlassen. Sie hätten vielmehr eigene Nachforschungen darüber anstellen müssen, ob die dortigen Angaben der Wahrheit entsprachen, zumal es sich um ein außereuropäisches Reiseziel handelte. Dies wäre für sie auch einfach möglich gewesen, sie hätten entweder bei der Beklagten anrufen oder die Botschaft der Vereinigten Arabischen Emirate kontaktieren können.
Soweit die Beklagte mit Schriftsatz vom 26. September 2013 erstmals vorträgt, der Kläger habe zwischen dem 9. September 2011 und dem 4. September 2012 keinen Reisepass beantragt, obwohl er mit der Buchungsbestätigung eindeutig auf das Reisepasserfordernis hingewiesen worden sei, erhöht das die anzunehmende Mitverantwortung des Klägers und seiner Ehefrau nicht. Der Vortrag ist bereits nach § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO nicht zuzulassen. Der Kläger hat bereits in der Klageschrift dargelegt, dass er bei entsprechender Information durch die Beklagte, dass ein Reisepass notwendig sei, einen entsprechenden Ausweis in den Urlaub mitgenommen hätte.
Nach § 651f Abs. 1 BGB steht dem Kläger gegen die Beklagte ein Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 362,10 € (482,80 € abzüglich 25 % wegen der Mitverantwortung des Klägers für den Schadenseintritt gemäß § 254 BGB) zu. Mit Recht ist das Amtsgericht davon ausgegangen, dass sämtliche seitens des Klägers geltend gemachten Schadenspositionen von § 651f Abs. 1 BGB umfasst sind.

9. Dem Kläger steht ferner nach § 651f Abs. 2 BGB ein Anspruch auf Schadensersatz wegen nutzlos aufgewandter Urlaubszeit in Höhe von 295,28 € zu. Nach Ansicht der Kammer ist bei der Berechnung des Anspruchs von 1/7 des Gesamtreisepreises von 2.756,– €, mithin von 393,71 €, auszugehen. Bemessungsgrundlage für die Höhe des Anspruchs sind die Umstände des Einzelfalls, darunter insbesondere der Reisepreis und die Schwere des Verschuldens des Veranstalters, bei erheblicher Beeinträchtigung der Reise kann eine zeitanteilige Quote des Reisepreises angesetzt werden (vgl. BGH NJW 2005, 1047ff). Die Beeinträchtigung war erheblich, der Kläger und seine Ehefrau flogen nach der Ersatzbeschaffung der Reisepässe am 27. September 2012 statt um 15.45 Uhr erst um 22.35 Uhr ab und kamen statt am Abend des 27. September erst am nächsten Tag gegen 9.00 Uhr in Dubai an. Bei einer Reisedauer von insgesamt nur einer Woche führt ein ungeplanter Nachtflug zum Reiseziel dazu, dass mindestens der erste Tag des Urlaubs der Regeneration von den damit und der Besorgung der Ersatzpässe verbundenen Strapazen dient, somit zeitanteilig als nutzlos aufgewendete Urlaubszeit anzuerkennen ist. Aufgrund der aus oben genannten Gründen anzunehmenden Mitverantwortung des Klägers und seiner Ehefrau ist der Anspruch nach § 254 BGB um 25 % auf 295,28 € zu kürzen.
Ferner kann der Kläger nach § 651f Abs. 1, 286 BGB die Erstattung der ihm entstandenen und von ihm bezahlten außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten verlangen, allerdings nur zum Geschäftswert in Höhe der begründeten Hauptforderung, mithin in Höhe von 147,56 €. Mit Recht – und insoweit auch von der Berufungsbegründung nicht angegriffen – hat das Amtsgericht Zinsen hierfür erst ab Rechtshängigkeit zugesprochen.

10. Die Anschlussberufung der Beklagten hat insoweit Erfolg, als die Verzugsverzinsung bei der Geldschuld erst am Tag nach der Zustellung der Klageschrift, mithin erst am 3. Januar 2013 beginnt, im Übrigen ist sie aus den oben genannten Gründen zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

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Süddeutsche Zeitung: Urlauber klagen wegen Reisemängeln
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Passagierrechte.org: Einreisebestimmungen

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