Flugverspätung auf Distanz von fast 1200 km

Flugverspätung auf Distanz von fast 1200 km

Zwei Reisende, die wegen eines Flugzeugschadens erst mit großer Verpätung ihr Ziel erreichten, traten ihre Ansprüche auf Ausgleichszahlungen gegenüber der Fluggesellschaft an ein Unternehmen ab. Diese klagte gegen die Fluggesellschaft und erhielt vor Gericht recht.

Der Einwand, der Flugzeugschaden gelte als außergewöhnlicher Umstand, wurde vor Gericht abgelehnt.

AG Köln 148 C 244/16 (Aktenzeichen)
AG Köln: AG Köln, Urt. vom 03.11.2016
Rechtsweg: AG Köln, Urt. v. 03.11.2016, Az: 148 C 244/16
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Amtsgericht Köln

1. Urteil vom 03.11.2016

Aktenzeichen 148 C 244/16

Leitsatz:

2. Ein Flugzeugschaden, der auf dem Flughafengelände und durch den normalen Flughafenbetrieb bedingt geschieht, ist nicht als außergewöhnlicher Umstand anzusehen.

Zusammenfassung:

3. Zwei Fluggäste, die auf einem Flug eine erhebliche Verspätung hinnehmen mussten, traten ihre Ansprüche gegen die Fluggesellschaft an ein Unternehmen ab, welches im Folgenden gegen die Fluggesellschaft auf Ausgleichszahlung klagte. Die Flugverspätung wurde durch eine Beschädigung des Flugzeugs auf dem Flughafengelände verursacht, was die beklagte Fluggesellschaft als außergewöhnlichen Umstand anführte.

Das Gericht gab der Klägerin recht. Der Flugzeugschaden sei kein außergewöhnlicher Umstand, da er auf dem Gelände des Flughafens geschah und vom allgemeinen Flughafenbetrieb ausgelöst worden sei.

Der Einwand der Beklagten, die Klägerin sei nicht legitimiert als Klägerin aufzutreten, wurde abgelehnt und die Fluggesellschaft zur Zahlung von 500 € verurteilt.

Tenor:

4. Der Beklagte wird verurteilt an die Klägerin 500,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 19.05.2016 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

5. Die Klägerin ist ein Unternehmen, welches Flugreisenden, die aufgrund einer Verspätung Ansprüche gegen Fluggesellschaften haben, anbietet, diese Ansprüche abzukaufen. Dabei ist die Klägerin nicht selber am Markt tätig, sondern bedient sich der Leistung eines Vermittlers, vorliegend der F. GmbH. Die Beklagte ist ein Luftfahrtunternehmen mit Sitz in Köln.

6. Mit der an das Amtsgericht Köln gerichteten Klage vom 07.06.2016, verlangt die Klägerin von der Beklagten, jeweils Zahlung von 250,00 EUR nebst Zinsen in Hinblick auf einen, durch die Fluggäste F.G. und K.G., beide wohnhaft im L.-weg X , XXXXX B., bei der Beklagten gebuchten Fluges mit der Flugnummer XUXXXX, von Palma des Mallorca (PMI) nach Stuttgart (STR). Die Planmäßige Ankunftszeit am Flughaften STR war für 14:55 Uhr am XX.XX.2016 vorgesehen. Die tatsächliche Abflugzeit betrug 20:23 Uhr und die Landung erfolgte am Flughafen STR um 22:03 Uhr.

7. Mit Schreiben vom 18.05.2016 verweigerte die Beklagte die Ausgleichzahlung und führte u.a. folgendes aus:

„Aufgrund von unten genannten Gründen, weisen wir die Forderung nunmehr alle endgültig zurück, so dass Klage erhoben werden mag.“

und weiter

„Da unsererseits in dieser Angelegenheit außergerichtlich keine weitere Korrespondenz mehr erfolgt, …“

8. Die Großkreisentfernung von PMI nach STR beträgt etwa 1139 km.

9. Die Klägerin ist der Ansicht, dass sie, aufgrund der Abtretungsvereinbarung, einen Anspruch auf die Ausgleichszahlungen nach der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 aus abgetretenem Recht hätte und daher aktivlegitimiert sei. Sie behauptet dazu, dass die Klägerin die Forderungen auf eigene Rechnung und in eigenem Namen geltend mache und die Risiken des Forderungsausfalles alleine tragen würde. Die Klägerin ist weiterhin der Ansicht, dass die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof (19. November 2019 – C-402/07 u. C-432/07; 23. Oktober 2012 – C-581/10 u. C-629/10) bezüglich der Gleichstellung von großer Verspätung und Flugannullierung nach rechtsstaatlichen Prinzipien nicht zu beanstanden sei.

10. Die Klägerin ist der Ansicht, dass kein außergewöhnlicher Umstand i.S.d. Art. 5 Abs. 3 EG Nr. 261/2004 vorgelegen habe.

11. Weiterhin bestreitet die Klägerin mit Nichtwissen, dass der Flug mit dem Flugzeug E-AAAA habe durchgeführt werden sollen, außerdem bestreitet sie mit Nichtwissen, dass er aufgrund eines Reifendefekts nicht planmäßig stattgefunden hätte.

12. Die Klägerin beantragt,

die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 500,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.05.2016 zu zahlen.

13. Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

14. Die Beklagte bestreitet die Aktivlegitimation der Klägerin. Sie ist der Ansicht, dass diese nicht nachgewiesen sei, da der geschlossene Abtretungsvertrag nicht im Original vorliegt. Sie behauptet die Unterschriften würden nicht von den Personen F.G. und K.G. stammen. Weiterhin behauptet die Beklagte, dass hinsichtlich der Forderungsabtretung eine Belehrung über das Widerrufsrecht bei Fernabsatzverträgen nicht ordnungsgemäß erfolgt sei.

15. Die Beklagte ist der Ansicht, dass die weiter oben zitierte Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes bezüglich der Gleichstellung von großer Verspätung und Flugannullierung elementare rechtsstaatliche Prinzipien der Gewaltenteilung verletze und somit rechtswidrig sei.

16. Weiterhin ist die Beklagte der Ansicht, dass sie eine Ausgleichszahlung, aufgrund eines außergewöhnlichen Umstandes, nicht leisten müsse. Dazu behauptet sie, dass die Verspätung des Fluges aufgrund eines defekten Reifens eingetreten sei. Der Reifen #2 des Hauptfahrwerks sei beim Start oder bei der Landung des Zubringerfluges XUXXXX durch einen Fremdkörper (sog. Foreign Object Damage, kurz: FOD) auf der Start- oder Landebahn beschädigt worden. Weiterhin behauptet die Beklagte, dass während der Vorflugkontrolle (sog. pre-flight check) ein tiefer Schnitt im vorbenannten Reifen entdeckt worden sei. Dazu ergänzend behauptet sie, dass die Vorflugkontrolle des Zubringerfluges ergebnislos verlaufen sei.

Entscheidungsgründe:

17. Die Klage ist zulässig und begründet.

18. Der Klägerin steht gegenüber der Beklagten aus abgetretenem Recht eine Ausgleichszahlung aus Artikel 7 Abs. 1 Ziff. a) der Verordnung (EG) 261/2004 zu.

19. Die Abtretung der Zahlungsansprüche, welche die Eheleute G. aufgrund des Artikel 7 Abs. 1 Ziff. a) der Verordnung (EG) 261/2004 gegenüber der Beklagten haben, ist wirksam.

20. Es ist auch unschädlich, dass nur eine Kopie der Abtretungsurkunde vorgelegt wurde, da keine Anhaltspunkte dazu vorgetragen wurden, dass verständliche Bedenken gegen die Zuverlässigkeit der Klägerin sprechen (Vgl. MüKo BGB/ Roth /Kieninger BGB § 410 Rn. 5).

21. Vorliegend handelt es sich zwar um eine Flugverspätung und nicht um eine Annullierung, aber aufgrund eines Urteils des Europäischen Gerichtshofes vom 19. November 2009 (Az.: C-402/07; C-432/07), sind Fluggäste verspäteter Flüge dann Fluggästen annullierter Flüge gleichzustellen, wenn sie wegen eines verspäteten Fluges ein Zeitverlust von drei Stunden oder mehr erleiden, das heißt, wenn sie ihr Endziel nicht früher als 3 Stunden nach der ursprünglich geplanten Ankunft, erreichen.  Im streitgegenständlichen Fall sollte der Flug von PMI nach STR um 14:55 Uhr in Stuttgart landen. Tatsächlich landete er jedoch erst nach 22 Uhr in Stuttgart. Daraus folgt, dass der Flug über 7 Stunden später als ursprünglich vorgesehen, am Endziel eintraf.

22. Die vom Beklagten vorgebrachten Bedenken gegen diese Rechtsprechung teilt das angerufene Gericht nicht. Vor allem sind keine elementaren rechtsstaatlichen Prinzipien der Gewaltenteilung verletzt.

23. So auch der Bundesgerichtshof, der dazu ausführt: „Vielmehr hat sich der EuGH der richterlichen Aufgabe gestellt, diejenige Lücke zu füllen, die der Verordnungstext dadurch gelassen hat, dass er einerseits auch für erheblich verspätete Flüge keinen Ausgleichsanspruch vorsieht und andererseits kein objektives, dem Einfluss des betroffenen Luftverkehrsunternehmens entzogenes Kriterium dafür formuliert, wann eine Verspätung unter Berücksichtigung des Schutzzwecks der Verordnung wie oder als eine Annullierung angesehen werden muss.“ (BGH, Urt. v. 07.05.2013, Az. X ZR 127/11, NJW-RR 2013, 1065, 1066).

24. Zusätzlich dazu sieht der Vorschlag zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 in Artikel 6 Abs. 2 vor, dass die Verordnung diesbezüglich angepasst wird (COM (2013) 130 final, Seite 21).

25. Daher hat auch der Verordnungsgeber selbst die Regelungslücke erkannt und will die Rechte von Fluggästen mit Flügen, die eine große Verspätung aufweisen, an die Rechte von Fluggästen mit annullierten Flügen angleichen. Dies ist auch, besonders im Hinblick auf die gleichgelagerten Interessenlagen, der jeweils betroffenen Fluggäste, als sachdienlich anzusehen. Denn sowohl eine Annullierung, als auch eine große Verspätung sind für Fluggäste ein großes Ärgernis und zum Teil mit großen Unannehmlichkeiten verbunden (so auch der 2. Erwägungsgrund der Verordnung (EG) 261/2004).

26. Die Beklagte ist auch nicht gemäß Artikel 5 Abs. 3 Verordnung (EG) 261/2004 von der Ausgleichzahlung befreit worden. Gemäß Artikel 5 Abs. 3 der Verordnung (EG) 261/2004 ist das ausführende Luftfahrtunternehmen nicht verpflichtet Ausgleichszahlungen gemäß Artikel 7 zu leisten, wenn es nachweisen kann, dass die Annullierung bzw. die große Verspätung, auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären.

27. Die Klägerin trägt zwar vor, dass ein metallener Gegenstand auf der Rollbahn (sog. foreign object damage) beim Start oder bei der Landung des Zubringerfluges den Reifen #2 des Haupttriebwerkes beschädigt habe. Ob dies tatsächlich der Fall war, ist aber im streitgegenständlichen Fall unerheblich, denn diese Beschädigung ist nicht dazu geeignet, als außergewöhnlicher Umstand i.S.d. Art. 5 Abs. 3 der Verordnung (EG) 261/2004 qualifiziert zu werden

28. Zwar können nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof technische Mängel als „unerwartete Flugsicherheitsmängel“, wie sie der 14. Erwägungsgrund Verordnung (EG) 261/2004 vorsieht, qualifiziert werden. Diese sind aber nur dann als „außergewöhnlich“ im Sinne von Artikel 5 Abs. 3 Verordnung (EG) Nr. 261/2004 zu werten, wenn sie ein Vorkommnis betreffen, das wie die im 14. Erwägungsgrund dieser Verordnung Aufgezählten, nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betroffenen Luftfahrtunternehmens ist und aufgrund die aufgrund ihrer Natur oder Ursache von dem Luftfahrtunternehmen tatsächlich nicht zu beherrschen sind (EUGH, Urteil vom 17. September 2015 C-257/14 Rn. 36).

29. Dies konkretisierte Europäische Gerichtshof sodann, in dem er feststellte, dass technische Ausfälle ein unerwartetes Vorkommnis darstellen können, jedoch sei diesbezüglich auch zu berücksichtigen, dass der Betrieb eines Flugzeuges unter extremen Bedingungen stattfindet, daher ist die Lebensdauer mancher Flugzeugteile nicht unbegrenzt. Sodass ein unerwartetes Vorkommnis im Rahmen der Tätigkeit eines Luftfahrtunternehmens Teil der normalen Ausübung seiner Tätigkeit ist und sich das Luftfahrtunternehmen dieser Art von unvorhergesehen technischen Problemen gegenübersieht (EUGH, Urteil vom 17. September 2015, C-257/14 Rn. 41-42).

30. Nicht anders ist es im vorliegenden Fall. Ein (metallischer) Gegenstand auf der Rollbahn, der im Zuge des Starts oder der Landung eines Flugzeugs, einen Flugzeugreifen beschädigt, stellt zwar ein von außen wirkendes Ereignis da, jedoch hat ein Flugzeugunternehmen mit solchen Ereignissen zu rechnen und es handelt sich um ein Ereignis im Rahmen der Ausübung der normalen Tätigkeit des Luftfahrtunternehmens (starten bzw. landen auf einer hierfür vorgesehenen Landebahn). Flugzeugreifen werden bei jedem Start und Landevorgang extremen Belastungen ausgesetzt, aus diesem Grund verschleißen sie recht schnell und müssen häufig gewechselt werden. Daher werden sie auch vor jedem Flug, im Rahmen des sogenannten pre-flight check untersucht. Zusätzlich dazu, reagieren Flughafenbetreiber auf dieses Problem, im dem sie Vorkehrungen zur Sicherung des Rollfeldes treffen. Dass diese bis jetzt noch nicht ausgereift sind, ist für die Sicherung der Verbraucherschutzrechte, die die Verordnung (EG) 261/2004 vorsieht, unerheblich, denn zum einen liegt der Defekt eines Reifens in der Risikosphäre eines Flugzeugunternehmens und zum anderen kann die Beschädigung, die im Rahmen eines technischen Defekts an einem Reifen auftritt, eindeutig als Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit eines Luftfahrtunternehmens qualifiziert werden.

31. Eine andere Sichtweise würde weiterhin dazu führen, dass der Begriff des außergewöhnlichen Umstandes, zu extensiv ausgelegt wird. Dies deckt sich aber nicht mit der Prämisse, die Exkulpationsmöglichkeit des Artikel 5 Abs. 3 Verordnung (EG) 261/2004 eng auszulegen. So hat der Europäische Gerichtshof dazu ausgeführt, dass Art. 5 Abs. 3, da er eine Ausnahme dazu darstellt, dass Fluggäste grundsätzlich Anspruch auf Ausgleichsleistungen haben, eng auszulegen ist (EuGH, Urteil vom 22. Dezember 2008, C-549/07, Rn. 20). Bei der Auslegung sind insbesondere die Ziele der Verordnung zu berücksichtigen. Diese ergeben sich aus dem ersten und zweiten Erwägungsgrund, wonach die Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich des Luftverkehrs u.a. darauf abzielen sollten, ein hohes Schutzniveau für Fluggäste sicherzustellen und den Erfordernissen des Verbraucherschutzes im Allgemeinen Rechnung zu tragen (EuGH, Urteil vom 22. Dezember 2008, C-549/07 Rn. 18).

32. Diese Auffassung ist deshalb interessengerecht, als dass es für den Fluggast nicht darauf ankommt, aus welchem Grund der Flug nicht wie geplant stattfindet. Wenn man immer darauf abstellen würde, dass der technische Defekt für ein Flugzeugunternehmen auszuschließen ist und dieser ansonsten nicht zur normalen Tätigkeit eines Flugunternehmens gehöre, dann wäre der Anwendungsbereich des Artikel 7 Verordnung (EG) 261/2004 sehr begrenzt und Artikel 5 Abs. 3 Verordnung (EG) 261/2004 wäre nicht mehr die Ausnahme, sondern die Regel, denn die Beherrschbarkeit wäre in diesen Fällen dann meist auch auszuschließen.

33. Dies wird auch durch den Vorschlag zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 unterstützt. So lautet Anhang 1 Nr.2 i. etwa wie folgt:  technische Probleme, die Teil des normalen Luftfahrzeugbetriebs sind, beispielsweise ein Problem, das bei der routinemäßigen Wartung oder der Vorflugkontrolle des Luftfahrtzeugs festgestellt wird oder auf die unsachgemäße Durchführung dieser Wartung oder Vorflugkontrolle zurückzuführen ist, sind nicht als „außergewöhnlich“ anzusehen (COM [2013] 130 final Seite 32). Dieser Betrachtungsweise folgt auch das erkennende Gericht.

34. Auch die vom anderen Gerichten, wie zum Beispiel des Landgerichts Köln, mit Urteil vom 29. Juli 2014 – 11 S 272/13, vorgenommene Einordnung eines „foreign object damage“ als außergewöhnlichen Umstand, überzeugen das Gericht, aus den oben aufgeführten Gründen nicht.

35. Ergänzend dazu folgt das Gericht auch nicht der Argumentation des Landgerichts Köln (11 S 272/13), dass sich die Fluggesellschaften dadurch exkulpieren können, dass die Überwachung der Rollbahnen grundsätzlich in den Verantwortungsbereich des Flughafenbetreibers fällt. Vor allem deshalb, weil Artikel 13 Verordnung (EG) 261/2004 folgendes vorsieht:

36. „In Fällen, in denen ein ausführendes Luftfahrtunternehmen eine Ausgleichszahlung leistet oder die sonstigen sich aus dieser Verordnung ergebenden Verpflichtungen erfüllt, kann keine Bestimmung dieser Verordnung in dem Sinne ausgelegt werden, dass sie das Recht des Luftfahrtunternehmens beschränkt, nach geltendem Recht bei anderen Personen, auch Dritten, Regress zu nehmen. Insbesondere beschränkt diese Verordnung in keiner Weise das Recht des ausführenden Luftfahrtunternehmens, Erstattung von einem Reiseunternehmen oder einer anderen Person zu verlangen, mit der es in einer Vertragsbeziehung steht. Gleichfalls kann keine Bestimmung dieser Verordnung in dem Sinne ausgelegt werden, dass sie das Recht eines Reiseunternehmens oder eines nicht zu den Fluggästen zahlenden Dritten, mit dem das ausführende Luftfahrtunternehmen in einer Vertragsbeziehung steht, beschränkt, vom ausführenden Luftfahrtunternehmen gemäß den anwendbaren einschlägigen Rechtsvorschriften eine Erstattung oder Entschädigung zu verlangen.“

37. Daher könnte eine Fluggesellschaft, die davon überzeugt ist, dass die Rollbahnen nicht ausreichend kontrolliert werden, beziehungsweise dass die Maßnahmen zur Überwachung nicht ausreichend seien, versuchen bei dem Flughafenbetreiber Regress zu nehmen. Zumindest ist es unbillig, dass allgemeine Betriebsrisiko in Gänze auf den Fluggast (Verbraucher) zu übertragen.

38. Auch, die vom Beklagten vorgetragene, vergleichende Darstellung eines Vogelschlags mit dem eines „foreign object damage“, hat das Gericht nicht überzeugt. Zum einen deshalb nicht, weil in der Gesamtbetrachtung beide Ereignisse aus der Natur der Sache heraus bereits nicht vergleichbar sind. Vogelschlag ist noch mehr, als ein „FOD“, ein von natürlichen Begebenheiten abhängendes Ereignis. Allein die Tatsache, dass Vögel sich aktiv fortbewegen können und dies gerade für Gegenstände, die auf äußere Einflüsse zur Fortbewegung angewiesen sind, anders ist, lässt eine Gleichstellung schon denknotwendigerweise ausscheiden. Zum anderen aber, da darüber hinaus die vom Bundesgerichtshof, im Urteil vom 24. September 2013, X ZR 160/12, angestellten Erwägung nicht überzeugen können. Dieser sieht in einem Vogelschlag einen außergewöhnlichen Umstand i.S.d. Artikel 5 Abs. 3 Verordnung (EG) 261/2004. Dazu führt er in dem vorgenannten Urteil aus, dass ein Vogelschlag, ein Ereignis sei, das von außen auf den Flugverkehr einwirkt und dessen Ablauf beeinflusst, nicht vom Luftfahrtunternehmen vorhersehbar und auch nicht beherrschbar sei, weil das Unternehmen weder den Vogelflug beeinflussen noch verhindern kann (Vgl. X ZR 160/12 Rn. 13). Hierzu ist aber zu erwähnen, dass die beiden Voraussetzungen, die der EuGH aufgestellt hat, kumulativ vorliegen müssen.

Zum einen darf ein Vorkommnis nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betroffenen Luftfahrtunternehmens sein und zum anderen darf dies aufgrund seiner Natur oder Ursache vom Luftfahrtunternehmen tatsächlich nicht zu beherrschen sein. Wenn eine der beiden Voraussetzungen nicht vorliegt, kann es sich folglich nicht mehr um einen außergewöhnlichen Umstand handeln (so auch YVES BOT in seinem Schlussantrag, vom 28. Juli 2016, in der Rechtssache C-315/15 Rn.).

39. Für die erste Teilfrage ist dies bereits zu verneinen, zwar kann man die Ansicht vertreten, dass es nicht zur üblichen Tätigkeit eines Luftfahrtunternehmens gehöre ihre Flugzeuge willentlich mit Vögeln in Kontakt zu bringen (so zum Beispiel das LG Hannover, Urteil vom 13 Januar, 2012 – 318 S 98/11) und das es ausreichend ist, dass der Vogelschlag ein von außen einwirkendes Ereignis ist (so BGH X ZR 160/12). Überzeugender ist hingegen die Ansicht, dass ein Vogelschlag, als Umwelteinfluss, zwar ein unerwartetes Vorkommnis darstellt, aber mit diesem beim Betrieb eines Flugzeuges zu rechnen ist und die Fluggesellschaften dieses daher bei Ausübung ihrer normalen Tätigkeit zu berücksichtigen haben. Dies zeigt sich insbesondere auch daran, dass Flugzeughersteller bei der Planung eines Flugzeuges die Gefahren des Vogelschlags berücksichtigen und auch die Flughafenbetreiber durch eine Vielzahl von Maßnahmen die Gefahr eines Vogelschlags auszuschließen verringern oder gar verhindern wollen (so auch YVES BOT in seinem Schlussantrag, vom 28. Juli 2016, in der Rechtssache C-315/15 Rn. 27; 28).

40. Zusätzlich zu den oben genannten Gründen, ist jedoch erneut an den restriktiven Anwendungsbereich des Artikel 5 Abs. 3 Verordnung (EG) 261/2004 zu erinnern. Dies vor allem in Hinblick darauf, dass die Verordnung die Verbraucher schützen soll. Daher kann es nicht darauf ankommen, ob eine Ursache von außen oder von innen auf das Flugzeug einwirkt. Diese Unterscheidung würde allein zu Lasten des Verbraucherschutzes vollzogen werden (so auch YVES BOT in seinem Schlussantrag, vom 28. Juli 2016, in der Rechtssache C-315/15 Rn. 38). Aus den vorgenannten Gründe ergibt sich, anders, als der Bundesgerichtshof es festgestellt hat, dass es nicht mehr darauf ankommt, ob der Vogelschlag von den Flugzeugunternehmen zu beherrschen ist.

41. Da ein sog. „foreign object damage“ nach Überzeugung des Gerichts, nicht unter den Begriff „außergewöhnliche Umstände“ fällt, ist nicht gemäß Artikel 5 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 zu prüfen, ob das Luftfahrtunternehmen alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat.

42. Zur Berechnung der Entfernung zwischen PMI und STR wird gemäß Artikel 7 Abs. 4 Verordnung (EG) 261/2004, die Methode der Großkreisentfernung angewendet. Im vorliegenden Fall beträgt die Entfernung weniger als 1500 km, daher liegt der Betrag der Ausgleichzahlung bei 250,00 EUR pro Person. Der Vortrag der Klägerin zur Entfernung wurde auch nicht von der Beklagten bestritten.

43. Der Zinsanspruch ist gemäß §§ 280, 286 Abs. 2 Nr. 3, 288 BGB begründet.

44. Das Schreiben der Beklagten vom 18.05.2016 ist als ernsthafte und endgültige Zahlungsverweigerung zu sehen.

45. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.

46. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt §§ 708 Abs. 11, 711 S.1 ZPO.

47. Die Berufung wurde aufgrund der abweichenden Rechtsprechung des LG Köln nach § 511 Abs. 4 Nr. 1 ZPO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen.

48. Der Streitwert wird auf 500,00 EUR festgesetzt.

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