Darlegungs- und Beweislast

AG Franfurt: Darlegungs- und Beweislast

Wegen einer mehrals 3-stündigen Verspätung fordert ein Fluggast von seiner Airline eine Ausgleichszahlung. Weil diese den maßgeblichen Zeitpunkt der Türöffnung innerhalb der 3-stündigen Frist sah, verweigert sie die Zahlung.

Das Amtsgericht Frankfurt hat dem Kläger Recht zugesprochen. Wegen seines eingeschränkten Sichtfeldes sei für ihn nicht der Zeitpunkt der Türöffnung, sondern vielmehr der Zeitpunkt des tatsächlichen Verlassens der Maschine maßgeblich.

AG Frankfurt 30 C 2528/16 (Aktenzeichen)
AG Frankfurt: AG Frankfurt, Urt. vom 09.12.2016
Rechtsweg: AG Frankfurt, Urt. v. 09.12.2016, Az: 30 C 2528/16
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Amtsgericht Frankfurt

1. Urteil vom 09. Dezember 2016

Aktenzeichen: 30 C 2528/16

Orientierungssatz

2. Macht ein Fluggast einen Ausgleichsanspruch wegen großer Ankunftsverspätung geltend, genügt es für den Vortrag, das Flugzeug sei mit 3 oder mehr Stunden verspätet am Endziel angekommen, wenn der Fluggast die Zeit mitteilt, zu der er das Flugzeug verlassen konnte.

Zusammenfassung:

3. Ein Reisender buchte bei einem Luftfahrtunternehmen einen Linienflug. Weil dieser mit einer Verspätung von 3 Stunden und 25 Minuten am Zielflughafen ankam, verangt er nun eine Ausgleichszahlung im Sinne von Art. 7 der Verordnung 261/2004.

Die Airline weigert sich der Zahlung. Für die Begründung eines solchen Ausgleichsanspruchs sei der Zeitpunkt maßgeblich, in dem sich die Flugzeugtüren öffneten. Da dies bereits vor Vollendung der 3-Stunden-Marke geschah, entfalle ein Anspruch des Klägers.

Das Amtsgericht Frankfurt hat dem Kläger Recht zugesprochen. Die Darlegungs- und Beweislast zur Anspruchsbegründung treffe grundsätzlich den Fluggast. Da dieser auf den genauen Zeitpunkt der Türöffnung jedoch keinen Einfluss habe und die Tür außerhalb seines Sichtfelds liege, ist für den Kläger stets der Zeitpunkt maßgeblich, in dem er die Maschine verlassen konnte.

Dem Kläger steht folglich ein Ausgleichsanspruch nach Art. 7 der Fluggastrechte Verordnung zu.

Tenor:

4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 300,-​- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 06.09.2016 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

5. (Auf die Abfassung des Tatbestandes wird gemäß § 313 a ZPO verzichtet)

Entscheidungsgründe:

6. Die Klage ist zulässig. Die örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Frankfurt ergibt sich aus § 17 ZPO.

7. Die Klage ist auch begründet.

8. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Ausgleichsanspruch auf Zahlung von 300,-​- € aus Art. 7 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004.

9. Der streitgegenständliche Flug der Beklagten als ausführendes Luftfahrtunternehmen hatte eine Ankunftsverspätung von 3 Stunden, 25 Minuten, so dass nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesgerichtshofs diese Passagiere den Fluggästen annullierter Flüge gleichgestellt werden.

10. Soweit die Beklagte die Ankunftsverspätung bestreitet, hat sie ihrer sekundären Darlegungslast nicht genügt. Zwar ist der Fluggast nach allgemeinen Regeln darlegungs- und beweispflichtig für die anspruchsbegründenden Tatsachen und somit auch für die tatsächliche Ankunftszeit des Flugzeuges. Doch kommt es nach der Rechtsprechung des EuGH für die Ankunftszeit ausschließlich auf den Zeitpunkt an, an welchem die Flugzeugtür geöffnet und dem Fluggast die tatsächliche Möglichkeit eröffnet wurde, das Flugzeug zu verlassen. Von der Türöffnung kann der Passagier, insbesondere bei Großraumflugzeugen, in der Regel keine eigene Wahrnehmung machen, etwa weil die maßgeblichen Flugzeugtüren für ihn nicht einsehbar waren. Daher reicht es, wenn der Fluggast die Zeit angibt, zu der er das Flugzeug verlassen konnte. Das Luftfahrtunternehmen muss dann im Rahmen der sekundären Darlegungsast vortragen, wann die erst Tür zum Ausstieg geöffnet wurde (vgl. Fluggastrechtekommentar Schmidt/Degott/Hopperdiezel, Art. 6, Rdnr. 28 a). Dieser sekundären Darlegungslast hat die Beklagte trotz entsprechenden Hinweises des Klägervertreters nicht genügt.

11. Die Höhe der Ausgleichszahlung folgt aus Art 7 Abs. 1 c) der Verordnung (EG) Nr. 261/2004, da die Entfernung zwischen den Flughäfen mehr als 3500 km beträgt, Art 7 Abs. 1 c) der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 sieht grundsätzlich eine Ausgleichszahlung in Höhe von 600,-​- € vor, doch ist der Anspruch entsprechend Art. 7 Abs. 2 der VO (EG) 261/2004 um 50 % zu kürzen, wenn die Verspätung drei Stunden übersteigt, jedoch unter 4 Stunden bleibt. So liegen die Voraussetzungen hier.

12. Der Anspruch ist auch nicht aufgrund eines außergewöhnlichen Umstandes ausgeschlossen.

13. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

14. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat seine Grundlage in den §§ 708 N. 11, 711 ZPO.

15. Die Berufung wird nicht zugelassen, da die Sache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert.

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