Außerordentliche Kündigung

OLG Köln: Außerordentliche Kündigung

Weil der Gastschulvertrag seiner Tochter, ohne vorherige Abmahnung, gekündigt wurde, verlangt ein Vater Schadensersatz von der zuständigen Schulleitung. Diese sieht in dem Alkoholkonsum der Tochter einen außerordentlichen Kündigungsgrund und weigert sich der Zahlung.

Das Oberlandesgericht Köln hat dem Kläger Recht zugesprochen. Der Konsum von Alkohol während einer außerschulischen Veranstaltung sei kein außerordentlicher Kündigungsgrund im Sinne von §314 BGB.

OLG Köln 16 U 16/16(Aktenzeichen)
OLG Köln: OLG Köln, Urt. vom 30.11.2016
Rechtsweg: OLG Köln, Urt. v. 30.11.2016, Az: 16 U 16/16
LG Köln, Urt. v. 28.12.15, Az: 9 O 170/15
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Oberlandesgericht Köln

1. Urteil vom 30. November 2016

Aktenzeichen: 16 U 16/16

Leitsatz:

2. Ein Gastschulvertrag kann aus wichtigem Grund i.S.d. § 314 BGB außerordentlich gekündigt werden, wenn dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur vereinbarten Beendigung oder bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.

Zusammenfassung:

3. Ein Vater buchte für seine Tochter einen mehrmonatigen Gastschulaufenthalt in den USA. Nachdem die minderjährige Tochter auf einer außerschulischen Veranstaltung alkoholische Mischgetränke zu sich nahm und in der Folge von der Polizei in Gewahrsam genommen wurde, kündigte die Schulleitung den Gastschulvertrag außerordentlich und ohne vorherige Abmahnung.

Der Vater zweifelt an der Rechtmäßigkeit der Kündigung und fordert eine Schadensersatzzahlung im Sinne von §§651 l, 280 I BGB.
Die Schulleitung sieht in dem Alkoholkonsum der Tochter einen außerordentlichen Kündigungsgrund un verweigert sich der Zahlung.

Das Oberlandesgericht Köln hat dem Kläger Recht zugesprochen. Ein Gastschulvertrag im Sinne von §651 l BGB könne grundsätzlich, unter der Vorraussetzung des Vorliegens eines außerordentlichen Grundes, ohne Abmahnung gekündigt werden. Ein solcher Grund sei immer dann gegeben, wenn es einem oder gar beiden Vertragspartnern nicht länger zuzumuten sei, an dem Vertrag festzuhalten.

Der Konsum von nicht jugendfreien Getränken auf einer außerschulischen Veranstaltung stelle jedoch keinen solchen Grund dar. Aufgrund des fehlenden Bezuges zur vertraglichen Leistungspflicht, sei die Kündigung aus diesem Grund unwirksam.
Dem Vater steht daher der geltendgemachte Schadensersatzanspruch im Sinne von §§651 l, 280 I BGB zu.

Tenor:

4. Unter teilweiser Abänderung des Urteils des Landgerichts Bonn vom 28.12.2015 (Az: 9 O 170/15) und Abweisung der weitergehenden Klage wird der Beklagte verurteilt, an den Kläger 9.458,83 EUR sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 455,41 EUR, jeweils  zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 06.02.2015  zu zahlen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen hat der Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Die  Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 9.801,54 EUR festgesetzt.

Gründe:

5. Der Beklagte organisiert Gastschulaufenthalte, der Kläger ist der Vater einer im Jahr 2014 schulpflichtigen Tochter.

6. Der Kläger nimmt den Beklagten auf Schadensersatz nach Kündigung eines Vertrages über die Vorbereitung eines Schüleraustausches in Anspruch.

7. Mit Datum vom 16./20.11.2013 schlossen der Kläger und seine Ehefrau als gesetzliche Vertreter ihrer Tochter N G mit dem Beklagten einen „Vertrag zur Vorbereitung eines Schüleraustausches“ (Bl. 5 ff. GA) über die Durchführung eines Gastschulaufenthalte während eines Schuljahres über einen Zeitraum von 9-​10 Monaten mit gleichzeitiger Unterbringung in einer amerikanischen Gastfamilie ab. Die Ehefrau des Klägers hat eigene Ansprüche an den Kläger abgetreten.

8. Die Reise von N begann am 16.08.2014;  sie wurde in Houston/Texas bei einer alleinstehenden älteren Dame als Gastmutter untergebracht.

9. Anfang September 2014 nahm N an einer Übernachtungsparty mehrerer Gastschülerinnen, auch von anderen Organisationen, bei der ebenfalls als Gastmutter für eine andere Austauschorganisation tätigen Frau O N2 teil.

10. Bei diesem Treffen konsumierten die Partygäste – auch die Tochter des Klägers – sogenannte jello-​shots, d.h. mit Wodka zubereiteten Wackelpudding.

11. Mit Schreiben an den Kläger, seine Ehefrau und N vom 20.10.2014 (Anlage K 8 AH) kündigte der Beklagte den Gastschulvertrag. N war bereits zuvor auf Veranlassung des Beklagten nach Deutschland zurückgeflogen worden.

12. Der Kläger und seine Ehefrau organisierten anschließend einen  anderen Gastschulaufenthalt für N in den USA, da letztere das Schuljahr in Deutschland nicht fortsetzen konnte.

13. Mit der Klage nimmt der Kläger den Beklagten auf Ersatz der Mehraufwendungen für den anderweit organisierten Gastschulaufenthalt i.H.v. insgesamt 9.801,54 EUR in Anspruch. Wegen der Einzelheiten der Berechnung wird auf Seite 7 ff der Klageschrift (Bl. 7 ff. GA) sowie den Schriftsatz vom 06.09.2016 (Bl. 180 ff. GA) Bezug genommen.

14. Das Landgericht hat die Klage mit dem angefochtenen Urteil, auf das wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach– und Streitstandes verwiesen wird,  abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, das Verhalten der Tochter des Klägers habe den Beklagten berechtigt, den Gastschulvertrag auch ohne Abmahnung zum Schutz eigener Interessen und zum Schutze der Tochter des Klägers wegen der behördlichen Ermittlungen sofort aus wichtigem Grunde zu kündigen. Der Alkoholgenuss der Tochter des Klägers habe mangels Anwesenheit eines „adult guardian“ im Sinne der texanischen Gesetze gegen das dort geltende Recht verstoßen.

15. Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers.

16. Er ist der Auffassung, der Beklagte habe den Gastschulaufenthalt ohne wichtigen Grund abgebrochen und sei ohne vorherige Abmahnung nicht zur Kündigung des Gastschulvertrags berechtigt gewesen. Insbesondere sei auch der Abend, an dem N bei Frau N2 gewesen sei, nicht der Anlass für die behördlichen Ermittlungen in den USA gewesen. Auch habe N wegen der Anwesenheit einer aufsichtsberechtigten Erwachsenen, nämlich Frau N2 nicht gegen texanische Gesetze verstoßen. Ihm seien durch die seiner Auffassung nach unberechtigte Kündigung Mehrkosten in Höhe der Klageforderung entstanden. Er behauptet, seine Ehefrau habe aufgrund der Kündigung einen nach Denver geplanten Flug umgebucht, hierdurch seien Kosten in Höhe von 130,00 EUR entstanden. Außerdem habe sie sodann vor Ort einen Mietwagen anmieten müssen, wodurch weitere Kosten in Höhe von 212,71 EUR angefallen seien.

17. Der Kläger beantragt das Urteil des Landgerichts Bonn vom 28.12.2015 (Az: 9 O 170/15) abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an ihn 9.801,54 EUR nebst vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 526,58 EUR, jeweils zuzüglich Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.02.2015, zu zahlen.

18. Der Beklagte beantragt die Berufung zurückzuweisen.

19. Er ist der Auffassung, aufgrund der nach der Übernachtungsparty eingeleiteten behördlichen Ermittlungen sei er  – auch zum Schutze der Tochter des Klägers – zur sofortigen Kündigung des Gastschulvertrages ohne Abmahnung berechtigt gewesen.

20. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach– und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die zu den Akten gereichten Urkunden Bezug genommen.

21. Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist auch in der Sache überwiegend  begründet.

22. Dem  Kläger steht gegen den Beklagten aus eigenem und abgetretenem Recht ein Anspruch auf Zahlung von 9.458,83  EUR gemäß §§ 651 l, § 280 Abs.1 BGB i.V.m. § 398 BGB zu.

23. Der Beklagte hat eine ihm aus dem mit dem Kläger und seiner Ehefrau  geschlossenen Gastschulvertrag obliegende Pflicht verletzt, indem er den Vertrag unberechtigt unmittelbar, d.h.  ohne vorherige Abmahnung, aus wichtigem Grund gemäß § 6 II. (5) des Gastschulvertrages i.V.m.  § 314 BGB kündigte.

24. Nach § 314 Abs. 1 BGB kann jeder Vertragsteil Dauerschuldverhältnisse aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen. Zu Dauerschuldverhältnissen in diesem Sinne zählen auch Gastschulverträge gemäß § 651 l BGB.

25. Ein wichtiger Grund im Sinne des § 314 BGB liegt vor, wenn dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur vereinbarten Beendigung oder bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.

26. Allerdings war gemäß § 6 II. (5) des Gastschulvertrages in Verbindung mit § 314 Abs. 2 BGB grundsätzlich vor Ausspruch der Kündigung zunächst eine erfolglose Abmahnung erforderlich, nachdem der Kündigungsgrund in dem Alkoholkonsum der Tochter des Klägers und damit  in der Verletzung einer Pflicht aus dem Vertrag bestehen soll.

27. Unstreitig ist eine solche Abmahnung vor der Kündigung durch den Beklagten nicht erfolgt. Eine solche war vorliegend allerdings auch nicht aufgrund der besonderen Umstände im Einzelfall ausnahmsweise im Sinne des § 6 II. (5) des Gastschulvertrages i.V.m. § 314 BGB entbehrlich.

28. Aufgrund des Verhaltens der Tochter des Klägers lagen keine besonderen Umstände vor, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die sofortige Kündigung durch den Beklagten rechtfertigten:

29. Der Abschluss eines Gastschulvertrages setzt zwar ein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien voraus, ohne welches die Durchführung eines Auslandsaufenthalts von Minderjährigen und in ihrer Persönlichkeit noch nicht abschließend gefestigten Schülern nicht möglich ist. Denn das Gastschulunternehmen trägt in dieser Zeit – neben Gasteltern und Gastschule – eine erhebliche erzieherische Mitverantwortung für die Jugendlichen. Diese sind während des Auslandsaufenthalts den erzieherischen Einwirkungen der Eltern fast völlig entzogen. Den Verhaltensanforderungen, die ein Gastschulunternehmen bei Abschluss des Vertrages an seine Gastschüler stellt, kommt so eine besondere Tragweite zu.

30. Allein der  – in Texas für Minderjährige grundsätzlich verbotene – Konsum von einigen Jello-​Shots durch die Tochter des Klägers rechtfertigte aber eine sofortige Kündigung ohne vorherige Abmahnung auch unter besonderer Berücksichtigung der vorstehend geschilderten Interessen des Beklagten als organisierendem Verein nicht.

31. Zwar handelte es sich insoweit um einen Verstoß der Tochter des Klägers gegen § 4 des Gastschulvertrages. Auch wurden die Tochter des Klägers und ihre Eltern durch organisatorische Maßnahmen des Beklagten ausführlich über das Verbot des Alkoholkonsums während des Gastschulaufenthalts informiert.  Jedoch ist insoweit zu differenzieren, dass auch nach den eigenen Verhaltensmaßregeln des Beklagten der Alkoholkonsum im Verhältnis zu dem in § 4 Ziff. 2 angesprochenen Drogenkonsum nicht als qualitativ gleich schwerwiegender Verstoß gewertet wird. So ist in § 4 Ziff. 1 geregelt, dass der Konsum von Alkohol zu einem Programmausschluss und zur sofortigen Heimkehr führen “kann“, während der Gebrauch von Drogen nach § 4 Ziff. 2 “konsequent (…) zum sofortigen Ausschluss aus dem Programm und der Heimkehr“ führt. Der Alkoholgenuss wird nach dem Vertrag des Beklagten danach in der Qualität des Verstoßes dem Tabakgenuss gleichgesetzt, aus dem ebenfalls ein Programmausschluss und die sofortige Heimkehr resultieren kann, aber nicht muss. Es ist daher aus den eigenen Vertragsbedingungen des Beklagten ersichtlich, dass auch dieser nicht in jedem Falle eines Alkoholkonsums von einer sofortigen, keiner Ermessensentscheidung bzw. Abwägung unterliegenden Kündigung des Gastschulvertrages ausgeht.

32. Der Beklagte hat weiterhin eingewendet, die in Fotokopie zur Akte gereichten Lichtbilder seien in sozialen Netzwerken verbreitet worden. Durch die hierdurch entstehende Öffentlichkeitswirkung habe er wegen der abschreckenden Wirkung Nachteile bei der Anwerbung ausländischer Gasteltern befürchten müssen.

33. Selbst wenn aber die Lichtbilder nicht nur vereinzelten, ausgesuchten Personen, sondern über soziale Netzwerke auch anderen (potentiellen) Gasteltern bekannt geworden sein sollten, lässt sich  allein aus den zu den Akten gereichten Fotographien, auf denen Mädchen mit Wackelpudding in der Hand zu sehen sind, kein schwerwiegendes, einen sofortigen Programmausschluss rechtfertigendes Fehlverhalten der Tochter des Klägers herleiten. Insbesondere ergibt sich aus den Bildern gerade nicht, dass es bei der Übernachtungsparty zu alkoholbedingtem (weiteren) Fehlverhalten gekommen ist.

34. Dass die Tochter des Klägers an einer Party teilgenommen hat, auf der sich eine Austauschschülerin entkleidet hat, wurde von dem Beklagten in 1. Instanz zwar behauptet. Nachdem der Kläger dies aber bestritten und vorgetragen hat, es habe sich um eine Party eine Woche zuvor an anderer Stelle gehandelt, an dieser Party, bei der unstreitig auch Videoaufnahmen von der eigenen Entkleidung einer Gastschülerin gemacht wurden, habe die Tochter des Klägers gar nicht teilgenommen, hat der Beklagte diese Behauptung ersichtlich nicht weiter aufrechterhalten. Ohnehin ist für die bestrittene Behauptung von dem Beklagten kein Beweis angeboten worden.

35. Letztlich rechtfertigt auch die Tatsache, dass es zu Ermittlungen der Bundesbehörden gekommen ist, die sofortige Kündigung des Gastschulvertrages durch den Beklagten ohne vorherige Abmahnung nicht. Zwar hat sich der Beklagte darauf berufen, es sei auch gegen die Tochter des Klägers ermittelt worden. Insbesondere auch zu ihrem Schutz, um sie weiteren strafrechtlichen Ermittlungen zu entziehen, sei es notwendig gewesen, die Tochter des Klägers nach Deutschland zu verbringen. Näherer Vortrag des Beklagten, in welcher Form und von wem Ermittlungen gegen die Tochter des Klägers angestrengt worden sein sollten, fehlt jedoch. Aus dem vom Beklagten vorgelegten, per Email geführten Schriftverkehr ergibt sich vielmehr, dass (nur) gegen Frau N2 ermittelt wurde und die Bundesbehörden aus diesem Grund bei den über ihre Gastschüler beteiligten Austauschorganisationen Nachfrage gehalten und ermittelt haben.

36. Dass auch nur die Gefahr bestand, dass gegen die Austauschschülerinnen selbst und damit auch gegen die Tochter des Klägers wegen Alkoholkonsums ermittelt wird, ergibt sich aus dem vorgelegten Schriftverkehr gerade nicht. Auch die Agentin des diplomatischen Sicherheitsdienstes fragte in der vom Beklagten vorgelegten E-​Mail vom 09.10.2014 lediglich nach einem Ansprechpartner der Austauschorganisation vor Ort, um den Vorfall aufzuklären, dass Schüler angewiesen worden seien, die Speicher ihrer Mobiltelefone zu löschen. Daraus lässt sich nicht ableiten, dass in irgendeiner Art und Weise gegen die Tochter des Klägers behördliche Ermittlungen eingeleitet werden sollten.

37. Hinzu kommt, dass die Tochter des Klägers nach Abbruch des durch den Beklagten organisierten Gastschulaufenthaltes wieder in die USA zurückgekehrt ist und dort unstreitig von strafrechtlichen Ermittlungen unbehelligt einen privat organisierten mehrmonatigen Gastschulaufenthalt absolviert hat.

38. Letztlich darf bei der erforderlichen Abwägung auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Kontakt zu Frau N2 über eine Veranstaltung des Beklagten und eine Teilnahme der Frau N2 an dieser Veranstaltung hergestellt wurde und die Tochter des Klägers dementsprechend davon ausgehen konnte, dass es sich bei Frau N2 um eine vertrauenswürdige Person handelte.

39. Der Vorfall stellte sich dementsprechend nicht so dar, dass die Tochter des Klägers selbst eine Party mit Alkoholkonsum organisiert oder aus eigenem Antrieb an einer solchen teilgenommen hatte. Das Verschulden der Tochter des Klägers war daher eher gering. Ihrerseits ging es damit um einen einmaligen Vorfall im außerschulischen Bereich, der nicht zu einer Störung des Schulbetriebs führte und auch den Zweck des Gastschulaufenthalts nicht in schwerwiegender Weise störte. Der Beklagte hat auch nicht vorgetragen und es ist auch nicht ersichtlich, dass der Vorwurf des Alkoholkonsums selbst das Verhältnis zur Gastmutter  der Tochter des Klägers oder zu ihrer Schule weiter belastet hätte. Unstreitig sind auch die weiteren Teilnehmerinnen, die anderen Gastschulorganisationen angehörten, weder den USA verwiesen worden noch waren sie, soweit ersichtlich,  strafrechtlichen Konsequenzen ausgesetzt.

40. In der Gesamtabwägung ist der Verstoß der Tochter des Klägers danach zwar gegeben, er erweist sich aber nicht als so schwerwiegend, dass er die sofortige Kündigung des Vertrages ohne vorherige Abmahnung hinsichtlich des Alkoholkonsums rechtfertigte.

41. Aufgrund der von ihm unberechtigt ohne Abmahnung ausgesprochenen sofortigen Kündigung aus wichtigem Grund hat sich der Beklagte daher gegenüber dem Kläger und seiner Ehefrau schadensersatzpflichtig gemacht, § 280 Abs. 1 BGB. Er ist daher dem Kläger aus dessen eigenem und dem abgetretenem Recht seiner Ehefrau, § 398 BGB,  zum Ersatz des entstandenen Schadens verpflichtet.

42. Durch die unberechtigte Kündigung des Beklagten ist dem Kläger ein erstattungsfähiger Schaden in Höhe von 9.458,83 EUR entstanden. In dieser Höhe handelt es sich unstreitig um diejenigen  Mehrkosten des Klägers und seiner Ehefrau, die ihnen durch die Organisation sowie Durchführung des sich anschließenden privat organisierten Gastschulaufenthalt entstanden sind. Im Einzelnen handelt es sich hierbei um folgende Kosten:

43.

Beantragung eines F1-Visums 128,00 EUR
Kosten der Gastschule 5.450,00 EUR
SEVIS-Gebühren 183,21 EUR
Fahrt­kosten Interview US-Botschaft 39,75 EUR
Flug L.A. und zurück 1.302,00 EUR
Unter­bringung Gastfa­milie 3.324,50 EUR
Kosten für Fracht­brief 121,97 EUR
Notar­kosten (Beglau­bigung) 23,80 EUR
Summe 10.573,23 EUR
Abzüglich bereits erstat­teter 1.114,40 EUR
Schaden 9.458,83 EUR

44. Entgegen der von ihm vertretenen Auffassung hat der Kläger keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Umbuchung des Fluges seiner Ehefrau i.H.v. 130,00 EUR und der Kosten für den Mietwagen in Höhe von 212,71 EUR, insgesamt 342,71 EUR. Wie sich aus dem in Kopie vorgelegten, per sms geführten Schriftverkehr zwischen der Ehefrau des Klägers (Anl. B9) und Frau N2 ergibt, hatte die Mutter von N („T“) bereits am 19. September und damit vor Ausspruch der Kündigung durch die Beklagte bzw. der Rücksendung ihrer Tochter  am 02.10.2014 geplant, eine anderweitige Unterbringung für ihre Tochter zu suchen. Auch die Aufenthaltsdauer von 3 Tagen stand bereits fest. Diese Mehrkosten beruhten daher jedenfalls nicht auf der pflichtwidrigen Kündigung der Beklagten. Dass sie aus einem anderen Rechtsgrund vom Beklagten zu erstatten wären, hat der Kläger nicht vorgetragen. In Höhe von 342,71 EUR ist die Klageabweisung durch das erstinstanzliche Gericht demnach zu Recht erfolgt, die Berufung mithin unbegründet.

45. Bei sämtlichen sonstigen vorstehend aufgeführten Kosten handelt es sich ausschließlich um Kosten, die zusätzlich zu den zuvor an die Beklagte für den dortigen Aufenthalt entrichteten Kosten für den sich anschließenden weiteren Gastschulaufenthalt entstanden sind. Diese wären nicht entstanden, wäre der Aufenthalt der Tochter des Klägers nicht durch die Beklagte beendet worden. In diesem Umfang wurden  die geltend gemachten Kosten von dem Beklagten auch nicht angegriffen.

46.Der Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten ergibt sich ebenfalls aus § 280 Abs. 1 BGB. Der Kläger war aufgrund der unberechtigten Kündigung des Beklagten ausnahmsweise berechtigt, zur Wahrung seiner Interessen unmittelbar einen Rechtsanwalt einzuschalten, ohne den Beklagten zuvor in Verzug zu setzen.

47. Dem Kläger steht jedoch nur ein Anspruch auf Erstattung derjenigen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu, die sich unter Zugrundelegung der berechtigten Forderung in der Hauptsache  ergeben. Ausgehend von einem Gegenstandswert in Höhe von

48. 9.458,83 EUR und unter Ansatz einer 0,65 Geschäftsgebühr i.H.v. 362,70 EUR gemäß Nr. 2300 VV RVG, der Auslagenpauschale i.H.v. 20,00 EUR sowie 19 % Umsatzsteuer auf den Gesamtbetrag von 382,70 EUR  errechnet sich ein Anspruch des Klägers auf  455,41 EUR brutto.

49. Im weitergehenden Umfang ist die Berufung unbegründet.

50. Die Zinsansprüche des Kläger ergeben sich jeweils aus §§ 288, 286 BGB, soweit die Hauptansprüche bestehen; im Übrigen ist die Berufung unbegründet.

51. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 ZPO. Die Zuvielforderung des Klägers war geringfügig und hat keine besonderen Kosten verursacht. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

52. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, § 543 Abs.2 ZPO. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern nicht eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Der Senat hat den Fall auf der Grundlage anerkannter Grundsätze alleine nach den tatsächlichen Besonderheiten des vorliegenden Sachverhaltes entschieden.

53. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 6 ZPO.

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