Kostenrückerstattung nach Schüleraustauschreise
LG Köln: Kostenrückerstattung nach Schüleraustauschreise
Ein Schüler tritt von einer gebuchten Austauschreise zurück und verlangt nun Rückzahlung des Reisepreises. Mangels einer Rücktrittsversicherung weigert sich das Reiseunternehmen der Zahlung.
Das Landgericht Köln bestätigt die Ansicht der Beklagten. Eine Pflicht zur Erstattung des Reisepreises bestehe nicht. Sie gibt dem Kläger allerdings insofern Recht, als das das Unternehmen ihm Posten wie allgemeine Versicherungs- und Personalkosten zu erstatten hat.
LG Köln | 11 S 279/03 (Aktenzeichen) |
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LG Köln: | LG Köln, Urt. vom 02.03.2004 |
Rechtsweg: | LG Köln, Urt. v. 02.03.2004, Az: 11 S 279/03 |
AG Köln, Urt. v. 05.09.2003, Az: 133 C 126/03 | |
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Leitsätze:
2. Kündigt der Reisende eine Schüleraustauschreise, so muss er den Reiseveranstalte den Reisepreis abzüglich ersparter Versicherungs- und Partnerorganisationskosten leisten.
Der Reisende kann die Rückerstattung ersparter Personalkosten verlangen, wenn er die Ersparung beweisen kann.
Zusammenfassung:
3. Ein Schüler tritt von einer Austauschreise zurück und verlangt vom ausführenden Unternehmen den Reisepreis erstattet. Das Reiseunternehmen verweigert die Rückzahlung des entsprechenden Betrags. Weil er keine Reiserücktrittsversicherung abgeschlossen habe, stehe ihm kein Anspruch hierauf zu.
Das Amtsgericht Köln gibt der Beklagten Recht und verneint einen Zahlungsanspruch des Klägers. In der darauf folgenden Revision verlangt der Kläger nun die Erstattung der Reisenebenkosten.
Das Landgericht Köln hat in diesem Fall zu Gunsten des Klägers entschieden. Der Reiseveranstalter könne zwar den Reisepreis verlangen, von diesem müsse er jedoch die ersparten Kosten für Versicherung und Partnerorganisation subtrahieren. Wie sich die Kalkulation konkret zusammensetzt müsse der Reiseveranstalter nicht darstellen.
Aufwendungen, für die der Veranstalter entlohnt wurde, sie allerdings wegen der ausgebliebenden Mitreise des Klägers nicht habe erbringen müssen, seien stets zu erstatten.
Des Weiteren habe der Reisende noch die Möglichkeit von dem Reisepreis die Personalkosten abziehen zu lassen. Die entsprechenden Nachweise müsse er jedoch selbst vorlegen.
Tenor:
4. Auf die Berufung des Beklagten wird das am 5. September 2003 verkündete Urteil des Amtsgerichts Köln teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden den Klägern auferlegt.
Gründe:
5. Von der Darstellung des Tatbestandes wird abgesehen (§§ 313 a Abs. 1 Satz 1, 540 Abs. 2 ZPO).
6. Die Berufung der Beklagten ist zulässig und hat in der Sache Erfolg. Soweit das Amtsgericht der Klage stattgegeben hat, ist das Urteil abzuändern. Die Klage ist nicht begründet.
7. Die Kläger können aufgrund der Kündigung des Vertrages, der einen Gastschulaufenthalt ihrer Tochter in den USA zum Gegenstand hatte, von dem Beklagten keine weitergehende als die vorprozessual erfolgte Erstattung eines Teils des Reisepreises fordern. Die Kammer vermag nicht der Auffassung des Amtsgerichts zu folgen, in Höhe von 40% des gezahlten Reisepreises von 6.120,00 EUR sei ein Rückzahlungsanspruch gegen den Beklagten unter dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung in Verbindung mit Ziff. 8 der vereinbarten Teilnahmebedingungen entstanden. Ein solcher Anspruch lässt sich weder auf die gesetzlichen Vorschriften über den Gastschulaufenthaltsvertrag als Sonderform des Reisevertrages stützen noch auf eine, wie das Amtsgericht offenbar meint, zugunsten des Reisenden hiervon abweichende oder wenigstens unklare Regelung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Beklagten.
8. Für den Vertrag gelten, da er nach dem 1. September 2001 geschlossen wurde, gemäß Art. 229 § 4 Abs. 1 EGBGB die durch Gesetz vom 23. Juli 2001 in das Reisevertragsrecht eingefügten Vorschriften des § 651 l BGB. Nach § 651 l Abs. 4 Satz 1 BGB konnten die Kläger den Vertrag bis zur Beendigung der Reise jederzeit kündigen. Eine solche Kündigung und nicht etwa ein gemäß § 651 i BGB nur vor Reisebeginn jederzeit möglicher Rücktritt des Reisenden vom Vertrag war mit dem aus persönlichen Gründen erfolgten Abbruch des bereits begonnenen Auslandsaufenthalts der Tochter der Kläger verbunden.
9. Das Gesetz unterscheidet scharf zwischen Kündigung nach Antritt der Reise, die bei normalen Reiseverträgen nicht uneingeschränkt, sondern nur nach Maßgabe der §§ 651 e und 651 j BGB möglich ist, und dem bei allen Reiseverträgen vor Reisebeginn gemäß § 651 i Abs. 1 BGB jederzeit möglichen Rücktritt des Reisenden vom Vertrag. Bei einem solchen Rücktritt verliert der Reiseveranstalter gemäß § 651 i Abs. 2 BGB den Anspruch auf den vereinbarten Reisepreis. Er kann nur noch – falls nicht etwa bei einem vorgesehenen Gastschulaufenthalt der Tatbestand des § 651 l Abs. 3 BGB erfüllt ist, was hier nicht zutrifft – eine angemessene Entschädigung verlangen. Die Höhe der Entschädigung bestimmt sich nach dem Reisepreis unter Abzug des Wertes der vom Reiseveranstalter ersparten Aufwendungen sowie dessen, was er durch anderweitige Verwendung der Reiseleistungen erwerben kann.
10. Im Vertrag kann gemäß § 651 i Abs. 3 BGB für jede Reiseart unter Berücksichtigung der gewöhnlich ersparten Aufwendungen und des durch anderweitige Verwendung der Reiseleistungen gewöhnlich möglichen Erwerbs ein Vomhundertsatz des Reisepreises als Entschädigung festgesetzt werden. Die Teilnahmebedingungen, auf deren Grundlage der vorliegende Vertrag geschlossen worden ist, enthalten in Ziff. 8 Abs. 2 nichts anderes als eine solche nach dem Gesetz mögliche Pauschalierung der Entschädigung für den Fall des Rücktritts vom Vertrag vor Reisebeginn.
11. Für die hier erfolgte Kündigung des Vertrages nach Reisebeginn gelten die Vorschriften des § 651 i Abs. 2 und 3 BGB und die in Ziff. 8 Abs. 2 der Teilnahmebedingungen getroffene Regelung nicht. Der Beklagte als Reiseveranstalter blieb gemäß § 651 l Abs. 4 Satz 2 BGB berechtigt, den vereinbarten Reisepreis abzüglich der ersparten Aufwendungen zu verlangen. Seine Verpflichtung, gemäß § 651 l Abs. 4 Satz 3 BGB die infolge der Kündigung notwendigen Maßnahmen zu treffen und insbesondere die Gastschülerin zurückzubefördern, hat er unstreitig erfüllt. Es liegt auch kein Fall einer nach § 651 e BGB oder § 651 j BGB gerechtfertigten Kündigung des Reisenden vor, für deren Folgen nach § 651 l Abs. 4 Satz 5 BGB die vorstehenden Sätze nicht gelten würden.
12. Allein auf die Angabe des Datums des 8. August 2002 in Ziff. 8 Abs. 2 der Teilnahmebedingungen und den Umstand, dass der Programmbeginn, nämlich die Reise in die USA, hier zeitlich vor dem 8. August 2002 lag, lässt sich nicht die Auffassung stützen, die nach dem 8. August 2002 und nach Programmbeginn erfolgte Vertragskündigung sei nicht anderes zu behandeln als der gemäß Ziff. 8 Abs. 1 der Teilnahmebedingungen nur vor Programmbeginn ohne Angabe von Gründen mögliche Rücktritt, der Reisende schulde also statt des Reisepreises nur eine mit 60 % dieses Preises pauschalierte Entschädigung. Es trifft nicht zu, dass die Teilnahmebedingungen wegen der Angabe des im konkreten Fall nach dem Programmbeginn liegenden Datums des 8. August 2002 eine Unklarheit enthalten, die sich nach der auf den vorliegenden Vertrag noch anwendbaren Vorschrift des § 5 AGB-Gesetz bzw. jetzt § 305 c Abs. 2 BGB zum Nachteil des Verwenders, also des Beklagten, auswirken könnte.
13. Die Beklagte hat eine plausible Erklärung dafür gegeben, dass als zeitliche Grenze, von der ab bei einem vor Programmbeginn erfolgenden Rücktritt die Entschädigung grundsätzlich in Höhe von 60 % des Programmpreises geschuldet wird, dieses Datum angegeben ist. Der mit der Anreise verbundene Programmbeginn liegt, wenn das Schuljahr in den USA Anfang September beginnt, wie dies auch für den Schulbesuch der Tochter der Kläger gegolten hätte, oft oder sogar in den meisten Fällen nach dem 8. August 2002. Liegt er früher, so ist die bei der Bemessung der Pauschale angegebene Zeitgrenze des 8. August 2002 für den Reisenden, der vor dem Programmbeginn vom Vertrag zurücktritt, von Vorteil, weil die Pauschale dann weniger als 60% des Reisepreises beträgt. Letzteres mag, worauf es hier aber nicht entscheidend ankommt, damit zusammenhängen, dass bei einem so großen zeitlichen Abstand zum Beginn des Schuljahres die im Inland und im Gastland vor Programmbeginn entstandenen Aufwendungen niedriger kalkuliert werden können.
14. Ein verständiger Leser der unter der Überschrift „Rücktritt vom Vertrag“ stehenden Bestimmungen kann sich aber nicht im Unklaren darüber sein, dass die auf Abs. 1 folgenden Bestimmungen im Abs. 2 und 3 sich auf den nach Maßgabe des Abs. 1, also nur vor Programmbeginn, möglichen Rücktritt und die für diesen Fall vorgesehene Entschädigung beziehen. Der Programmbeginn oder, wie es im BGB heißt, Reisebeginn ist die entscheidende Zäsur. Das ist objektiv ohne weiteres erkennbar. Man kann vernünftigerweise nicht annehmen, dass die mit dem Antritt der Reise verbundene Inanspruchnahme von Leistungen des Veranstalters trotz des eindeutigen und an der gesetzlichen Regelung des § 651 i Abs. 1 BGB orientierten Wortlauts von Ziff. 8 Abs. 1 keine Rolle für die Beantwortung der Frage spielt, ob der Veranstalter sich einen mit dem grundsätzlichen Verlust des Vergütungsanspruchs verbundenen Rücktritt vom Vertrag oder nur eine in Ziff. 8 der Teilnahmebedingungen nicht geregelte Kündigung gefallen lassen muss.
15. Bei der vom Amtsgericht vertretenen Auslegung könnte eine Kündigung, die wie ein Rücktritt im Sinne von Ziff. 8 der Teilnahmebedingungen zu behandeln wäre, bei der der Beklagte also grundsätzlich nicht den Anspruch auf den Reisepreis, sondern nur den Anspruch auf eine pauschalierte Entschädigung behalten würde, theoretisch noch erheblich später als im vorliegenden Fall und eventuell sogar erst kurz vor der vertraglich vorgesehenen Beendigung des Gastschulaufenthaltes erfolgen. Die Vorschrift des § 651 l Abs. 4 Satz 2 BGB wäre damit vertraglich zugunsten des Reisenden außer Kraft gesetzt. In diesem Sinne waren die Teilnahmebedingungen mit Sicherheit nicht zu verstehen.
16. Es spricht übrigens auch nichts dafür, dass die Kläger sie im konkreten Fall so verstanden und den Vertrag im Vertrauen darauf geschlossen haben. Bei Geltendmachung des streitgegenständlichen Erstattungsanspruchs haben sie sich zunächst weder dem Grunde noch der Höhe nach an Ziff. 8 Abs. 2 der Teilnahmebedingungen orientiert. Sie haben sich vielmehr in der Klagebegründung auf die bei Kündigung eines Werkvertrags geltende Vorschrift des § 649 BGB berufen.
17. Für die Kündigung eines Vertrages über einen Gastschulaufenthalt enthält § 651 l Abs. 4 BGB in Satz 1 und Satz 2 eine vom allgemeinen Reisevertragsrecht abweichende Regelung, die sich weitgehend an § 649 BGB anlehnt (vgl. Palandt-Sprau, 63. Aufl. 2004, Rn. 7 zu § 651 l BGB). Der Veranstalter behält den Anspruch auf den Reisepreis abzüglich einer etwa anzurechnenden Ersparnis. Die Möglichkeit eines anzurechnenden anderweitigen Erwerbs des Veranstalters infolge der Kündigung des Vertrages nach Reisebeginn liegt allerdings angesichts der langfristigen organisatorischen Vorbereitung, die ein Gastschulaufenthalt erfordert, so fern, dass sie – anders als nach dem Wortlaut des § 649 BGB – nicht berücksichtigt wird.
18. Insoweit besteht auch ein Unterschied zu der in § 651 i Abs. 2 Satz 3 BGB getroffenen Regelung über die Höhe der Entschädigung bei einem Rücktritt vor Reisebeginn: dort geht das Gesetz von der zumindest theoretischen Möglichkeit eines die Höhe der Entschädigung beeinflussenden Erwerbs des Reiseveranstalters durch anderweitige Verwendung der Reiseleistungen aus.
19. Vorliegend bleibt es dabei, dass nur die Ersparnis anzurechnen ist. Die Kläger können nicht mit Erfolg geltend machen, der Beklagte habe ihre Höhe nicht so substantiiert dargelegt, wie dies nach § 651 l Abs. 4 Satz 2 BGB und der vergleichbaren Vorschrift des § 649 Satz 2 BGB erforderlich sei.
20. Dass diese Ersparnis bei weitem nicht in Höhe von 40% des Reisepreises angenommen werden kann, zeigt folgende Überlegung:
21. Bei einem nach dem 8. August, jedoch vor Reisebeginn erfolgten Rücktritt gemäß § 651 i Abs. 1 BGB bzw. Ziff. 8 Abs. 1 der Teilnahmebedingungen hätte dem Beklagten eine unter Berücksichtigung gewöhnlich ersparter Aufwendungen und eines durch etwaige anderweitige Verwendung der Reiseleistungen gewöhnlich möglichen Erwerbs eine pauschal auf 60% des Reisepreises festgesetzte Entschädigung zugestanden. Durch den Antritt der Reise und die erforderliche Rückbeförderung erhöhten sich jedoch die Aufwendungen des Veranstalters und verringerte sich entsprechend die aus dem vorzeitigen Abbruch des Aufenthalts resultierende Ersparnis erheblich. Insoweit wären zunächst die Flugkosten von 900,00 EUR einer bei Rücktritt nach dem 8. August, aber vor Reisebeginn geschuldeten Entschädigung hinzuzurechnen. Bereits daraus ergibt sich nach Auffassung der Kammer, dass allenfalls hinsichtlich der Differenz zwischen dem vom Amtsgericht zuerkannten Erstattungsbetrag und den Flugkosten, also hinsichtlich eines Betrages von 1.287,90 EUR – 900,00 EUR = 387,50 EUR, noch darum gestritten werden könnte, ob die anzurechnende Ersparnis über die von dem Beklagten berücksichtigten Beträge von 1.160,10 EUR hinausgeht.
22. Dass mit dem begonnenen Aufenthalt der Tochter der Kläger in den USA Aufwendungen des Beklagten auch über die Flugkosten hinaus verbunden waren, die nicht durch den vorzeitigen Abbruch erspart worden sind, liegt jedoch auf der Hand. Der Vortrag des Beklagten, dass sich insoweit keine größere Ersparnis ergeben hat als diejenige, die in Höhe von insgesamt 1.160,10 EUR durch Erstattung von Teilen der Versicherungskosten und der bei der Partnerorganisation in den USA angefallenen Kosten eingetreten ist, hat nach Auffassung der Kammer genügend Substanz und reicht aus, um auch hinsichtlich des oben genannten Spitzenbetrages von 387,50 EUR die Unbegründetheit der Klage festzustellen. Er wird durch das Klagevorbringen nicht widerlegt. Es besteht kein Anlass, dem Beklagten eine weitergehende Offenlegung seiner Kalkulation aufzugeben.
23. Von ersparten Personalkosten etwa durch verringerten Betreuungsaufwand am Ort oder durch Nichtteilnahme der Kläger und ihrer Tochter an einem Nachbereitungsseminar kann nicht ausgegangen werden. Zum einen sind die Personalkosten feste Kosten, die der Beklagte vorhalten muss und bei denen man sich schlecht vorstellen kann, dass sie sich nennenswert verringern, wenn ein Reisender bzw. Gastschüler Betreuungsleistungen vor Ort oder Leistungen im Rahmen der Nachbereitung nicht oder nur teilweise in Anspruch nimmt. Zum anderen trägt der Beklagte unwiderlegt vor, dass Betreuungsleistungen bis zur vorzeitigen Rückreise aus konkretem Anlass in durchaus erheblichem Umfang angefallen sind.
24. Die Klage war nach allem unter Abänderung des angefochtenen Urteils als unbegründet abzuweisen.
25. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
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