Anwendbarkeit des Gerichtsstands des Erfüllungsortes auf Ausgleichsansprüche

LG Frankfurt: Anwendbarkeit des Gerichtsstands des Erfüllungsortes auf Ausgleichsansprüche

Ein Fluggast forderte eine Ausgleichszahlung von einem Luftfahrtunternehmen, das im Rahmen von Code-Sharing den Flug einer anderen Airline verspätet durchgeführt hatte.

Das Landgericht Frankfurt setzte das Verfahren aus. Es sei höchstrichterlich zu klären, welche Fluggesellschaft Anspruchsgegner und welcher Flughafen folglich Erfüllungsort ist.

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LG Frankfurt 2-24 S 74/15 (Aktenzeichen)
LG Frankfurt: LG Frankfurt, Urt. vom 15.09.2016
Rechtsweg: LG Frankfurt, Urt. v. 15.09.2016, Az: 2-24 S 74/15
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Landgericht Frankfurt

1. Urteil vom 15. September 2016

Aktenzeichen 2-24 S 74/15

Leitsätze:

2. Richten sich die „Ansprüche aus einem Vertrag“ nach Art. 7 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 auch gegen ausführende Luftffahrtunternehmen, die nicht Vertragspartner des Fluggastes sind, sondern den Flug im Auftrag des Vertragspartners ausführen?

Ist bei einer zweiteiligen Flugreise, bei welcher der erste Teil von einer anderen Fluggesellschaft mangelhaft ausgeführt worden als der mangelfreie zweite Teil dennoch der Endflughafen als Erfüllungsort anzusehen?

Zusammenfassung:

3. Ein Flugreisender erreichte bei der Heimreise von Vigo über Paris nach Frankfurt sein Ziel mit eintägiger Verspätung, da er aufgrund der Verspätung des Zubringers den Anschluss verpasste. Seine Ausgleichsansprüche richteten sich gegen das ausführende Luftfahrtunternehmen des ersten Fluges, welches diesen im Rahmen von Code-Sharing für die Fluggesellschaft ausgeführt hatte, bei welcher der Passagier den Beförderungsvertrag geschlossen hatte und das den zweiten Flug selbst durchgeführt hatte.

Das Landgericht Frankfurt setzte das Verfahren aus, da das Urteil von zweierlei höchstrichterlichen Entscheidungen abhing. Erstens war zu klären, welche der beiden Fluggesellschaften als Anspruchsgegner anzusehen war, da der Wortlaut der Art. 7 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 von „Ansprüchen aus einem Vertrag“ ausging, der ja nur mit der zweiten Airline geschlossen worden war. Im Falle einer Bejahung der Haftung der Beklagten stand zudem die Klärung des Gerichtsstandes aus, da die Beklagte Airline in Frankfurt keine Leistung zu erbringen hatte, sondern nur in Vigo und Paris. Die Fragen wurden dem europäischen Gerichtshof zur Beantwortung vorgelegt.

Tenor:

4. Das Verfahren wird ausgesetzt.

Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden gemäß Art. 267 AEUV folgende Fragen zur Auslegung des Unionsrechts vorgelegt:

Ist Art. 5 Nr. 1 Buchst. a der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen dahin auszulegen, dass der Begriff „Ansprüche aus einem Vertrag“ auch einen Anspruch auf Ausgleichszahlung nach Art. 7 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 296/91 erfasst, der gegenüber einem ausführenden Luftfahrtunternehmen verfolgt wird, welches nicht Vertragspartner des betroffenen Fluggasts ist?

Soweit Art. 5 Nr. 1 VO (EG) Nr. 44/2001 Anwendung findet:

Ist bei einer Personenbeförderung auf zwei Flügen ohne nennenswerten Aufenthalt auf dem Umsteigeflughafen das Endziel des Fluggastes auch dann als Erfüllungsort gemäß Art. 5 Nr. 1 Buchst. b zweiter Spiegelstrich der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 anzusehen, wenn der mit der Klage geltend gemachte Anspruch auf eine Ausgleichszahlung nach Art. 7 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 auf eine auf der ersten Teilstrecke aufgetretene Störung gestützt wird und sich die Klage gegen das ausführende Luftfahrtunternehmen des ersten Flugs richtet, das nicht Vertragspartner des Beförderungsvertrags ist?

Gründe:

5. Der Kläger begehrt eine Ausgleichszahlung in Höhe von 400 € nach Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 296/91 (im Folgenden: FluggastrechteVO).

6. Der Kläger schloss einen Beförderungsvertrag, der Flüge von Frankfurt am Main nach Paris und von Paris nach Vigo am 4.6.2014 sowie entsprechende Rückflüge von Vigo nach Paris und von Paris nach Frankfurt am Main am 10.6.2014 umfasste. Sämtliche Flüge wurden unter dem sog. Airline Code der „…“ geführt (…). Ausweislich der Buchungsbestätigung/E-​Ticket sollten die Flüge von Paris nach Vigo (…) sowie der Rückflug von Vigo nach Paris (…) von der Beklagten „durchgeführt“ werden.

7. Der Rückflug von Vigo nach Paris (…) verspätete sich. Er erreichte Paris erst um 20:20 Uhr, sodass der um 20:50 Uhr abgehende Anschlussflug von Paris nach Frankfurt am Main verpasst wurde. Der Kläger musste in Paris übernachten und erreichte sein Endziel in Frankfurt am Main erst am Folgetag.

8. Der Kläger hat vor dem für den Flughafen Frankfurt am Main zuständigen Amtsgericht Klage erhoben. Dieses hat die Klage als unzulässig abgewiesen mit der Begründung, die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte sei nicht gegeben.

9. Insbesondere liege im Inland kein Erfüllungsort im Sinne von Art. 7 Nr. 1 Buchst. b Brüssel-​I-VO (in der bis zum 9.1.2015 gültigen Fassung: Art. 5 Nr. 1 Buchst. b). Auch wenn den geltend gemachten Ansprüchen im Streitfall eine einheitliche Buchung zugrunde liege, habe diese doch zwei separate Flüge in zwei Abschnitten zum Gegenstand. Die Klageforderung knüpfe an die Verspätung auf der Teilstrecke von Vigo nach Paris an, für die die Beklagte zwar ausführendes Luftfahrtunternehmen sei, für die aber auch nur diese beiden Orte als Erfüllungsort infrage kämen. Zum letzten Zielort Frankfurt am Main weise dieser Abschnitt keine Bezüge auf. Auf das Endziel möge für den materiellrechtlichen Anspruch auf eine Ausgleichsleistung abzustellen sein; davon sei aber die prozessuale Frage nach dem Gerichtsstand zu trennen. Auch der Umstand der einheitlichen Buchung rechtfertige keine andere Beurteilung.

10. Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

11. Der Erfolg der Berufung hängt entscheidend davon ab, ob die deutschen Gerichte international zuständig sind. Dies ist nach Lage der Dinge hinsichtlich der Ausgleichsansprüche nach Art. 7 FluggastrechteVO nur dann der Fall, wenn der Rechtsstreit Ansprüche aus einem Vertrag zum Gegenstand hat und ein Gerichtsstand des Erfüllungsortes in Deutschland liegt. Dies hängt wiederum von der Auslegung von Art. 5 Nr. 1 Buchst. b, 2. Spiegelstrich Brüssel-​I-VO (in der seit dem 9.1.2015 gültigen Fassung: Art. 7 Nr. 1 Buchst. B, 2. Spiegelstrich ab). Vorliegend ist die vor dem 9.1.2015 gültige Fassung anzuwenden, da das Verfahren vor dem 10. 1.2015 eingeleitet worden ist, Art. 66 Brüssel-​I-VO.

12. Die Zuständigkeit der deutschen Gerichte für eine Klage auf Ausgleichszahlung nach Art. 7 FluggastrechteVO ist nicht nach Art. 19 Abs. 1 des Übereinkommens zur Vereinheitlichung bestimmter Vorschriften über die Beförderung im internationalen Luftverkehr vom 28. Mai 1999 (ABI. EG L 194, S. 39 vom 18. Juli 2001) ausgeschlossen, weil für Ansprüche aus der Fluggastrechteverordnung und aus jenem Abkommen unterschiedliche Regelungsrahmen gelten (EuGH, Urteil vom 9. Juli 2009 – C-​204/08, SIg. 2009, I-​6073 Rn. 27 – Rehder; vom 23. Oktober 2012 – C-​581/10 und C-​629/10, RRa 2012, 272 Rn. 46, 55, 57 mwN – Nelson u.a.).

13. Die Zuständigkeit deutscher Gerichte kann sich, da der geschlossene Vertrag die Erbringung von Dienstleistungen zum Gegenstand hat, nur aus Art. 5 Nr. 1 Buchst. a, Buchst. b, 2. Spiegelstrich Brüssel-​I-VO ergeben.

14. Die Anknüpfung an den dem Wohnsitz gleichgesetzten Unternehmenssitz (Art. 2, 60 Brüssel-​I-VO) führt nicht zur Zuständigkeit deutscher Gerichte, weil der Sitz der Beklagten außerhalb Deutschlands liegt. Der Verbraucherwahlgerichtsstand am Wohnsitz des Klägers in Deutschland (Art. 16 Abs. 1 Brüssel-​I-VO) ist nicht auf Beförderungsleistungen anzuwenden, die außerhalb von Reiseverträgen mit einem Pauschalpreis für kombinierte Beförderungs- und Unterbringungsleistungen erbracht werden (Art. 15 Abs. 3 Brüssel-​I-VO). Der Deliktsgerichtsstand läge auch dann nicht in Deutschland, wenn die Beförderung mit einer Verspätung, die einen Anspruch aus Art. 7 FluggastrechteVO auslöst, als schädigendes Ereignis im Sinne von Art. 5 Nr. 3 Brüssel-​I-VO einzuordnen wäre. Der Ort der unerlaubten Handlung umfasste dann zwar sowohl den Ort des für den Schaden ursächlichen Geschehens als auch den Ort der Verwirklichung des Schadenserfolgs (EuGH, Urteil vom 18. Juli 2013 – C-​147/12, EuZW 2013, 703 Rn. 51 – ÖFAB). Dafür kämen aber lediglich der Ort des Abflugs oder der Ankunft des verspäteten Fluges in Betracht, hier also Vigo oder Paris.

15. Die Kammer versteht – der Rspr. des BGH folgend – (vgl. nur Vorlagebeschluss vom 14.6.2016, Az. X ZR 92/15) den Anspruch auf Ausgleichszahlung nach Art. 7 FluggastrechteVO als einen gesetzlichen Anspruch gegen das ausführende Luftfahrtunternehmen auf vertraglicher Grundlage. Der Anspruch folgt zwar nicht unmittelbar aus dem mit einem Luftfahrtunternehmen abgeschlossenen Beförderungsvertrag, setzt aber voraus, dass der Anspruchsteller über eine bestätigte Buchung verfügt, was wiederum regelmäßig vom Bestehen eines Beförderungsvertrages abhängig ist. Ein solcher Beförderungsvertrag kann entweder mit dem ausführenden Luftfahrtunternehmen selbst bestehen oder mit einem anderen Unternehmen, für welches das ausführende Luftfahrtunternehmen die Beförderungsleistung erbringt (BGH, Urteil vom 18. Januar 2011 – X ZR 71/10, BGHZ 188, 85 Rn. 26; Urteil vom 12. November 2009 – Xa ZR 76/07, RRa 2010, 34 Rn. 18; Urteil vom 28. Mai 2009 – Xa ZR 113/08, RRa 2009, 242 Rn. 9; Urteil vom 30. April 2009 – Xa ZR 78/08, RRa 2009, 239 Rn. 13). Letztere Voraussetzung ist im Streitfall erfüllt. Die Beklagte hat ihre Beförderungsleistung für die „Air France“ erbracht, von der sie damit betraut worden war. Der EuGH hatte bislang aber noch nicht zu entscheiden, ob in einer solchen Fallgestaltung Ansprüche gegen das ausführende Luftfahrtunternehmen, das nicht zugleich Vertragspartner des Fluggastes ist, als Ansprüche aus einem Vertrag im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Buchst. a Brüssel-​I-VO den Gegenstand des Verfahrens bilden, und die zutreffende Auslegung dieser unionsrechtlichen Norm erscheint weder in dem einen noch in dem anderen Sinne eindeutig. Deshalb ist diese Frage dem Gerichtshof der Europäischen Union vorzulegen.

16. Die (vollständige) Verlagerung der im Kommissionsvorschlag (Vorschlag der Kommission vom 21. Dezember 2001 – ABI. EU C 103 E vom 30. April 2002, S. 225 ff.) noch vorgesehenen Haftung des vertraglich gebundenen Luftverkehrs- oder Reiseunternehmens auf das ausführende Luftverkehrsunternehmen beruhte auf der Annahme, dieses sei aufgrund seiner Präsenz auf den Flughäfen in der Regel am besten in der Lage, die Verpflichtungen zu erfüllen (vgl. Begründung des Rates zum Gemeinsamen Standpunkt (EG) Nr. 27/2003 vom 18. März 2003, ABI. EU C 125 E vom 27. Mai 2003, S. 63, 70). Dass sich der Anspruch (nur) deswegen nicht gegen den Vertragspartner des Fluggastes, sondern – vertraglich gesehen – gegen dessen Erfüllungsgehilfen richtet, sollte die Qualifikation als vertraglichen Anspruch nach Auffassung der Kammer (die der Auffassung des BGH folgt, vgl. nur Vorlagebeschluss vom 14.6.2016, Az. X ZR 92/15) nicht in Zweifel ziehen.

17. Falls die vorstehend aufgeworfene Frage zu bejahen ist, kommt es für die Entscheidung über die Berufung des Weiteren darauf an, ob der Ankunftsort des zweiten Flugs, der Flughafen Frankfurt am Main, als Erfüllungsort im Sinne von Art. 5 Nr. 1 Buchst. b, 2. Spiegelstrich Brüssel-​I-VO anzusehen ist.

18. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat sich bereits zur Frage des Gerichtsstands im Fall einer Beförderung von Personen im Luftverkehr von einem Mitgliedstaat in einen anderen auf der Grundlage eines mit einem einzigen, den Flug auch ausführenden Luftfahrtunternehmen geschlossenen Vertrages geäußert: Für eine auf diesen Beförderungsvertrag und die Fluggastrechteverordnung gestützte Klage auf Ausgleichszahlungen ist nach Wahl des Klägers das Gericht des Ortes des Abflugs oder der Ankunft des Flugzeugs entsprechend der Vereinbarung dieser Orte in dem Vertrag nach Art. 5 Abs. 1 Buchst. b, 2. Spiegelstrich Brüssel-​I-VO zuständig (EuGH, Slg. 2009, I-​6073 – Rehder).

19. Der dem Streitfall zugrunde liegende Sachverhalt unterscheidet sich davon in zweierlei Hinsicht. Zum einen sollten die Fluggäste zu ihrem Endziel mit zwei Flügen – ohne nennenswerten Aufenthalt auf dem Umsteigeflughafen – befördert werden. Zum anderen ist das in Anspruch genommene ausführende Luftfahrtunternehmen nicht dasjenige, mit dem die Fluggäste den Vertrag geschlossen hatten.

20. Die Kammer ist der Auffassung, nicht auch den Flughafen Frankfurt am Main als vereinbarten Erfüllungsort für die Gesamtheit der von „…“ übernommenen vertraglichen Verpflichtungen und damit auch für diejenigen anzusehen, die im Zusammenhang mit dem Zubringerflug von Vigo nach Paris zu erbringen waren. Zur näheren Begründung wird auf das Urteil der Kammer vom 20.8.2015, Az. 2-​24 S 31/15, (welches Gegenstand des Revisionsverfahrens vor dem BGH und des bereits genannten Vorlagebeschlusses war) Bezug genommen.

21. Soweit der BGH in seinem Vorlagebeschluss vom 14.6.2016 (Az. X ZR 92/15) dazu neigt, den Flughafen Frankfurt am Main als Erfüllungsort auch für den streitgegenständlichen Zubringerflug von Vigo nach Paris anzusehen, überzeugt dies die Kammer nicht. Zuzustimmen ist dem BGH zwar, dass für den Fall, dass die „Air France“ auch den Flug von Vigo nach Paris selbst ausgeführt hätte, es nahe liegt, Frankfurt als Erfüllungsort anzusehen. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass in diesem Fall Frankfurt unstreitig vertraglicher Erfüllungsort wäre. Im vorliegenden Fall war die Beklagte jedoch nicht verpflichtet, in Frankfurt Leistungen zu erbringen, sondern nur in Vigo und Paris. Zu berücksichtigen ist, dass die FluggastrechteVO ausschließlich auf die Verpflichtungen des den streitigen Flug „tatsächlich“ ausführenden Luftfahrunternehmens abstellt. Nach der ständigen Rspr. des EuGH sind die Flüge einzeln zu betrachten. Vorliegend ereignete sich die Pflichtverletzung ausschließlich auf dem Flug von Vigo nach Paris. Der EuGH stellt in seiner richtungsweisenden Entscheidung „Rehder“ (RRa 09, 234) darauf ab, dass Abflug- und Ankunftsort nur deswegen Erfüllungsorte seien, weil insoweit hinsichtlich des streitgegenständlichen Fluges eine hinreichende Nähe bestünde, und weil sie der Ort des Abflugs und der Ankunft „des Flugzeuges“ seien. Auch der EuGH betrachtet die einzelnen Flüge mit verschiedenen Flugzeugen separat. In Frankfurt wirkte sich die Verspätung des Flugs von Vigo nach Paris lediglich mittelbar aus. Lediglich hinsichtlich der materiellrechtlichen Frage des Bestehens eines Ausgleichsanspruches nach der FluggastrechteVO ist nach der Rspr. des EuGH auf das sog. Endziel abzustellen. Dafür, dass dies auch hinsichtlich der prozessualen Frage der Zuständigkeit gelten soll, gibt es dagegen keine Anhaltspunkte.

22. Dass der Fluggast keinen Einfluss darauf hat, ob das vertragliche Luftfahrtunternehmen die Flüge von einem anderen Luftfahrtunternehmen ausführen lässt mit der Folge, dass der Erfüllungsort bzw. der Gerichtsstand nicht von vornherein voraussehbar ist, führt nach Ansicht der Kammer nicht zu einer unzulässigen Beeinträchtigung der Fluggastrechte. Insbesondere die so genannte „Small-​Claims-​Verordnung“ (Verordnung (EG) Nr. 861/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.07.2007 zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen) ist gerade darauf ausgerichtet, geringfügige Forderungen in Europa einfach, kostengünstig und schnell durchzusetzen.

23. Auch der Wortlaut von Art. 5 Nr. 1 a), b) Brüssel-​I-VO spricht nach Auffassung der Kammer für diese Auslegung: Nach Art. 5 Nr. 1 a), b) Brüssel-​I-VO ist, wenn „Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden“, der Erfüllungsort der Ort, an dem die Verpflichtung erbracht worden ist. Dies bedeutet, dass auch der Verordnungsgeber auf den Ort abstellt, an dem die Verpflichtung, die streitgegenständlich ist, erbracht worden ist. Dies war vorliegend der Flug von Vigo nach Paris. Nur wegen der Verspätung dieses Flugs wird die Beklagte in Anspruch genommen und haftet nach der FluggastrechteVO.

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