Ansprüche bei Auftreten des Norovirus auf dem Kreuzfahrtschiff

AG Rostock: Ansprüche bei Auftreten des Norovirus auf dem Kreuzfahrtschiff

Die Kläger hatten bei der Beklagten eine Kreuzfahrt gebucht. Sie waren mit mehreren Umständen dieser Kreuzfahrt unzufrieden, insbesondere der laufenden Sanierung von Kabinen und einer Magen-Darm-Erkrankung. Daher verlangen sie Minderung des Reisepreises.

Das Amtsgericht wies die Klage ab.

AG Rostock 47 C 210/14 (Aktenzeichen)
AG Rostock: AG Rostock, Urt. vom 10.12.2014
Rechtsweg: AG Rostock, Urt. v. 10.12.2014, Az: 47 C 210/14
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Amtsgericht Rostock

1. Urteil vom 10. Dezember 2014

Aktenzeichen 47 C 210/14

Leitsätze:

2. Ein geringfügiges Auftreten von Magen-Darm-Erkrankungen auf einem Kreuzfahrtschiff stellt weder einen Reisemangel dar noch verpflichtet es den Reiseveranstalter zur Information.

Die Sanierung einzelner unbewohnter Kabinen während einer Kreuzfahrt stellt ohne konkrete Beeinträchtigungen keinen Reisemangel dar.

Zusammenfassung:

3. Die Kläger hatten bei der Beklagten eine Mittelmeerkreuzfahrt gebucht. Sie waren mit mehreren Umständen dieser Kreuzfahrt unzufrieden, insbesondere der laufenden Sanierung von Kabinen und einer Magen-Darm-Erkrankung. Auch sei das Buffet eingeschränkt gewesen. Daher verlangen sie Minderung des Reisepreises. Vorprozessual erhielten sie eine geringe Summe als Ausgleichszahlung.

Das Amtsgericht wies die Klage ab. Es liege keine weitere Schlechtleistung der Beklagten vor, da die Kläger keine Einschränkungen durch die Sanierung beweisen konnten und sich in den Erkrankungen lediglich das allgemeine Lebensrisiko realisiert habe. Eine besondere Informationspflicht der Beklagten sei wegen der geringen Zahl der gemeldeten Krankheitsfälle nicht ersichtlich. Das eingeschränkte Buffet stelle zwar einen Mangel dar, dieser sei aber bereits abgegolten. Ohnehin seien keine Mängel rechtzeitig gerügt worden.

Tenor

4. Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

5. Der Kläger fordert im Wege der Minderung die Rückzahlung des Reisepreises für eine Kreuzfahrtreise sowie Schadensersatz.

6. Der Kläger hatte für sich und seine Ehefrau bei der Beklagten eine Kreuzfahrtreise auf der XYZ vom 17.05. – 24.05.2014 im östlichen Mittelmeerraum zu einem Preis in Höhe von 2.998,00 € gebucht.

7. Bei der Ankunft im ersten Hafen am 18.05.2014 stellten der Kläger und seine Ehefrau fest, dass an Bord umfangreiche Renovierungsarbeiten erfolgten. Hierbei wurden unter anderem Matratzen, Möbel, Teppiche und Gardinen entsorgt. In dem Gang, in dem sich die Kabine des Klägers befand, wurden mehrere Kabinen leergeräumt. Die Mitarbeiter der Beklagten trugen dabei jeweils einen Mundschutz.

8. Durch einen Mitreisenden erhielten die Kläger die Information, dass eine Vielzahl von Reisenden und Mitarbeitern der Beklagten unter erheblichen Magen-Darm-Beschwerden leiden würden. Bei dem Kläger und seiner Ehefrau trat deshalb keine Urlaubserholung ein.

9. Am 19.05.2014 litt der Kläger unter starker Übelkeit und Magenschmerzen. Er musste sich übergeben und litt an Durchfall. Am 20.05.2014 begab er sich deshalb in ärztliche Behandlung. Durch den Schiffsarzt wurde eine Gastroenteritis diagnostiziert. Für die ärztliche Behandlung musste der Kläger einen Betrag in Höhe von 190,54 € bezahlen. Aufgrund der festgestellten Infektion musste er 24 Stunden isoliert liegen.

10. Im Zeitraum vom 21.05.2014 – 23.05.2014 kämpfte die Ehefrau des Klägers mit Übelkeit.

11. Am 20.05. und 21.05.2014 konnten der Kläger und seine Ehefrau keine Landgänge durchführen. Als die Ehefrau des Klägers für diesen heißes Wasser holen wollte wurde ihr dies untersagt. Es wurde angekündigt, heißes Wasser auf die Kabine zu bringen. Dies erfolgte jedoch nicht.

12. Als der Kläger und seine Ehefrau erfuhren, dass bei einer Passagierin das Norovirus festgestellt worden war, führte dies bei ihnen zu Ängsten.

13. Mängelrügen erfolgten durch den Kläger an Bord nicht.

14. Die Beklagte zahlte an den Kläger und dessen Ehefrau für Unannehmlichkeiten an Bord einen Betrag in Höhe von 200,00 €.

15. Der Kläger behauptet, das mindestens die Hälfte der Gäste mit Magen-Darm-Beschwerden erkrankt gewesen seien. Der Beklagten sei der Ausbruch des Magen-Darm-Virus bereits zum Zeitpunkt des Betreten des Schiffes durch den Kläger und seiner Ehefrau bekannt gewesen. Die Kläger meinen, die Beklagte hätte sie darauf hinweisen müssen, um ihnen die Möglichkeit einzuräumen, die Reise gegen Erstattung des Reisepreises nicht anzutreten.

16. Weiter trägt der Kläger vor, er und seine Ehefrau hätten sich nach dem 21.05.2014 nahezu ausschließlich in der Kabine aufgehalten.

17. Außerdem behauptet der Kläger, zu Beginn der Reise hätten in der Kabine Decken, Informationsmaterialien und Toilettenpapier gefehlt. In der Kabine sei ein beißender Desinfektionsgeruch vorhanden gewesen. Das Büfettangebot sei erheblich eingeschränkt gewesen. Große Flächen des Büfetts seien leergeblieben (unstrittig). Die Auswahl der Speisen habe nicht dem üblichen gewohnten Standard, den der Kläger und seine Ehefrau von den vorherigen Reisen kannten, entsprochen.

18. Der Kläger beantragt,

1.

19. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 2.798,00 € zuzüglich Jahreszinsen von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 17.06.2014 zu zahlen;

2.

20. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere 190,54 € zuzüglich Jahreszinsen von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 17.06.2014 zu zahlen;

3.

21. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger von den außergerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 413,64 € zuzüglich Jahreszinsen von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit durch Zahlung an die Anwaltskanzlei … freizustellen.

22. Die Beklagte beantragt,

23. die Klage abzuweisen.

24. Sie behauptet, die Renovierungsarbeiten auf dem Schiff seien turnusmäßig durchgeführt worden. Das Tragen des Mundschutzes sei auf arbeitssicherheitsrechtliche Vorschriften zurückzuführen gewesen.

25. Weiter trägt die Beklagte vor, im Schiffshospital hätten sich nur eine geringe Anzahl von Personen mit einem Magen-Darm-Infekt gemeldet (unstrittig).

26. Letztlich behauptet die Beklagte, der Kläger und seine Ehefrau hätten während der gesamten Reisezeit die Bars auf dem Schiff aufgesucht.

Entscheidungsgründe

27. Die zulässige Klage ist unbegründet.

28. Der Kläger hat gegen die Beklagte unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch auf weitere Rückzahlung des Reisepreises bzw. auf Schadenersatz in gleicher Höhe. Weiterhin ausgeschlossen ist ein Anspruch auf Erstattung der Arztkosten in Höhe von 190,54 €.

29. Soweit der Kläger Mängel rügt besteht kein (weiterer) Minderungsanspruch.

30. Dahingestellt bleiben kann, ob beim Bezug der Kabine am 17.05.2014 in der Kabine Decken, Informationsmaterial und Toilettenpapier fehlten. Eine Mängelanzeige erfolgte durch den Kläger nicht, so dass ein Minderungsanspruch gemäß § 651 d Abs. 2 BGB hierfür schon deshalb ausgeschlossen ist. Gleiches gilt für den vom Kläger gerügten beißenden Desinfektionsgeruch.

31. Die Tatsachen, dass während der Erkrankung des Klägers seine Ehefrau heißes Wasser auf die Kabine holen wollte, ihr dies untersagt wurde, statt dessen zugesagt wurde, heißes Wasser auf die Kabine zu bringen und dies unterblieb, rechtfertigt keinen Minderungsanspruch. Hierbei handelte es sich lediglich um eine hinzunehmende Unannehmlichkeit im Service. Der Kläger trägt in diesem Zusammenhang zudem nicht vor, nochmals nach dem heißen Wasser gefragt zu haben.

32. Auch aufgrund der von der Beklagten durchgeführten Renovierungsarbeiten in Kabinen des Schiffes bzw. dem vollständigen Ausräumen von Kabinen kann der Kläger keinen Minderungsanspruch herleiten. Dahingestellt bleiben kann in diesem Zusammenhang, aus welchem Grund die Kabinen geräumt wurden. Der Kläger trägt in diesem Zusammenhang zu keinerlei konkreten Benachteiligungen wie zum Beispiel Lärmbelästigungen u. ä. vor. Ein Mangel liegt gemäß § 651 c Abs. 1 BGB nur dann vor, wenn die Reise nicht so erbracht wird, dass sie die zugesicherte Eigenschaft hat und nicht mit Fehlern behaftet ist, die den Wert oder die Tauglichkeit zu dem gewöhnlichen oder nach dem Vertrag vorausgesetzten Nutzen aufheben oder mindern. Diese Voraussetzungen erfüllen das Leerräumen von Kabinen bzw. die Entsorgung von Inventar nicht.

33. Letztlich stellen weder die auf dem Schiff aufgetretenen Magen-Darm-Erkrankungen anderer Passagiere noch die Erkrankungen des Klägers und seiner Ehefrau eine mangelhafte Leistung der Beklagten dar. Mit den Erkrankungen realisierte sich vielmehr ein allgemeines Lebensrisiko.

34. Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang vorträgt, er und seine Ehefrau hätten zwei Tage keine Landgänge durchführen können und sich seit dem 20.05.2014 nahezu ausschließlich in der Kabine aufgehalten, begründet auch dies keinen Minderungsanspruch. Der Grund hierfür lag in den Erkrankungen des Klägers und seiner Ehefrau und nicht in irgendeiner Schlechtleistung der Beklagten. Abgesehen davon ist der Vortrag des Klägers, er und seine Ehefrau hätten sich seit dem 20.05.2014 nahezu ausschließlich in der Kabine aufgehalten offensichtlich auch unrichtig, da die Beklagte unter Verweis auf die eingereichte Bordrechnung unwidersprochen vorträgt, dass der Kläger und seine Ehefrau während der gesamten Zeit der Reise die Bars des Schiffs aufgesucht hätten.

35. Eine Pflichtverletzung der Beklagten dahingehend, dass sie den Kläger und dessen Ehefrau vor Beginn der Reise über das Auftreten von Magen-Darm-Erkrankungen hätte informieren müssen, ist nicht festzustellen.

36. Der Sachverhalt rechtfertigt keine Feststellung dahingehend, dass die Beklagte verpflichtet gewesen war, einen entsprechenden Hinweis zu erteilen bzw. die Reise nicht durchzuführen. Voraussetzung wäre gewesen, dass die Beklagte mindestens Kenntnis von einer erheblichen Anzahl von Erkrankungen gehabt habe. Diesen Nachweis führt der Kläger nicht. Soweit er sich auf das Zeugnis des von ihm benannten Zeugen x beruft, der dem Kläger und seiner Ehefrau berichtet habe, dass mindestens die Hälfte der Passagiere erkrankt gewesen seien, bedarf es keiner Vernehmung des Zeugen. Es ist bereits von vorn herein unwahrscheinlich, dass der Zeuge x als Passagier Kenntnis darüber hat, dass eine sehr große Anzahl („mindestens die Hälfte“) der Passagiere erkrankt waren. Unabhängig davon, kann selbst bei dem Nachweis der Erkenntnis des benannten Zeugen daraus nicht geschlussfolgert werden, dass auch die Beklagte hiervon Kenntnis hatte. Unstrittig hatten nur wenige Passagiere das Schiffshospital wegen Magen-Darm-Beschwerden aufgesucht.

37. Zwar sprechen die von der Beklagten durchgeführten Desinfektionsmaßnahmen dafür, dass diese Kenntnis von Magen-Darm-Erkrankungen hatte. Allein hieraus kann jedoch noch nicht die Pflicht der Beklagten festgestellt werden, alle Reisenden zu Beginn der Reise hierüber zu informieren.

38. Der Umstand, dass beim Kläger und seiner Ehefrau aufgrund der Kenntnis von Magen-Darm-Erkrankungen keine Urlaubserholung eintreten konnte, stellt eine subjektive Verarbeitung der Situation dar. Objektiv lag weder eine Pflichtverletzung der Beklagten noch eine Schlechterfüllung der geschuldeten Reiseleistungen vor.

39. Einzig das vom Kläger gerügte eingeschränkte Büfett könnte vorliegend Minderungsansprüche und somit einen teilweisen Anspruch auf Rückzahlung des Reisepreises rechtfertigen. Allerdings trägt der Kläger trotz ausdrücklichen gerichtlichen Hinweises nicht konkret zu den Einschränkungen im Zusammenhang mit der geschuldeten Verpflegung vor. Lediglich die unstrittige Tatsache, dass große Flächen des Büfetts nicht genutzt bzw. belegt waren rechtfertigt die Feststellung, dass es tatsächlich gewisse Einschränkungen im Umfang des Verpflegungsangebotes gab. Mangels konkreter Angaben hierzu kann diese allgemeine Feststellung lediglich zu einem Minderungsumfang von 5 % berechtigen. Ein entsprechender Minderungsanspruch des Klägers ist jedoch durch die Zahlung der Beklagten im Umfang von 200,00 € bereits abgegolten.

40. Mangels berechtigter Hauptforderung besteht auch kein Anspruch auf die geltend gemachten Nebenforderungen.

41. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

42. Die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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