Wirksamkeit einer Klausel in den ARB über die Mindesthöhe der Anzahlung

LG Dortmund: Wirksamkeit einer Klausel in den ARB über die Mindesthöhe der Anzahlung

Die Beklagte ist eine Veranstalterin von Jugendreisen. Diese sieht in ihren Allgemeinen Reisebedingungen (ARB) in einer Klausel vor, dass jeder Kunde der Beklagten mit Erhalt der Buchungsbestätigung innerhalb von zwei Wochen eine Vorleistung i. H. v. EUR 175,00 zu zahlen habe. Der Kläger hält diese Regelung für unrechtmäßig, weil sie die Reisekunden der Beklagten unzulässigerweise benachteilige und fordert im vorliegenden Rechtstreit die Streichung der Klauseln.

Das Landgericht Dortmund hält die Klage für begründet und verurteilt die Beklagte dazu, die beanstandete Klausel zu streichen. Sie verstoße gegen §§ 307 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 BGB und sei damit unwirksam. Die Regelung laufe auch dem Grundgedanken des § 320 Abs. 1 BGB zuwider, nach dem bei Verträgen die wechselseitigen Leistungen Zug um Zug erbracht werden, um die Vertragspartner nicht unangemessen zu benachteiligen.

LG Dortmund 8 O 324/07 (Aktenzeichen)
LG Dortmund: LG Dortmund, Urt. vom 20.06.2008
Rechtsweg: LG Dortmund, Urt. v. 20.06.2008, Az: 8 O 324/07
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Landgericht Dortmund

1. Urteil vom 20. Juni 2008

Aktenzeichen: 8 O 324/07

Leitsatz:

2. Eine Klausel, die von Kunden einer Reiseveranstalterin bis zwei Wochen nach Erhalt der Buchungsbestätigung eine Anzahlung i. H. v. EUR 175,00 fordert, ist unzulässig.

Zusammenfassung:

3. Der Kläger fordert im vorliegenden Fall von der Beklagten, einer Veranstalterin von Jugendreisen, es zukünftig zu unterlassen, eine Klausel in deren Allgemeinen Reisebedingungen (ARB) zur Anwendung zu bringen. Die Klausel setzt fest, dass jeder Kunde der Beklagten mit Erhalt der Buchungsbestätigung innerhalb von zwei Wochen eine Vorleistung i. H. v. EUR 175,00 zu zahlen habe. Der Kläger hält diese Regelung für nichtig, weil sie die Reisekunden der Beklagten unzulässigerweise benachteilige.

Das Landgericht Dortmund hält die Klage für begründet. Die beanstandete Klausel verstoße gegen §§ 307 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 BGB und sei damit unwirksam. Die Regelung laufe dem Grundgedanken des § 320 Abs. 1 BGB zuwider, nach dem bei Verträgen die wechselseitigen Leistungen Zug um Zug erbracht werden. Die vorliegende Klausel benachteilige jedoch die Vertragspartner der Beklagten entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen.

Problematisch sei vor allem die gesetzte Mindesthöhe der zu leistenden Anzahlung. Diese könne in bestimmten Fällen dazu führen, dass der Reisepreis zu wesentlichen Teilen oder sogar in vollem Umfang bereits bei der Buchung zu entrichten sein könne (beispielsweise wenn die Gesamtkosten der Buchung unter EUR 175,00 liegen. Dies sei  in jedem Fall unangemessen und die Klausel damit nichtig.

Tenor:

4. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis € 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollstrecken an den Geschäftsführern der Beklagten, im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern zu unterlassen, die nachfolgende oder eine dieser inhaltsgleiche Bestimmung in Reiseverträge einzubeziehen sowie sich auf die Bestimmung bei der Abwicklung derartiger Verträge, geschlossen nach dem 1. April 1977, zu berufen:

„Bezahlung: Mit Erhalt der Buchungsbestätigung und des Reisepreissicherungs-scheins ist eine Anzahlung von […] mind. 175,00 € pro Reiseteilnehmer fällig […].“

Die Beklagte wird weiter verurteilt, an den Kläger € 238,00 (i. W.: zweihundertachtunddreißig Euro) nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18. Oktober 2007 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von € 100.000,00 vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

5. Der Kläger greift mit der am 17. Oktober 2007 zugestellten Klage eine Bestimmung aus den Allgemeinen Reisebedingungen der Beklagten an.

6. Die Beklagte ist Europas größter Jugend-Reiseveranstalter.

7. Die streitgegenständliche Nr. 2 der Reisebedingungen lautet auszugsweise:

8. „Bezahlung: Mit Erhalt der Buchungsbestätigung und des Reisepreissicherungsscheins ist eine Anzahlung von 15 % auf den Reisepreis, mind. 175,00 € pro Reiseteilnehmer fällig, zahlbar innerhalb von 2 Wochen. Die Anzahlung wird auf den Reisepreis angerechnet. Die Restzahlung ist bis 4 Wochen vor Reisebeginn fällig. […].“

9. Der Kläger ist der Ansicht, die sich aus der Bestimmung ergebende Pflicht zur Leistung einer Mindestanzahlung unabhängig von der Höhe des Reisepreises verstoße gegen §§ 307 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1, 320 ff. BGB. Je nach Höhe des Gesamtreisepreises könne der Anteil der Mindestanzahlung mehr als 20 % betragen, was nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 20.06.2006 (NJW 2006, 3134) in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unzulässig sei.

10. Der Kläger beantragt,

11. die Beklagte zu verurteilen,

12. es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis € 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollstrecken an den Geschäftsführern der Beklagten, im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern zu unterlassen, die nachfolgende oder eine dieser inhaltsgleiche Bestimmung in Reiseverträge einzubeziehen sowie sich auf die Bestimmung bei der Abwicklung derartiger Verträge, geschlossen nach dem 1. April 1977, zu berufen:

13. „Bezahlung: Mit Erhalt der Buchungsbestätigung und des Reisepreissicherungsscheins ist eine Anzahlung von […] mind. 175,00 € pro Reiseteilnehmer fällig […].“,

14. sowie

15. an ihn € 238,00 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

16. Die Beklagte beantragt,

17. die Klage abzuweisen.

18. Sie ist der Ansicht, die Klausel sei nicht zu beanstanden. Die absolute Höhe der Mindestanzahlung sei gering. Dass sich in Relation zum Gesamtreisepreis bei besonders günstigen Reisen ein recht hoher Prozentsatz ergebe, sei unschädlich; insbesondere sei der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs keine Höchstgrenze für den Anteil der Anzahlung am Gesamtreisepreis zu entnehmen. Zudem verlange sie bei Reisepreisen unter € 200,00 lediglich eine Mindestanzahlung von € 100,00. Mit der Einführung der Sicherungsscheine bestehe für die Kunden auch hinsichtlich einer bereits geleisteten Anzahlung kein Insolvenzrisiko mehr. Die Mindestanzahlungen in Höhe der absoluten Beträge von € 175,00 bzw. € 100,00 seien außerdem erforderlich, um ihren Geschäftsbetrieb aufrechterhalten zu können, insbesondere um die anfallenden Fixkosten für die Ausbildung und Vorhaltung des Betreuungspersonals zu finanzieren. Die von ihr ausschließlich angebotenen Kinder- und Jugendreisen unterschieden sich von der sonstigen Reisebranche gerade in dem notwendigen hohen Betreuungsgrad der Reisegäste.

Entscheidungsgründe

19. Die zulässigen Klagen sind begründet.

20. I. 1. Der Kläger kann gemäß §§ 1, 3 UKlaG die Unterlassung der Verwendung der streitgegenständlichen Klausel verlangen, da diese gemäß §§ 307 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam ist.

21. Die Bestimmung stellt eine Abweichung von § 320 Abs. 1 BGB dar, wonach bei gegenseitigen Verträgen die wechselseitigen Leistungen Zug um Zug zu erbringen sind. Die hier vorgesehene absolute Mindesthöhe der Anzahlung ist mit dem wesentlichen Grundgedanken von § 320 Abs. 1 BGB nicht vereinbar und benachteiligt hierdurch die Vertragspartner der Beklagten entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen.

22. Nach der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der die Kammer folgt, ist auch nach Einführung der Sicherungsscheine daran festzuhalten, dass Bestimmungen über Mindestanzahlungen an § 320 BGB zu messen sind:

23. „Bei der gebotenen Gesamtabwägung der Interessen ist […] zu berücksichtigen, dass durch die Forderung von Anzahlungen auf den Reisepreis bei Vertragsschluss das Zug-um-Zug-Prinzip (§ 320 BGB) nach wie vor berührt wird. Durch die Vorschriften über den Sicherungsschein wird der Reisende zwar gegen das Risiko einer Insolvenz des Reiseveranstalters abgesichert, nicht jedoch gegen das Risiko, dass der Reiseveranstalter zum vereinbarten Reisetermin – unabhängig von seiner Zahlungsfähigkeit – nicht fähig oder nicht bereit ist, die vertraglich geschuldete Reiseleistung zu erbringen. Da der Reisende in der Regel keinen Einblick in die Reisevorbereitungen des Reiseveranstalters hat und ihn daher auch nicht zu einer ordnungsgemäßen Vertragserfüllung anhalten kann, ist es mit den Geboten von Treu und Glauben nicht zu vereinbaren und stellt eine unangemessene Benachteiligung des Reisenden dar, wenn durch Klauseln in Allgemeinen Reisebedingungen des Reiseveranstalters Vorauszahlungen auf den Reisepreis in einer Höhe ausbedungen werden, durch die der Reisende wesentliche Teile des Reisepreises bereits erhebliche Zeit vor Reisebeginn zu leisten verpflichtet werden soll. […] Es ist […] daran festzuhalten, dass durch Klauseln in Allgemeinen Reisebedingungen das Vergütungsrisiko nicht […] in vollem Umfang oder zu wesentlichen Teilen auf den Reisenden überbürdet werden kann.“ (BGH v. 20.06.2006, NJW 2006, 3134 (3135), Rn. 15)

24. Die hier streitgegenständliche Klausel führt mit ihrem absoluten Mindestbetrag einer Anzahlung dazu, dass der Reisepreis zu wesentlichen Teilen oder sogar in vollem Umfang bereits bei der Buchung zu entrichten sein kann. So übersteigt bei Reisepreisen von unter € 350,00 die nach der Klausel fällige Anzahlung die Hälfte des Reisepreises. Bei Reisepreisen von € 175,00 und weniger ergibt sich nach der Klausel eine Anzahlung in voller Höhe des Reisepreises. Dies ist in jedem Fall unangemessen. Auf eine von der Klausel abweichende Praxis kommt es für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht an.

25. Die – wie die Beklagte zutreffend ausführt – vom Bundesgerichtshof bislang für den Zeitraum seit Einführung der Sicherungsscheine offen gelassene Frage, bis zu welchem relativen Anteil am Gesamtreisepreis eine Anzahlung durch Allgemeine Reisebedingungen verlangt werden kann, bedarf auch im vorliegenden Fall keiner Entscheidung.

26. 2. Die Wiederholungsgefahr wird grundsätzlich nur durch die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung ausgeräumt ( Palandt-Bassenge , a.a.O., § 1 UKlaG, Rn. 7). Diese hat die Beklagte verweigert.

27. II. Der Anspruch auf Zahlung der geltend gemachten Kostenpauschale ergibt sich aus §§ 5 UKlaG i.V.m. 12 Abs. 1 Satz 2 UWG.

28. III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 Satz 1 ZPO.

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