Vorsorgemaßnahmen des Luftfahrtunternehmens bei Fluglotsenstreik
AG Königs Wusterhausen: Vorsorgemaßnahmen des Luftfahrtunternehmens bei Fluglotsenstreik
Die Kläger hatten bei der Beklagten einen Flug gebucht, den diese kurzfristig annullierte. Sie verlangen Ausgleichszahlung und Schadensersatz.
Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Die Beklagte habe nicht ausreichend ausgeführt, inwieweit sie alles ihr Zumutbare getan hätte, um den Flugausfall abzuwenden.
AG Königs Wusterhausen | 4 C 486/17 (2) (Aktenzeichen) |
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AG Königs Wusterhausen: | AG Königs Wusterhausen, Urt. vom 15.12.2017 |
Rechtsweg: | AG Königs Wusterhausen, Urt. v. 15.12.2017, Az: 4 C 486/17 (2) |
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Leitsatz:
2. Zur erfolgreichen Exkulpation muss ein Flugunternehmen bei einer Verspätung umfassend vortragen, welche Maßnahmen es ergriffen hat.
Zusammenfassung:
3. Die Kläger hatten bei der Beklagten einen Flug nach Neapel gebucht, den diese kurzfristig wegen eines angekündigten Fluglotsenstreiks annullierte. Der Streik fand tatsächlich nicht statt. Die verlangen Ausgleichszahlung und Schadensersatz für aufgewendete Mehrkosten.
Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Die Beklagte habe nicht ausreichend ausgeführt, inwieweit sie alles ihr Zumutbare getan hätte, um den Flugausfall abzuwenden. Auch wieso sie den Flug nach der Absage des Streiks nicht durchgeführt hatte, sei nicht erklärt worden.
Tenor:
4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger jeweils 250,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von jährlich 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 06.10.2016 zu zahlen.
Die Beklagte wird weiterhin verurteilt 683,54 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten jährlich über dem Basiszinssatz seit dem 16.03.2017 zu zahlen und weitere 79,90 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten jährlich über dem Basiszinssatz seitdem 18.10.2017 zu zahlen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten bleibt aber nachgelassen die Vollstreckung durch Hinterlegung oder Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des beizutreibenden Betrages abzuwenden sofern nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Tatbestand
5. Die Parteien streiten um Ausgleichszahlung i.H.v. 250 EUR pro Kläger, vorgerichtlich angefallen sind Rechtsanwaltsgebühren i.H.v. 413,64 EUR und Kosten der Ersatzunterkunft in Rom i.H.v. 256 EUR sowie notwendige Taxigebühren in Rom i.H.v. 80 EUR nach Annullierung eines bei der Beklagten für den 23.07.2016 gebuchten Fluges von Schönefeld nach Neapel.
6. Der vorgenannte Flug zur Nummer … der am … mit einer Abflugzeit um 11:00 Uhr sowie eine Ankunftszeit um 13:15 Uhr durchgeführt werden sollte wurde ersatzlos gestrichen. Die Mitteilung über die Annullierung erfolgte weniger als 7 Tage vor dem Abflugtag ohne ein Angebot zur anderweitigen Beförderung.
7. Die Beklagte hat diesen Flug am … um 16:00 Uhr annulliert, weil die den Luftraum in der Region Neapel kontrollierenden Fluglotsen angekündigt hatten, am … in der Zeit von 10:00 Uhr bis 18:00 Uhr in ein Streik zu treten. Dieser Ankündigung ging voraus, dass bereits am für den Flugtag zum Streik aufgerufen worden war. Dieser Aufruf war am nach richterlicher Anordnung aufgehoben worden. Am Abend des … gegen 20:00 Uhr, wurde der Streik für den Flugtag endgültig abgesagt.
8. Unstreitig haben die Kläger kosten für eine Ersatzunterkunft in Rom i.H.v. 256 EUR aufgewandt und darüber hinaus Taxigebühren in Rom i.H.v. 80 EUR für die Taxifahrt vom Flughafen zum Hotel aufwenden müssen, nachdem sie sich selbst einen Ersatzflug mit … organisiert hatten.
9. Mit Anwaltsschreiben vom 25.08.2016 haben die Kläger die Beklagte aufgefordert mit Fristsetzung zum 05.10.2016 sämtliche aus der Annullierung des Fluges veranlassten Kosten zu begleichen. Auf den Inhalt des Schreibens wird Bezug genommen.
10. Die Kläger sind der Auffassung, dass die Beklagte den Flug habe durchführen können nachdem der Streik abgesagt worden sei. Im Übrigen habe sie nicht alles ihr aus technischer und personeller Hinsicht mögliche unternommen um die Annullierung des Fluges zu verhindern insbesondere sei sie diesbezüglich Ihrer Vortragspflicht nicht nachgekommen.
11. Die Kläger beantragen, die Beklagte wird verurteilt an die Kläger jeweils 250,00 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 06.10.2016 zu zahlen.
12. Die Beklagte wird weiterhin verurteilt an die Kläger 749,64 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
14. Sie beruft sich auf das Vorliegen eines Exkulpationsgrundes gemäß Art. 5 Abs. 3 der EG Verordnung 261/04 der in dem angekündigten Streik liege. Diese Streikankündigung habe sich für die Beklagte als sicher dargestellt. Aufgrund der angekündigten Arbeitsniederlegung sollte der Flugverkehr Neapel in der Zeit von 10:00 Uhr bis 14:00 Uhr (Ortszeit) vollständig eingestellt werden.
15. Hinsichtlich der weiteren Parteienvorbringen, wird auf die vorbereitenden Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschrift vom 04.08.2017 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
16. Die zulässige Klage ist vollumfänglich begründet. Die Kläger haben Anspruch auf Zahlung einer Ausgleichsleistung in Höhe von je 250 EUR pro Kläger aus Art. 5 Abs. 1 lit. C in Verbindung mit 7 Abs. 1 lit. A der EG Verordnung 261/2004, denn der streitgegenständliche Flug wurde von der Beklagten am Vorabend des Abflugtermins annulliert ohne eine Ersatzbeförderung zu ermöglichen. Der Beklagten stehen auch nicht aufgrund von Art. 5 Abs. 3 der EG-Verordnung 261/2004 Exkulpationsgründe zur Seite, die sie von der Verpflichtung zur Zahlung einer Ausgleichsleistung befreien, da die Annullierung nicht auf einem für die Beklagten unvermeidbaren außergewöhnlichen Umstand basierte.
17. Zwar ist davon auszugehen dass ein Fluglotsenstreik, auch und soweit er nur angekündigt ist, grundsätzlich einen außergewöhnlichen Umstand im Sinne von Art. 7 Abs. 3 der EG Verordnung 261/2004 darstellen kann (BGH Urteil vom 12.06.2014 – X ZR 104/13, Rn. 12 ff.). In diesem Fall steht die Entscheidung ob und wann ein Flug zu annullieren ist im „vernünftigen“ Ermessen der Beklagten als Luftverkehrsunternehmen (BGH Urteil vom 25.03.2010 Xa ZR 96/09).
18. Allerdings hat die Beklagte jedoch zugleich geeignete Vorsorgemaßnahmen im Rahmen der Reorganisation ihres Betriebsablaufes zu treffen, insofern dass die Beeinträchtigung der Fluggäste möglichst gering ausfällt und nach dem Wegfall der Beeinträchtigung wirklich schnell wieder der Normalbetrieb aufgenommen werden kann (Schmidt in Beck OK Flug Gastrecht-Verordnung, 1. Edition 2017, Art. 5 Rn. 94 unter Hinweis auf BGH NJW 2013, 374 ff.). Vorliegend war es der Beklagten ohne weiteres tatsächlich möglich den einmal annullierten Flug am Folgetag durchzuführen, weil ein Streik der Fluglotsen in Neapel tatsächlich nicht eintrat. Auch hat die Beklagte nicht vorgetragen, aus welchen Tatsachen heraus Sie die Durchführung des angekündigten Streiks auch für sicher hielt, so dass im Interesse der Fluggäste davon auszugehen war, dass die Beklagte als Flugunternehmen möglichst bis zum letzten Moment zuwartet um bis zuletzt auf eine Absage des Streiks zu setzen.
19. Im Übrigen war es der Beklagten ohne weiteres tatsächlich möglich, den einmal annullierten Flug am Folgetag durchzuführen, weil ein Streik der Fluglotsen zum Zeitpunkt der geplanten Flugdurchführung tatsächlich nicht eintrat. Dass die Wiederaufnahme des ursprünglich annullierten Fluges am Folgetag der Beklagten nicht zumutbar war, hat diese jedoch auch nicht vorgetragen. Insbesondere dass sie dafür hätte nicht tragbare Opfer bringen müssen (folglich Schmidt H. A. O. Rn. 142). Insbesondere hat die Beklagte unterlassen vorzutragen dass der Flug infolge streikbedingter Umbuchungen ihrer Passagiere gesamtwirtschaftlich nicht mehr rentabel durchzuführen war. Vielmehr hat die Beklagte zu diesem Problemkreis jeden Vortrag vermissen lassen.
20. Die Kläger haben weiterhin Anspruch auf außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren i.H.v. 413,64 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz per anno seit dem Zeitpunkt der Rechtshängigkeit, dem 16.03.2017. Zwar hat die Beklagte ursprünglich dem im Klageantrag 2.) mit enthaltenen Antrag auf vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten diesbezüglich als unschlüssig bestritten. Die Klägerseite hat aber mit Klageerweiterungsschriftsatz vom 01.09.2017 den Antrag insoweit substantiiert und die Beklagte ist dem nicht mehr entgegengetreten. Der Anspruch ergibt sich aus §§ 280 ff., 286, 288 BGB. Gleichermaßen haben die Kläger Anspruch auf Kosten der Ersatzunterkunft i.H.v. 256 EUR nebst Verzugszinsen ab Rechtshängigkeit und weitere 80 EUR Taxigebühren im Rahmen der Ersatzbeförderung mit … zunächst nach Rom i.H.v. 80 EUR nebst Verzugszinsen in beantragter Höhe gemäß gemäß §§ 280 ff., 286, 288 BGB nach dem die Beklagte auf die Klageerweiterung nicht mehr reagiert hat, sodass diese Ansprüche als zugestanden gelten gemäß § 138 Abs. 3 ZPO.
21. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung zur Vollstreckbarkeit ergeht aus § 708 Z. 11 in Verbindung mit § 711 ZPO.
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