Verspätung und Code-Sharing beim Anschlussflug

AG Frankfurt: Verspätung und Code-Sharing beim Anschlussflug

Ein Flugreisender forderte eine Ausgleichszahlung wegen 13 Stunden Flugverspätung. Die Klage wurde abgewiesen, weil das Gericht nicht international zuständig war, da die betroffene Flugstrecke von Madrid nach Kolumbien war.

AG Frankfurt 30 C 1431/17 (25) (Aktenzeichen)
AG Frankfurt: AG Frankfurt, Urt. vom 28.12.2017
Rechtsweg: AG Frankfurt, Urt. v. 28.12.2017, Az: 30 C 1431/17 (25)
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Amtsgericht Frankfurt am Main

1. Urteil vom 28. Dezember 2017

Aktenzeichen 30 C 1431/17 (25)

Leitsatz:

2. Das Gericht am Ausgangsort einer mehrteiligen Flugreise ist nicht für die

Zusammenfassung:

3. Der Kläger hatte über ein Internetportal eine mehrteilige Flugreise mit verschiedenen Fluggesellschaft für den 11. April 2017 von Frankfurt über Madrid und Bogota nach Armenie gebucht. Der Flug ab Madrid verspätete sich und kam erst mit 13 Stunden Verspätung an. Der Kläger forderte vor dem Amtsgericht Frankfurt am Main eine Ausgleichszahlung von der kolumbianischen Fluggesellschaft, die diesen Reiseteil durchgeführt hatte.

Das Gericht wies die Klage ab, weil es nicht international zuständig war. Die Beklagte hatte keinen Geschäftssitz in Deutschland und Frankfurt war nicht Erfüllungsort des Beförderungsvertrages, weil dieser nur für die letzten beiden Flüge bestand.

Tenor:

4. Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

5. Die Klägerin macht gegenüber der Beklagten Ausgleichsansprüche aus der VO (EG) Nr. 261/2004 wegen Flugverspätung geltend. 6. Die Klägerin verfügte über eine bestätigte Flugbuchung für einen Flug von Frankfurt am Main über Madrid und Bogota nach Armenia. Die Klägerin buchte den streitgegenständlichen Flug über das Internetportal xxx.de. Der erste Teilstreckenflug von Frankfurt am Main nach Madrid mit der Flugnummer XX XXXX wurde im Rahmen des Codesharing von der A. als ausführendem Luftfahrtunternehmen durchgeführt. Vertragliches Luftfahrtunternehmen für den ersten Teilstreckenflug war entsprechend dem IATA Code auf der Buchungsbestätigung das Luftfahrtunternehmen B. 7. Die Beklagte war ausführendes Luftfahrtunternehmen für die Teilstreckenflüge von Madrid nach Bogota mit der Flugnummer XX XX und von Bogota nach Armenia mit der Flugnummer XX XXXX. Der Flug ab Madrid (XX XX) verspätete sich und kam statt am 11.04.2017 um 20.32 Uhr erst am 12.04.2017 um 09.15 Uhr in Bogota an. 8. Die Beklagte unterhält keine eigenen Büroräumlichkeiten in Frankfurt am Main oder Deutschland. Sie verfügt auch nicht über eigenes Personal in Deutschland und operiert auch keine Flüge nach Deutschland. 9. Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 600,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

10. Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

11. Die Beklagte rügt die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts.

Gründe:

12. Die Klage ist unzulässig.

13. Die deutschen Gerichte sind international unzuständig.

14. Es ergibt sich keine örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Frankfurt am Main aus Art. 4 Abs. 1, 63 Abs. 1 EuGVVO. Als kolumbianisches Flugunternehmen hat die Beklagte ihren satzungsmäßigen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung weder in Deutschland noch in einem anderen Mitgliedstaat der EU.

15. Auch Art. 17 bis 19 EuGVVO begründen keine internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte. Zwar ist in Art. 18 Abs. 1 EuGVVO für Ansprüche aus einem Vertrag mit einem Verbraucher ein Gerichtsstand am Wohnort des Verbrauchers normiert, dieser gilt jedoch gemäß Art. 17 Abs. 3 EuGVVO nicht für Beförderungsverträge.

16. Für beklagte Gesellschaften ohne satzungsmäßigen Sitz, Hauptverwaltung oder Hauptniederlassung im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates der EU richtet sich gemäß Art. 6 Abs. 1 EuGVVO die Zuständigkeit der Gerichte eines jeden Mitgliedstaates nach dessen eigenem Recht.

17. Aber auch das nationale Recht kann eine örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Frankfurt am Main und damit auch eine internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte nicht begründen.

18. Es ergibt sich keine örtliche Zuständigkeit des hiesigen Amtsgerichts aus § 21 ZPO. Es ist unstreitig, dass die Beklagte als kolumbianisches Flugunternehmen weder über eigenes Personal noch über eigene Büroräumlichkeiten in Deutschland verfügt. Eine Niederlassung im Sinne des § 21 ZPO ist damit nicht gegeben.

19. Auch nach § 29 Abs. 1 ZPO wird keine Zuständigkeit begründet.

20. Nach dem Urteil des BGH vom 09.04.2013 (X ZR 105/12) bestimmt sich der Gerichtsstand des Erfüllungsortes für Klagen auf Ausgleichszahlungen gemäß Art. 7 Fluggastrechteverordnung nach dem Erfüllungsort der vertragscharakteristischen Leistung des dem Flug zugrundeliegenden Vertrages; diese ergibt sich aus den einzelnen Leistungen des Flugunternehmens zur Beförderung des Fluggastes nebst seinem Reisegepäck. Da diese Leistungen naturgemäß an mehreren Orten erbracht werden, ist zur Bestimmung des Erfüllungsortes als Anknüpfungspunkt für den Gerichtsstand gemäß Art. 5 Nr. 1 lit. b 2. Spiegelstrich Lugano-Übereinkommen auf die Orte abzustellen, an denen nach dem Vertrag die Hauptleistung zu erbringen ist. Dies sind die Orte des Abflugs und der Ankunft; hier werden die vertragscharakteristischen Leistungen hauptsächlich erbracht. (…) Bei einer aus mehreren Flügen bestehenden Flugverbindung ohne nennenswerten Aufenthalt auf den Umsteigeflughäfen wie im Streitfall ist als für den Vertrag maßgeblicher Abflugort der Abflugort der ersten Teilstrecke anzusehen.

21. Der BGH stellt somit für die Bestimmung des Erfüllungsortes auf die der vertragscharakteristischen Leistung des dem Flug zugrunde liegenden Vertrages ab. Es ist auf die Orte abzustellen, an denen nach dem Vertrag die Hauptleistung zu erbringen ist.

22. Erfüllungsort des zwischen der Klägerin und der Beklagten bestehenden Beförderungsvertrages ist nicht Frankfurt am Main.

23. Für die Flugstrecke von Frankfurt am Main nach Madrid bestand kein Beförderungsvertrag zwischen der Klägerin und der Beklagten. Vielmehr schloss die Klägerin für diese Flugstrecke einen Beförderungsvertrag mit der Fluggesellschaft B. Der Flug von Frankfurt am Main nach Madrid wurde von der Fluggesellschaft B unter der Flugnummer XX XXXX vermarktet und von der Fluggesellschaft A. durchgeführt (vgl. E-Ticket vom 12.02.2017, Bl. 4 d. A.). Während die Anschlussflüge von Madrid nach Bogota und von Bogota nach Armenia eine Flugnummer der Beklagten mit dem IATA Code der Beklagten „XX“ tragen und mit „operated by [der Beklagten]“ vermerkt sind, ist hinsichtlich des Fluges von Frankfurt am Main nach Madrid keinerlei vertragliche Verbindung zur Beklagten ersichtlich. Insbesondere hat die Beklagte auch nicht den Flug von Frankfurt am Main nach Madrid unter einer eigenen Flugnummer als Codeshare Flug vermarktet.

24. Vielmehr hat das Flugportal xxx.de eine Reise bestehend aus mehreren Flugverbindungen von Frankfurt am Main nach Armenia für die Klägerin zusammengestellt.

25. Es handelt sich hinsichtlich der Flüge von Frankfurt am Main nach Madrid und von Madrid über Bogota nach Armenia nicht um eine Flugverbindung, die aus mehreren Flügen besteht. Vielmehr handelt es sich um zwei Flugverbindungen: zum einen besteht eine Flugverbindung in dem Flug von Frankfurt am Main nach Madrid mit dem vertraglichen Luftfahrtunternehmen Iberia und zum anderen besteht die zweite Flugverbindung aus den Flügen von Madrid nach Bogota und von Bogota nach Armenia mit der Beklagten als vertraglichem Luftfahrtunternehmen.

26. Zwischen den Parteien bestand demnach lediglich ein Beförderungsvertrag für die Flugstrecke von Madrid über Bogota nach Armenia. Die Hauptleistungen des zwischen den Parteien geschlossenen Beförderungsvertrages wurden daher in Madrid und Armenia erbracht. Diese Orte sind die Erfüllungsorte des Beförderungsvertrages zwischen den Parteien.

27. Eine örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Frankfurt am Main kann auch anderweitig nicht begründet werden. Mangels eines innerdeutschen Gerichtsstandes fehlt es zudem an der internationalen Zuständigkeit der deutschen Gerichte.

28. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

29. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.

30. Die Berufung war gemäß § 511 Abs. 4 ZPO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen.

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