Flug verpasst wegen Sicherheitskontrollen

LG Düsseldorf: Flug verpasst wegen Sicherheitskontrollen

Der Kläger forderte Schadensersatz für eine Reise, die er nicht antreten konnte, weil er wegen Verzögerungen bei der Sicherheitskontrolle den Hinflug verpasst hatte. Die Klage wurde abgewiesen, weil dem Flughafenbetreiber kein Organisationsfehler nachzuweisen wurde.

LG Düsseldorf 2b O 179/15 (Aktenzeichen)
LG Düsseldorf: LG Düsseldorf, Urt. vom 15.05.2018
Rechtsweg: LG Düsseldorf, Urt. v. 15.05.2018, Az: 2b O 179/15
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Landgericht Düsseldorf

1. Urteil vom 15. Mai 2018

Aktenzeichen 2b O 179/15

Leitsatz:

2. Es besteht kein Schadensersatzanspruch des Reisenden, der wegen Wartezeiten bei der Sicherheitskontrolle seinen Flug verpasst hat, sofern diese nicht auf einem Organisationsfehler beruhen.

Zusammenfassung:

3. Der Kläger hatte für sich und seine Familie eine Pauschalreise gebucht. Das Boarding für den Abflug war für 11.45 Uhr am 18. Juli 2015 angesetzt. Die Reisenden hatten  9.39 Uhr eingecheckt und sich zur Sicherheitskontrolle begeben. Dort kam es aufgrund hohen Passagieraufkommens zu Verzögerungen, sodass sie das Boarding und somit den Flug verpassten. Die Reise traten sie nicht an und forderten vom Flughafenbetreiber die Erstattung des Reisepreises in Höhe von 3.691,- € und vorgerichtlicher Anwaltskosten.

Das Landgericht Düsseldorf wies die Klage ab. Es lag kein Organisationsverschulden des Beklagten vor und er hatte dem Kläger über keine Amtspflicht verletzt. Die Sicherheitskontrollen waren rechtmäßig gewesen und ordnungsgemäß durchgeführt worden, was der Kläger auch nicht in Frage gestellt hatte. Es war kein Fehler des Beklagten bei der Personalplanung zu erkennen. Reisende müssen sich auf Verzögerungen und Wartezeiten einstellen. Daher stand dem Kläger kein Schadensersatz zu.

Tenor:

4. Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des nach dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand:

5. Der Kläger nimmt die Beklagte wegen des Versäumens eines Fluges aufgrund von Sicherheitsmaßnahmen am Flughafen B auf Schadensersatz in Anspruch.

6. Der Kläger begab sich am 18.07.2015 morgens mit seiner Ehefrau zum Flughafen B, um eine Urlaubsreise nach D. Der planmäßige Abflug war um 12:10 Uhr und das Boarding war für 11:45 Uhr angesetzt. Der Reisepreis betrug 3.691,00 €. Nach Ankunft am Flughafen checkten der Kläger und seine Ehefrau ein – frühestens gegen 9:39 Uhr – und begaben sich anschließend zum Sicherheitsbereich C, nachdem die erste Bordkartenkontrolle passiert worden war. Die Sicherheitskontrolle wurde durch ein privates Sicherheitsunternehmen durchgeführt. Nach durchgeführter Sicherheitskontrolle begaben sich der Kläger und seine Ehefrau zum Abfluggate. Zu diesem Zeitpunkt war das Boarding bereits abgeschlossen und das Gepäck der Eheleute schon entladen worden.

7. Außergerichtlich forderte der Kläger die Beklagte erfolglos zum Ausgleich des aufgewandten Reisepreises auf. Die Beklagte lehnte eine Zahlung ab.

8. Der Kläger behauptet, er und seine Frau hätten um 9:39 Uhr eingecheckt. Anschließend habe man sich unmittelbar in einer Warteschlange zum Sicherheitsbereich C angestellt, wo man 15-30 Minuten bis zur Bordkartenkontrolle gewartet habe. Im Sicherheitsbereich seien lediglich zwei von vier Ganzkörperscanner und vier Gepäckspuren in Betrieb gewesen. Pro Scanner sei lediglich ein Mitarbeiter des Sicherheitsunternehmens eingesetzt worden, der zusätzlich auch die Personenkontrollen durchgeführt habe. Nach 45 Minuten Wartezeit sei ein Scanner ausgefallen und alle Wartenden hätten sich neu anstellen müssen. Die Passagiere hätten sich nach vorne gedrängt, wodurch es zu weiteren Verzögerungen gekommen sei. Insgesamt hätten der Kläger und seine Ehefrau knapp zwei Stunden, von 9:45 Uhr bis 11:55 Uhr, im Sicherheitsbereich verbracht. Das Abfluggate sei erst gegen 12:03 Uhr erreicht worden.

9. Die Bundespolizei habe weder ausreichend Sicherheitspersonal im Einsatz gehabt, noch sei eine zügige Sicherheitskontrolle durch entsprechende organisatorische Maßnahmen gesichert gewesen. Das eingesetzte Sicherheitsunternehmen sei überfordert gewesen. Die Passagierzahlen seien aufgrund der Buchungen im Vorfeld exakt bekannt gewesen.

10. Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an Ihn 3.691,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.10.2015 zuzüglich vorgerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von 218,72 € zu zahlen.

11. Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

12. Sie bestreitet den vom Kläger geschilderten Zeitablauf sowie die angeführten Uhrzeiten und Wartezeiten mit Nichtwissen.

13. Sie trägt vor, dass sie für die zunächst durchgeführte Bordkartenkontrolle nicht zuständig sei. Für die Ermittlung der Sicherheitskontrolle übermittle der Flughafen der Bundespolizei vorab Passagierprognosen. Für die Sicherheitskontrolle werde eine Dauer von 15 Minuten pro Passagier eingeplant.

14. Am Vormittag des 18.07.2015 sei es zu einem nicht vorhersehbaren Anstieg des Passagieraufkommens gekommen, wodurch sich die Wartezeit auf 30-45 Minuten erhöht habe. Die Prognosezahlen seien der Bundespolizei am 17.06.2015 mitgeteilt worden. Aufgrund einer geöffneten Sicherheitstür im Bereich des Flugsteiges B hätten zudem 300-400 Passagiere den Flugsteig verlassen und erneut kontrolliert werden müssen. Der Zugang zum Sicherheitsbereich B sei zwischen 08:45 Uhr und 09:45 Uhr gesperrt gewesen, sodass die Passagiere auf die Zugänge A und C ausgewichen seien.  Für die geöffnete Verbindungstüre und die anschließenden Maßnahmen sei nicht die Beklagte verantwortlich.

15. Zwischen 10:00 Uhr und 12:00 Uhr seien im Sicherheitsbereich C zwischen 30 und 36 Sicherheitsassistenten im Einsatz gewesen. Es seien insgesamt sechs Scanner und 12 Kontrollspuren vorhanden, von denen man drei Scanner und 6 Kontrollspuren in Betrieb genommen habe. Jede Kontrollspur sei mit 5-6 Luftsicherheitsassistenten besetzt gewesen. Gegen 11:00 Uhr habe ein Kontrollspurwechsel stattgefunden, da im Bereich der Spur 6 ein im Handgepäck nicht eindeutig identifizierter Gegenstand verzeichnet worden sei. Für die anschließende Kontrolle des Gepäckstückes seien die Kontrollen von Spur 6 auf die Spur 5 ausgewichen.

16. Alle anderen für den streitgegenständlichen Flug eingecheckten Passagiere hätten das Abfluggate rechtzeitig erreicht, wobei 20 Passagiere erst nach dem Kläger und seiner Ehefrau eingecheckt hätten.

17. Eine ausreichend schnelle Luftsicherheitskontrolle sei sichergestellt gewesen.

18. Der Kläger ist im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 11.08. / 28.10.2016 nach § 141 ZPO persönlich gehört worden. Ferner hat das Gericht Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugen I, I2 und I3.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschriften vom 28.10.2016 (vgl. Bl. 64 ff. d.A.) und vom 16.03.2018 (vgl. Bl. 76 ff. d.A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe:

19. Die zulässige Klage ist unbegründet.

I.

20. Der Kläger kann von der Beklagten wegen der am 18.07.2015 durchgeführten Kontrollmaßnahmen kein Schadensersatz verlangen. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Ausgleich der ihm aufgrund des verpassten Fluges entstandenen Vermögensnachteile. Ein solcher Anspruch ergibt sich insbesondere nicht aus § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG.

1.

21. Ein Anspruch des Klägers ergibt sich nicht aus Amtshaftung gemäß § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB, Art. 34 Satz 1 GG, denn eine Amtspflichtverletzung der Beklagten, die für den Schaden des Klägers ursächlich geworden wäre, liegt nicht vor. Dem Kläger ist nicht der erforderliche Nachweis gelungen, dass die Beklagte eine ihr gegenüber dem Kläger bestehende Amtspflicht verletzt hat.

a)

22. Gemäß § 5 Abs. 1 S. 1 und 2 LuftSiG ist die Luftsicherheitsbehörde befugt, Passagiere, die den Abfertigungsbereich eines Flughafens betreten wollen, und das von ihnen mitgeführte Handgepäck zu durchsuchen. Damit soll die Befolgung des Verbots in § 11 Abs. 1 LuftSiG, gefährliche Gegenstände mitzuführen, sichergestellt werden. Gemäß § 5 Abs. 2 LuftSiG können Personen unter den dort genannten Voraussetzungen angehalten werden. Dabei müssen die Maßnahmen nach § 5 LuftSiG dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen (vgl. OLG Frankfurt a. M. Urt. v. 19.1.2017 – 1 U 139/15). Die Sicherheitskontrolle, die eine hoheitliche Aufgabe darstellt, wurde vorliegend von einem privaten Dienstleister übernommen, der insoweit als Beliehener tätig wird (§ 16a Abs. 1 Nr. 1 LuftSiG).

23. Bereits aus dem Vortrag des Klägers ergibt sich, dass der Anspruch nicht auf die durchgeführte Überprüfung nach § 5 LuftSiG gestützt wird. Der Kläger stellt weder die Rechtsmäßigkeit noch die Dauer der konkreten Kontrollmaßnahme in Frage. Es ist weder ersichtlich noch vorgetragen, dass die Überprüfung der Person des Klägers, oder seiner Ehefrau, zu einer erheblichen Verzögerung geführt hat. Vielmehr gab die Zeugin I an, dass die eigentliche Personen- und anschließende Passkontrolle zügig durchgeführt worden sei.

24. Nachdem klägerischen Vorbringen beruht die Versäumung des Fluges darauf, dass die Wartezeit zwischen Check-In und der Sicherheitskontrolle unzumutbar lang gewesen sei. Dies wiederum könne auf eine unzureichende Organisation der Sicherheitskontrollen zurückgeführt werden (dazu lit. b).

b)

25. Eine schuldhafte Organisationspflichtverletzung kann nicht festgestellt werden. Entgegen dem klägerischen Vorwurf, vermochte das Gericht einen schadenskausalen Organisationsmangel nicht festzustellen. Hierbei kann nicht lediglich auf die Zeit abgestellt werden, die ein Passagier bis zur eigentlichen Personen- und Handgepäckkontrolle warten muss. Denn es ist bereits nicht von vorneherein absehbar, wie lange die einzelnen Kontrollen andauern werden. Die voraussichtlich zu erwartende Anzahl an Passagieren ist dabei ein zu berücksichtigender Parameter. Je nach Andrang, Zahl der Kontrollstellen und Geschwindigkeit der Kontrollen, kann es zu erheblichen Verzögerungen kommen. Auf derartige Verzögerungen im Ablauf muss sich jeder Fluggast einstellen und Wartezeiten entsprechend einkalkulieren. Hierauf beruhen auch die allgemein bekannten Empfehlungen der Fluggesellschaften und Flughafenbetreiber 2 bis 3 Stunden vor Abflug am Flughafen zu erscheinen.

26. Allerdings haben die Sicherheitsbehörden die Kontrollen zweckmäßig zu organisieren und Personal in ausreichender Zahl einzusetzen (vgl. OLG Frankfurt a. M. Urt. v. 19.1.2017 – 1 U 139/15). Das Gericht ist nach der durchgeführten Beweisaufnahme und aufgrund der persönlichen Anhörung des Klägers nicht davon überzeugt, dass die Kontrollstellen im Sicherheitsbereich C am 18.07.2015, in der Zeit von 10:00 Uhr bis 12:00 Uhr, nur unzureichend besetzt waren. Im Rahmen der dem Gericht nach § 286 Abs. 1 ZPO zustehenden freien Beweiswürdigung konnte nicht die Überzeugung erlangt werden, die Darstellung des Klägers als erwiesen anzusehen. Danach ist ein Beweis dann erbracht, wenn das Gericht unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme sowie dem sonstigen Umständen und dem Akteninhalt von der Richtigkeit einer Tatsachenbehauptung derart überzeugt ist, dass vernünftigen Zweifeln Schweigen geboten ist. Zu einer solchen Überzeugung konnte das Gericht hinsichtlich der Behauptung des Klägers, es seien lediglich 2 Kontrollspuren mit je einem Mitarbeiter besetzt gewesen, nicht gelangen.

27. Insoweit stehen sich die jeweiligen Parteidarstellungen, jeweils inhaltlich weitestgehend gestützt durch die in den mündlichen Verhandlungen vom 28.10.2016 und vom 16.03.2018 getätigten Aussagen der Zeugen I, I2 und I3 nebst der persönlichen Einlassung des Klägers, die im Rahmen der Beweiswürdigung anhand der Gesamtumstände ebenfalls Berücksichtigung findet, unvereinbar gegenüber. Während nach der klägerischen Darstellung lediglich zwei Scanner in Betrieb waren und pro Scanner nur ein Sicherheitsmitarbeiter die Personenkontrolle durchgeführt habe, sollen nach dem Vorbringen der Beklagten insgesamt drei Scanner und sechs von geplanten sieben Kontrollspuren in Betrieb gewesen seien, wobei zwischen 30-36 Sicherheitsassistenten im Einsatz gewesen seien. Das Gerichte vermochte nicht zugunsten des Klägers festzustellen, dass seine Angaben zutreffend sind. Der Vortrag der Beklagten zum konkreten Personaleinsatz wurde zunächst durch Vorlage der Einsatzdokumentation vom 18.07.2015 (vgl. Anlage B1) weiter substantiiert. Der Zeuge I1 bestätigte im Rahmen seiner Vernehmung sodann, dass die zur Akte gereichten Zahlen mit den internen Unterlagen der Bundespolizei übereinstimmen würden. Der Einsatzplan werde von dem jeweiligen Teamleiter des Sicherheitsbereiches, einem Mitarbeiter des privaten Sicherheitsdienstes, täglich erstellt und von einem Gruppenleiter der Bundespolizei vor Ort kontrolliert. Das Gericht hat keinen Anlass, berechtigte Zweifel an der vorgelegten Einsatzdokumentation zu hegen.

28. Auch die Planung des Personalbedarfs im Vorfeld, wie sie von der Beklagten geschildert und vom Zeugen I1 bestätigt wurde, scheint nach Auffassung des Gerichtes frei von Organisationsfehlern zu seien. Demnach orientiert sich das dreistufige Anforderungsverfahren maßgeblich an den zuvor übermittelten Prognosezahlen, bezüglich der zu erwartenden Passagiere, die der Bundespolizei vom Flughafenbetreiber monatlich im Voraus übermittelt werden. Nach den Angaben des Zeugen werde die Belastbarkeit der Prognosezahlen regelmäßig durch einen Abgleich mit den tatsächlichen Passagierzahlen geprüft. Ein unzureichender Personaleinsatz lässt sich auch nicht aus der Wartezeit des Klägers und seiner Ehefrau im Bereich vor den Kontrollstellen herleiten. Denn nach der durchgeführten Beweisaufnahme steht schon nicht hinreichend fest, wie lange sie sich dort tatsächlich aufgehalten haben. Die Angaben der Zeugin I widersprechen bereits dem klägerseits geschilderten Zeitablauf.

29. Nach den Angaben des Zeuge I1, der den streitgegenständlichen Schadensfall als Sachbearbeiter bearbeitete, hat der Kläger den Sicherheitskontrollbereich erst um 10:29 Uhr betreten. Im Rahmen der Bearbeitung habe der Zeuge den Flughafen B kontaktiert und habe sich anhand der Informationen, die sich auf der Bordkarte des Klägers befanden, die Bordkartenzeit mitteilen lassen. Diese entspricht dem Zeitpunkt der ersten Kontrolle der Bordkarte bzw. der Prüfung der Zugangsberechtigung zum Bereich der eigentlichen Sicherheitskontrolle. Die erfasste Bordkartenzeit widerspricht den Angaben des Klägers zum zeitlichen Ablauf ebenfalls. Letztlich fehlt der Nachweis, wann der Kläger und seine Ehefrau den Sicherheitsbereich tatsächlich verlassen haben und wie lange sie auf die durchzuführende Sicherheitskontrolle warten mussten.

30. Eine gewisse Verzögerung im Ablauf der Sicherheitskontrollen ist auf sachliche Gründe zurückzuführen. Es steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass es am 18.07.2015 zu einem Sicherheitsvorfall im Bereich des Flugsteiges B kam. Der Zeuge I1 hat den Vortrag der Beklagten bestätigt, dass eine Tür zum Sicherheitsbereich unberechtigterweise geöffnet wurde und dies eine erneute Sicherheitskontrolle von Passagieren erforderlich machte, die sich im betroffenen Sicherheitsbereich befunden haben. Der Zeuge konnte anhand der im vorliegenden Unterlagen nachvollziehbar und detailliert schildern, dass es zu einer Türöffnung kam und hierdurch ein Sicherheitsalarm ausgelöst wurde.

31. Den Bereich der Luftseite gegen einen unberechtigten Zugang zu sichern und somit eine Vermengung von bereits kontrollierten und nichtkontrollierten Passagieren zu verhindern, ist dabei zunächst Aufgabe des Flughafenbetreibers (§ 8 Abs. 1 Nr. 4 LuftSiG).

32. Mit Blick auf die Organisation der Kontrollen ist anzumerken, dass die Zuführung der Passagiere zu den jeweiligen Kontrollstellen vor dem eigentlichen Sicherheitsbereich im Sinne des LuftSiG nicht im Aufgaben- und Verantwortungsbereich der Beklagten liegt. Bereits aus § 8 Abs. 1 Nr. 1 LuftSiG ergibt sich die Verpflichtung des Flughafenbetreibers, die gesamte Flughafenanlage so zu erstellen und zu gestalten, dass die Zuführung von Passagieren und Gepäck und die sachgerechte Durchführung der Sicherheitskontrollen ermöglicht werden. Es fällt daher in den Aufgabenbereich des Flughafenbetreibers die Passagiere vom Check-In Bereich zu den drei vorhandenen Sicherheitsbereichen (A, B und C) zu leiten und möglichst früh einen gleichmäßigen Passagierzufluss zu allen drei Kontrollstationen herbeizuführen. Ebenso wäre es Sache des Flughafenbetreibers gewesen, durch entsprechenden Einsatz von Personal, oder Installationen eines Personenleitsystems (Absperrungen etc.), Warteschlangen zu organisieren, die einen möglichst reibungslosen Ablauf der Kontrollen sicherstellen. Hierbei handelt es sich jedoch um Maßnahmen, die nicht dem Verantwortungsbereich der Beklagten zuzuordnen sind. Gleiches gilt hinsichtlich der ersten Kontrolle der Bordkarte, zwecks Überprüfung der Zugangsberechtigung.

33. Soweit der Kläger vorträgt, dass das eingesetzte Sicherheitspersonal überfordert und gelangweilt gewesen sei, reicht dies zur Begründung einer Amtspflichtverletzung nicht aus.

34. Entgegen der Ansicht des Klägers, war der Beweisantritt der Beklagten auf Vernehmung des Zeugen I1 auch nicht als unzulässiger Ausforschungsbeweis zurückzuweisen. Nach dem im Zivilprozess herrschenden Verhandlungsgrundsatz kann die darlegungs- und beweispflichtige Partei eine Beweisaufnahme und damit eine Klärung der für die Entscheidung des Rechtsstreits erheblichen Tatsachen nur dann erreichen, wenn sie entsprechende bestimmte Behauptungen aufstellt. Andererseits kann es ihr aber auch nicht verwehrt werden, eine tatsächliche Aufklärung auch hinsichtlich solcher Punkte zu verlangen, über die sie kein zuverlässiges Wissen besitzt und auch nicht erlangen kann. Sie kann deshalb genötigt sein, eine von ihr nur vermutete Tatsache zu behaupten und unter Beweis zu stellen. Darin kann weder eine Verletzung der prozessualen Wahrheitspflicht noch ein unzulässiger Ausforschungsbeweis gesehen werden (vgl. BGH, Urteil vom 13-07-1988 – IV a ZR 67/87). Nach § 373 ZPO hat die Partei, die die Vernehmung eines Zeugen beantragen will, den Zeugen zu benennen und die Tatsachen zu bezeichnen, über die dieser vernommen werden soll. Diesen Anforderungen hat die Beklagte genügt. Der Zeuge wurde für die im Beweisbeschluss vom 14.07.2017 angeführten Behauptungen der Beklagten benannt. Dass der Zeuge seine Tatsachenkenntnis lediglich mittelbar als Sachbearbeiter des streitgegenständlichen Schadenfalles gewonnen hat und am 18.07.2015  nicht unmittelbar am Flughafen B anwesend war, ist nicht entscheidend.

2.

35. Ein Anspruch kann sich auch nicht aus § 51 I Nr. 1, II Nr. 2 BPolG ergeben. Denn die nach § 4 S. 1 BPolG von der Bundespolizei durchzuführende Gepäckkontrolle nach §§ 5 I 2, III 1, 11 I LuftSiG setzt weder eine konkrete „Gefahr“ noch eine polizeirechtliche Verantwortlichkeit als „Störer“ voraus und der Besitzer oder Eigentümer der kontrollierten Gepäckstücke ist auch kein „unbeteiligter Dritter“ iSv § 51 II Nr. 2 BPolG (vgl. OLG Frankfurt a. M. Urt. v. 19.1.2017 – 1 U …).

36. Auch ein Entschädigungsanspruch aus dem Rechtsinstitut der öffentlich-rechtlichen Aufopferung bzw. des enteignenden Eingriffs liegt nicht vor. Es fehlt bereits das erforderliche Sonderopfer (vgl. BGH, Hinweisbeschluss vom 14.12.2017 – III ZR 48/17). Ein solches setzt voraus, dass eine an sich rechtmäßige hoheitliche Maßnahme bei einem Betroffenen unmittelbar zu Nachteilen führt, die er aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen hinnehmen muss, die aber die Schwelle des enteignungsrechtlich Zumutbaren übersteigen; die Einwirkungen auf die Rechtsposition des Betroffenen müssen die Sozialbindungsschwelle überschreiten, also im Verhältnis zu anderen ebenfalls betroffenen Personen eine besondere Schwere aufweisen oder im Verhältnis zu anderen nicht betroffenen Personen einen Gleichheitsverstoß bewirken. Ob in diesem Sinn eine hoheitliche Maßnahme die Sozialbindungsschwelle überschreitet oder sich noch als Ausdruck der Sozialbindung des Eigentums begreifen lässt, kann nur aufgrund einer umfassenden Beurteilung der Umstände des Einzelfalls entschieden werden (vgl. BGH, Urt. v. 14. 3. 2013 – III ZR 253/12). Ein verschuldensunabhängiger Ersatzanspruch besteht bereits nicht, da der Kläger und seine Ehefrau den Flug nicht aufgrund der sachgemäßen Personenkontrolle verpasst haben. Eine willkürliche oder beliebige Verzögerung der hoheitlichen Kontrollmaßnahme ist, wie bereits ausgeführt wurde, weder vorgetragen noch ersichtlich. Der Kläger stützt seinen Anspruch gerade nicht auf die Dauer der Personen- und Handgepäckkontrolle. Insoweit unterscheidet sich der Sachverhalt, der der Entscheidung des BGH vom 14.12.2017 zugrunde lag (vgl. BGH, Hinweisbeschluss vom 14.12.2017 – III ZR 48/17), von dem vorliegenden. Gleiches gilt mit Blick auf die vom Kläger angeführte Entscheidung des OLG Frankfurt vom 12.08.2013, 1 U 276/12, da auch dort der eigentliche Gefahrerforschungseingriff nach § 5 i.V.m. § 11 LuftSiG zu einer nicht hinnehmbaren Verzögerung geführt hat.

II.

37. Da der Kläger keine Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte hat, unterliegt die Klage auch im Hinblick auf die geltend gemachten Zinsen sowie den vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten der Abweisung.

III.

38. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. Die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 11, 711 ZPO.

IV.

39. Der Streitwert wird festgesetzt auf 3.691,00 €.

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