Verspäteter Zubringerflug der Lufthansa

AG Köln: Verspäteter Zubringerflug der Lufthansa

Flugreisende verpasste ihren Anschluss nach Münster, weil der Zubringer von Istanbul nach Frankfurt 16 Minuten Verspätung hatte. Sie erhielten eine Ausgleichszahlung, weil die Mindestumsteigezeit ohne ihr Verschulden nicht genügt hatte.

AG Köln 141 C 190/16 (Aktenzeichen)
AG Köln: AG Köln, Urt. vom 28.04.2017
Rechtsweg: AG Köln, Urt. v. 28.04.2017, Az: 141 C 190/16
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Amtsgericht Köln

1. Urteil vom 28. April 2017

Aktenzeichen 141 C 190/16

Leitsatz:

2. Wird die Mindestumsteigezeit gewahrt, obliegt es dem Flugreisenden nachzuweisen, dass ihm das Erreichen des Anschlussfluges aufgrund von ihm nicht beherrschbarer Umstände unmöglich war.

Zusammenfassung:

3. Die Kläger hatten bei der Beklagten als ausführendem Luftfahrtunternehmen einen Flug von Istanbul über Frankfurt am Main nach Münster für den 7. Oktober 2014 gebucht. Der Zubringer hatte 14 Minuten Verspätung, sodass die Reisenden den Anschluss nicht erreichten und nach einer Ersatzbeförderung ihr Ziel mit 4-stündiger Verspätung erreichten. Hierfür forderten sie eine Ausgleichszahlung gemäß der europäischen Fluggastrechteverordnung.

Das Amtsgericht Köln verhandelte den Streit. Die Mindestumsteigezeit, die der Betreiber des frankfurter Flughafens vorsieht, beträgt 45 Minuten. Nach der verspäteten Landung des Zubringers waren 46 Minuten Zeit bis zum Abflug. Daher lag es, wie die Beklagte vortrug, an den Klägern, darzulegen, warum ihnen das pünktliche Erscheinen zur Abfertigung dennoch nicht möglich gewesen war. Dieser Nachweispflicht kamen sie nach. Demzufolge waren sie nach dem Erreichen der Parkposition mit Bussen zum Terminal befördert worden und hatten eine weitere Sicherheitskontrolle durchlaufen müssen. Als sie das Gate 15 Minuten vor Abflug erreichten, war es bereits geschlossen. Somit lagen die Gründe außerhalb der von den Reisenden zu beherrschenden Sphäre und waren der Beklagten zuzurechnen. Die Kläger erhielten gemessen an der Flugdistanz jeweils 400,- € und Zinsen.

Tenor:

4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger jeweils 400,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 14.10.2016 zu zahlen.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger jeweils Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Tatbestand:

5. Die Kläger begehren die Leistung von Ausgleichszahlungen aufgrund einer Flugverspätung.

6. Die Kläger verfügten jeweils über eine bestätigte Buchung für die von der Beklagten am 07.10.2014 im Zusammenhang durchzuführenden Flüge xxx von Istanbul nach Frankfurt am Main und yyy von Frankfurt am Main nach Münster.

7. Der Flug xxx sollte um 13:55 Uhr Ortszeit in Istanbul starten und um 16:00 Uhr Ortszeit in Frankfurt landen. Dort sollte der Anschlussflug yyy um 17:00 Uhr starten und um 17:50 Uhr in Münster landen.

8. Der Zubringerflug LH 1299 hatte eine Verspätung von 14 Minuten.

9. Nach Erreichen der Parkposition wurden die Kläger mit Bussen zum Terminal befördert. Im Anschluss mussten sie eine weitere Sicherheitskontrolle durchlaufen.

10. Die Kläger erreichten das Gate des Anschlussfluges mindestens 15 Minuten vor dem planmäßigen Abflug. Das Gate war jedoch bereits geschlossen, so dass die Kläger nicht mehr mit dem Flug yyy befördert werden konnten.

11. Sie wurden ersatzweise mit dem zzz befördert und sie ihren Zielort um 21:50 Uhr.

12. Der Flughafenbetreiber des Flughafen Frankfurt am Main sieht eine Mindestumsteigezeit (Minimum Connecting Time) von 45 Minuten vor.

13. Die Kläger behaupten, die Verspätung von 14 Minuten sei allein kausal für das Verpassen des Anschlussfluges gewesen.

14. Die Kläger beantragen,

die Beklagte zu verurteilen, an sie jeweils 400,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

15. Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

16. Die Beklagte ist der Auffassung, die Dauer von Sicherheitskontrollen sei der Beklagten nicht zuzurechnen. Bei Einhaltung der Minimum Connecting Time sei davon auszugehen, dass der Anschlussflug noch zu erreichen sei.

17. Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

18. Die Klage ist zulässig und begründet.

19. Die Kläger haben einen Anspruch gegen die Beklagte auf Ausgleichszahlungen in Höhe von jeweils 400,00 EUR gemäß Art. 7 Abs. 1 Lit. b) EG VO 261/2004.

20. Unstreitig haben die Kläger bei der Beklagten einen Flug von Istanbul über Frankfurt nach Münster gebucht, der am 07.10.2014 um 17:50 Uhr landen sollte. Die gebuchte Gesamtflugstrecke betrug mehr als 1500 km, jedoch weniger als 3500 km.

21. Die Kläger erreichten ihren Zielort erst am 21:50 Uhr und somit mit einer Verspätung von über 3 Stunden.

22. Nach der Entscheidung des EuGH vom 19.11.2009 in der Rs. C-402/07 und C- 432 / 07 die mit Urteil des EuGH vom 23.10.2012 in der verbundenen Rs. C -581 / 10 und C -629 / 10 ausdrücklich bestätigt wurde und der sich das Gericht anschließt, können auch Fluggäste verspäteter Flüge den in Art. 7 der EG VO 261/2004 vorgesehenen Ausgleichsanspruch geltend machen wenn sie – wie hier – wegen eines solchen Fluges einen Zeitverlust von 3 Stunden oder mehr erleiden. Hintergrund ist, dass die Situation von Fluggästen verspäteter Flüge mit der von Fluggästen annullierter Flüge vergleichbar ist. Sie erleiden einen Zeitverlust, der mit Ärgernissen und Unannehmlichkeiten einhergeht. Die Höhe des Ausgleichsanspruchs richtet sich nach der Länge der Flugstrecke.

23. Die Gesamtverspätung beruhte im konkreten Fall auf der Verspätung des Zubringerfluges um 14 Minuten und dem Umstand, dass die Kläger aus diesem Grund ihren Anschlussflug nicht rechtzeitig erreichen konnten und stattdessen mit einem späteren Flug nach Münster befördert werden mussten.

24. Verspätet sich der Zubringerflug so, dass der Anschlussflug nicht mehr erreicht wird, liegt ein Fall großer Verspätung vor, wenn die Verspätung am Endziel über drei Stunden beträgt.

25. Nachdem die Flugstrecke vorliegend einfach mehr als 1500 km betrug steht der Klägerin gemäß Art. 7 Abs. 1 Lit. b) EG VO ein Ausgleichsanspruch in Höhe von 400,00 € zu.

26. Das Gericht geht dabei davon aus, dass die 14-minütige Verspätung des Zubringerfluges kausal für das Verpassen des Anschlussfluges geworden ist, so dass der Beklagten die Gesamtverspätung zuzurechnen ist.

27. Ursprünglich vorgesehen war eine Umsteigezeit von einer Stunde. Aufgrund der Verspätung standen den Klägern jedoch nur 46 Minuten ab dem Zeitpunkt der Öffnung der Türen des Zubringerfluges zur Verfügung.

28. Diese waren im vorliegenden Fall nicht ausreichend, um auch bei Aufwendung aller zumutbaren Maßnahmen den Anschlussflug zu erreichen.

29. Bei der Beurteilung dieser Frage kommt der vom Flughafenbetreiber vorgegebenen Mindestumsteigezeit (Minimum Connecting Time, MCT), auf welche die Beklagte abstellt, eine Bedeutung zu. Die MCT bezeichnet die Zeit zwischen Landung und Start, zum Teil wird differenziert zwischen Umsteigeverbindungen national/national und national/international.

30. Für den Flughafen Frankfurt ist eine MCT von 45 Minuten vorgesehen.

31. Tatsächlich bestand im vorliegenden Fall ein Zeitraum von 46 vom Öffnen der Türen des Zubringerfluges bis zum planmäßigen Start des Anschlussfluges.

32. Das Gericht folgt insoweit zunächst der Auffassung der Beklagten, wonach bei Einhaltung der MCT der Fluggast darzulegen hat, weshalb ihm ein Erreichen des Anschlussfluges nicht möglich war. Ist dies auf ihm nicht zuzurechnende Umstände, sondern auf den normalen  Flugbetrieb zurückzuführen, geht dies zu Lasten des Luftfahrtunternehmens.

33. Dieser Darlegungslast sind die Kläger nach Auffassung des Gerichts in ausreichender Weise nachgekommen, ohne dass die Beklagte dem Vortrag entgegengetreten ist.

34. So haben die Kläger unbestritten vorgetragen, dass sie nach dem Öffnen der Türen zunächst mit Bussen zum Terminal transportiert wurden. Von dort aus konnten sie nicht unmittelbar zum Gate des Anschlussfluges gelangen, sondern mussten eine weitere Sicherheitskontrolle durchlaufen. Sodann seien sie mindestens 15 Minuten vor dem planmäßigen Abflug am Gate des Anschlussfluges erschienen, dessen Boarding jedoch bereits geschlossen war.

35. Die Angaben der Kläger, wonach sie seit dem Öffnen der Türen inklusive Bustransfer und weiterer Sicherheitskontrolle maximal 30 Minuten gebraucht haben, um das Gate zu erreichen, ist plausibel und nachvollziehbar.

36. Die Beklagte ist dem nicht entgegentreten, obwohl sie Kenntnis über die vorgetragenen Tatsachen, wie den Bustransfer und den Zeitpunkt des Boardings für den Anschlussflug hatte.

37. Vor dem Hintergrund, dass die tatsächlich zur Verfügung stehende Zeit die MCT lediglich um eine Minute überschritten hat, können an die Darlegungslast der Fluggäste keine überhöhten Anforderungen gestellt werden.

38. Jedenfalls hätte sich die Beklagte zu den Angaben einlassen können, da diese aus ihrem Kenntnisbereich stammen.

39. Soweit die Beklagte behauptet, sie habe alle zumutbaren Maßnahmen unternommen, um eine größere Verspätung zu verhindern und die Erreichung des Anschlussfluges zu ermöglichen, erfolgen hierzu keine konkreten Angaben.

40. Das Verpassen des Anschlussfluges ist unter diesen Umständen dem Verantwortungsbereich der Beklagten zuzurechnen. Ein Verschulden der Kläger ist nicht ersichtlich.

41. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 288 Abs. 1, 291 BGB.

42. Die Nebenentscheidungen §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

43. Der Streitwert wird auf 1.600,00 EUR festgesetzt.

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