Unzulässige Beförderungsverweigerung

LG Frankfurt: Unzulässige Beförderungsverweigerung

Der Kläger buchte bei der Beklagten einen Flug von Frankfurt a.M. nach Dublin. Bereits am Gate in Frankfurt wurde dem Kläger, trotz rechtzeitigen Erscheinens am Gate, der Zugang zum Flugzeug verweigert. Der Kläger verlangt nun Erstattung der Flugkosten und die Kosten für den Rechtsanwalt ersetzt. 

Das LG Frankfurt unterstützt das Urteil des AG Frankfurt, dass der Kläger einen Anspruch auf Ersatz der Reisekosten und Erstattung der Rechtsanwaltskosten hat.

AG Frankfurt 2-24 S 10/10 (Aktenzeichen)
AG Frankfurt: AG Frankfurt, Urt. vom 11.12.2010
Rechtsweg: AG Frankfurt, Urt. v. 11.12.2010, Az: 32 C 2025/09-18
LG Frankfurt, Urt. v. 15.07.2010, Az: 2-24 S 10/10
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Landgericht Frankfurt

1. Urteil vom 15. Juli 2010

Aktenzeichen: 2-24 S 10/10

Leitsatz:

2. Bei Beförderungsverweigerung des Reisenden steht ihm ein Ausgleichsanspruch und Ersatz der Reisekosten zu.

Zusammenfassung:

3. Der Kläger buchte bei der Beklagten einen Flug von Frankfurt a.M. nach Dublin. Bereits am Gate in Frankfurt wurde dem Kläger, trotz rechtzeitigen Erscheinens am Gate, der Zugang zum Flugzeug verweigert. Er konnte seinen Flug daraufhin nicht antreten. Der Kläger verlangt nun Erstattung der Flugkosten und die Kosten für den Rechtsanwalt ersetzt. 

Das LG Frankfurt unterstützt das Urteil des AG Frankfurt, dass der Kläger einen Anspruch auf Ersatz der Reisekosten und Erstattung der Rechtsanwaltskosten hat. Die spätere Behauptung der Beklagten, der Kläger sei zu spät am Gate erschienen, obwohl sie beim Amtsgericht noch zugab, er sei rechtzeitig erschienen, stellt dem Gericht nach eine neue Tatsachenbehauptung dar, die jedoch nicht anzunehmen ist.

Tenor:

4. Auf die Berufung des Klägers wird das am 11.12.2010 verkündete Urteil des AGs Frankfurt am Main – Az. 32 C 2025/09-18- abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 752,00 € zu zahlen sowie den Kläger von der Zahlung außergerichtlicher Anwaltskosten seines Prozessbevollmächtigten in Höhe von 120,67 € freizustellen.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Entscheidungsgründe:

5 Die zulässige, insbesondere fristgemäß eingelegte und fristgemäß begründete Berufung des Klägers hat auch in der Sache Erfolg.

6 Der Kläger kann von der Beklagten die Kosten für die Umbuchung in Höhe von 502,00 € und eine Ausgleichszahlung in Höhe von 250,00 € verlangen.

7 Der Anspruch auf Rückzahlung der Umbuchungskosten beruht dabei auf § 812 Abs. 1 S. 1 BGB. Die Beklagte ist zur Rückzahlung der Umbuchungskosten verpflichtet, weil die Leistung ohne rechtlichen Grund erfolgt ist. Denn dem Kläger hätte ein Anspruch auf kostenfreie Beförderung zugestanden. Denn im Falle der Beförderungsverweigerung hat das ausführende Luftfahrtunternehmen u.a. Unterstützungsleistungen gemäß Art. 8 der EG-VO 261/2004 zu erbringen. Dazu gehört nach Art. 8 Abs. 1 Buchst. b EG-VO 261/2004 die anderweitige Beförderung zum Endziel zum frühestmöglichen Zeitpunkt. Diese anderweitige Beförderung ist kostenfrei zu erbringen.

8 Von einer Beförderungsverweigerung i.S.d. Art. 4 Abs. 3 EG-VO 261/2004 ist im vorliegenden Fall auszugehen.

9 Die Voraussetzungen hierfür hat der BGH auf der Grundlage des Art. 2 j i.V.m. Art. 3 Abs. 2 EG-VO 261/2004 dahin gehend festgelegt, dass 3 Voraussetzungen erfüllt sein müssen:

10 (1) Der Fluggast verfügt entweder über eine bestätigte Buchung für den betreffenden Flug oder ist von einem anderen Flug, für den er eine solche Buchung besaß, auf den betreffenden Flug „verlegt“ worden.

11 (2) Der Fluggast hat sich – außer im Fall der „Verlegung“ und jedenfalls, wenn ihm nicht schon vorher die Mitnahme verweigert worden ist – zur angegebenen Zeit oder mangels einer solchen Angabe 45 Minuten vor dem planmäßigen Abflug zur Abfertigung („Check-in“) eingefunden.

12 (3) Dem am Flugsteig erschienenen Fluggast wird der Einstieg („Boarding“) gegen seinen Willen verweigert.

13 Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Der Kläger verfügte über eine Buchung für den Flug nach Dublin. Er hatte sich auch rechtzeitig am Schalter zum Einchecken eingefunden. Unstreitig erschien er um 15.05 Uhr, mithin 70 Minuten vor dem planmäßigen Abflug am Schalter. Ihm ist schließlich der Einstieg verweigert worden, obwohl er vor dem Ende des Einsteigevorgangs sich am Gate befand. Nach den Feststellungen des AGs erschien der Kläger um 16.00 Uhr am Gate. Dies entsprach dem Vortrag beider Parteien in der ersten Instanz und wurde deshalb von dem AG als unstreitige Tatsache in den Tatbestand aufgenommen. Dass der Kläger um 16.00 Uhr am Gate erschienen war, hat die Beklagte in ihrer Klageerwiderung selbst angegeben.

14 Soweit die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 17.05.2010 nunmehr vorgetragen hat, dass der Kläger erst um 16.05 Uhr am Gate erschienen sei, stellt diese von dem Vortrag der ersten Instanz abweichende Behauptung eine neue Tatsachenbehauptung i.S.d. § 531 Abs. 2 ZPO dar, die jedoch nicht zuzulassen ist. Weder betrifft diese Tatsache einen Gesichtspunkt, der vom Gericht des ersten Rechtszugs erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten wurde, noch ist diese Tatsache infolge eines Verfahrensmangels nicht geltend gemacht worden, noch beruht die Nichtgeltendmachung auf keiner Nachlässigkeit. Vielmehr war die Tatsache, wann der Kläger am Gate erschienen war, schon in der ersten Instanz ein entscheidender Gesichtspunkt. Diesen Zeitpunkt haben beide Parteien ausdrücklich mit 16.00 Uhr angegeben. Einen nachvollziehbaren Grund, warum sie ihren Vortrag in der Berufungsinstanz nunmehr ändert, gibt die Beklagte nicht an.

15 Auf der Grundlage, dass der Kläger um 16.00 Uhr am Gate erschienen war, war seine Anwesenheit am Gate rechtzeitig, denn der Einsteigevorgang war zu diesem Zeitpunkt noch nicht beendet.

16 Nach der Rechtsprechung des BGH ist der Einsteigevorgang jedenfalls dann beendet, wenn das Flugzeug seine Parkposition verlassen hat und der Einstieg tatsächlich nicht mehr möglich ist.

17 Nach der Rechtsprechung des OLG Frankfurt am Main ist der Einsteigevorgang beendet, wenn die Flugzeugtüren geschlossen sind.

18 In beiden Entscheidungen kommt zum Ausdruck, dass der Einsteigevorgang jedenfalls dann noch nicht beendet ist, wenn noch eine tatsächliche Möglichkeit des Einstiegs bestanden hat.

19 Diese Möglichkeit hat in diesem Fall noch bestanden. Denn nach dem Vortrag der Beklagten fuhr der letzte Zubringerbus um 16.03 Uhr am Gate ab. Der Kläger erschien damit 3 Minuten vor der Abfahrt des letzten Zubringerbusses und hätte damit noch mitgenommen werden können. Die Zeit zwischen dem Erscheinen des Klägers am Gate und der Abfahrt des Zubringerbusses hätte dazu benutzt werden können, den Busfahrer zu informieren, dass ein weiterer Fluggast zu befördern ist.

20 Es ist anzunehmen, dass es dem Kläger möglich gewesen wäre, innerhalb von 3 Minuten vom Gate zum Standort des Busses zu gelangen. Eine mögliche Verzögerung hätte sich allenfalls im Sekundenbereich, nicht aber im Minutenbereich bewegt.

21 Da eine tatsächliche Möglichkeit der Mitnahme des Klägers bestanden hat, schadet die Angabe auf dem Boardingpass, wonach Boardingzeit um 15.45 Uhr sei, nicht. Im Übrigen ist auch nicht erkennbar, dass die angegebene Boardingzeit ein Fixpunkt darstellt. Denn nach dem weiteren Text des Boardingpasses soll es möglich sein, bis 30 Minuten vor dem Abflug noch Gepäck am Gepäckschalter abzugeben. Dies wäre aber nicht möglich, wenn sich der Fluggast bereits zu diesem Zeitpunkt am Gate befinden muss.

22 Infolge der Bef6rderungsverweigerung steht dem Kläger auch eine Ausgleichszahlung gemäß Art. 4 Abs. 3 i.V.m. Art 7 Abs. 1 Buchst. a EG-¬VO 261/2004 in Höhe von 250,- € zu. Eine Reduzierung der Ausgleichszahlung gemäß Art 7 Abs. 2 EG-VO 261/2004 kommt nicht in Betracht, da die Verzögerung mehr als 2 Stunden betragen hat.

23 Der Kläger kann schließlich die Freistellung von Rechtsanwaltskosten verlangen (§§ 280 Abs. 1, 3, 286 Abs. 1,249 BGB). Nach dem unstreitig gebliebenen Vortrag in der Klageschrift hat sich der Kläger nach Verzugseintritt anwaltlicher Hilfe bedient. Die Beklagte befand sich mit der Zahlung in Verzug, nachdem sie trotz der Mahnung des Klägers keine Zahlung erbracht, sondern diese mit ihrem Schreiben vom 2.6.2009 endgültig abgelehnt hatte. Zur Durchsetzung seiner Rechte war der Kläger berechtigt, sich danach anwaltlicher Hilfe zu bedienen. Der Bevollmächtigte ist auch tätig geworden, denn er hat die Beklagte am 15.6.2009 und 29.6.2009 angeschrieben und die Beklagte hat ihm am 23.6.2009 und 1.7.2009 geantwortet. Das pauschale Bestreiten der Beklagten in erster Instanz ist insoweit unbeachtlich (§ 138 Abs. 2,3 ZPO). Die durch die Tätigkeit des Bevollmächtigten entstehenden Rechtsanwaltsgebühren sind adäquat-kausale Folge aus dem Verzug. Da der Kläger offenbar noch keine Zahlung an seinen Bevollmächtigten geleistet hat, steht ihm jedenfalls ein Freistellungsanspruch zu.

24 Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte als unterlegene Partei zu tragen (§ 91 Abs. 1 ZPO).

25 Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

26 Ein Rechtsmittel gegen diese Entscheidung besteht nicht, nachdem die Beschwer für eine Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 26 Nr. 8 ZPO in der Fassung des 2. JuMoG vom 22.12.2006 nicht erreicht wird.

27 Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 ZPO).

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