Schneeräumpflicht eines Flugplatzbetreibers

OLG Saarbrücken: Schneeräumpflicht eines Flugplatzbetreibers

Ein Flugzeugeigentümer nahm einen Flughafenbetreiber auf Schadensersatz wegen Verletzung ihrer Verkehrssicherungspflicht in Anspruch, aufgrund einer Beschädigung an den Propellerspitzen bei der Landung.

Das Oberlandesgericht Saarbrücken wies die Berufung ab und entschied, das nicht mit Sicherheit festgestellt werden kann, ob die Beschädigung aufgrund der Verkehrssicherungsverletzung entsand.

OLG Saarbrücken 8 U 585/07 (Aktenzeichen)
OLG Saarbrücken: OLG Saarbrücken, Urt. vom 08.04.2009
Rechtsweg: OLG Saarbrücken, Urt. v. 08.04.2009, Az: 8 U 585/07
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Oberlandesgericht Saarbrücken

1. Urteil vom 08.04.2009

Aktenzeichen: 8 U 585/07

Leitzatz:

2. Der Flughafenbetreiber hat die Pflicht die Landebahnen ausreichend von Eis und Schnee zu befreien.

Zusammenfassung:

3. Im vorliegenden Fall hat ein Flugzeugeigentümer sein Flugzeug auf dem Flughafen Saarbrücken gelandet. Bei dem „After-landing-Check“ stelle der Eigentümer eine Beschädigung an den Propellerspitzen des Flugzeugs fest. Grund dafür waren aufgewirbelter Schnee und Eis bei Rollen auf der Landebahn. Der Schnee wurde nicht ordnungsgemäß von der Rollbahn entfernt.

Der Kläger begehrt auf Schadensersatz wegen Verletzung ihrer Verkehrssicherungspflicht.

Das Oberlandesgericht Saarbrücken wies die Berufung ab und entschied, dass obwohl das Landgericht richtig festgestellt hat, das die Rollbahn B nicht pflichtgemäß geräumt war, lässt es sich nicht mit Sicherheit feststellen, das die Beschädigungen an den Propellern von dem Rollen auf Rollweg B verursacht wurden.

Tenor:

4. Auf die Berufung der Beklagten wird das am 18.10.2007 verkündete Urteil des Landgerichts Saarbrücken – 2 O 27/06 – dahingehend abgeändert, dass die Klage abgewiesen wird.

Die Kosten des Rechtsstreites beider Instanzen trägt die Klägerin.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar

Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung der Beklagten (wegen der Kosten) durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des beizutreibenden Betrages abzuwenden, es sei denn, die Beklagte leistet zuvor Sicherheit in gleicher Höhe.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

5. Die Klägerin ist Eigentümerin einer Propellermaschine vom Typ: PA 42-1000LS mit dem Eintragungszeichen EC-IIP. Die Beklagte ist Betreiberin des Flughafens Saarbrücken.

6. Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Schadensersatz wegen Verletzung ihrer Verkehrssicherungspflicht wegen eines Vorfalls vom 20.12.2004 in Anspruch. An diesem Tag landete die Maschine der Klägerin von Zaragossa kommend um 15:50 Uhr Ortszeit in Saarbrücken. Der Landeanflug erfolgte als Sichtflug auf der Piste 09. Der Anweisung des Towers, die Landebahn zu verlassen und über den Rollweg B zum Vorfeld zu rollen, kam der Zeuge … Kommandant des Flugzeugs, nach. Am Beginn des Rollwegs B wartete bereits das „Follow-me“-Fahrzeug mit dem Zeugen … um das Flugzeug in die endgültige Parkposition zu bringen.

7.  Im Rahmen des „After-landing-Check“ stellten Kommandant und Copilot eine Beschädigung an den Spitzen der beiden Propeller des Flugzeugs fest. Für deren Reparatur hat die Klägerin 78.836,91 Euro bezahlt. Ersatz dieses Betrages sowie vorgerichtlicher Anwaltskosten hat sie von der Beklagten mit der Begründung verlangt, die Beschädigungen an den beiden Propellern könnten nur während des Rollvorgangs auf dem Flughafen Saarbrücken erfolgt sein, wohl durch das Aufwirbeln von Schnee- und Eisstückchen infolge nicht ordnungsgemäßer Räumung durch die Beklagte.

8.  Durch das angefochtene Urteil (Bl. 173 ff. d. A.), auf dessen tatsächliche und rechtliche Feststellungen vollumfänglich gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Beklagte nach Durchführung einer Beweisaufnahme antragsgemäß zur Zahlung von 78.836,91 Euro verurteilt. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt: Die Beklagte habe ihre Verkehrssicherungspflicht zur Räumung der Bahnen von Schnee und Eis, um deren gefahrlose Benutzung durch Flugzeuge zu ermöglichen, schuldhaft verletzt, denn nach den überzeugenden und nachvollziehbaren Feststellungen des Sachverständigen … seien die Beschädigungen an den Propellern beim Rollen des Flugzeugs auf dem Flughafen Saarbrücken durch aufgewirbelten Schnee oder Eis entstanden. Offen bleiben könne insofern, ob der Schaden bei Ausführung einer 180° Wendung auf der Landebahn oder beim Rollen auf dem Rollweg B entstanden sei, denn die Beklagte sei in beiden Fällen ihrer Räumungspflicht nicht in ausreichendem Maße nachgekommen. Die Landebahn sei bis auf beidseitig stehen gelassene Schneerandstreifen von 2 bis 3 m – so der Zeuge … – bzw. 7,50 m – so der Sachverständige nach von der Vorfeldkontrolle erhaltener Informationen (Bl. 165) – geräumt gewesen. Bei der auf Anweisung des Towers durchgeführten 180° Wendung auf der durch Schnee verengten Landebahn, um weisungsgemäß in den Rollweg B einbiegen zu können, habe die Gefahr bestanden, dass Schnee und Eis aufgewirbelt werden könne und zu Beschädigungen an den nur etwa 25 cm über dem Boden befindlichen Propellern führe. Da die Beklagte den Flughafen auch für Maschinen des streitgegenständlichen Typs freigegeben habe, hätte sie entsprechende Vorkehrungen zu deren Schutz – auch bei einer 180° Wendung – treffen müssen. Aber auch dann, wenn der Schaden auf dem Rollweg B eingetreten wäre, hafte die Beklagte wegen Verletzung der ihr obliegenden Verkehrssicherungspflicht. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe nämlich fest, dass sich auf dem Rollweg B flache Schneeflecken bzw. Schneeverwehungen befunden hätten, die nach den Feststellungen des Sachverständigen die Beschädigungen an den beiden Propellern hätten hervorrufen können. Ein Mitverschulden der Klägerin in dem Fall, dass der Schaden beim Wenden auf der Landebahn eingetreten sein sollte, scheide schon deshalb aus, weil letztlich nicht habe geklärt werden können, wo genau die Beschädigungen eingetreten seien. Die Beweislast für ein Mitverschulden trage aber die Beklagte. Zudem hätte im Rahmen des Mitverschuldens auch berücksichtigt werden müssen, dass die 180° Wendung aufgrund der Anweisung des Towers, den Rollweg B zu benutzen und dem dort wartenden „Follow-me“-Fahrzeug zu folgen, erforderlich geworden sei. Dieser Anweisung habe der Flugzeugführer grundsätzlich nach § 22 Abs. 1 Nr. 2 LuftVO Folge zu leisten.

9. Mit ihrer Berufung verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Auch nach den Ausführungen des Sachverständigen … könne nicht sicher festgestellt werden, dass die Beschädigungen an den Propellern erst nach der Landung entstanden seien. Möglich und nach den Feststellungen des Sachverständigen nicht ausgeschlossen sei aber, dass die Propeller im Landeanflug, möglicherweise unmittelbar vor der Landung beschädigt worden sein könnten, etwa durch Vögel oder Gegenstände oder auch durch im Vorfeld der Landebahn aufgewirbelten Schnee oder Eis. Dies hätte von den Piloten nicht zwangsläufig bemerkt werden müssen.

10.  Möglicherweise hätten sich das Landgericht und auch der Sachverständige von ihnen vorgelegten Fotografien beeindrucken lassen. Die dort festgehaltenen Schneeansammlungen hätten sich aber nicht in Bereichen befunden, die das Luftfahrzeug der Klägerin passiert habe.

11.  Zu Unrecht sei das Landgericht auch davon ausgegangen, dass der geräumte Bereich der Landebahn lediglich 15 m breit gewesen sei. Selbst wenn man von einem Randstreifen von 7,50 m ausgehe, obwohl die Angaben des Sachverständigen dazu, woher er diese Angaben habe, sehr vage seien, sei die Landebahn noch in einer Breite von 30 m geräumt gewesen. Schließlich habe der Zeuge … lediglich einen beidseits nicht geräumten Bereich von 2 bis 3 m bestätigt, so dass von einer geräumten Fläche von mindestens 39 m und höchstens 41 m Breite ausgegangen werden müsse. Zudem hätten auch die Piloten nichts dazu gesagt, dass die Landebahn nicht ordnungsgemäß geräumt gewesen sei. Die Hypothese des Landgerichts, wonach die Beklagte die Landebahn nicht ordnungsgemäß habe von Schnee und Eis räumen lassen, sei deshalb nicht haltbar.

12. Zu Unrecht habe das Landgericht auch unterstellt, dass sich auf dem Rollweg B Eisreste befunden haben müssen, die zu einer Beschädigung an den Propellern geführt hätten. Der Zeuge … habe hinsichtlich des Rollwegs B ausdrücklich und unmissverständlich bekundet, dass dieser komplett von Schnee- und Eisflecken frei gewesen sei. Dies habe letztlich auch der Zeuge … bestätigt. Selbst wenn aber – entsprechend den Angaben der Piloten – geringfügige Schneeverwehungen auf dem Rollweg B vorhanden gewesen sein sollten, lasse sich daraus keinesfalls mit der gebotenen Sicherheit schlussfolgern, dass die Beschädigungen an den Propellern bei diesem Rollvorgang entstanden seien. Die gegenteilige Annahme des Sachverständigen beruhe auf der unzulässigen Unterstellung, dass unter den Schneeverwehungen Eisplatten gewesen seien.

13. Selbst wenn man aber davon ausginge, dass die Beschädigungen bei der 180° Wendung entstanden wären und der Tower die Anweisung gegeben habe, die Landebahn über Rollfeld B zu verlassen, folge hieraus keine Haftung der Beklagten, denn der Pilot habe die alleinige Befehlsgewalt über sein Luftfahrzeug. Wenn das Wendemanöver gefahrlos nicht möglich gewesen sein sollte, hätte er hiervon Abstand nehmen und den Tower entsprechend informieren müssen. Führe er es dennoch durch, sei er für den hierbei entstehenden Schaden selbst verantwortlich.

14. Nach § 3 LuftVO habe der Luftfahrzeugführer das alleinige Entscheidungsrecht über die Führung des Luftfahrzeugs. Dabei müsse er sich die erforderlichen Informationen über die Rollwege und die Abstellflächen verschaffen. Deshalb treffe ihn auch die überwiegende Haftung für bei Durchführung des Wendemanövers entstandene Schäden.

15. Dass die Schäden am Luftfahrzeug der Klägerin auf dem Rollweg B entstanden seien, sei letztlich nicht bewiesen.

16. Die Beklagte beantragt (Bl. 244, 281),

17.  unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung die Klage abzuweisen.

18. Die Klägerin beantragt (Bl. 227, 282),

19. die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

20. Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres früheren Vorbringens. Entscheidend sei allein, dass die Beklagte ihrer Räumpflicht nicht nachgekommen und hierdurch das klägerische Luftfahrzeug an den Luftschrauben beschädigt worden sei. Für ein Mitverschulden der Flugzeugbesatzung fehle jeder substantiierte Vortrag. Nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen sei es ebenfalls ausgeschlossen, dass die Beschädigungen an den Propellern während des Landeanflugs entstanden seien.

21. Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die zwischen den Parteien zur Vorbereitung der Entscheidung in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 08.01.2009 (Bl. 281 ff.) Bezug genommen.

22. Der Senat hat Beweis erhoben durch Anhörung des Sachverständigen Baus; wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 08.01.2009 (Bl. 281 ff.) sowie die ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen Baus vom 17.01.2009 (Bl. 293 ff.) verwiesen.

23. Die Berufung der Beklagten ist nach den §§ 511, 513, 517, 519 und 520 ZPO statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, mithin zulässig.

24. In der Sache hat sie auch Erfolg, denn die Klägerin konnte nicht nachweisen, dass der Schaden an den beiden Propellern ihres Luftfahrzeugs vom Typ PA 42-1000LS mit dem Eintragungszeichen EC-IIP am 20.12.2004 durch eine schuldhafte Verkehrssicherungspflichtverletzung der Beklagten eingetreten ist.

25.  1. Ohne Rechtsfehler ist das Landgericht allerdings davon ausgegangen, dass die Beklagte als Betreiberin des Flughafens die privatrechtliche Verkehrssicherungspflicht trifft (Geigel-Mühlbauer, Der Haftpflichtprozess, 25. Aufl. 2008, Kapitel 29 Rn. 154; OLG Köln VersR 1997, 1022 unter 1.). Daraus folgt, dass sie für den betriebssicheren Zustand der für die Bewegung von Luftfahrzeugen bestimmten Flächen, insbesondere die Start- und Landebahnen, die Rollwege und das Vorfeld verantwortlich ist. Dabei erstreckt sich die Verkehrssicherungspflicht nicht nur auf die eigentlichen Start- und Landevorgänge, sondern auch auf die Start und Landung vorausgehende und nachfolgende Benutzung des Flughafengeländes, soweit es zum Verantwortungsbereich der Beklagten gehört (OLG Köln VersR 1997, 712 II. 1. a.).

26. Die Rechtspflicht, im Verkehr Rücksicht auf die Gefährdung anderer zu nehmen, beruht auf dem Gedanken, dass jeder, der Gefahrenquellen schafft, die notwendigen Vorkehrungen zum Schutz Dritter zu treffen hat. Da eine Verkehrssicherung, die jeden Unfall ausschließt, nicht erreichbar ist, muss nicht für alle denkbaren, entfernten Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge getroffen werden. Vielmehr sind nur diejenigen Vorkehrungen zu treffen, die nach den Sicherheitserwartungen des jeweiligen Verkehrs im Rahmen des wirtschaftlich Zumutbaren geeignet sind, Gefahren von Dritten tunlichst abzuwenden, die bei bestimmungsgemäßer oder bei nicht ganz fern liegender bestimmungswidriger Benutzung drohen (Palandt-Sprau, BGB, 67. Aufl. 2008, § 823 Rn. 51; BGH NJW 2007, 762, 763 Tz. 11 m. w. N.). Dementsprechend trifft die Beklagte im Winter auch die Räum- und Streupflicht für die Start- und Landebahnen, die Rollwege und das Vorfeld.

27.  2. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht auch zur Überzeugung des Senats fest, dass der Schaden an den Propellern erst nach der Landung in Saarbrücken eingetreten ist.

28.   Der Sachverständige … hat bereits bei seiner erstinstanzlichen Anhörung ausgeschlossen, dass die streitgegenständlichen Beschädigungen an den Propellern durch eine unsachgemäße Landung herbeigeführt worden sein könnten (Bl. 166). Dies ergebe sich bereits aus der Art der Beschädigungen. Es liege nämlich eine Zerfaserung des Propellerblattes nach oben vor, wohingegen bei einem Aufsetzen der Propeller auf dem Boden von einem Abreißen der Spitze auszugehen wäre. Diese Angaben hat er dann bei seiner Anhörung vor dem Senat nochmals bestätigt und präzisiert (Bl. 282). Danach kann er auch ausschließen, dass die fraglichen Beschädigungen an den Propellern beim Landeanflug auf dem Flughafen Ensheim passiert sind. Dies schon deshalb, weil die Landebahn aufgeschüttet ist, so dass bei einer Landerichtung – wie vorliegend – aus Westen kommend sich die Maschine am Anfang der Landebahn über der Schwelle etwa 15 m über dem Boden befindet und eine Ansaugwirkung nach unten bis zum Boden in diesem Bereich ausgeschlossen ist. Auch einen Zusammenstoß mit Vögeln oder ähnlichem konnte er ausschließen, weil dann noch Federn oder Blut an den Propellern hätten gefunden werden müssen. Schließlich hat der Sachverständige auch überzeugend dargelegt, dass die Beschädigungen nicht während des Fluges von Zaragoza nach Saarbrücken eingetreten sein können. Seiner Ansicht nach habe der Schaden nur auf dem Flugplatz beim Rollen entstehen können (Bl. 167), also in einem der Verkehrssicherungspflicht der Beklagten unterfallenden Bereich.

29. 3. Diese ihr obliegende Verkehrssicherungspflicht hat die Beklagte zwar nicht dadurch verletzt, dass sie die Start- und Landebahn nur in einer Breite von 30 m bzw. – nach der Aussage des Zeugen … – in einer Breite von 39 m – 42 m von Eis und Schnee geräumt hat.

30.   a. Die Breite von 30 m reicht nach den Angaben des Sachverständigen … in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat (Bl. 284) im Normalfall völlig aus, um einem Flugzeug einen sicheren Start oder eine sichere Landung zu ermöglichen. Diese Aussage stimmt auch mit derjenigen der Zeugen … (Bl. 92 ff.) und … (Bl. 95 ff.) überein, die beide angegeben haben, bei der Landung sei es zu keinerlei Problemen gekommen. Darüber hinaus hat der Zeuge … bestätigt, dass auf der Landebahn kein Eis gewesen sei.

31.   b. Eine weitergehende – vollflächige – Räumung der Landebahn war auch nicht im Hinblick darauf geboten, dass die Beklagte die Piloten angewiesen hat, den Rollweg B zu benutzen, den sie nur erreichen konnten, wenn sie das Flugzeug auf der Landebahn um 180° wendeten.

32.    aa. Zwar hat der Sachverständige … in seinem Gutachten sowie auch bei seiner erstinstanzlichen Anhörung angegeben, dieser geräumte Bereich sei jedenfalls für das streitgegenständliche Flugzeug nicht ausreichend, um eine 180° Wendung gefahrlos vornehmen zu können. Vielmehr bestehe, da der Pilot dabei mit dem Hauptfahrwerk bis dicht an die Kante der zur Verfügung stehenden Bahn heranrollen müsse, die große Gefahr, dass durch die Ansaugwirkung der Propeller Schnee- und Eisstückchen aufgewirbelt werden und diese dann beschädigen. Hierdurch sei – ausgehend davon, dass der links sitzende Kapitän einen Halbkreis nach rechts vollführt habe, da er dann die Bahnkanten besser im Blick habe – jedenfalls die stärkere Beschädigung des linken Propellers zu erklären. Die Beschädigung des anderen Propellers sei dann wahrscheinlich beim rechten Eindrehen in den spitz verlaufenden Rollweg B dadurch erfolgt, dass der Propeller zu dicht an die 7,50 m breite Schnee- und Eisschicht herangekommen sei.

33.   bb. Diese Auffassung, wonach die auf 30 m Breite geräumte Landebahn nicht ausreicht, um das streitgegenständliche Flugzeug um 180° zu drehen, musste der Sachverständige jedoch nach Befragung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat in seinem Ergänzungsgutachten (Bl. 293 ff.) revidieren. Nach Überprüfung der genauen Flugzeugdaten hat er bei einem mittleren Lenkausschlag von 20° eine Mindestbahnbreite von 24,03 m zur Durchführung der 180° Drehung ermittelt. Da eine Breite von 30 m zur Verfügung gestanden hat, war es mithin problemlos möglich, das Flugzeug auf der geräumten Landebahn um 180° zu drehen.

34.  cc. Eine Verletzung der der Beklagten obliegenden Verkehrssicherungspflicht liegt somit auch nicht deshalb vor, weil sie die Landebahn nicht vollflächig geräumt, trotzdem aber den Flughafen für Propellerflugzeuge der streitgegenständlichen Art freigegeben hat, obwohl durch die geringe Bodenfreiheit der Propeller die Gefahr bestand, dass diese den auf der Landebahn verbliebenen Schnee und Eisstücke aufwirbeln und hierdurch beschädigt werden können. Denn wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, ist eine vollkommene, jeden Unfall ausschließende Verkehrssicherheit nicht zu erreichen. Der Dritte muss allerdings vor Gefahren geschützt werden, die bei bestimmungsgemäßer oder bei nicht ganz fern liegender bestimmungswidriger Benutzung drohen. Dabei reicht es aus, diejenigen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der betroffenen Verkehrskreise für ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schäden zu bewahren, und die ihm den Umständen nach zuzumuten sind (BGH NJW 2007, 762, 763 Tz. 11; BGH Urteil vom 03.06.2008 – VI ZR 223/07 – BGHReport 2008, 1011 f. – juris Tz. 9; jeweils m. w. N.). Die Beklagte durfte im Hinblick auf den Wendekreis des Flugzeugs und unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Propeller eher mittig auf den Tragflächen angebracht sind, weshalb die Gefahr eines Kontakts mit dem seitlich der Landebahn befindlichen Schnee bei einer 180° Drehung noch geringer ist, davon ausgehen, dass die von ihr angeordnete 180° Drehung problemlos und ohne Schaden für die Maschine vorgenommen werden kann.

35.   4. Allerdings hat das Landgericht zutreffend festgestellt, dass die Beklagte die ihr obliegende Verkehrssicherungspflicht in Bezug auf den Zustand des Rollwegs B verletzt hat.

36.   a. Hier hat das Landgericht ausgeführt, dass nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme feststehe, dass sich auf dem Rollweg B flache Schneeflecken bzw. Schneeverwehungen befunden hätten. Dies stellt keinen ordnungsgemäß geräumten und damit verkehrssicheren Zustand dar. Diese Beweiswürdigung, die als Tatsachenfeststellung dem Erstrichter obliegt, kann gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO nur angegriffen werden durch das Aufzeigen konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an ihrer Richtigkeit und Vollständigkeit begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Konkreter Anhaltspunkt in diesem Sinn ist jeder objektivierbare rechtliche oder tatsächliche Einwand gegen die erstinstanzlichen Feststellungen. Subjektive Zweifel, lediglich abstrakte Erwägungen oder Vermutungen der Unrichtigkeit ohne greifbare Anhaltspunkte wollte der Gesetzgeber ausschließen (BGH BGHReport 2004, 1375, 1376 m. w. N.).

37.    Soweit die Beklagte sich in diesem Zusammenhang auf die Aussage des Zeugen … stützt, der bekundet hat, dass der Rollweg B komplett frei gewesen sei (vgl. Bl. 163), und diesen für glaubwürdiger hält als die Zeugen … und … die beide von Schneeverwehungen gesprochen haben, setzt sie lediglich ihre eigene Bewertung der Aussage des Zeugen … an die Stelle derjenigen des Gerichts, was nicht ausreichend ist.

38.    b. Es kann jedoch nicht mit der notwendigen Sicherheit festgestellt werden, dass die Beschädigungen an den beiden Propellern gerade beim Rollen auf dem Rollweg B und damit in einem Bereich, in dem die Verkehrssicherungspflichtverletzung der Beklagten feststeht, entstanden sind.

39.   aa. Der Sachverständige hat hierzu ausgeführt, dass die Schäden beim Rollen auf dem Rollweg B nur dann entstanden sein können, wenn auf dem Rollweg Schneeflecken in einer Höhe von etwa 0,50 cm bis 1 cm waren und wenn er dabei unterstellt, dass sich unter diesen Schneeflecken auch Eis verborgen hätte. Dies lässt den Schluss zu, dass die bloßen Schneeverwehungen, wie sie von den Zeugen … – ob unter den Schneeflecken auch Eis war, konnte er nicht sagen (Bl. 92 ff. d. A.) – und … – er hat ausdrücklich klargestellt, dass solche höheren Schneehaufen, wie sie auf dem Foto Bl. 9 d. A. zu sehen sind, auf dem von ihm befahrenen Weg nicht vorhanden waren (vgl. Bl. 95 ff. d. A.) – geschildert worden sind, nicht ausreichen, um die Beschädigungen hervorzurufen.

40.   bb. Selbst wenn man aber zu Gunsten der Klägerin davon ausginge, dass unter den Schneefeldern Eisstücke verborgen waren, stünde damit noch nicht fest, dass diese für den eingetretenen Schaden ursächlich geworden sind. Nach den Ausführungen des Sachverständigen … in seinem Gutachten vom 02.07.2007 (Bl. 127 ff.) ist es nämlich mindestens genauso wahrscheinlich, dass die Beschädigungen an den Propellern bei Ausführung der 180° Wendung auf dem Rollfeld entstanden sind. Die Landebahn sei nach Auskunft der Vorfeldaufsicht (Bl. 129) nur in einer Breite von 30 m – bei einer gesamten Breite von 45 m sei somit rechts und links ein nicht geräumter Streifen von jeweils 7,50 m verblieben – geräumt gewesen. Bei einer Spannweite des Flugzeugs von 14,53 m sei der zur Drehung zur Verfügung stehende Raum zwar ausreichend, wie sich aus seinem Ergänzungsgutachten vom 17.01.2009 (Bl. 293 ff.) ergibt, aber dennoch äußerst knapp gewesen, so dass er davon ausgehe, dass der Pilot zu nahe an den 7,50 m breiten Schnee- und Eisstreifen herangefahren sei, so dass durch die Ansaugwirkung mit hoher Wahrscheinlichkeit Eisblöcke bzw. Eisklumpen hoch und gegen den Propeller geschleudert worden seien. Der zweite Propeller sei dann wahrscheinlich beim Einbiegen in den Rollweg B zu dicht an die 7,50 m breite Schnee- und Eisschicht herangekommen, weshalb es auch hier zu Beschädigungen gekommen sei. Für diesen durchaus möglichen und nach Auffassung des Sachverständigen sogar sehr wahrscheinlichen Schadenseintritt bei Ausführung der 180° Drehung auf der Landebahn wäre aber, wie oben bereits dargelegt, keine Verkehrssicherungspflichtverletzung der Beklagten ursächlich, sondern ein Pilotenfehler. Dieser wäre nämlich ohne Not zu nah an den auf der Landebahn verbliebenen Schnee herangefahren, so dass Schnee- und Eisteilchen aufgewirbelt werden konnten, die letztlich zur Beschädigung der Propeller geführt haben.

41.  cc. Letztlich kann damit nicht sicher festgestellt werden, ob der Schaden an den Propellern im Bereich des Rollwegs B – dann läge eine kausale Verkehrssicherungspflichtverletzung der Beklagten vor, weil dieser Bereich nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht ausreichend von Schnee und Eis geräumt war – oder bei der 180° Drehung auf der Landebahn – dann läge ein Pilotenfehler vor – eingetreten ist. Die Beweislast hierfür trifft aber grundsätzlich die Klägerin, die als Anspruchstellerin alle anspruchsbegründenden Voraussetzungen des § 823 Abs. 1 BGB beweisen muss. Zu ihren Gunsten greift auch keine Beweiserleichterung ein – so sind etwa bei Glatteisunfällen die Regeln des Anscheinsbeweises anwendbar, wenn der Verletzte innerhalb der zeitlichen Grenzen der Streupflicht zu Fall gekommen ist, wofür er allerdings beweispflichtig ist (BGH, Beschluss vom 26.02.2009 – III ZR 225/08 – zitiert nach juris Rn. 5) –, da eben nicht festgestellt werden kann, dass der Schaden an den Propellern in einem Bereich eingetreten ist, den die Beklagte nicht ausreichend geräumt hat.

42.   Da somit eine für den Schadenseintritt ursächliche Verkehrssicherungspflichtverletzung der Beklagten nicht festgestellt werden kann, war die Klage insgesamt abzuweisen.

43.    Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus den §§ 708 Nr. 10, 711 i. V. m. 709 Satz 2 ZPO.

44.    Die Revision war nicht zuzulassen, da es an den erforderlichen Voraussetzungen fehlt (§§ 542 Abs. 1, 543 Abs. 1 Ziffer 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 1 ZPO).

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