Begriff der akuten unerwarteten Erkrankung und der absehbaren Behandlungsbedürftigkeit

OLG Köln: Begriff der akuten unerwarteten Erkrankung und der absehbaren Behandlungsbedürftigkeit

Der Kläger hatte gemeinsam mit seiner Ehefrau bei der Beklagten eine Auslandskrankenversicherung abgeschlossen. Nach einem Pleuraerguss begaben sie sich für eine Woche nach Spanien, wo es zu einem Nachlaufen des Ergusses kam. Die hierdurch entstandenen Behandlungskosten verlangt der Kläger ersetzt.

Das Landgericht lehnte dies ab. Dies wurde vom Oberlandesgericht bestätigt.

OLG Köln 20 U 111/11 (Aktenzeichen)
OLG Köln: OLG Köln, Urt. vom 18.05.2012
Rechtsweg: OLG Köln, Urt. v. 18.05.2012, Az: 20 U 111/11
LG Köln, Urt. v. 25.05.2011, Az: 23 O 209/10
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Oberlandesgericht Köln

1. Urteil vom 18. Mai 2012

Aktenzeichen 20 U 111/11

Leitsätze:

2. Durch das Vorliegen einer chronischen Grunderkrankung wird nicht von vornherein jede weitere Erkrankung, die eine Folge jener Grunderkrankung ist, als akute Erkrankung ausgeschlossen.

Unerwartet ist ein im Ausland eingetretener Versicherungsfall dann, wenn der Versicherungsnehmer oder die versicherte Person ihn tatsächlich nicht vorhergesehen hat und auch nicht vorhersehen konnte.

Zusammenfassung:

3. Der Kläger hatte gemeinsam mit seiner, mittlerweile verstorbenen, Ehefrau bei der Beklagten eine Auslandskrankenversicherung abgeschlossen. Nach einem Pleuraerguss und der anschließenden Diagnose von Lungenkrebs bei der Ehefrau begaben sie sich für eine Woche nach Spanien, wo es zu einem Nachlaufen des Ergusses kam. Die hierdurch entstandenen Behandlungskosten verlangt der Kläger ersetzt.

Das Landgericht lehnte dies ab. Dies wurde vom Oberlandesgericht bestätigt. Der Versicherungsschutz habe nur akute, unerwartete Erkrankungen erfasst. Zwar seien die Kläger nicht von einem Nachlaufen des Ergusses ausgegangen, sie hätten dies aber tun müssen. So führe schon der Entlassungsschein aus dem Krankenhaus solche Komplikationen als mögliche Folgen auf.  Daher liege kein Versicherungsfall vor.

Tenor

4. Die Berufung des Klägers gegen das am 25. Mai 2011 verkündete Urteil der 23. Zivilkammer des Landgerichts Köln – 23 O 209/10 – wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Dieses Urteil sowie das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

5. Der Kläger und seine inzwischen verstorbene Ehefrau unterhielten über die B Plus Mitgliedschaft bei der Beklagten eine Auslands-Krankenversicherung. In den Versicherungsbedingungen der Beklagten ist auszugsweise Folgendes geregelt:

6. 㤠1 In welchem Umfang hilft Ihnen der B-Auslands-Kranken- und Unfallschutz?

7. Der B erbringt im Rahmen dieser Versicherungsbedingungen weltweit Versicherungsschutz im Rahmen von Krankenversicherungs-Leistungen bei akuten, unerwarteten Erkrankungen, bei Verletzungen und Tod, (…)“

8. Im Juni 2008 wurde bei der Ehefrau des Klägers, nachdem diese aufgrund eines Pleuraergusses in stationäre Behandlung aufgenommen worden war, eine Krebserkrankung festgestellt, derentwegen sie sich bis zum 17.07.2008 in dem Krankenhaus N befand. Am 19.07.2008 flogen der Kläger und seine Ehefrau zu einem Verwandtenbesuch nach Madrid. Dort begab sich die Ehefrau des Klägers am 25.07.2008 in die Behandlung des Krankenhauses Clinica M, die 43 Tage andauerte.

9. Der Kläger begehrt Erstattung der hierdurch angeblich angefallenen Kosten sowie seiner Flugreise- und Verpflegungskosten abzüglich der Leistungen der gesetzlichen Krankenkasse.

10. Er hat erstinstanzlich behauptet: Seine Ehefrau sei in Spanien als Notfallpatientin mit schweren Atmungsproblemen wegen eines Nachlaufens des Pleuraergusses stationär aufgenommen worden. Nach den Äußerungen der behandelnden Ärzte in Deutschland vor Reiseantritt hätten er und seine Ehefrau nicht damit rechnen müssen, dass es während des geplanten einwöchigen Kurzurlaubs in Spanien zu einer Behandlungsbedürftigkeit der Erkrankung seiner Ehefrau kommen würde. Durch den Krankenhausaufenthalt in Spanien seien ihm Kosten von insgesamt 59.000, — € entstanden.

11. Der Kläger hat beantragt,

12. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 47.000, — € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 19.03.2009 zu zahlen;

13. die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere 1.641,96 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

14. Die Beklagte hat beantragt,

15. die Klage abzuweisen.

16. Sie hat vorgetragen, es handele sich nicht um Kosten, die durch eine akute und unerwartete Erkrankung im Sinne der Versicherungsbedingungen entstanden seien. Ein Notfall habe nicht vorgelegen. Außerdem hätten der Kläger und seine Ehefrau damit rechnen müssen, dass die Krebserkrankung während des Auslandsaufenthalts behandlungsbedürftig werden würde. Darüber hinaus hat die Beklagte die Höhe der geltend gemachten Kosten bestritten.

17. Wegen des Sachverhalts im Übrigen wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

18. Das Landgericht hat schriftliche Aussagen von drei Ärzten eingeholt und sodann die Klage abgewiesen. Zur der Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Es könne dahin stehen, ob die Behandlung der Ehefrau des Klägers in Spanien auf einem dort eingetretenen Notfall in Form eines Nachlaufens des Pleuraergusses beruht habe. Ein Erstattungsanspruch sei jedenfalls nach § 2 a der AVB der Beklagten ausgeschlossen, weil der Kläger und seine Ehefrau vor Reiseantritt hätten damit rechnen müssen, dass es während der Dauer des Auslandsaufenthaltes zu einen erneuten Nachlaufen des Pleuraergusses kommen würde. Schon während des stationären Aufenthaltes der Ehefrau des Klägers im Krankenhaus N in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit dem Reiseantritt sei es zweimal zu einem Nachlaufen des Pleuraergusses gekommen. Im vorläufigen Entlassungsbericht des Krankenhauses N werde ein erneutes Nachlaufen des Pleuraergusses als mögliche Komplikation aufgeführt. Vor diesem Hintergrund habe objektiv mit dem jederzeitigen Auftreten eines erneuten Pleuraergusses gerechnet werden müssen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hätten der Kläger und seine Ehefrau auch aufgrund der Erklärungen der behandelnden Ärzte nicht darauf vertrauen dürfen, dass ein erneuter Pleuraerguss während der Dauer der Auslandsreise nicht auftreten würde.

19. Gegen dieses, seinen Prozessbevollmächtigten am 27.05.2011 zugestellte Urteil richtet sich die am 21.06.2001 eingelegte und mit einem nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 05.09.2011 an diesem Tag eingegangenen Schriftsatz begründete Berufung des Klägers, mit der dieser seine erstinstanzlichen Anträge vollumfänglich weiterverfolgt. Er macht geltend:

20. Das Landgericht sei seinen Beweisanträgen verfahrensfehlerhaft nicht nachgegangen. Er habe bereits erstinstanzlich vorgetragen, dass die Ärzte, insbesondere der Zeuge E, gegen die geplante Reise keine Einwände vorgebracht hätten und auch für diese der erneute Pleuraerguss während des Auslandsaufenthalts nicht vorhersehbar gewesen sei. Dies habe der Zeuge E gegenüber der Beklagten schriftlich bestätigt. Den entsprechenden, von dem Zeugen E ausgefüllten Fragebogen habe er im Verhandlungstermin in Kopie vorgelegt. Gleichwohl habe das Landgericht die beantragte Vorlage des Originalfragebogens durch die Beklagte nicht angeordnet. Auch seinem Antrag auf Vorlage der Versicherungsakte durch die Beklagte sei das Landgericht nicht nachgekommen, obwohl dies zur Beweisführung und zur Einhaltung der Waffengleichheit geboten gewesen wäre. Das Landgericht habe zudem den von dem Zeugen E vorprozessual ausgefüllten Fragebogen unzutreffend gewürdigt und zu Unrecht dessen schriftlicher Zeugenaussage den Vorzug gegeben. Hierbei habe es unberücksichtigt gelassen, dass sich Erinnerungen im Laufe der Jahre abschwächen könnten und es einem Zeugen im Rahmen der schriftlichen Zeugenbefragung leicht falle, ausweichend und in einer für ihn vorteilhaften Weise zu antworten. Zudem dürfte gerichtsbekannt sein, dass sich Zeugen bei Schadensfällen, bei denen der Vorwurf einer falschen oder unzureichenden Beratung und Belehrung im Raum stehe, gerne absichern würden. Im Rahmen einer mündlichen Befragung hätte aber die Möglichkeit bestanden, die Zeugen mit den Angaben in den von ihnen ausgefüllten Fragebögen zu konfrontieren und ihre Erinnerung aufzufrischen. Auch sei das Landgericht dem Antrag auf mündliche Vernehmung der Zeugen Dr. F und E zu Unrecht nicht nachgekommen. Weiter habe das Landgericht zu hohe Anforderungen an die Vorhersehbarkeit der Behandlungsbedürftigkeit gestellt. Die schriftliche Aussage des Zeugen D sei unzutreffend, da dieser darin angegeben habe, seine – des Klägers – Ehefrau habe am 17.07.2009 einen Behandlungstermin nicht wahrgenommen, obwohl ein solcher gar nicht vereinbart gewesen sei. Dies hätte im Rahmen einer persönlichen Befragung des Zeugen klar gestellt werden können

21. Der Kläger beantragt,

1.

22. die Beklagte unter Abänderung des angefochtenen Urteils zu verurteilen, an ihn 47.000, — € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 19.03.2009 zu zahlen;

2.

23. die Revision zuzulassen.

24. Die Beklagte beantragt,

25. die Berufung zurückzuweisen.

26. Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens und vertritt die Auffassung, es gebe keine Anspruchsgrundlage für die von dem Kläger begehrte Vorlage der Versicherungsakte sowie einzelner darin enthaltener Berichte. Zudem handele es sich hierbei um eine unzulässige Ausforschung.

27. Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen Dr. F und E. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 24.04.2012 (Bl. 337 ff. d.A.) verwiesen.

28. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

29. Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg.

1.

30. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Ersatz der streitgegenständlichen Behandlungs-, Flugreise- und Verpflegungskosten.

A.

31. Der Kläger, der die Beweislast für die tatbestandlichen Voraussetzungen des Anspruchs auf die Versicherungsleistung trägt, hat den Eintritt eines bedingungsgemäßen Versicherungsfalls nicht bewiesen.

32. Nach § 1 der AVB der Beklagten besteht Versicherungsschutz im Rahmen der Krankenversicherung bei akuten, unerwarteten Erkrankungen.

33. Der Begriff der „akuten Erkrankung“ ist nach dem maßgeblichen Verständnis des durchschnittlichen Versicherungsnehmers dahin auszulegen, dass durch das Vorliegen einer chronischen Grunderkrankung nicht von vornherein jede weitere Erkrankung, die eine Folge jener Grunderkrankung ist, vom Versicherungsschutz ausgenommen sein soll, sondern der Versicherungsschutz jede nachteilige Veränderung des Gesundheitszustandes, die sich von einem Tag auf den anderen einstellt, erfasst (Senat, VersR 2010, 379; OLG Saarbrücken ZfS 2003, 86, 87), mithin im versicherten Zeitraum neu und plötzlich auftretende Erkrankungen Versicherungsschutz genießen (BGH, Beschluss vom 21.09.2011, IV ZR 227/09). Eigenständige Vorerkrankungen, die lediglich Risikofaktoren bzw. prädisponierende Erkrankungen darstellen, sind nicht geeignet, den Versicherungsschutz für sekundär hierauf beruhende Akuterkrankungen auszuschließen (OLG Köln [5. Zivilsenat] VersR 1998, 354). Auch bei der Auslegung des Begriffs der „unerwartet“ aufgetretenen Erkrankung ist auf die subjektive Sicht des Versicherungsnehmers oder der versicherten Person abzustellen (BGH, a.a.O.; OLG Hamm VersR 2001, 1229), wobei entscheidend ist, welche Informationen dem Versicherungsnehmer und der versicherten Person durch behandelnde Ärzte konkret gegeben worden sind (BGH, a.a.O.). Unerwartet ist ein im Ausland eingetretener Versicherungsfall dann, wenn der Versicherungsnehmer oder die versicherte Person ihn tatsächlich nicht vorhergesehen hat und auch nicht vorhersehen konnte (OLG Hamm, a.a.O.).

34. Gemessen an diesen Grundsätzen kann der Senat nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme nicht feststellen, dass der Pleuraerguss, der nach dem Sachvortrag des Klägers die stationäre Behandlung seiner Ehefrau im Krankenhaus Clinica M aufgrund der hierdurch bedingten Atemnot erforderlich machte, während der Auslandsreise (zur Maßgeblichkeit dieses Zeitraums vgl. auch OLG Hamm, a.a.O.) akut und unerwartet eingetreten ist.

35. Die Ehefrau des Klägers litt bereits bei Antritt der Reise an einer Tumorerkrankung in Form eines CUP-Syndroms mit Pleurakarzinose rechts und axillären LK-Metastasen links, die unheilbar war. Dies war ihr von den behandelnden Ärzten bekannt gegeben worden, wie die Zeugen Dr. F und E im Rahmen ihrer Vernehmung durch den Senat bekundet haben. Der Ursprung dieser Erkrankung war im Zeitpunkt der Entlassung der Ehefrau des Klägers aus der stationären Behandlung unklar; aus diesem Grund sollte nach der Entlassung aus dem Krankenhaus im Rahmen einer ambulanten Behandlung eine PET-Untersuchung durchgeführt werden, bei welcher es sich nach Aussage der Zeugin Dr. F um eine weiterführende Diagnostik handelt, die über die Ursache der Erkrankung Aufschluss geben sollte. Anschließend sollte, wie die Zeugin Dr. F weiter ausgeführt hat, in der onkologischen Ambulanz des Krankenhauses N, in welcher die Zeugin als Funktions-Oberärztin tätig war, ein Gespräch zur Festlegung des Therapiekonzepts geführt werden. Diese Therapieoption hatte die Zeugin mit der Ehefrau des Klägers besprochen.

36. Der bei Frau W auch während des Auslandsaufenthalts aufgetretene Pleuraerguss war eine Auswirkung der vorhandenen Grunderkrankung, wie die Zeugin Dr. F bestätigt hat und auch nicht streitig ist. Der Senat geht insoweit zugunsten des Klägers davon aus, dass die Eheleute den Eintritt dieser Komplikation in relativ kurzer Zeit nach der Entlassung aus der stationären Behandlung und während des – nach dem von der Beklagten bestrittenen Sachvortrag des Klägers – auf nur eine Woche begrenzten Zeitraums der Auslandsreise tatsächlich nicht vorhergesehen haben. Allerdings hat der Kläger nicht bewiesen, dass sie diese Entwicklung nicht vorhersehen konnten. Maßgeblich ist insoweit, dass es sich bei dem Pleuraerguss nicht um eine neu aufgetretene Erkrankung handelte, sondern dieser bereits Grund der Aufnahme der Ehefrau des Klägers in die stationäre Behandlung gewesen war. Hierzu hat der Zeuge E bekundet, dass Frau W sich bei ihm im Mai oder Juni des Jahres 2008 wegen Luftnot vorgestellt und eine von ihm daraufhin veranlasste Röntgenaufnahme einen Pleuraerguss gezeigt hatte, woraufhin die Ehefrau des Klägers von dem Radiologen sofort in das N2-Krankenhaus in C eingewiesen worden war. Zwar ergibt sich aus dem vorläufigen Entlassungsbrief des Krankenhauses N vom 17.07.2008, dass der Erguss zum Zeitpunkt der Entlassung der Frau W aus der stationären Behandlung nach akzidenteller Drainageentfernung stabil gewesen ist. Die Möglichkeit des Nachlaufens des Ergusses ist darin aber bereits angesprochen worden.

37. Der Kläger hat auch nicht den Beweis geführt, dass die Zeugen Dr. F und E ihm und seiner Ehefrau mitgeteilt hätten, die beabsichtigte Reise nach Spanien sei ohne Bedenken möglich. Die Zeugin Dr. F hat vielmehr bekundet, sie habe mit Frau W über die geplante Reise nicht gesprochen, an ein Gespräch des von dem Kläger behaupteten Inhalts könne sie sich nicht erinnern. Auch über die Frage des Nachlaufens des Pleuraergusses habe sie mit der Ehefrau des Klägers im Zusammenhang mit deren Entlassung nicht geredet. Der Zeuge E hat zwar ausgesagt, dass Frau W ihm von der beabsichtigten Reise berichtet habe; er habe ihr aber weder definitiv zu der Reise zugeraten noch davon abgeraten. Weiter hat er erklärt, über die bevorstehende Reise habe er sich mit der Patientin eigentlich gar nicht unterhalten; vielmehr seien Gegenstand des Gesprächs Fragen nach der Lebenserwartung und den Aussichten einer Behandlung gewesen.

38. Der Senat kann ferner nicht davon ausgehen, dass den Eheleuten, hätten sie sich nachweislich bei den behandelnden Ärzten über die Risiken eines Nachlaufens des Pleuraergusses während der bevorstehenden Reise informiert, mitgeteilt worden wäre, dass mit einer derartigen Entwicklung nicht zu rechnen sei. Beide Zeugen haben ein Nachlaufen des Pleuraergusses auch während des Reisezeitraums aus ärztlicher Sicht nicht ausschließen können. Die Zeugin Dr. F hat diesbezüglich ausgesagt, es könne, solange die Grunderkrankung nicht behandelt sei, immer wieder zu einem Pleuraerguss kommen, wobei nicht vorauszusehen sei, wie viel Flüssigkeit entstehe und in welchen Abständen punktiert werden müsse. Der Zeuge E hat zwar bekundet, aus seiner Sicht – auf die es, wie oben ausgeführt, nicht maßgeblich ankommt – sei ein neuerlicher Pleuraerguss während der einwöchigen Reise nicht zu erwarten gewesen; er habe Frau W aber nicht gesagt, dass während der Reise keine Komplikationen auftreten würden, weil man dies nie voraussehen könne.

39. Der Kläger kann schließlich aus dem Umstand, dass der Zeuge E seiner Ehefrau in Kenntnis der beabsichtigten Reise von dieser nicht ausdrücklich abgeraten hat, nichts ihm Günstiges herleiten. Daraus folgt nicht, dass mit der Möglichkeit eines Nachlaufens des Pleuraergusses nicht zu rechnen war. Der Zeuge E hat, wie die Beweisaufnahme ergeben hat, lediglich in seine Überlegungen einbezogen, ob die geplante Reise für die Gesundheit der Ehefrau des Klägers abträglich sein könne. Hierzu hat er erklärt, dem Entlassungsbericht der Lungenklinik N habe er entnommen, dass für den begrenzten Zeitraum der beabsichtigten Reise keine lebensbedrohliche Veränderung zu erwarten war. Ein Pleuraerguss ist aber, jedenfalls dann, wenn er behandelt wird, was auch in Spanien möglich ist, nicht lebensbedrohlich, wie die Zeugin Dr. F bestätigt hat; Gegenteiliges behauptet auch der Kläger nicht. Durch die Beschränkung des Versicherungsschutzes auf akute, unerwartete Erkrankungen in den Versicherungsbedingungen der Beklagten werden aber nicht nur lebensbedrohliche Veränderungen vom Versicherungsschutz ausgenommen, sondern auch solche, deren Eintritt vor Reisebeginn vorhergesehen werden kann.

B.

40. Einer erneuten Vernehmung des Zeugen Dr. D bedurfte es nicht, da dieser zu der Behauptung des Klägers, die behandelnden Ärzte hätten erklärt, die beabsichtigte Reise nach Spanien sei ohne Bedenken möglich, nicht benannt worden ist.

41. Der Beklagten war auch weder die Vorlage ihrer Versicherungsakte noch diejenige der von den behandelnden Ärzten ausgefüllten Fragebögen nach § 422 ZPO aufzugeben. Eine Vorlegungsanordnung nach § 422 ZPO kommt nur in Betracht, wenn dem Beweisführer ein materiell-rechtlicher Herausgabeanspruch zusteht, was bezüglich dieser Urkunden vorliegend nicht der Fall ist.

2.

42. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

3.

43. Die Voraussetzungen der Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO sind nicht erfüllt. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch bedarf es einer Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung. Vielmehr sind die Fragen, auf die es hier alleine ankommt, in der höchstrichterlichen Rechtsprechung im Grundsätzlichen hinreichend geklärt. Im Übrigen beruht die Entscheidung lediglich auf einer Würdigung der konkreten Umstände des vorliegenden Einzelfalles.

4.

44. Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt 47.000,00 €.

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