Pflicht zum Einschluss von Buchungsgebühren im Endpreis
KG Berlin: Pflicht zum Einschluss von Buchungsgebühren im Endpreis
Eine Fluggesellschaft wurde von einem dazu berechtigten Verbraucherschutzverein verklagt, weil bei der Auflistung der Preise von Flugtickets eine im Normalfall fällige Bearbeitungsgebühr nicht inbegriffen war.
Das Landgericht Berlin hat dem Verbraucherschutzverein Recht zugesprochen. Die Fluggesellschaft ging daraufhin in Berufung vor das Kammergericht Berlin. Dieses wies die Berufung zurück.
KG Berlin | 5 U 147/10 (Aktenzeichen) |
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KG Berlin: | KG Berlin, Urt. vom 09.12.2011 |
Rechtsweg: | KG Berlin, Urt. v. 09.12.2011, Az: 5 U 147/10 |
LG Berlin, Urt. v. 07.09.2010, Az: 15 O 160/09 | |
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Leitsätze:
2. Fakultative Zusatzgebühren müssen nicht sofort mit ausgewiesen werden.
Es ist der im Normalfall gültige Endpreis bei Preisauflistungen anzugeben. Nahezu unvermeidbare Buchungsgebühren sind ebenfalls Teil des Endpreises.
Nur, weil eine Bearbeitungsgebühr bei der Nutzung einer bestimmten Zahlungsart (hier Visa-Electron) entfällt, ist sie nicht als fakultativ anzusehen.
Zusammenfassung:
3.Die Beklagte, eine Fluggesellschaft, wurde von einem zu Unterlassungsklagen berechtigten Verbraucherschutzverein verklagt. Die Beklagte vertrieb auf ihrer Website Flugtickets für ihre Flüge und ließ über diese auch die Buchung vornehmen. In Buchungsschritt 3 wurde dem Verbraucher erst bei Bestätigung eines Textfeldes angezeigt, dass unter Umständen eine Buchungsgebühr anfallen kann. Die Buchungsgebühr fällt lediglich nicht an, wenn die Buchung mit einer Visa-Electron erfolgt.
Die Klägerin klagte auf Unterlassung des Nichtausweisens der Buchungsgebühr bereits beim ersten Buchungsschritt, da dies als unlautere Werbung und als Verstoß gegen das Transparenzgebot anzusehen war. Die Beklagte verstieß gegen Art. 23 der Verordnung (EG) Nr. 1008/2008.
Das LG Berlin gab der Klägerin Recht und verurteilte die Beklagte zur Unterlassung des Ausweisens der Bearbeitungsgebühr erst im dritten Buchungsschritt. Die Bearbeitungsgebühr müsse bereits von Anfang an ausgewiesen werden. Das LG Berlin schloss sich nicht der Argumentation der Beklagten an, dass es sich um eine fakultative Gebühr handelte, die ja lediglich bei Nichtnutzung einer Visa-Electron anfiel. Die Beklagte ging daraufhin in Berufung und zog vor das KG Berlin. Dieses urteilte ebenfalls, dass keine fakultative Gebühr vorlag, die Visa-Electron sei eine gebührenpflichtige Kreditkarte und werde nicht von der großen Mehrheit der Bevölkerung genutzt. Da der Großteil der Kunden von den Bearbeitungsgebühren betroffen seien und lediglich ein kleiner Teil, der eine Visa-Electron verwende, könne nicht von einer unvermeidbaren Bearbeitungsgebühr gesprochen werden. Aufgrund der Unvermeidbarkeit ist diese Gebühr von Anfang an im Endpreis anzugeben.
Tenor
4. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der Zivilkammer 15 des Landgerichts Berlin vom 7. September 2010 – 15 O 160/09 – wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zweiter Instanz zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
A.
5. Gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO wird auf die tatsächlichen Feststellungen einschließlich der wieder gegebenen Anträge im angefochtenen Urteil (nachfolgend „LGU“ nebst Seitenzahl) mit den folgenden Ergänzungen Bezug genommen:
6. Die in LGU 5 beschriebene Startseite (mit dem 1. Schritt: „Suche“) ist auf Bd. I Bl. 114 d.A. wiedergegeben. Das in LGU 6 oben und unten beschriebene Pop-Up-Fenster ist auf Bd. I Bl. 16 d.A. (sowie in LGU 4) wiedergegeben. Der in LGU 6 beschriebene zweite Buchungsschritt („Auswahl“) ist auf Bd. I Bl. 115 d.A. wiedergegeben, der dritte Buchungsschritt („Bestätigen“) auf Bd. I Bl. 116 d.A. (sowie in LGU 3). Der in LGU 7 beschriebene vierte Buchungsschritt („Serviceleistungen“) ist auf Bd. I Bl. 117-118 d.A. wiedergegeben, der fünfte Buchungsschritt („Zahlung“) auf Bd. I Bl. 119-120 d.A.
7. Das Landgericht hat die Beklagte (antragsgemäß) verurteilt,
8. es bei Vermeidung … (der gesetzlich vorgesehenen Ordnungsmittel) zu unterlassen,
9. gegenüber Verbrauchern auf der Internetseite mit der Adresse www.….com im Rahmen eines Buchungssystems eine vom Verbraucher zu leistende „Bearbeitungsgebühr“ derart auszuweisen, dass erstmals im dritten Buchungsschritt auf der Unterseite mit der Bezeichnung „Bestätigen“ ein Hinweis auf die Bearbeitungsgebühr erfolgt und dem Verbraucher die als Bearbeitungsgebühr zu zahlenden Beträge nur bei Betätigen eines Textfeldes
10. „Ausschließlich Bearbeitungsgebühr (falls zutreffend)
11. klicken Sie hier, um Informationen zu den Bearbeitungsgebühren zu erhalten“
12. dargestellt werden wie aus den als Anlage Antrag a und Antrag b beigefügten Ausdrucken von Bildschirmkopien ersichtlich.
13. Gegen dieses Urteil wendet sich die – form- und fristgerecht eingelegte und begründete – Berufung der Beklagten. Die Beklagte setzt sich im Einzelnen mit dem angefochtenen Urteil auseinander und wiederholt, präzisiert und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen.
15. das Urteil der Zivilkammer 15 des Landgerichts Berlin vom 07.09.2010, Az. 15 O 160/09, abzuändern und die Klage kostenpflichtig abzuweisen.
17. die Berufung der Beklagten kostenpflichtig zurückzuweisen.
18. Der Kläger verteidigt die angefochtene Entscheidung und wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen.
19. Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
B.
20. Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Mit Recht ist der Klage auf Unterlassung gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 UKlaG i.V. mit Art. 23 Abs. 1 Satz 2, 3 Buchst. d Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. September 2008 über gemeinsame Vorschriften für die Durchführung von Luftverkehrsdiensten in der Gemeinschaft (nachfolgend: „die Verordnung“) stattgegeben worden. Die dagegen gerichteten Angriffe der Berufung bleiben ohne Erfolg. Dazu im Einzelnen:
I.
21. Mit zutreffenden Erwägungen hat das Landgericht seine internationale Zuständigkeit angenommen (LGU 10). Die Parteien ziehen das nicht in Zweifel, und auch der Senat verweist zustimmend darauf.
II.
22. Erfolglos bleibt der Berufungsangriff gegen die Annahme des Landgerichts (LGU 11) zur hinreichenden Bestimmtheit des Unterlassungsantrags (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) bzw. gegen die damit einher gehende Verurteilung (§ 313 Abs. 1 Nr. 4 ZPO). Die Bestimmtheit ist nach Auffassung des Senats schon deshalb gegeben, weil Antrag bzw. Verurteilung auf die konkrete Verletzungsform ausgerichtet sind. Denn die Bestimmtheit eines Unterlassungsantrags ist in der Regel (und so auch hier) unproblematisch, wenn der Kläger das Verbot einer Handlung begehrt, so wie sie begangen worden ist. So verhält es sich insbesondere dann, wenn die Klagepartei – wie hier – das Verbot einer Werbung erstrebt und der Unterlassungsantrag eine Kopie dieser Werbung enthält. Wird der beklagten Partei in einem solchen Fall untersagt, erneut in der beanstandeten Form zu werben, kann für sie nicht zweifelhaft sein, wie sie sich in Zukunft zu verhalten hat (vgl. nur BGH GRUR 2011, 1151, Tz. 14 – Original Kanchipur).
III.
23. Vergeblich rügt die Berufung des Weiteren eine fehlende Bestimmtheit der (klägerseitigen) Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).
1.
24. Allerdings ist es wegen Nichtbeachtung besagter Vorschrift unzulässig, das Klagebegehren auf das Verbot einer bestimmten Werbung zu richten und diese alternativ unter mehreren Gesichtspunkten, die selbständige prozessuale Ansprüche (Streitgegenstände) darstellen, als unlauter zu beanstanden. Um dem Bestimmtheitsgebot besagter Vorschrift zu genügen, muss der Kläger vielmehr, sofern er sein Klagebegehren aus mehreren wettbewerbsrechtlichen Ansprüchen herleitet, die verschiedene prozessuale Ansprüche (Streitgegenstände) bilden, und diese nicht kumulativ verfolgt, die Reihenfolge bezeichnen, in der er die Streitgegenstände geltend machen will (vgl. BGH GRUR 2011, 521, Tz. 10 – TÜV I). Hierbei wird – wie auch sonst – der Streitgegenstand (der prozessuale Anspruch) durch den Klageantrag, in dem sich die vom Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und den Lebenssachverhalt (Klagegrund) bestimmt, aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet (BGH GRUR 2011, 1043, Tz. 26 – TÜV II).
2.
25. Im Streitfall wird die Klagebegründung vorstehenden Vorgaben jedoch gerecht. Zwar richtet der Kläger sein Klagebegehren auf das Verbot einer bestimmten Werbung, die er unter mehreren Gesichtspunkten als unlauter beanstandet. Diese Gesichtspunkte stellen aber zum einen Teil keine selbstständigen prozessualen Ansprüche (Streitgegenstände) dar (dazu unten B III 5). Zum anderen Teil ist das zwar doch der Fall; insoweit macht der Kläger diese aber nicht alternativ geltend, sondern bezeichnet eine Reihenfolge, in der er die Streitgegenstände geltend machen will (dazu sogleich B III 3, 4).
3.
26. Soweit der Kläger die Werbung einerseits wegen nicht im Endpreis mit ausgewiesenen unvermeidbaren Entgeltbestandteils gemäß Art. 23 Abs. 1 Satz 2, 3 Buchst. d der Verordnung angreift und andererseits wegen nicht hinreichend transparenter Mitteilung fakultativer Zusatzkosten gemäß Art. 23 Abs. 1 Satz 4 der Verordnung, handelt es sich bei der diesbezüglichen tatsächlichen Begründung um zwei verschiedene, sogar einander ausschließende Lebenssachverhalte. Denn entweder steht ein unvermeidbarer Entgeltbestandteil in Rede (der in den Endpreis mit einzurechnen ist) oder aber es geht um fakultative Zusatzkosten (die exkludiert und gesondert mitgeteilt werden dürfen, was dann aber hinreichend transparent sein muss). Wird also eine Werbung – wie hier – wegen Verstoßes zum einen gegen Art. 23 Abs. 1 Satz 2, 3 Buchst. d der Verordnung und zum anderen gegen Art. 23 Abs. 1 Satz 4 der Verordnung angegriffen, so sind das zwei verschiedene Streitgegenstände.
4.
27. Diese beiden Streitgegenstände macht der Kläger aber nicht alternativ geltend, sondern im Eventualverhältnis, bezeichnet also eine Reihenfolge, in der er sie geltend machen will. Wie mit den Berufungsparteien im Verhandlungstermin erörtert, entnimmt der Senat dies dem Klägervorbringen (siehe LGU 8), die Angabe der Bearbeitungsgebühr verstoße gegen Art. 23 Abs. 1 der Verordnung; es handle sich nicht um fakultative Kosten i.S. des Art. 23 Abs. 1 Satz 4 der Verordnung; jedenfalls sei die Bearbeitungsgebühr nicht klar, transparent und auf eindeutige Weise am Beginn des Buchungsvorgangs mitgeteilt worden. Damit will der Kläger in erster Linie einen Verstoß gegen Art. 23 Abs. 1 Satz 2, 3 Buchst. d der Verordnung (wegen Nichteinrechnung eines unvermeidbaren Entgeltbestandteils) geltend machen (Hauptbegehren) und nur hilfsweise („jedenfalls“) einen Verstoß gegen das für fakultative Zusatzkosten geltende Transparenzgebot des Art. 23 Abs. 1 Satz 4 der Verordnung rügen. Schon aus der Klageschrift ist deutlich geworden, dass der Kläger in erster Linie die erste (strengere) Variante des Art. 23 Abs. 1 der Verordnung geltend machen und nur vorsorglich – für den Fall der (seinem Hauptbegehren widerstreitenden) Annahme fakultativer Zusatzkosten – die fehlende Transparenz rügen wollte.
28. Der Senat hat dieses, sein Verständnis zum klägerseitigen Petitum in der mündlichen Verhandlung so dargelegt, und der Kläger ist dem auch nicht entgegen getreten. Deshalb ist davon auszugehen, dass es sich so verhält wie dargelegt. Für die weitere Beurteilung des Streitfalls bedeutet das, dass auf die Frage eines Verstoßes gegen Art. 23 Abs. 1 Satz 4 der Verordnung nur dann einzugehen wäre (Hilfsbegehren), wenn – wie nicht (dazu siehe unten B IV) – kein Verstoß gegen Art. 23 Abs. 1 Satz 2, 3 Buchst. d der Verordnung vorläge (Hauptbegehren).
5.
29. Soweit ein Verstoß gegen Art. 23 Abs. 1 Satz 2, 3 Buchst. d der Verordnung gerügt wird, besteht demgegenüber auch bei unterschiedlichen, aber stets darauf Bezug nehmenden Anspruchsnormen Streitgegenstandsidentität. Daher handelt es sich nicht um eine – unzulässige – alternative Klagenhäufung, soweit der Kläger sein Begehren auf § 2 Abs. 1 Satz 1 UKlaG, auf § 8 Abs. 1 Satz 1, §§ 3, 5a Abs. 2, 4 UWG oder auf § 8 Abs. 1 Satz 1, §§ 3, 4 Nr. 11 UWG – jeweils i.V. mit Art. 23 Abs. 1 Satz 2, 3 Buchst. d der Verordnung – stützt, sondern nur um variierende rechtliche Begründungsansätze. Denn der (wesentliche) Lebenssachverhalt (Klagegrund), aus dem der Kläger sein (einheitliches) Rechtsschutzziel herzuleiten sucht, liegt im (vermeintlichen) Verstoß gegen besagte Gemeinschaftsnorm bei Nichteinrechnung der „Bearbeitungsgebühr“ in den Endpreis, wohingegen es sich bei besagten nationalen Vorschriften nur um Bezugsnormen handeln, die aber den für die begehrte Rechtsfolge wesentlichen Kern des hier vorzutragenden (und vorgetragenen) Lebenssachverhalts nicht ausmachen. Wird also ein Verstoß gegen eine gemeinschaftsrechtlich determinierte, verbraucherschützende Informationspflicht von einer „qualifizierten“ Verbraucherschutzeinrichtung gerügt, so macht es nach Auffassung des Senats streitgegenstandsmäßig keinen Unterschied, ob hier ein Unterlassungsanspruch wegen Nichtbeachtung einer Verbraucherschutzvorschrift (§ 2 Abs. 1 Satz 1 UKlaG) und/oder wegen Vorenthaltens einer gemeinschaftsrechtlich vorgeschriebenen Information (§ 5a Abs. 2, 4 UWG) und/oder wegen Verstoßes gegen eine Marktverhaltensvorschrift (§ 4 Nr. 11 UWG) geltend gemacht wird.
IV.
30. Mit Recht hat das Landgericht auch einen Verstoß der Beklagten gegen Art. 23 Abs. 1 Satz 2, 3 Buchst. d der Verordnung bejaht (LGU 11-16) und dem Kläger einen daraus folgenden Unterlassungsanspruch aus § 2 Abs. 1 Satz 1 UKlaG (LGU 11) bzw. aus § 8 Abs. 1 Satz 1, §§ 3, 5a Abs. 2, 4 UWG bzw. aus § 8 Abs. 1 Satz 1, §§ 3, 4 Nr. 11 UWG (vgl. LGU 21) zugesprochen.
1.
31. Bei den in Rede stehenden 5 €, die die Beklagte in ihrem Pop-Up-Fenster (siehe oben A, zweite Abbildung) als „Bearbeitungsgebühr“ tituliert, handelt es sich um ein Entgelt, das i.S. besagter gemeinschaftsrechtlicher Vorschrift unvermeidbar und zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vorhersehbar ist und demzufolge im auszuweisenden Endpreis eingeschlossen werden muss, was hier aber nicht geschehen ist.
2.
32. Den Ausführungen des Landgerichts zur Unvermeidbarkeit (LGU 12-14) ist im Wesentlichen zuzustimmen. Sie gehen im Ergebnis konform mit der aktuellen Rechtsprechung des Senats in einem im Wesentlichen vergleichbaren Rechtsstreit des Klägers gegen ein (anderes) Luftbeförderungsunternehmen (mit Sitz in Großbritannien). Dort hat der Senat die Unvermeidbarkeit ebenfalls bejaht und ausgeführt (Beschl. v. 29.11.2011 – 5 U 90/10, Umdr. S. 6-7, 12):
33. Der Standpunkt der Beklagten, bei den von ihr als Buchungsgebühr und zahlungskartenabhängige Gebühr bezeichneten Endpreiselementen handele es sich nicht um unvermeidbare Gebühren im Sinne des Art. 23 Abs. 1 Satz 2 VO (EG) Nr. 1008/2008, überzeugt … nicht.
34. Der Inhalt der einzelnen Regelungen in Art. 23 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1008/2008 ist durch das Ziel des Verordnungsgebers bestimmt, dem Kunden Preisangaben zu garantieren, die einen effektiven Preisvergleich ermöglichen (vgl. Erwägungsgrund 16 zur Verordnung), dem Kunden also möglichst umfassende und vollständige Informationen zu verschaffen. Danach erschließt sich das Verständnis des Begriffs „unvermeidbar” in Art. 23 Abs. 1 Satz 2 VO (EG) Nr. 1008/2008 im Gesamtzusammenhang der Norm auch durch die Abgrenzung von den „fakultativen Zusatzkosten” in Art. 23 Abs. 1 Satz 3 VO (EG) Nr. 1008/2008.
35. Kosten für den Verwaltungsaufwand der Beklagten im Zusammenhang mit der Flugbuchung fallen nicht fakultativ, sondern zwangsläufig an. Es handelt sich nicht um Kosten, deren Entstehung im freien Ermessen des Kunden steht, d.h. deren Entstehen in jedem Einzelfall von der Wahl des Kunden abhängig ist. Ohne Tätigkeiten, die darauf gerichtet sind, den Flugwunsch des Kunden auf Vereinbarkeit mit Angebot und Platzkontingent der Beklagten zu prüfen, bei positivem Prüfungsergebnis und Bestätigung des Flugwunsches seitens des Kunden eine Reservierung vorzunehmen und dies letztlich dem Kunden mitzuteilen, lässt sich die Luftbeförderung von Personen in dem von der Beklagten betriebenen Massengeschäft nicht bewerkstelligen.
36. Die Buchungskosten werden nicht deshalb vermeidbar, weil die Beklagte diese unter bestimmten Bedingungen ausnahmsweise nicht berechnet: „Auf alle Buchungen wird eine Buchungsgebühr von € 4,00 erhoben, ausgenommen bei Zahlungen mit Visa Electron oder Carte Bleue (Inlandszahlungen).”
37. Es widerspricht Art. 23 Abs. 1 Satz 2 VO (EG) Nr. 1008/2008 und den Zielen des Verordnungsgebers grundsätzlich, den stets auszuweisenden Endpreis allein auf der Grundlage dieser Ausnahme von der Regel zu berechnen (vgl. LG Köln, Urteil vom 23. Dezember 2010, 31 O 384/10). Ein derartiges Verständnis der Vorschrift öffnet Umgehungsmöglichkeiten Tür und Tor.
38. Dies gilt jedenfalls dann, wenn ein nicht unerheblicher Anteil der Kunden von einer gebührenfreien Zahlungsmöglichkeit ausgeschlossen bleibt, weil er über das einzige Zahlungsinstrument, das eine Ausnahme von der Buchungsgebühr ermöglicht, nicht verfügt.
39. Für diesen Teil der Kunden stellt sich die Buchungsgebühr bereits bei Beginn des Buchungsvorgangs als unvermeidbar dar. In der hier zu beurteilenden Konstellation einer Buchung innerhalb eines Zeitraums von weniger als 14 Tagen bis zum Abflug, in der die Beklagte die Möglichkeit der Zahlung per elektronischem Einzugsverfahren nicht mehr anbietet, ist der Abbruch des Buchungsvorgangs zum Zweck der Beschaffung einer „Visa Electron”-Karte keine gangbare Handlungsalternative, um die Buchungsgebühr zu vermeiden.
…
40. Bei den von der Beklagten als Buchungsgebühr oder zahlungskartenabhängige Gebühr bezeichneten Endpreiselementen handelt es sich nicht um fakultative Zusatzkosten im Sinne des Art. 23 Abs. 1 Satz 4 VO (EG) Nr. 1008/2008.
Wie bereits ausgeführt, hängt das Entstehen zusätzlicher Kosten für die Mitnahme eines Sportgeräts allein von der Entscheidung des Verbrauchers ab, einen derartigen Gegenstand mitzunehmen. Will der Verbraucher diese Kosten vermeiden, muss er lediglich von seinem Mitnahmewunsch Abstand nehmen, ohne dass ihm dies die Möglichkeit nimmt, den Flug – ohne Sportgerät – zu buchen und anzutreten.
Der Verbraucher hingegen, der während des Buchungsvorgangs feststellt, dass er über das einzige, wenig gebräuchliche Zahlungsinstrument nicht verfügt, das ein Vermeiden der Buchungsgebühr ausnahmsweise ermöglicht, hat diese Wahlmöglichkeit nicht. Will er den Flug buchen und antreten, muss er die Gebühr in Kauf nehmen. Will er die Gebühr vermeiden, kann er den Flug nicht buchen.
3.
Vorstehende Erwägungen des Senats lassen sich auf den Streitfall übertragen. Nach den Feststellungen des Landgerichts (LGU 7-8 mit Hinweis auf Anlage B 4) ist die Visa-Electron-Karte eine gebührenpflichtige Guthabenkarte, die zum bargeldlosen Bezahlen verwendet werden kann, so weit der Inhaber sie vorher mit einem Guthaben aufgeladen hat. Diese Karte wird insbesondere Personen empfohlen, die aus wirtschaftlichen Gründen keine Kreditkarte mit Kreditierungsfunktion mehr erhalten. Dem Vorbringen des Klägers zufolge ist die Visa-Electron-Karte in Deutschland nicht verbreitet und für Personen, die ein Bankkonto oder eine Kreditkarte haben, uninteressant (LGU 8). Wenn die Beklagte dem mit dem Vorbringen entgegen tritt, die Karte werde weltweit von mehr als 5,2 Millionen Stellen akzeptiert; im Jahr 2009 hätten europaweit ungefähr 21 % der Kunden der Beklagten ihre Flugbuchung mit dieser Karte bezahlt, darunter seien auch deutsche Kunden (siehe LGU 9), so folgt daraus eine nennenswerte Verbreitung der Karte (jedenfalls in Deutschland) nicht. Sie ist auch ansonsten nicht ersichtlich und liegt auch in keiner Weise nahe, denn diese Karte wäre – wie das Landgericht zutreffend feststellt (LGU 12 f.) – überhaupt nur für einen solchen Verbraucher sinnvoll, dessen wirtschaftliche Lage oder SCHUFA-Eintragungen die Verwendung einer Kreditkarte nicht erlauben.
Hinzu kommt, dass die Entgegennahme einer Zahlung, die mittels Kredit- oder Zahlungskarte erfolgt ist, ohnehin keine Sonderleistung der Beklagten darstellt (vgl. BGHZ 185, 359, Tz. 40), es zu den wesentlichen Grundgedanken des dispositiven Rechts gehört, dass jeder Rechtsunterworfene seine gesetzlichen Verpflichtungen zu erfüllen hat, ohne dafür ein gesondertes Entgelt verlangen zu können (BGH a.a.O. Tz. 42) und mit dem einzig gebührenfreien Weg der Zahlung mittels Visa-Electron-Karte ein nicht unerheblicher Anteil der Kunden von einer gebührenfreien Zahlungsmöglichkeit ausgeschlossen bleibt (vgl. BGH a.a.O. Tz. 45).
Die von der Berufung zitierte (englischsprachige) Passage auf Seite 22 eines so genannten „CPC Report on Airlines‘ Taxes, Fees, Charges, and Surcharges“ (Anlage B 14) veranlasst den Senat schon deshalb nicht zu einer anderen Beurteilung, weil mit der dort erwähnten „payment method“ bei zutreffend-kontextbasierter Übersetzung die „Zahlungsart“ (wie beispielsweise Kartenzahlung) gemeint sein dürfte und nicht etwa jedwedes singuläre Zahlungsmittel (wie beispielsweise eine Karte mit der Bezeichnung Visa-Electron). Daher hilft es der Beklagten auch mit Blick auf diese Passage nicht, wenn sie die Kartenzahlung sehr wohl (als „Zahlungsmethode“ im vorstehenden Sinne) generell kostenpflichtig macht und nur eine einzige, zudem praktisch unbekannte, Karte von der Kostenpflichtigkeit dieser Zahlungsmethode ausnimmt. Entsprechendes gilt für die von der Berufung herangezogene Auffassung, wie sie in einer (gleichfalls englischsprachigen) Studie „Office of Fair Trading – Advertising of Prices“ zu diesem Thema zum Ausdruck kommt (Anlage B 18, S. 8, 23, 34), zumal auch dort an keiner Stelle die von der Beklagten hier konkret reklamierte Vorgehensweise (exzeptionelle Nichterhebung bei Zahlung mit einer Karte namens „Visa Electron“) dahingehend bewertet wird, dass sich das „Bezahlen für das Bezahlen“ für den Verbraucher etwa nicht als unvermeidbar, sondern als fakultativ i.S. von Art. 23 Abs. 1 der Verordnung darstellen würde.
4.
In vorstehendem Zusammenhang ist eine Aussetzung des Rechtsstreits zwecks Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 AEUV (dazu auch BVerfG GRUR 2010, 999, Tz. 45 ff. – Drucker und Plotter) entgegen der Annahme der Berufung nicht geboten.
a)
Der Senat teilt allerdings nicht die (freilich zeitlich vor BGH GRUR 2011, 521, Tz. 10 – TÜV I – entstandene) Auffassung des Landgerichts, die Vorlage sei deshalb entbehrlich, weil die Frage der Unvermeidbarkeit letztlich dahinstehen könne, da das Verbot sich jedenfalls auch auf eine nur intransparente Mitteilung (unterstellt) fakultativer Kosten stützen lasse (in diesem Sinne LGU 16). Letzteres mag zutreffen, dafür könnten jedenfalls viele gute Gründe sprechen. Es handelt sich aber – wie oben B III 4 dargelegt – bei dem Verbotsgrund der fehlenden Transparenz um einen selbstständigen und vom Kläger nur hilfsweise geltend gemachten Streitgegenstand, der nur dann der richterlichen Nachprüfung unterfiele, wenn feststünde, dass der Kläger mit seinem Hauptbegehren nicht durchdringt. Das aber ist hier nicht der Fall (und zwar weder nach der Auffassung des Landgerichts noch nach der Auffassung des Senats).
b)
Im Ergebnis ist dem Landgericht in seiner Annahme der fehlenden Vorlagebedürftigkeit (LGU 16) aber trotzdem zuzustimmen. Wie schon im Parallelfall (Senat, Beschl. v. 29.11.2011 – 5 U 90/10, Umdr. S. 6) liegt auch hier nach der Einschätzung des Senats die Annahme nahe, dass es sich bei der Schaffung der „Bezahlmöglichkeit“ mittels einer Karte, die in den maßgeblichen Verbraucherkreisen nicht gängig sowie kostenpflichtig und daher für die meisten Verbraucher – weil ohne Gegenwert – wirtschaftlich sinnlos ist, um den Versuch einer Umgehung von Art. 23 Abs. 1 Satz 2, 3 Buchst. d der Verordnung handelt, indem der formale Anschein einer Vermeidbarkeit geschaffen wird. Sowohl die Einschätzung, ob bzw. dass ein Adressat einer Gemeinschaftsnorm diese im Einzelfall zu umgehen versucht, als auch die Schlussfolgerung, einem solchen Versuch von Rechts wegen Einhalt zu gebieten, obliegt den nationalen Gerichten der Mitgliedsstaaten und nicht dem Gerichtshof. Denn hier geht es nicht um eine – in der Tat dem Gerichtshof vorbehaltene – Auslegung des gemeinschaftsrechtlichen Begriffs „unvermeidbar“, sondern um die Nicht-Subsumtion eines Sachverhalts unter diesen Begriff wegen rechtsmissbräuchlichen Umgehungsversuchs im Einzelfall. Im Übrigen hält der Senat an seiner am 29. November 2011 (a.a.O., Umdr. S. 8) geäußerten Auffassung auch für den Streitfall fest, dass die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts derart offenkundig ist, dass keinerlei Raum für einen vernünftigen Zweifel für die Beantwortung der (auch hier von der Berufung) aufgeworfenen Frage bleibt.
5.
Dass und warum die beanstandete Werbung dem gemeinschaftsrechtlichen Gebot, den zu zahlenden Endpreis einschließlich besagter – nach allem „unvermeidbarer“ – 5 € auszuweisen, nicht genügt, hat das Landgericht überzeugend ausgeführt (LGU 14-16). Der Senat verweist darauf und stimmt dem zu.
V.
Ein – vom Kläger nur hilfsweise geltend gemachter (s.o. B III 4) – Verstoß gegen Art. 23 Abs. 1 Satz 4 der Verordnung unterliegt – entgegen LGU 16-21 – nicht der gerichtlichen Nachprüfung, da der Kläger bereits mit seinem Hauptbegehren durchdringt (vorstehend B IV).
C.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgen aus § 708 Nr. 10, § 711 ZPO. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen (dazu auch schon Senat a.a.O., Umdr. S. 10, 13-14).
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