Verbraucherschutz und Endpreis als Preisbestandteil

LG Berlin: Verbraucherschutz und Endpreis als Preisbestandteil

Ein Verbraucherschutzverein klagt gegen eine Airline auf Unterlassung. Dieses hatte ein Internetbuchungssystem verwendet, bei dem eine in jedem Fall fällige Service-Gebühr in den ersten Buchungsschritten und der tabellarischen Preisauflistung nicht ersichtlich wurde.

Das Landgericht Berlin hat der Klage stattgegeben. Die verspätete Angabe der Servicegebühren benachteilige den Verbraucher in unangemessener Weise und sei aus diesem Grund zu unterlassen.

LG Berlin 16 O 27/09 (Aktenzeichen)
LG Berlin: LG Berlin, Urt. vom 20.04.2010
Rechtsweg: LG Berlin, Urt. v. 20.04.2010, Az: 16 O 27/09
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Landgericht Berlin

1. Urteil vom 20. April 2010

Aktenzeichen 16 O 27/09

Leitsatz:

2. Die Flugpreistransparenzverordnung der Europäischen Union verlangt von Fluggesellschaften, zu jedem Zeitpunkt des digitalen Buchungsvorgangs den gesamten Flugpreis inklusive aller Zuschläge und Steuern sichtbar zu machen.

Zusammenfassung:

3. Ein Verbraucherschutzverband klagte gegen eine Fluggesellschaft, weil diese ein Online-Buchungssystem verwandte, bei dem eine in jedem Fall der Internetbuchung fällige Service-Gebühr nicht ab dem ersten von insgesamt fünf Buchungsschritten und auch nicht in einer tabellarischen Auflistung des Flugpreises ersichtlich wurde.

Das Landgericht Berlin verurteilte die Beklagte, es unter Strafandrohung zu unterlassen, die streitgegenständlichen Seiten zu verwenden. Die Flugpreistransparenzverordnung der Europäischen Union verlange demnach von Fluggesellschaften, zu jedem Zeitpunkt des digitalen Buchungsvorgangs den gesamten Flugpreis inklusive aller Zuschläge und Steuern sichtbar zu machen. Dies diene der Vergleichbarkeit des Flugpreises seitens des Verbrauchers.

Die Beklagte konnte sich nicht auf technische Erschwernisse einer Einhaltung der Verordnung berufen, da es durchaus möglich gewesen wäre, den Verbraucher auch im ersten Buchungsschritt auf die Gebühr hinzuweisen. Ein Mehraufwand, diese Gebühr zu recherchieren, sei diesem nicht zuzumuten.

Tenor:

1.

4. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen am Vorstand der persönlich haftenden Gesellschafterin,

zu unterlassen,

im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs gegenüber Verbrauchern auf der Internetseite mit der Adresse…com im Rahmen einer tabellarischen Aufstellung die Preise für ausgewählte Flüge, in die obligatorisch zu entrichtende Zuschläge (hier Steuern und Gebühren sowie Kerosinzuschlag) nicht eingerechnet sind, darzustellen wie nachfolgend ersichtlich:

(Anmerkung der Geschäftsstelle)

Die hier eingepflegten Bilder werden aus Gründen der Anonymisierung nicht mitgeliefert.

(Anmerkung der Geschäftsstelle)

Die hier eingepflegten Bilder werden aus Gründen der Anonymisierung nicht mitgeliefert.

Die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen am Vorstand der persönlich haftenden Gesellschafterin,

zu unterlassen,

im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs gegenüber Verbrauchern auf der Internetseite mit der Adresse …com im Buchungsschritt 2 Preise für Flüge, die nach den in Buchungsschritt 1 genannten Suchkriterien in einer tabellarischen Aufstellung präsentiert werden, so anzugeben, dass eine bei der Buchung eines der dargestellten Flüge zu entrichtende „Service Charge“ (hier 10,00 €) in den in der Tabelle angegebenen Preis nicht eingerechnet ist, wie aus dem nachfolgend wiedergegebenen Ausdruck ersichtlich:

(Anmerkung der Geschäftsstelle)

Die hier eingepflegten Bilder werden aus Gründen der Anonymisierung nicht mitgeliefert.

(Anmerkung der Geschäftsstelle)

Die hier eingepflegten Bilder werden aus Gründen der Anonymisierung nicht mitgeliefert.

(Anmerkung der Geschäftsstelle)

Die hier eingepflegten Bilder werden aus Gründen der Anonymisierung nicht mitgeliefert.

Der Beklagten wird eine Umstellungsfrist von einem Monat seit Zustellung des Urteils gewährt.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 200,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03. April 2009 zu zahlen.

Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 33% und die Beklagte 67% zu tragen.

Das Urteil ist zu Ziffer 1 und 2 gegen Sicherheitsleistung in Höhe von jeweils 7.500,00 € und im Übrigen gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

5. Der Kläger ist der Dachverband der Verbraucherzentralen der Länder.

6. Nach § 2 seiner Satzung verfolgt er den Zweck, die Verbraucherinteressen wahrzunehmen und den Verbraucherschutz zu fördern. Zur Umsetzung dieser Ziele verfolgt er u. a. Verstöße gegen das UWG. Der Kläger ist seit dem 16. Juli 2002 in die beim Bundesjustizamt (vormals Bundesverwaltungsamt) geführte Liste gemäß § 4 UklaG eingetragen.

7. Die Beklagte ist eine Fluggesellschaft.

8. Unter der Adresse www.m…com hält sie ein aus insgesamt fünf Schritten bestehendes elektronisches Buchungssystem abrufbereit.

9. Im Jahr 2008 war dies wie folgt gestaltet (im folgenden: Fassung 2008):

10. Im ersten Schritt gibt der Kunde eine Destination und das gewünschte Reisedatum ein. Ferner kann er einen Button „Nur Hinflug“ betätigen.

11. Im zweiten Schritt erscheint eine Tabelle mit Abflug- und Ankunftszeiten und der Angabe eines Flugpreises jeweils im Spar- oder Flextarif. Für einfachen Flug Berlin – Frankfurt am 26.08.2008 um 21:25 Uhr Abflugzeit betrug der Preis im Spartarif z. B. 36,00 €. Am Ende der Tabelle werden Steuern und Gebühren (im Beispielsfall 3,00 €) und der Kerosinzuschlag (25,00 €) ausgewiesen. In einem gesonderten Kästchen erscheint als Preis die Angabe

12. Preis: 64 EUR**: pro Person

13. Darunter folgt ein Erläuterungsteil, in dem zum Doppelsternchen vermerkt ist:

14. Der Preis beinhaltet Flugpreis, Steuern und Gebühren pro Person; jedoch nicht die Service-Charge. Die Service-Charge beträgt bei Internetbuchungen 10 € pro Person und Buchung. Für Kleinkinder bis zum vollendeten 2. Lebensjahr entfällt diese Gebühr. Bitte beachten Sie, dass die Service Charge nicht erstattungsfähig ist. Die Service Charge fällt nicht an auf innerbalearischen Flügen, für topbonus Kunden mit dem Status Gold und bei besonderen Angebotspreisen.

15. Im dritten Buchungsschritt hat der Kunde die Personalien der Reiseteilnehmer einzugeben.

16. Im vierten Buchungsschritt erscheinen die Rechnungsdaten einschließlich des Preises, in den jetzt die Service Charge eingerechnet ist. Im Beispielsfall beträgt er „74 EUR“.

17. Im fünften Buchungsschritt schließt der Kunde den Vertrag ab.

18. Ergänzend wird auf die Anlagen B 1-4 Bezug genommen.

19. Mit Schreiben vom 31. Juli 2008, wegen dessen Einzelheiten auf die Anlage K 5 verwiesen wird, rügte der Kläger einen Verstoß gegen die in § 1 PangV enthaltene Pflicht zur Angabe von Endpreisen. Die Beklagte gab die geforderte Unterlassungserklärung nicht ab.

20. Nach Inkrafttreten der Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24.09.2008 (im Folgenden: VO 1008/2008) änderte die Beklagte ihren Internetauftritt im Jahr 2009 im Buchungsschritt 2 dahin, dass unter der Tabelle nunmehr aus dem Flugpreis, den Steuern und Gebühren und dem Kerosinzuschlag ein Gesamtpreis von – im Beispielsfall 64,00 € -gebildet wird. In einem darunter angeordneten Kästchen weist die Antragsgegnerin die Service Charge mit einem Betrag von 10,00 € aus und addiert beide Bestandteile zum fett gedruckten Endpreis von 74,00 € (im folgenden: Fassung 2009).

21. Mit dem Antrag zu I.1 beanstandet der Kläger die in der tabellarischen Aufstellung im zweiten Buchungsschritt (Fassung 2008) angegebenen Preise.

22. Er meint, die Darstellung verstoße gegen § 1 PangV, weil die Beklagte keinen Endpreis benenne; denn zu dem genannten Preis träten unstreitig die Kosten für Steuern und Gebühren sowie der Kerosinzuschlag hinzu. Die Wiederholungsgefahr bestehe mangels Abgabe einer Unterlassungserklärung fort.

23. Darüber hinaus handele die Beklagte Art. 23 der VO 1008/2008 zuwider, wonach der zu zahlende Endpreis stets anzugeben sei. Zur Geltendmachung dieses Anspruchs sei er nach § 2 UklaG befugt.

24. Mit dem Antrag zu I.2 beanstandet der Kläger, dass in der im zweiten Buchungsschritt (Fassung 2009) eingeblendeten Tabelle die Service-Charge nicht in den in der Tabelle angegebenen Preis eingerechnet ist. Die Beklagte sei zur Angabe eines Preises inkl. Service-Charge ohne weiteres in der Lage, weil der Kunde bereits im ersten Buchungsschritt angeben müsse, ob er einen einfachen Flug oder einen Hin- und Rückflug, also zwei Flüge benötige. Die im Sternchenhinweis aufgeführten Ausnahmen machten die Service-Charge nicht zu einer Preisvariablen, sondern es handle sich um einen Rabatt.

25. Mit dem Antrag zu 2. begehrt der Kläger Erstattung der Abmahnkosten.

26. Der Kläger hat ursprünglich auf der Basis eines abweichenden Sachvortrages angekündigt zu beantragen, die Beklagte unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs gegenüber Verbrauchern auf der Internetseite mit der Adresse www…com im Rahmen einer tabellarischen Aufstellung die Preise für ausgewählte Flüge, in die obligatorisch zu entrichtende Zuschläge (hier Steuern und Gebühren sowie Kerosinzuschlag) nicht eingerechnet sind, darzustellen wie aus dem als Anlage Antrag beigefügten Ausdruck einer Bildschirmkopie ersichtlich und/oder den Flugpreis einer regelmäßig zu zahlenden „Service-Charge“ erst am Ende einer über vier Bildschirmseiten reichenden Internetseite (Bildschirmeinstellung: 1024 x 768 Pixel) im 4. Buchungsschritt, den der Verbraucher erst nach Eingabe persönlicher Daten in Buchungsschritt 3 und der Angaben zur Zahlungsabwicklung in Buchungsschritt 4 erreicht, auszuweisen und im Buchungsschritt 2 auf die Service-Charge lediglich in einem Fußnotentext unter einer tabellarischen Aufstellung von Flugpreisen hinzuweisen wie aus dem als Anlage Antrag beigefügten Ausdruck einer Bildschirmkopie ersichtlich.

27. Der Kläger hat die Klage hinsichtlich des nach den Worten „und/oder“ eingefügten Teils zurückgenommen.

28. Der Kläger beantragt,

I.

1 die Beklagte zu verurteilen, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu unterlassen,

im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs gegenüber Verbrauchern auf der Internetseite mit der Adresse www…com im Rahmen einer tabellarischen Aufstellung die Preise für ausgewählte Flüge, in die obligatorisch zu entrichtende Zuschläge (hier Steuern und Gebühren sowie Kerosinzuschlag) nicht eingerechnet sind, darzustellen wie aus dem als Anlage Antrag beigefügten Ausdruck einer Bildschirmkopie ersichtlich,

I.2 die Beklagte zu verurteilen, es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu unterlassen,

im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs gegenüber Verbrauchern auf der Internetseite mit der Adresse www…com im Buchungsschritt 2 Preise für Flüge, die nach den in Buchungsschritt 1 genannten Suchkriterien in einer tabellarischen Aufstellung präsentiert werden, so anzugeben, dass eine bei der Buchung eines der dargestellten Flüge zu entrichtende „Service Charge“ (hier 10,00 €) in den in der Tabelle angegebenen Preis nicht eingerechnet ist, wie aus dem in der Anlage Antrag 2 beigefügten Ausdruck einer Bildschirmkopie ersichtlich,

2.

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 200,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

29. Die Beklagte beantragt,

die Klageanträge kostenpflichtig abzuweisen.

30. Sie meint, § 8 Abs. 3 Ziff. 3 UWG eröffne dem Kläger nur eine Klagebefugnis für Ansprüche nach §§ 3, 7 UWG, nicht jedoch zur Geltendmachung von Verstößen gegen die PangV und die VO 1008/2008. Die Klagebefugnis ergebe sich auch nicht aus § 3 UklaG, weil die vorgenannten Bestimmungen ebenso wenig wie das UWG Verbraucherschutzgesetze im Sinne des § 2 UklaG seien.

31. Eine Zuwiderhandlung gegen die PangV (Antrag zu liege vor dem Hintergrund der Entscheidung des BGH GRUR 2003, 889 – „Internet-Reservierungssystem“ – nicht vor. Danach genüge es, wenn der Endpreis erst nach weiteren fortlaufenden Eingaben in das Reservierungssystem erscheine. Demgegenüber benenne sie den Preis inkl. Steuern, Gebühren und Kerosinzuschlag sogar auf derselben Seite im selben Buchungsschritt und hebe ihn blickfangmäßig hervor. Die unterstellte Zuwiderhandlung gegen § 1PangV beeinträchtige den Wettbewerb im Übrigen nicht spürbar, § 3 UWG.

32. Sie missachte auch nicht das in Art. 23 VO 1008/2008 aufgestellte Gebot. Das Adverb „stets“ sei mit dem Wort „immer“ gleichzusetzen. Dass ein bestimmtes Verhalten „immer“ ge- oder verboten sei, ergebe sich unmittelbar aus dem Normbefehl und stelle eine Selbstverständlichkeit dar. Wäre Art. 23 VO 1008/2008 mit dem Kläger dahin auszulegen, dass immer und ausschließlich der Endpreis benannt werden müsse, ergebe sich ein Widerspruch zu Art. 23 Abs. 1 S. 3 VO 1008/2008, wonach die Fluggesellschaft auch den Flugpreis, d. h. den Preis ohne Steuern, Gebühren und Kerosinzuschlag auszuweisen habe. Art. 23 VO decke sich daher in seinem Regelungsgehalt mit § 1 PangV.

33. Darüber hinaus stütze sich der Kläger zur Begründung seines Antrags zu I.1 auf das Buchungssystem, wie sie es im August 2008 vorgehalten habe. Zu diesem Zeitpunkt habe die am 01. November 2008 in Kraft getretene VO 1008/2008 noch gar nicht gegolten. Nach Inkrafttreten der VO 1008/2008 habe sie ihre Buchungsmaske indes geändert.

34. Die Service-Charge (Antrag I.2) könne sie, die Beklagte, nicht in den tabellarischen Preis integrieren, weil sie nur pro Buchung und nicht pro Strecke anfalle. Bei einem Hin- und Rückflug entfielen daher auf jeden Flug nur je 50% der Service-Charge. Zudem gebe es Ausnahmen, bei denen diese Kosten überhaupt nicht erhoben würden, wie z. B. für Kleinkinder.

35. Wegen des übrigen Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

36. Die Klage ist aus § 8 Absatz 1 und Absatz 3 Nr. 3, 4 UWG in Verbindung mit Art. 23 VO 1008/2008 (Antrag zu 1) und aus § 12 Absatz 1 S. 2 UWG (Antrag zu 2) begründet.

37. Der Kläger stehen die aus §§ 3, 4 Nr. 11 UWG abgeleiteten Unterlassungsansprüche nach § 8 Nummer 3 UWG gegen die Beklagte zu.

38. Die Formulierung des § 8 Absatz 1 UWG, auf den Abs. 3 Nr. 3 der Norm Bezug nimmt, steht der Berechtigung des Klägers zur Geltendmachung der Ansprüche nicht entgegen. Zwar wird darin nur auf unzulässige geschäftliche Handlungen gem. § 3 UWG verwiesen. Diese Vorschrift stellt aber die Generalklausel dar, die die Beispielsfälle des § 4 UWG einschließt. Das ergibt sich unmittelbar aus dem einleitenden Wortlaut des § 4 UWG, wonach unlauter „insbesondere“ handelt, wer Handlungen gemäß den nachfolgend aufgelisteten Fallgruppen vornimmt. Jede Zuwiderhandlung gegen § 4 UWG stellt daher zugleich eine unlautere geschäftliche Handlung im Sinne des § 3 UWG dar und löst einen entsprechenden Unterlassungsanspruch aus.

39. Als weitere stillschweigende Voraussetzung tritt hinzu, dass die gerügten geschäftlichen Handlungen geeignet sind, die Interessen der Verbraucher zu berühren, weil dem Kläger nur insoweit eine Anspruchsberechtigung und Klagebefugnis zusteht. Die Voraussetzung ist erfüllt, denn Art. 23 VO 1008/2008 dient dem Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit und damit der Verbraucher. Das ergibt sich nicht zuletzt auch aus dem Erwägungsgrund 16 der Verordnung, der die Vergleichbarkeit der Preise ausdrücklich als ein mit der VO verfolgtes Ziel benennt.

40. Der Klageantrag zu Ziff. I.1 ist begründet.

41. Die Darstellung der Preise in der im Buchungsschritt 2 erscheinenden Tabelle (Fassung 2008) missachtet Art. 23 Abs. 1 S. 2 VO 1008/2008, so dass dem Kläger daraus ein Unterlassungsanspruch aus §§ 3, 4 Nr. 11 UWG gegen die Beklagte erwächst.

42. Nach dieser Vorschrift ist stets der zu zahlende Endpreis einschließlich aller anwendbaren Steuern und Gebühren sowie aller unvermeidbaren und im Zeitpunkt der Veröffentlichung vorhersehbaren Zuschläge und Entgelte auszuweisen. Demgegenüber gibt die Beklagte in ihrer Tabelle lediglich den reinen Flugpreis an, der sich durch die Addition von Steuern und Gebühren sowie des Kerosinzuschlags nicht unerheblich erhöht. Diese Verfahrensweise steht der in Erwägungsgrund 16 formulierten Zielsetzung einer effektiven Vergleichbarkeit der von den verschiedenen Luftfahrtunternehmen für Flugdienste verlangten Preise entgegen. Der Kunde, der seinen Blick an das Ende der Tabelle richtet, erhält zwar noch im selben Buchungsschritt den Endpreis für den von ihm ausgewählten konkreten Flug angezeigt; er kann diesen Preis jedoch weder mit den eigenen, von der Beklagten in der Tabelle für andere Abflugzeiten angegebenen Preisen vergleichen, noch mit denen anderer Anbieter. Eine unmittelbare Vergleichsmöglichkeit scheidet im ersten Fall aus, weil sich der Verbraucher durch Anklicken der Alternativverbindung erst davon überzeugen muss, dass dafür Steuern und Gebühren sowie der Kerosinzuschlag in gleicher Höhe anfallen, was keineswegs stets der Fall sein muss. So können Kundenströme zum Zwecke einer möglichst gleichmäßigen Auslastung der Maschinen z. B. auch über unterschiedlich hohe Kerosinzuschläge gesteuert werden. Auch mögen sich bei unterschiedlichen Flugrouten zur selben Destination Abweichungen ergeben.

43. Ein effektiver Vergleich mit Angeboten der Konkurrenz scheitert aus denselben Gründen. Auch hier muss sich der Kunde durch Anklicken einer Verbindung den tatsächlich zu entrichtenden Preis erst „erarbeiten“. Die vermeintlich so übersichtliche Tabelle verliert damit zum größten Teil ihren Sinn. Sie scheint in erster Linie dazu zu dienen, durch die Angabe möglichst niedriger Preise das Interesse des Kunden auf das Angebot der Airline zu lenken. Diese Vermutung liegt umso näher, als technische Gründe, die die beschriebene Verfahrensweise zwingend gebieten, nicht erkennbar sind. Wenn das Rechenprogramm in der Lage ist, auf Knopfdruck unten einen Endpreis auszuwerfen, ist nicht einzusehen, weshalb dieser nicht bereits oben in der Tabelle erscheinen kann.

44. Die Beklagte kann dieser Beurteilung nicht mit Erfolg entgegensetzen, dass das Adverb „stets“ in Art. 23 VO 1008/2008 lediglich eine überflüssige Selbstverständlichkeit ausdrücke, weil Gebote des Gesetzgebers auch dann jederzeit zu beachten seien, wenn das Wort „stets“ sich darin nicht wiederfinde. Zunächst kann dem Verordnungsgeber nicht ohne weiteres unterstellt werden, überflüssige Formulierungen in seine Normbefehle aufzunehmen. Darüber hinaus zeigt der Vergleich mit der englischen, französischen und spanischen Fassung, dass die darin enthaltenen Formulierungen – „at all times“, „ä tout moment“ und „en todo momento“ – einen deutlichen zeitlichen Bezug im Sinne von „jederzeit“ aufweisen.

45. Diese Auslegung des Art. 23 Abs. 1 S. 2 VO 1008/2008 steht auch nicht im Widerspruch zu Art. 23 Abs. 1 S. 3 VO 1008/2008, wonach die dort zu lit. b) bis c) genannten Steuern und Gebühren gesondert auszuweisen sind, soweit sie dem Flugpreis hinzugerechnet wurden. Die Offenle-gung der Preisbestandteile hindert die Fluggesellschaften nicht daran, primär ihre Endpreise zu veröffentlichen. Darüber hinaus verlangt Art. 23 Abs. 3 Nr. 3 VO 1008/2008 die Aufgliederung des Endpreises auch nur dann, wenn die in lit. b) bis c) benannten Steuern und Gebühren zum Flugpreis hinzugerechnet werden. Sind sie im Flugpreis bereits enthalten, entfällt die Verpflichtung.

46. Die zur PAngV ergangene Rechtsprechung des BGH – GRUR 2003, 889 – Internet-Reservierungssystem -, nach der im ersten Buchungsschritten Preise angegeben werden dürfen, die Steuern und Flughafengebühren nicht beinhalten und die Angabe des Endpreises in einem späteren Buchungsschritt dem Gebot der Preiswahrheit und -klarheit genügt, sofern der Kunde deutlich darauf hingewiesen wird, lässt sich auf die VO 1008/2008 nicht ohne weiteres übertragen, weil die Bestimmungen der VO autonom auszulegen sind. Nach Art. 23 Abs. 1 S. 2 VO in Verbindung mit Erwägungsgrund 16 ist daher davon auszugehen, dass bei jeder für die Öffentlichkeit bestimmten Angabe von Preisen, die die Fluggesellschaften für die Beförderung von Passagiern erheben, der Endpreis einschließlich aller feststehenden und notwendigerweise anfallenden Zusatzkosten auszuweisen ist, um dem Verbraucher einen effektiven Preisvergleich zu ermöglichen.

47. Die Wiederholungsgefahr wird aufgrund der eingetretenen Rechtsverletzung vermutet. Sie kann nur durch die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung beseitigt werden. Die bloße Änderung des Internetauftritts, mag sie auch mit Blick auf die inzwischen in Kraft getretene VO 1008/2008 geschehen sein, genügt nicht (BGH GRUR 1997, 379 – Wegfall der Wiederholungsgefahr II -; BGHZ 1, 241 – Piek-fein -).

48. Die Klage zu Ziff. I.2. ist aus denselben Erwägungen heraus aus § 8 Nummer 11 UWG in Verbindung mit Art. 23 VO 1008/2008 begründet.

49. Indem die Beklagte die bei jedem Buchungsvorgang anfallende Service-Charge nicht in die in der Tabelle ausgewiesenen Preise einrechnet, handelt sie der genannten europarechtlichen Bestimmung zuwider.

50. Technische Gründe, die einer Einbeziehung entgegen stehen, sind nicht erkennbar. So muss der Kunde insbesondere bereits im ersten Buchungsschritt angeben, ob er einen einfache oder einen Hin- und Rückflug wünscht, so dass es ohne weiteres möglich ist, die Service-Charge z. B. generell nur beim Hinflug einzurechnen. Ausnahmen z. B. für Kleinkinder oder topbonus Kunden mit dem Status Gold kann durch einen entsprechenden „Rabatt“-Hinweis in der bisherigen Form Rechnung getragen werden.

51. Zu dem Argument, der Preis inklusive der Service-Charge werde im selben Buchungsschritt im unmittelbaren Anschluss an die Tabelle angezeigt, wird auf die obigen Ausführungen Bezug genommen.

52. Die Missachtung des Art. 23 VO 1008/2008 stellt zugleich eine Zuwiderhandlung gegen § 4 Nummer 11 UWG dar, weil die Vorschrift dazu bestimmt ist, im Interesse der Verbraucher das Marktverhalten zu regulieren. Aus den vorstehend genannten Gründen dient Art. 23 VO 1008/2008 dem Verbraucherschutz.

53. Der Verstoß ist auch im Sinne des § 3 UWG dazu geeignet, die Interessen der Verbraucher spürbar zu beeinträchtigen, weil er Preisvergleiche und damit das Auffinden des nach Ansicht des Kunden günstigsten Preis-Leistungs-Verhältnisses erschwert. Zudem geht von einer solchen „Preiskosmetik“ eine spezifische Nachahmungsgefahr aus, weil den im harten Wettbewerb zueinander stehenden Fluggesellschaften daran gelegen ist, durch Angabe möglichst niedriger Preise die Blicke der Kunden auf sich und ihr Angebot zu lenken.

54. Der Beklagten war allerdings eine Umstellungsfrist zu gewähren, weil die Befolgung des Unterlassungsgebotes nicht unerhebliche Umgestaltungs- und Programmierarbeiten erfordert. Das Interesse der Beklagten, diese Arbeiten so koordinieren zu können, dass ihr Geschäftsbetrieb darunter nicht mehr als unbedingt nötig leidet, überwiegt das Interesse des Klägers an einer sofortigen Änderung der Buchungsmaske. Da die Beklagte den Endpreis zwar nicht an der erforderlichen, aber doch an einer für den durchschnittlichen Kunden ohne weiteres auffindbaren Stelle innerhalb des zweiten Buchungsschrittes benennt, erscheint die mit der Umstellungsfrist einhergehende Verzögerung vertretbar.

55. Die der Höhe nach unstreitigen Abmahnkosten muss die Beklagte dem Kläger nach § 12 Absatz 1 UWG ersetzen, weil die Abmahnung aus den genannten Gründen berechtigt war und einen Kostenaufwand in Höhe von 200,00 € erforderte.

56. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92, 269 Abs. 3, 709 ZPO.

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