Pauschalierte Stornokosten in Höhe von 85 % bei Rücktritt vor Reisebeginn
Pauschalierte Stornokosten in Höhe von 85 % bei Rücktritt vor Reisebeginn
Eine Frau buchte eine Pauschalreise, welche sie krankheitsbedingt nicht antreten konnte. Eine von ihr verlangte Umbuchung der Reise auf Freunde wurde vom Reiseveranstalter abgelehnt.
Die Frau klagte auf Erstattung ihrer vollen Reisekosten, da eine Umbuchung hätte angeboten werden müssen und somit die Stornierungskosten nicht rechtens seien. Das Gericht wies die Klage jedoch ab.
AG München | 281 C 9715/14 (Aktenzeichen) |
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AG München: | AG München, Urt. vom 20.02.2015 |
Rechtsweg: | AG München, Urt. v. 20.02.2015, Az: 281 C 9715/14 |
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Leitsätze:
2. je kurzfristiger ein Kunde vor Antrittstermin der Reise den Reisevertrag kündigt, desto schwieriger ist es für den Reiseveranstalter die Reiseplätze anderweitig zu vergeben.
Einen Tag vor Reisebeginn ist daher eine Stornopauschale von 85% als angemessene Entschädigung des Veranstalters zu sehen.
Zusammenfassung:
3. Die Klägerin buchte über einen Reiseveranstalter eine Pauschalreise, welche sie jedoch aus Krankheitsgründen kurzfristig nicht antreten konnte. Sie beantragte beim Reiseveranstalter eine Übertragung der Reise auf Freunde, welche aber vom Veranstalter mit dem Hinweis abgelehnt wurde, die Flüge seien nicht übertragbar.
Die Frau klagte auf Erstattung der Reisekosten, von denen 85% als Stornierungskosten einbehalten worden waren, und argumentierte, dass der Reiseveranstalter eine Möglichkeit zur Übertragung der Reise hätte anbieten müssen. Das Gericht gab dem Reiseveranstalter recht und wies die Klage ab. Stornierungskosten in dieser Höhe bei einem so kurzfristigen Reiserücktritt seien durchaus angebracht.
Tenor:
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Der Streitwert wird auf 2.099,50 € festgesetzt.
Tatbestand:
5. Die Klägerin nimmt die Beklagte aus eigenem und abgetretenem Recht auf Rückzahlung des vollständigen Reisepreises nach Stornierung der bei der Beklagten gebuchten Reise in Anspruch.
6. Die Klägerin und ihr Mitreisender buchten am 12.10.2013 über einen Reisevermittler bei der Beklagten als Reiseveranstalterin für den Zeitraum 02.11.2013 bis 13.11.2013 eine Pauschalreise nach Thailand. Der Mitreisende trat am 21.07.2014 sämtliche Ansprüche gegen die Beklagte aus der streitgegenständlichen Reise an die Klägerin ab, vgl. Anlage K4.
7. Dem Reisevertrag lagen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten, vgl. Anlage B1, zugrunde. Sie sehen unter Ziffer 8 (2) und (3) folgende Regelung vor:
„… macht von der Möglichkeit Gebrauch, den ihr zustehenden Entschädigungsanspruch unter Berücksichtigung von § 651 i (3) BGB zu pauschalieren. Diese Entschädigungssätze geben wir wie folgt bekannt:
Pauschalreiseleistung mit oder ohne (eingeschlossenen) Flug/Nur-Hotel/Transfer mit der Kennzeichnung Reiseart: „…“ sowie Landarrangement mit oder ohne (eingeschlossenen) Flug mit der Kennzeichnung Reiseart: „…“: (…)
Ab 2. Tag vor Reisebeginn bis Reiseantritt 85% des Reisepreises.
Der Kunde hat grundsätzlich die Möglichkeit nachzuweisen, dass dem Veranstalter kein oder ein geringerer Schaden entstanden ist.“
8. Der Zeuge … konnte die Reise krankheitsbedingt nicht antreten. Eine Reiserücktrittsversicherung hatten die Reisenden nicht abgeschlossen. Die Klägerin bat daraufhin am 30.11.2013 über den Reisevermittler um Eintritt der Eheleute … und … in den Reisevertrag.
9. Mit Email des Reisevermittlers vom selben Tag wurde der Klägerin mitgeteilt, dass die Anfrage bei der Beklagten in Bearbeitung sei (vgl. Anlage K2). Mit weiterer Email des Reisevermittlers vom 01.11.2013 (Anlage K3) wurde der Klägerin Folgendes mitgeteilt:
„Leider handelt es sich bei den gebuchten Flügen um Linienflüge die nicht erstattbar sind. Dies bedeutet das eine Namensänderung hier nicht möglich ist. Die gebuchten Flüge müssten storniert werden und für die neuen Reisenden neu gebucht werden, was nur noch in einer höheren Kategorie möglich ist.
Die Gebühren für diese Umbuchung belaufen sich auf 1.648 EUR pro Person.“
10. Bei Buchung der Reise wurde die Klägerin nicht über die Umbuchungskosten aufgeklärt. Wäre dies der Fall gewesen, hätte die Klägerin die Reise nicht gebucht.
11. Die Klägerin hat am 01.11.2013 die Reise storniert. Die Beklagte berechnete Stornokosten in Höhe von insgesamt 2.099,50 €, die sie vom bereits gezahlten Gesamtreisepreis in Höhe von 2.470,00 € einbehielt. Die Differenz wurde an die Klägerin ausgekehrt.
12. Die ursprünglichen Kosten für den Flug lagen bei 793,00 € pro Person.
13. Mit Schreiben vom 12.12.2013 forderte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Beklagte unter Fristsetzung bis 27.12.2013 erfolglos auf, die einbehaltenen Stornokosten auszuzahlen.
14. Die Klägerin ist der Auffassung, sie habe einen Anspruch auf Rückerstattung des gesamten Reisepreises, da sie aus wichtigem Grund gekündigt habe bzw. vom Vertrag zurückgetreten sei. In diesem Fall könne von der Beklagten gar keine Entschädigung verlangt werden.
15. Der Reisende könne gem. § 651 b Abs. 1 BGB bis zum Reisebeginn verlangen, dass statt seiner ein Dritter in die Rechte und Pflichten aus dem Reisevertrag eintrete. Diese Anfrage könne auch noch 1 bis 2 Tage vor Reisebeginn gestellt werden. Zwar seien nach § 651 b Abs. 2 BGB die Mehrkosten zu leisten. Allerdings seien nach § 651 m BGB abweichende Vereinbarungen zum Nachteil des Reisenden unwirksam. Das Eintrittsrecht sei den Reisenden vorliegend von der Beklagten verweigert worden, indem eine Namensänderung verweigert worden sei. Namensänderungskosten, die über den Buchungspreis hinausgehen, würden zu einer Umgehung des § 651 b BGB führen. Die Beklagte müsse dafür sorgen, dass § 651 b BGB erfüllbar sei, damit diese Regelung nicht leerlaufe, was wiederum der Fall sei, wenn die Vertragsübertragung wirtschaftlich aufgrund der Höhe der Mehrkosten unmöglich werde.
16. Die Klägerin ist der Meinung, ihr stehe ein Schadensersatzanspruch wegen Unterlassung vorvertragliche Aufklärung in Höhe des Reisepreises zu. Die Beklagte hätte darauf hinweisen müssen, mit welchen Kosten bei einer Umbuchung zu rechnen ist.
17. Die Klägerin geht weiter davon aus, dass sie einen niedrigeren Schaden als die von der Beklagten geltend gemachte Pauschale nachgewiesen habe. Insoweit behauptet die Klägerin, dass für Flüge nach P. 700,00 € bis 800,00 €, mithin im Mittelwert 1.500,00 € anzusetzen seien. Steuern und Gebühren lägen bei ca. 40%. Dies entspreche einem Betrag in Höhe von 600,00 €. Die Stornokosten könnten daher maximal bei 1.870,00 € liegen.
18. Die Klägerin ist außerdem der Auffassung, dass die Beklagte, ihre betriebswirtschaftlichen Kalkulationsgrundlagen vorzutragen habe, damit das Gericht überprüfen kann, ob die Sätze plausibel und nachprüfbar sind.
19. Schließlich behauptet die Klägerin, dass die Reise, insbesondere der Flug, ausgebucht gewesen seien. Es spreche somit der 1. Anschein dafür, dass dem Reiseveranstalter keine weiteren Kosten entstanden sind.
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 2.099,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.12.2013 zu bezahlten.
die Klage abzuweisen.
22. Die Beklagte behauptet, für den Vertragseintritt wären Mehrkosten in Höhe von 1.648,00 € pro Person angefallen. Sie habe die Mehrkosten bei den betreffenden Leistungsträgern angefragt. Die Mehrkosten hätten sich aus den Mehrkosten des Fluges für zwei Passagiere ergeben. Eine konkrete Abfrage der Tickets für den Vertragseintritt hätten Kosten in Höhe von je 2.441,00 € ergeben. Eine Deckelung der Mehrkosten finde im Gesetz keine Rechtsgrundlage. Es bestehe kein Anspruch des Reisenden darauf, dass ihm einen Tag vor Reisebeginn ein Flug zu Tarifen zur Verfügung gestellt wird, der ansonsten nur bei deutlich früherer Buchung verfügbar ist.
23. Die Klägerin hat zum Beweis der Tatsachen, dass Flüge nach P. mit 700,00 bis 800,00 € pro Person anzusetzen seien und Gebühren und Steuern bei ca. 40% lägen, mithin Stornokosten bei maximal 1.870,00 € liegen könnten, die Einholung eines Sachverständigengutachtens angeboten. Ferner hat die Klägerin zum Beweis dafür, dass die Beklagte eine Falschauskunft betreffend die bei einem Vertragseintritt entstehenden Mehrkosten erteilt habe, den Zeugen … benannt und die Parteivernehmung der Beklagten beantragt. Für die Tatsache, dass die Reise ausgebucht gewesen sei, wurde Beweis durch Parteivernehmung der Beklagten und Einholung eines Sachverständigengutachtens angeboten.
24. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf das Vorbringen der Parteien in den jeweiligen Schriftsätzen samt Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 24.07.2014 und 29.01.2015 verwiesen.
Entscheidungsgründe:
25. Die zulässige Klage ist unbegründet.
26. Der Klägerin steht der geltend gemachte Zahlungsanspruch in Höhe von 2.099,50 € unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.
27. Die Voraussetzungen für eine Rückzahlung des verbleibenden Reisepreises in Höhe von 2.099,50 € gem. §§ 651 i Abs. 2, 812 Abs. 1 S. 2 BGB liegen nicht vor.
28. Gem. § 651 i Abs. 1 BGB konnten die Klägerin und ihr Mitreisender vor Reisebeginn jederzeit, also auch einen Tag vor Reisebeginn, und ohne weitere Voraussetzungen vom Vertrag zurücktreten. Die Beklagte verlor in Folge gem. § 651 i Abs. 2 S. 1 BGB ihren Vergütungsanspruch, weshalb der bereits bezahlte Reisepreis grundsätzlich zurückzuzahlen ist.
29. Vorliegend hat die Beklagte jedoch nicht den vollständigen Reisepreis erstattet, sondern 2.099,50 € als sog. Stornokosten einbehalten.
30. Gem. § 651 i Abs. 2 BGB kann der Reiseveranstalter nach Rücktritt des Reisenden vom Vertrag eine angemessene Entschädigung verlangen. Der Reiseveranstalter kann diese Entschädigung entweder konkret berechnen oder aber – wie im vorliegenden Fall – eine Pauschale in Form eines Prozentsatzes des Reisepreises gem. § 651 i Abs. 3 BGB geltend machen.
31. Die wirksam in den Vertrag einbezogenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten sehen eine Pauschalierung unter Ziffer 8 vor. Entsprechend dieser Regelung hat die Beklagte die Entschädigung mit 85% des Reisepreises, mithin mit 2.099,50 €, beziffert.
32. Die Reisebedingungen der Beklagten verstoßen nicht gegen. § 309 Nr. 5 BGB.
33. Ziffer 8 (3) der Reisebedingungen der Beklagten regelt, dass dem Reisenden der Gegenbeweis offen bleibt, dem Veranstalter nachzuweisen, dass ihm kein oder ein geringerer Schaden entstanden ist, als die von ihm geforderte Pauschale, und entspricht somit den Anforderungen des § 309 Nr. 5 b) BGB.
34. Anhaltspunkte dafür, dass eine Pauschale von 85% bei Rücktritt nur einen Tag vor dem Abreisetag den nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Schaden übersteigt, § 309 Nr. 5 a) BGB sind nicht ersichtlich. Je kürzer die Zeit zwischen der Rücktrittserklärung des Kunden und dem geplanten Reiseantritt ist, desto geringer sind die wirtschaftlichen Dispositionsmöglichkeiten des Reiseveranstalters für eine anderweitige Verwendung der für den Kunden vorgesehenen Reiseplätze. Wenn die Reise erst am Tag vor dem Reisebeginn storniert wird, gehen die Dispositionsmöglichkeiten gegen Null, da derart kurzfristige Buchungen bei Flugreisen regelmäßig ausfallen. In der Rechtsprechung wurden Pauschalen von 95% bei Rücktritt am Abreisetag, vgl. LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 25.06.2004, Az.: 16 S 1175/04, und 90% wenige Tage vor einer Mexiko-Rundreise, vgl. LG Köln, Urteil vom 28.03.2001, Az.: 10 S 395/00, anerkannt. Vor dem Hintergrund der vorstehenden Ausführungen ist die Vereinbarung einer Pauschale von 85% für den Fall des Rücktritts am Tag vor dem Reisebeginn nicht zu beanstanden.
35. Die Beklagte muss in diesem Zusammenhang auch nicht ihre Kalkulationsgrundlagen offenbaren. Die Prozentsätze sind plausibel. Ein substantiierter Vortrag der Klägerin, der das Gegenteil nahelegen würde, ist nicht erfolgt.
36. Die Klägerin hat auch nicht den Gegenbeweis geführt, dass der Beklagten kein oder ein geringerer Schaden entstanden ist, als die von ihr geforderte Pauschale.
37. Diesbezüglich hat die Klägerin bereits nicht ausreichend konkret vorgetragen. Die Flugkosten, Steuern und Gebühren wurden lediglich geschätzt. Hinsichtlich der der Beklagten verbleibenden Kosten für die Unterkunft trägt die Klägerin gar nicht vor. Wie sie auf den Gesamtbetrag von 1.870,00 € kommt, ist unklar.
38. Einer Beweisaufnahme bedurfte es an dieser Stelle nicht. Überdies wäre die Einholung des angebotenen Sachverständigengutachtens nicht zulässig. Der Sachverständige soll bei der Auswertung vorgegebener Tatsachen durch Wertung, Schlussfolgerungen und Hypothesen unterstützen und nicht die Tatsachen selbst beibringen. Dies ist Aufgabe der Parteien.
39. Die Klägerin kann sich auch nicht darauf stützen, dass – wie sie behauptet – die Reise, insbesondere der Flug, ausgebucht gewesen seien. Die Beklagte könnte nicht mehr benötigte Kontingente zurückgegeben und dem Hotel, der Fluggesellschaft die anderweitige Nutzung überlassen haben, trotzdem aber zu gewissen Zahlungen verpflichtet gewesen sein.
40. Das Gericht teilt die Auffassung nicht, dass es bei einem ausgebuchten Hotel/Flug Sache des Reiseveranstalters sei, vorzutragen, dass er höhere Kosten als reine Umbuchungskosten gehabt habe, so aber Tonner, Münchener Kommentar, BGB, beck-online, § 651 i Rn. 21. Allein der Umstand, dass es dem Reiseveranstalter leichter ist, dies vorzutragen als dem Reisenden, kann nicht zu dieser Umkehr führen. Der Reisende kann sich die Informationen in der Regel bei den Leistungsträgern beschaffen. Dass dies vorliegend vergeblich versucht wurde, ist von der Klägerin nicht behauptet worden.
41. Unabhängig davon hat die Klägerin kein geeignetes Beweismittel zum Nachweis ihrer Behauptung angeboten. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens ist ungeeignet, vgl. die obigen Ausführungen. Die Parteieinvernahme ist subsidiär. Sie setzt voraus, dass zunächst alle anderen Möglichkeiten des Beweises aufgeschöpft wurden, § 450 Abs. 2 BGB, dass also entweder andere Beweismittel nicht zur Verfügung stehen oder keinen Beweis erbracht haben, vgl. Zöller/Greger, ZPO, 30. Auflage, § 445, Rn. 3. Dies ist nicht der Fall.
42.Die Klägerin kann sich nicht darauf berufen, dass der Entschädigungsanspruch entfallen ist, weil die Beklagte den Rücktritt in einer den Vertrag gefährdenden Weise herbeigeführt habe vgl. Palandt/Sprau, BGB, 74. Auflage, § 651 i, Rn. 2.
43. Dies könnte zwar zum einen dann bejaht werden, wenn die Beklagte die Klägerin über die anfallenden Mehrkosten falsch informiert hätte. Diesen Umstand kann die Klägerin aber nicht nachweisen. Entsprechend der allgemeinen Beweislastregeln, trägt die Klägerin die Beweislast für diesen für sie günstigen Umstand. Die Klägerin hat bezüglich der Höhe der Mehrkosten lediglich den Mitreisenden als Zeugen angeboten. Dieses Beweisangebot ist jedoch untauglich, da in keiner Weise ersichtlich ist, weshalb der Zeuge zu den bei Umbuchung entstehenden Mehrkosten Angaben machen können soll. Die Parteieinvernahme ist subsidiär. Sie setzt voraus, dass zunächst alle anderen Möglichkeiten des Beweises aufgeschöpft wurden, § 450 Abs. 2 BGB, dass also entweder andere Beweismittel nicht zur Verfügung stehen oder keinen Beweis erbracht haben, vgl. Zöller/Greger, ZPO, 30. Auflage, § 445, Rn. 3. Die Klägerin hätte hier Beweis durch Vernehmung einer Mitarbeiterin der Fluggesellschaft antreten können.
44. Zum anderen könnte dies bejaht werden, wenn die Beklagte eine Umbuchung verweigert hätte. Diese Weigerung kann die Klägerin nicht mit der vorgelegten Email K3 belegen. Dem dortigen Wortlaut ist eine Verweigerung der Umbuchung nicht zu entnehmen.
45. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe des noch nicht zurückbezahlten Reisepreises gem. § 280 Abs. 1 BGB wegen Verletzung einer vorvertraglichen Aufklärungspflicht.
46. Unstreitig hat die Beklagte die Reisenden nicht über Kosten bei Umbuchung aufgeklärt. Hierzu war sie aber auch nicht verpflichtet. Überdies dürfte sie zum Zeitpunkt der Buchung, aber ohne genaue Kenntnis des Rücktrittsdatums, gar keine Kenntnis über die entstehenden Mehrkosten haben. Dass die Klägerin bei Buchung nachgefragt habe, ob und ggf. in welcher Höhe Mehrkosten bei Umbuchung entstehen, wurde nicht behauptet.
47. An dieser Stelle bedurfte es folglich keiner Zeugenvernehmung.
48. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe des noch nicht zurückbezahlten Reisepreises gem. § 280 Abs. 1 BGB wegen Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht dahingehend, dass sie eine Umbuchung durch Benennung von Mehrkosten, die über den ursprünglichen Buchungsbetrag hinausgehen, faktisch unmöglich gemacht habe.
49. Das Gesetz sieht keine Deckelung der Mehrkosten vor. § 651 m BGB steht dem nicht entgegen. Diese Regelung umfasst nur Vereinbarungen der Parteien, die eine Umbuchungsmöglichkeit von vornherein ausschließen würde. Auf eine „faktische“ Unmöglichkeit ist er nicht ausgerichtet. Dass sich eine Umbuchung einen Tag vor Reisebeginn wie hier nicht mehr lohnt, soll durch § 651 m BGB nicht verbindet werden.
50. Mangels Begründetheit der Hauptforderung waren auch die Nebenforderungen nicht begründet.
51. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 11, 711 ZPO.
52. Der Streitwert wurde gem. § 3 ZPO, § 63 GKG festgesetzt.
53. Gegen die Entscheidung kann das Rechtsmittel der Berufung eingelegt werden. Die Berufung ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 600 Euro übersteigt oder das Gericht des ersten Rechtszuges die Berufung im Urteil zugelassen hat.
54. Die Berufung ist binnen einer Notfrist von einem Monat bei dem Landgericht München I, Prielmayerstraße 7, 80335 München einzulegen.
55. Die Frist beginnt mit der Zustellung der vollständigen Entscheidung, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung der Entscheidung.
56. Die Berufung muss mit Schriftsatz durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt eingelegt werden. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung der angefochtenen Entscheidung und die Erklärung enthalten, dass Berufung eingelegt werde.
57. Die Berufung muss binnen zwei Monaten mit Anwaltsschriftsatz begründet werden. Auch diese Frist beginnt mit der Zustellung der vollständigen Entscheidung.
58. Gegen die Entscheidung, mit der der Streitwert festgesetzt worden ist, kann Beschwerde eingelegt werden, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt oder das Gericht die Beschwerde zugelassen hat.
59. Die Beschwerde ist binnen sechs Monaten bei dem Amtsgericht München, Pacellistraße 5, 80333 München einzulegen.
60. Die Frist beginnt mit Eintreten der Rechtskraft der Entscheidung in der Hauptsache oder der anderweitigen Erledigung des Verfahrens. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf der sechsmonatigen Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht.
61. Die Beschwerde ist schriftlich einzulegen oder durch Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle des genannten Gerichts. Sie kann auch vor der Geschäftsstelle jedes Amtsgerichts zu Protokoll erklärt werden; die Frist ist jedoch nur gewahrt, wenn das Protokoll rechtzeitig bei dem oben genannten Gericht eingeht. Eine anwaltliche Mitwirkung ist nicht vorgeschrieben.
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