Nichtbeförderung auf dem Anschlussflug
AG Erding: Nichtbeförderung auf dem Anschlussflug
Einem Flugreisenden war bei einer Flugreise von Lima über Paris nach München die Beförderung mit dem Anschlussflug verweigert worden. Hierfür erhielt er von der Fluggesellschaft eine Ausgleichszahlung gemessen an der betroffenen Flugentfernung. Seine Forderung nach einer Bemessung an der gesamten Flugstrecke wurde abgewiesen.
AG Erding | 5 C 3345/16 (Aktenzeichen) |
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AG Erding: | AG Erding, Urt. vom 20.03.2017 |
Rechtsweg: | AG Erding, Urt. v. 20.03.2017, Az: 5 C 3345/16 |
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Leitsatz:
2. Bei der Bemessung von Ausgleichsansprüchen aus Artikel 7 der Fluggastrechteverordnung ist die Entfernung der Flüge zugrundezulegen, die von der Störung betroffen sind.
Zusammenfassung:
3. Bei einer zweiteiligen Flugreise von Lima über Paris nach München war dem Kläger die Beförderung mit dem Anschlussflug verweigert worden. Hierfür erhielt er von der Fluggesellschaft 250 €, bemessen an Entfernung von Paris und München. Mit seiner Klage begehrte er einerseits eine Ausgleichszahlung, die sich an der Entfernung der gesamten, statt nur der verweigerten Flugstrecke bemisst, sowie die Auszahlung der Zinsen auf den Betrag.
Das Amtsgericht Erding gab der Klage nur hinsichtlich der Zinsen durch ein Anerkenntnis der Beklagten statt. Weitere Zahlungen standen dem Kläger nicht zu, denn die beiden Flüge hatten eigene Flugnummern, sodass nur die von der Störung, hier der Beförderungsverweigerung, betroffene Strecke für den Ausgleichsanspruch maßgeblich war.
Tenor:
4. Auf ihr Anerkenntnis hin wird die Beklagte verurteilt, an den Kläger Zinsen aus 250 € in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz vom 15.03.2016 bis zum 23.03.2016 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
5. Die Parteien streiten um die Höhe der Ausgleichszahlung nach der VO (EG) 261/2004. Der Kläger verlangt von der Beklagten weitere 350 € Ausgleichszahlung, nachdem die Beklagte für die Nichtbeförderung auf einem von ihr durchgeführten Flug bereits eine Ausgleichzahlung in Höhe von 250 € geleistet hat.
6. Der Kläger verfügte über eine einheitliche bestätigte Buchung für die Flüge der Beklagten … von Lima nach Paris und … von Paris nach München am 08.02.2016. Die Entfernung zwischen Paris und München beträgt nach der Großkreismethode weniger als 1500 km, die Entfernung zwischen Lima und München mehr als 3500 km. Das Endziel München hätte um 19.45 Uhr erreicht werden sollen.
7. Der Kläger wurde mit dem Flug … planmäßig befördert. Auf dem Flug … wurde ihm die Beförderung verweigert, so dass er München mit einer Verspätung von 19 Stunden und 54 Minuten erreichte.
8. Der Kläger meint, dass für die Bemessung der Höhe der Ausgleichszahlung die Gesamtstrecke zugrundegelegt werden müsse. Maßgeblich sei der Zeitverlust, der aber unabhängig davon sei, auch welchem Flug die Störung auftrete.
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 350,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz vom 15.03.2016 bis 23.03.2016 aus einem Betrag von 600,00 € sowie seit dem 24.03.2016 aus einem Betrag von 350,00 € zu zahlen.
10. Die Beklagte hat die Zinsforderung auf 250 € vom 15.03.2016 bis 23.03.2016 anerkannt und beantragt im übrigen,
die Klage abzuweisen.
11. Die Beklagte meint, dass die Entfernung von Paris nach München zugrunde gelegt werden müsse. Die Flüge seien grundsätzlich einzeln zu prüfen. Art. 7 Abs. 1 S.2 der Verordnung enthalte lediglich eine Regelung des Endziels, sage jedoch nichts zum Ausgangspunkt der Entfernungsbestimmung.
12. Zur Ergänzung des Tatbestands wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 07.03.2017.
13. Die Klägerin hat beantragt, die Berufung zuzulassen.
Entscheidungsgründe:
14. Soweit die Beklagte hinsichtlich der Zinsen die Forderung anerkannt hat, war sie dem Anerkenntnis entsprechend zu verurteilen.
15. Im Übrigen ist die Klage zulässig, aber unbegründet. Der Kläger hat wegen der Nichtbeförderung auf dem gebuchten Flug der Beklagten von Paris nach München einen Anspruch auf Leistung einer Ausgleichszahlung in Höhe von 250,00 € erworben, der durch Erfüllung bereits erloschen ist. Ein darüber hinausgehender Anspruch auf Leistung einer Ausgleichzahlung besteht nicht.
16. Bei der Bemessung der Entfernung nach Art. 7 der Verordnung werden die Flüge berücksichtigt, auf die sich die Störung ausgewirkt hat. Auch bei einheitlicher Buchung sind die durch durch unterschiedliche Flugnummern gekennzeichnete Flüge für das Bestehen von Ansprüchen aus der Verordnung grundsätzlich getrennt zu betrachten. Entsprechend bestehen nach ständiger Rechtsprechung etwa auch bei einheitlicher Buchung und zeitlichem Zusammenhang regelmäßig keine Ansprüche aus der Verordnung, wenn etwa lediglich ein zweiter Flug, dessen Abflugort außerhalb des Anwendungsbereichs der Verordnung liegt verspätet ist oder annulliert wird. Eine Einbeziehung weiterer Flüge einer einheitlichen Buchung nimmt Art. 7 I S. 2 der Verordnung für den Fall vor, dass infolge der Annullierung ein Endziel später erreicht wird. In die Entfernungsbestimmung einbezogen werden dabei Anschlussflüge, in denen sich die Störung eines streitgegenständlichen Flugs noch auf den Folgeflug auswirkt und in diesem Sinne der Störung des vorangegangenen Fluges noch zurechenbar ist und zudem keiner der berücksichtigten Flüge im Vergleich zur Flugplanung störungsfrei durchgeführt wurde. Darüber, ob auch vorangegangene planmäßig durchgeführte Flüge einzubeziehen sind, trifft Art. 7 keine Regelung. In diesem Fall gebietet es auch die Interessenlage nicht, über den Wortlaut hinaus auch solche Strecken einzubeziehen, die von der Störung – hier der Nichtbeförderung – nicht betroffen sind. Diese sind weder auf Seiten des ausführenden Unternehmens in diesem Sinne zurechenbar noch ist die Teilleistung für die Fluggäste auf dem ersten Flug wertlos geworden oder der Nichtbeförderung gleichzusetzen. Die Unannehmlichkeiten liegen – gerade im Fall der Nichtbeförderung – darin, dass eine Ersatzbeförderung notwendig wird und dadurch Verzögerungen entstehen. Diese Unannehmlichkeiten sind bei längeren noch ausstehenden Strecken typischerweise größer als bei kürzeren (vgl. für diesen Absatz insofern LG Leipzig, Urteil vom 10.11.2008, 6 S 319/08, BeckRS 2008, 24547). Auch der Verordnungsgeber scheint hier davon auszugehen, dass eine Ersatzbeförderung bei kürzeren Strecken mit geringerem Aufwand und somit geringeren Unannehmlichkeiten ermöglicht werden kann, indem er den Luftfahrtunternehmen in Art. 7 Abs. 2 die Kürzung der Ausgleichsleistungen bei größerer Entfernung auch bei längeren Verspätungen einräumt. Im vorliegenden Fall ist etwa nicht ersichtlich, dass eine Ersatzbeförderung von Paris nach München – gegebenenfalls unter Einsatz anderer Verkehrsmittel – typischerweise mit ähnlichem Aufwand verbunden sein muss wie eine solche von Lima nach München. Es kann hier auch im Sinne eines zu gewährleistenden hohen Schutzniveaus für die Fluggäste der Schutz über den Wortlaut der Verordnung hinaus der Anspruch nicht ohne Weiteres ausgedehnt werden. Die Bemessung der Entfernung nach den betroffenen Flügen wird hier auch unter Berücksichtigung eines hohen Schutzniveaus den Interessen über den Einzelfall hinaus gerecht.
17. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 1, Nr. 11, 711, 709 ZPO.
18. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 II Nr. 1 ZPO.
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