Nachtflug bei Billigreise Reisemangel

AG Düsseldorf: Nachtflug bei Billigreise Reisemangel

Vorliegend buchten die Kläger bei der Beklagten eine Flugpauschalreise. Der Hin-sowie der Rückflug fanden zu ungünstigen Zeiten statt. Insbesondere der Hinflug fand Nachts statt, sodass die Kläger erst morgens am Zielort ankamen. Sie verlangen hierfür eine Reisepreisminderung.

Das AG Düsseldorf entschied, dass kein Reisemangel vorliegt, da es bei einem solch preisgünstigen Angebot nicht gerade untypisch ist, dass die Flugzeiten auch nachts stattfinden. Nur durch eine derartige Zeitorganisation kann dem steigenden Interesse der Reisenden an günstigen zu touristisch begehrten Zielen Rechnung getragen werden.

AG Düsseldorf 56 C 13943/05 (Aktenzeichen)
AG Düsseldorf: AG Düsseldorf, Urt. vom 15.02.2006
Rechtsweg: AG Düsseldorf, Urt. v. 15.02.2006, Az: 56 C 13943/05
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Nordrhein-Westfalen-Gerichtsurteile

Amtsgericht Düsseldorf

1. Urteil vom 15. Februar 2006

Aktenzeichen 56 C 13943/05

Leitsätze:

2. Im Zeitalter des Massentourismus stellt es ohne besondere Zusicherung keinen Reisemangel dar, wenn Abflüge bei Flugpauschalreisen, die besonders kostengünstig sind, in „Touristenhochburgen“ auch zu Nachtzeiten durchgeführt werden.

Nur durch eine derartige Zeitorganisation kann dem steigenden Interesse der Reisenden an preisgünstigen Flugreisen zu touristisch begehrten Zielen Rechnung getragen werden.

Zusammenfassung:

3. Im vorliegenden Fall buchten die Kläger eine Flugpauschalreise bei der Beklagten. Da es sich bei dem Hinflug um einen Nachtflug handelte, machen die Kläger reisevertragliche Gewährleistungsansprüche geltend. Sie sahen in der späten Flugzeit einen Reisemangel.

Das AG Düsseldorf sprach den Klägern keine Reisepreisminderung wegen der späten Flugzeit zu. Die genaue Abflugzeit haben die Kläger und die Beklagte nicht vertraglich vereinbart. Dies ist der Reisebestätigung zu entnehmen und ist deswegen auch keine geschuldete Pflicht seitens der Beklagten gewesen.

Dass ungünstige Flugzeiten im Zeitalter des Massentourismus, ohne besondere Zusicherung keinen Reisemangel darstellen ist gerade bei Flugpauschalreisen, die besonders günstig angeboten worden, kein Reisemangel allgemein anerkannt. Nur durch eine derartige Zeitorganisation kann dem steigenden Interesse der Reisenden an preisgünstigen Flugreisen zu touristisch begehrten Zielen Rechnung getragen werden. So verhält es sich auch mit der von den Klägern bemängelten Flugzeit des Rückfluges. Die Klage ist folglich unbegründet.

Tenor:

4. Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden den Klägern zu jeweils 50 % auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

5. Von der Darstellung des Tatbestands wird gemäß § 313 a Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

6. Die Klage, mit der zunächst beide Kläger und nach Rücknahme der Klage durch die Klägerin zu 1) nur noch der Kläger zu 2) reisevertragliche Gewährleistungsansprüche für eine bei der Beklagten gebuchte Flugpauschalreise in die Türkei vom 29.05.2005 bis zum 12.06.2005 geltend machen, ist unbegründet.

7. Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Zahlung der geltend gemachten Reisepreisminderung i.H.v. 410,00 EUR gemäß § 651d Abs. 1 BGB zu.

8. Der Zeitpunkt der Hinreise mit Abflug kurz vor Mitternacht vom 29.05.2005 auf den 30.05.2005 stellt keinen minderungsrelevanten Reisemangel i.S.v. § 651d Abs. 1 BGB dar.

9. Ausweislich der vom Kläger selbst vorgelegten Reisebestätigung vom 18.01.2005 war eine bestimmte Abflugzeit nicht vertraglich zugesichert worden und damit nicht von der Beklagten geschuldet. Im Zeitalter des Massentourismus stellt es ohne besondere Zusicherung keinen Reisemangel dar, wenn Abflüge bei Flugpauschalreisen in der vom Kläger und seiner Ehefrau gebuchten Preiskategorie (Reisepreis von 63,29 EUR pro Person pro Tag bei All-Inklusiv-Verpflegung und inkl. Fluganteil) in „Touristenhochburgen“ auch zu Nachtzeiten durchgeführt werden. Nur durch eine derartige Zeitorganisation kann dem steigenden Interesse der Reisenden an preisgünstigen Flugreisen zu touristisch begehrten Zielen Rechnung getragen werden.

10. Ein Abflug in den späten Abendstunden und damit eine Ankunft erst am Morgen des folgenden Tags stellt daher im vorliegenden Fall eine entschädigungslos hinzunehmende Unannehmlichkeit, jedoch keinen zur Minderung berechtigenden Reisemangel dar. Dabei war auch zu berücksichtigen, dass dem Anreisetag aus den vorstehenden Gründen nach nahezu einhelliger Ansicht in der reiserechtlichen Rechtsprechung und Literatur kein besonderer Erholungswert zugemessen wird. Mangels vertraglicher Vereinbarung eines bestimmten Abflugzeitpunkts stand der Beklagten ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht gemäß § 315 BGB zu, dessen Ausübung aus den vorstehenden Gründen nicht unbillig war. Es hätte den Klägern insofern frei gestanden, die Reise zu einem entsprechend höheren Reisepreis bei einem Veranstalter zu buchen, der eine bestimmte Abflugzeit oder einen Linienflug als Fixgeschäft zusichert, wodurch ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht des Reiseveranstalters ausgeschlossen gewesen wäre.

11. Dem Kläger steht auch kein Minderungsanspruch wegen der von ihm behaupteten „Verzögerung“ des Rückflugs auf insgesamt 10 Stunden zu.

12. Eine bestimme Rückflugzeit war ebenfalls vertraglich nicht zugesichert. Ebenso wenig lässt sich der Reisebestätigung die Zusicherung eines Direkt- oder Non-Stop-Fluges von X nach X entnehmen, weshalb der Kläger mit einer Verlängerung der Rückreise durch Zwischenlandungen rechnen musste. Dies stellt im Zeitalter des Massentourismus ohne entgegenstehende vertragliche Zusicherung des Reiseveranstalters ebenfalls eine bloße Unannehmlichkeit und keinen zur Minderung berechtigenden Reisemangel i.S.v. § 651d Abs. 1 BGB dar (vgl. Führich, Reiserecht, 4. Aufl., Rn. 232 m.w.N.).

13. Der vom Kläger behauptete Verkehrslärm vor seinem Hotelzimmer begründet ebenfalls keinen Minderungsanspruch gemäß § 651d Abs. 1 BGB.

14. Ausweislich der Reisebestätigung hatte der Kläger gerade kein Zimmer zur Meerseite, sondern zur Landseite hin gebucht. Dies ergibt sich aus der ausdrücklichen Erwähnung „Landblick“. Aus Sicht eines verständigen Durchschnittsreisenden, auf den bei der Auslegung des Reisevertrags gemäß §§ 133, 157 BGB abzustellen ist, war daher damit zu rechnen, dass das Hotelzimmer zur Straßenseite hin mit dem für „Touristenhochburgen“ typischen Verkehrsaufkommen gelegen ist. Eine besonderes ruhige Lage des Zimmers mit Landblick war weder ausdrücklich von der Beklagten zugesichert worden, noch ist in ihrer Katalogbeschreibung hiervon die Rede. Vielmehr heißt es dort ausdrücklich, dass das Hotel „verkehrsgünstig gelegen“ ist, was bei der nach§§ 133, 157 BGB  gebotenen objektiven Auslegung aus Sicht eines Durchschnittsreisenden entsprechenden Straßenlärm bei einem Zimmer mit Landblick erwarten ließ.

15. Es ist insoweit unerheblich, ob die Kläger die Hotelbeschreibung der Beklagten bei der Buchung kannten. Denn nach herrschender reiserechtlicher Ansicht muss sich ein Reiseveranstalter zwar den Inhalt der vom ihm selbst herausgegebenen Hotelbeschreibungen zurechnen lassen, und zwar unabhängig davon, ob der Reisende hiervon Kenntnis hatte. Wenn aber ein Reisender die im Katalog des Veranstalters beschriebene Reiseleistung über einen Reisevermittler bucht (hier: Buchung über ein Angebot der Fa. Travel-Shop im Fernsehen), ohne sich durch Einsichtnahme in die Leistungsbeschreibung des Reiseveranstalters vom vertraglich geschuldeten Leistungsumfang Kenntnis zu verschafften, kann sich der Reisende jedenfalls gegenüber dem Reiseveranstalter nicht nachträglich auf die fehlende Kenntnis von entsprechenden Hinweisen auf mögliche Lärmbeeinträchtigungen berufen. Es bedurfte für den vorliegenden Rechtsstreit keiner Entscheidung darüber, ob und ggfs. in welche Ansprüche dem Kläger gegen den Reisevermittler zustehen.

16. Auch der vom Kläger behauptete Baulärm von einer auf der anderen Straßenseite gelegenen Baustelle vermag einen Minderungsanspruch nicht zu begründen. Gleiches gilt für die behauptete lärmbedingte Nichtbenutzbarkeit des Balkons.

17. Der Kläger, der für das Vorliegen eines Reisemangels i.S.v. § 651d Abs. 1 BGB darlegungspflichtig ist, hat bereits nicht dargetan, aufgrund welcher Zusicherung der Beklagten die Existenz eines Balkons vertraglich geschuldet gewesen sein soll. Die Reisebestätigung enthält keine Zusicherung eines Balkons für jedes Zimmers mit Landblick; gleiches gilt für die Katalogbeschreibung der Beklagten. Der Kläger hat auch nicht behauptet, jedes Hotelzimmer in X zur Landseite in einem Fünf-Sterne-Hotel (nach türkischen Standards) verfüge über einen Balkon (dies ist im Übrigen nicht der Fall, was dem Gericht aus anderen reiserechtlichen Verfahren bekannt ist). Die Nichtnutzbarkeit des Balkons als vertraglich nicht geschuldete Leistung stellt daher keinen Reisemangel dar.

18. Dass der behauptete Baggerlärm, der nach Klägervortag nur tagsüber geherrscht haben soll, einen Aufenthalt im Zimmer nicht nur unerheblich beeinträchtigt hat, lässt sich seinem Vortag nicht entnehmen. Dessen ungeachtet ergibt sich aus dem vom Kläger zur Akte gereichten Lichtbild, dass sich die dort abgebildete Baustelle nicht direkt neben dem Hotel des Klägers befand, sondern in beträchtlicher Entfernung. Im Hinblick auf den Umstand, dass dem Kläger keine besonders ruhige Zimmerlage, kein Balkon und auch keine besonders ruhige Hotelumgebung zugesichert wurde, ist daher davon auszugehen, dass die Benutzbarkeit des Hotelzimmers durch den Baulärm tagsüber allenfalls bei geöffnetem Fenster so geringfügig beeinträchtigt war, dass nur eine bloße Unannehmlichkeit vorlag. Eine darüber hinausgehende Beeinträchtigung durch Verkehrslärm begründet aus den oben dargelegten Gründen ebenfalls keinen Minderungsanspruch.

19. Unerheblich ist auch, dass der Kläger – wie sich aus seiner umfangreichen vorgerichtlichen Korrespondenz mit der Beklagten ergibt – wegen einer Überempfindlichkeit seiner Augen die Klimaanlage nicht nutzen konnte. Diese subjektive Einschränkung der Inanspruchnahme der vertraglich geschuldeten Leistungen ist der Beklagte nicht zuzurechnen. Der Kläger hat auch nicht behauptet, seine persönliche Konstitution bei der Buchung der Reise gegenüber der Beklagten offenbart und zum Gegenstand einer entsprechenden vertraglichen Zusicherung gemacht zu haben.

20. Soweit der Kläger in dem mit Schriftsatz vom 30.12.2005 zur Akte gereichten, selbst verfassten Schreiben vom 31.12.2005 als Mangel rügt, im Hotel hätten sich „ewig schreiende Kinder zu den Mahlzeiten“ sowie Kinder, die sich bis nach Mitternacht mit Geschrei aufhielten und „durch die Lobby tobten“ befunden, begründet auch dies keinen Minderungsanspruch. Ein Reisemangel i.S.v. §651d Abs. 1 BGB ist nicht ersichtlich. Eine besonders ruhige Hotelanlage war dem Kläger nach eigenem Vortrag ebenso wenig von der Beklagten zugesichert worden wie ein bestimmtes Mindestalter der Hotelgäste. Die Existenz von Kindern mit den damit verbundenen Spielgeräuschen in einem Hotel in der vom Kläger gebuchten Kategorie in X in der Reisezeit von Ende Mai bis Mitte Juni stellt daher keinen Reisemangel dar.

21. Ein Minderungsanspruch des Klägers gemäß § 651d Abs. 1 BGB besteht auch nicht im Hinblick auf die Hotelverpflegung.

22. Insoweit ist die Klage bereits unschlüssig, da der Vortrag des Klägers unter Berücksichtigung seiner zur Akte gereichten selbst verfassten vorgerichtlichen Schreiben einen minderungsrelevanten Reisemangel nicht erkennen lässt. Die vom Kläger beschriebene Speisenauswahl (2-3 Mahlzeiten zur Auswahl mit verschiedenen Beilagen (Nudeln, Pommes Frites, Reis, Kartoffeln), Salatbuffet, Suppen, frisch gegrillter Fisch und Fleisch / Hähnchen, Hackbällchen, Bratwürstchen, diverses Gemüse) ist landestypisch und unter Berücksichtigung des Reisepreises ausreichend.

23. Ebenfalls kein Reisemangel, sondern eine im Zeitalter des Massentourismus entschädigungslos hinzunehmende Unannehmlichkeit sind die vom Kläger behaupteten Warteschlangen am Buffet. Gerade in großen Hotelanlagen, wie der vom Kläger gebuchten, ist es bei erhöhtem Gästeaufkommen hinzunehmen, dass es am Buffet zu einem größeren Andrang kommt. Der Kläger hat im Übrigen auch nicht konkret dargelegt, an welchen genauen Tagen und wie oft er infolge der von ihm behaupteten Service-Mängel kaltes Essen hatte. Es ist zudem nicht ersichtlich, dass und warum es ihm (in zumutbarer Weise) nicht möglich gewesen wäre, Essenszeiten wahrzunehmen, in denen kein so großer Andrang herrschte. Es ist dem erkennenden Gericht aus einer Vielzahl reiserechtlicher Fälle und auch aus eigener Wahrnehmung hinreichend bekannt, dass es in Hotel-Großanlagen (vorliegend 310 Familienzimmer und 90 Standardzimmer) vor allem in der Mitte der Essenszeiten zu großem Andrang kommen kann, während zu Beginn und gegen Ende der Essenszeiten im Regelfall weniger Hotelgäste anwesend sind. Die hierdurch gebotene Anpassung der individuellen Essgewohnheiten stellt eine bloße Unannehmlichkeit dar, die entschädigungslos hinzunehmen ist.

24. Da ein durchsetzbarer Hauptanspruch nicht besteht, steht dem Kläger auch kein Anspruch auf Ersatz nicht anrechenbarer Rechtsanwaltsgebühren i.H.v. 58,87 EUR als Verzugsschaden gemäß §§ 280 Abs. 2, 286 Abs. 1 BGB oder aus sonstigem Rechtsgrund zu.

25. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 269 Abs. 3 S. 2 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO. Für die Zulassung der Berufung bestand keine Veranlassung; es liegt kein Zulassungsgrund i.S.v. § 511 Abs. 4 ZPO vor.

26. Streitwert: 468,87 EUR

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