Abweichung von Reisevertrag

AG Bad Homburg: Abweichung von Reisevertrag

Ein Teilnehmer einer Fahrradreise verlangt von seinem Reiseveranstalter eine nachträgliche Preisminderung, weil im Verlauf der Reise von den angekündigten Hotels und Streckenetappen abgewichen wurde.

Das Amtsgericht Bad Homburg hat dem Kläger Recht zugesprochen. In der einseitigen Entscheidung zur Änderung von wesentlichen Vertragsbestandteilen sei ein reiserechtlicher Mangel zu sehen, der zu einem Anspruch auf Schadensersatz führe.

AG Bad Homburg 2 C 2973/07 (19) (Aktenzeichen)
AG Bad Homburg: AG Bad Homburg, Urt. vom 19.02.2008
Rechtsweg: AG Bad Homburg, Urt. v. 19.02.2008, Az: 2 C 2973/07 (19)
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Hessen-Gerichtsurteile

Amtsgericht Bad Homburg

1. Urteil vom 19. Februar 2008

Aktenzeichen: 2 C 2973/07 (19)

Leitsatz:

2. Bei Änderung der vereinbarten Unterkünfte sowie der Tagesetappen bei einer Fahrradreise besteht ein Anspruch aus Schadensersatz

Zusammenfassung:

3. Der Kläger buchte bei dem Beklagten, einem privaten Reiseunternehmer, eine Fahrradreise. Der Beklagte behielt sich seinerseits vor, die Unterkünfte während der Tour frei festzulegen. Noch vor Reiseantritt sendete er dem Kläger eine Liste mit den entsprechenden Hotels sowie den hieraus resultierenden Tagesetappen zu.

Weil im Laufe der Reise von einzelnen Hotels sowie der entsprechenden Strecke der Tagesetappen abgewichen wurde, verlangt der Kläger nun vom Veranstalter Schadensersatz wegen einer mangelhaften Reiseleistung.

Das Amtsgericht Bad Homburg hat dem Kläger Recht zugesprochen. Grundsätzlich hatte der Beklagte die Möglichkeit, die Hotels nach eigenem Ermessen auszuwählen. Durch die Zusendung der Hotelliste machte er jedoch von seinem Ermessen gebrauch. In der Folge trat eine Konkretisierung i.S.d. § 243 Abs. 2 BGB ein.

Der Veranstalter schulde dem Kläger eine Reise, die keine Schlechtleistung beinhalte und in ihren wesentlichen Grundzügen der Buchung entspreche.
Erfolge die Übernachtung nicht in den auf der Liste genannten Hotels, so liege ein Reisemangel vor.

Selbiges gelte für die unmittelbar mit der Unterkunft verbundene Länge der Tagesetappen. Weil das tatsächlich genutzte Hotel von dem vereinbarten abwich, war der Kläger gezwungen sein Tagespensum zu steigern und seine anderweitig verplante Urlaubszeit für die Fahrt aufzuwenden.
Auch hieraus ergebe sich ein Schadensersatz wegen einer mangelhaften Reiseleistung nach §651 c BGB.

Tenor:

4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 183,30 Euro nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 27.07.2007 zu zahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 42%, die Beklagte 58% zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

5. Da ein Rechtsmittel gegen das Urteil unzweifelhaft nicht eingelegt werden kann, bedurfte es der Darstellung eines Tatbestandes nicht (§ 313 a ZPO).

Entscheidungsgründe

6. Die Klage ist teilweise begründet.

7. Der Kläger kann von der Beklagten die Rückerstattung eines weiteren Teils des Reisepreises von 183,30 Euro verlangen. Er hat einen Anspruch auf Minderung in Höhe von 296,10 Euro abzüglich vorprozessual gezahlter 112,80 Euro aus § 651 d BGB. Denn die von der Beklagten veranstaltete Reise war teilweise mangelhaft im Sinne von § 651 c BGB.

8. So stellt es einen Mangel der Reise dar, dass der Kläger nach seinem unwidersprochen gebliebenen Vortrag fünf von den acht bei der Beklagten gebuchten Übernachtungen in anderen Hotels als in der von der Beklagten vor Reiseantritt übermittelten Hotelliste vornehmen musste. Die Beklagte war nach dem Inhalt des Reisevertrages verpflichtet, dem Kläger Unterkünfte in den in der besagten Liste aufgeführten Hotels zur Verfügung zu stellen.

9. Zwar sind dem Kläger ausweislich der Reisebestätigung vom 24.05.2007 noch keine konkreten Hotels, in denen die Übernachtungen während der Radreise erfolgen sollten, mitgeteilt worden. Der Beklagten wurde stattdessen das Recht eingeräumt, besagte Unterkünfte vor Reiseantritt nach billigem Ermessen durch einseitige Erklärung gegenüber dem Kläger gemäß § 315 BGB festzulegen. Von diesem Ermessen hat die Beklagte indessen durch die vor Reiseantritt erfolgte Zusendung der Hotelliste Gebrauch gemacht, in welcher sie dem Kläger bestimmte Hotels, in denen die jeweiligen Übernachtungen erfolgen sollten, benannt hat. Durch den Zugang der Hotelliste ist eine Konkretisierung der von der Beklagten geschuldeten Unterbringungsleistung gemäß § 243 Abs. 2 BGB mit der Folge eingetreten, dass die in der Liste aufgeführten Hotels Bestandteil der von der Beklagten zu erbringenden Leistung geworden sind.

10. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Beklagte am unteren Ende der Liste die Klausel „Änderungen sind möglich“ abgedruckt hat. Hierin kann kein wirksamer Leistungsänderungsvorbehalt erblickt werden, da ein solcher nicht einseitig von einer Vertragspartei nach Abschluss des Vertrages erklärt werden kann, sondern einer vertraglichen Grundlage bedarf. Der Beklagten hätte mithin nur dann ein einseitiger Leistungsänderungsvorbehalt zur Seite gestanden, wenn sie in ihren allgemeinen Reisebedingungen einen solchen aufgenommen hätte und die ARB der Beklagten in den mit dem Kläger abgeschossenen Reisevertrag einbezogen worden sind.

11. Hierzu hat die Beklagte nichts vorgetragen. Letztendlich kommt es hierauf jedoch nicht an, da die Beklagte auch im Falle eines wirksam vereinbarten Leistungsänderungsvorbehalts zu den konkret erfolgten Umquartierungen des Klägers nicht berechtigt gewesen wäre. Ein Leistungsänderungsvorbehalt in den Allgemeinen Reisebedingungen der Beklagten wäre nach § 308 Nr. 4 BGB nur dann wirksam, wenn er sich auf solche Änderungen der Reiseleistungen beschränkte, die dem Reisenden zumutbar sind. Zumutbarkeit ist nur dann anzunehmen, wenn die Änderung nach Vertragsschluss nicht wider Treu und Glauben herbeigeführt wird (vgl. Führich, Reiserecht 5. Aufl. Rn. 170). Im vorliegenden Fall verstößt die von der Beklagten vorgenommene teilweise Auswechslung der in der Hotelliste aufgeführten Beherbergungsbetriebe indessen gegen Treu und Glauben, da sie lediglich dazu diente, die Folgen eines eigenen Organisationsverschuldens der Beklagten zumindest teilweise wieder auszugleichen. Sinn und Zweck eines Leistungsänderungsvorbehalts ist es jedoch nicht, dem Reiseveranstalter eine Möglichkeit an die Hand zu geben, eigene Fehlleistungen durch einseitige Änderung des Vertragsgefüges im Nachhinein zu legalisieren.

12. Bei der Bemessung der sich aus der mithin vertragswidrigen Zuweisung anderer Quartiere ergebenden Minderung ist zu berücksichtigen, dass ein Reisender, der eine Fahrradreise von Ort zu Ort bucht, dem Unterkommen in bestimmten Hotels, regelmäßig nicht dieselbe beimessen wird, als dies bei einem Reisenden der Fall ist, der einen mehrtägigen Aufenthalt in einem bestimmten Hotel gebucht hat. Von daher erscheint für die abweichende Unterbringung des Klägers in den Orten … und eine Minderung des jeweiligen Tagesreisepreises um lediglich 10% gerechtfertigt.

13. Diese Erwägung gilt jedoch nicht für das von dem Kläger für die zweite Übernachtung zugewiesene Hotel in Aschach, da es sich hierbei nicht nur um ein anderes als das in der Hotelliste aufgeführte Hotel handelte, sondern es zudem noch in einer anderen Gemeinde als das vorgesehene Hotel gelegen war. Dies führte dazu, dass der von dem Kläger gebuchte Zuschnitt der ersten Radetappe in erheblichem Umfang zum Nachteil des Klägers verändert wurde, da er am ersten Reisetag mit dem Fahrrad nicht lediglich cirka 42 Kilometer – wie in der Prospektbeschreibung der Beklagten ausgeschrieben – sondern cirka 65 Kilometer zurücklegen musste. Die mit der vertragswidrigen Änderung des Übernachtungsortes verbundene Verlängerung der ersten Reiseetappe des Klägers auf das 1 ½ -fache der vereinbarten Strecke rechtfertigt nach Ansicht des erkennenden Gerichts eine Minderung des auf den zweiten Reisetag entfallenden Tagesreisepreises um 40%.

14. Ebenfalls zu mindern ist der auf den dritten Reisetag entfallende anteilige Reisepreis, da der vorgenannte Mangel auch auf diesen Tag ausstrahlte. Denn die vertragswidrige Übernachtung des Klägers in Aschach führte zwangsläufig dazu, dass sich die für den dritten Tag vorgesehene Radetappe von cirka 38 Kilometern auf nur noch 15 Kilometer verkürzte, so dass der Kläger die auf diesen Tag entfallende Reisezeit nicht wie vorgesehen nutzen konnte. Hierfür erscheint eine weitere Minderung des auf den dritten Reisetag entfallenden anteiligen Reisepreises um 10% gerechtfertigt.

15. Schließlich vermag der Kläger den Reisepreis auch deshalb zu mindern, weil die Beklagte ihre Organisationspflichten im Zusammenhang mit der Durchführung der Reise verletzt hat. Es ist allgemein anerkannt, dass der Reiseveranstalter verpflichtet ist, die Reise in ihrer Gesamtheit mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns zu erbringen; er schuldet daher nicht nur die Durchführung der einzelnen Reiseleistungen der Leistungsträger, sondern auch die gewissenhafte Reisevorbereitung und ordnungsgemäße Organisation, so dass der Reisende die versprochenen Leistungen voll für den Reisezweck nutzen kann (vgl. Führich a. a. O. Rn. 137). Diese Pflicht hat die Beklagte in erheblichem Maße verletzt, indem sie für den Kläger die vertraglich geschuldeten Hotels entlang des … radwegs vor Reiseantritt nicht reserviert hat, sondern aufgrund eines vermeidbaren Versehens Unterkünfte entlang einer Route um den … für den Kläger reservierte. Die sich aus dem vorgenannten Organisationsmangel ergebende Störung des Urlaubsgenusses des Klägers infolge der ständigen Ungewissheit über das nach den einzelnen Radetappen jeweils zu belegende Quartier bewertet das Gericht mit einer weiteren Minderung des Reisepreises um 15%.

16. Weitergehende Minderungsansprüche stehen dem Kläger nicht zu.

17. Soweit sein Koffer in dem Hotel in … erst am Abend des dritten Reisetages eingetroffen sein sollte, dürfte sich dieser Umstand auf die Gebrauchstauglichkeit der Reise nicht so sehr ausgewirkt haben, dass hierfür eine weitere Minderung gerechtfertigt wäre (vgl. § 651 c Abs. 1 BGB). Entsprechendes gilt für das fehlende Telefon in seinem Zimmer in dem Hotel in

18. Der weitere Vortrag des Klägers zu dem angeblich niedrigeren Hotelstandard der in und in … bewohnten Ersatzunterkünfte beschränkt sich auf eine subjektive Wertung, deren Überprüfung dem Gericht nicht möglich ist. Soweit dem Kläger in dem Hotel in … zum Frühstück alter Käse serviert wurde, liegt hierin nicht mehr als eine ersatzlos hinzunehmende Unannehmlichkeit.

19. Insgesamt ergibt sich mithin folgende Endabrechnung:

20.

a) zweiter Reisetag 40% = 56,40 Euro
b) dritter Reisetag 20% = 28,20 Euro
c) vierter Reisetag 10% = 14,10 Euro
d) sechster Reisetag 10% = 14,10 Euro
e) siebter Reisetag 10% = 14,10 Euro
f) Organisationsmangel 15% = 169,20 Euro
Zwischensumme: 296,10 Euro
vorprozessuale Zahlung – 112,80 Euro
Endsumme: 183,30 Euro

21. Nach alledem war der Klage in dem aus der Urteilsformel ersichtlichen Umfang stattzugeben.

22. Der geltend gemachte Zinsanspruch ist aus §§ 286, 288 BGB begründet.

23. Der Antrag des Klägers auf Gewährung eines Schriftsatznachlasses war zurückzuweisen, da die Klageerwiderung kein neues tatsächliches Vorbringen enthält, das bei der Entscheidung des Gerichts zu Lasten des Klägers zu berücksichtigen war.

24. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.

25. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.

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