Selbstabhilfe bei verpasstem Anschlussflug Kreuzfahrt
LG Köln: Selbstabhilfe bei verpasstem Anschlussflug Kreuzfahrt
Ein Reisender nimmt eine Fluggesellschaft auf Schadensersatz in Anspruch, für einen Ersatzflug wegen nebelbedingten Flugausfall.
Das Gericht entschied, die Klage als unbegründet abzuweisen.
LG Köln | 15 O 356/07 (Aktenzeichen) |
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AG Leipzig: | AG Leipzig, Urt. vom 03.07.2008 |
Rechtsweg: | AG Leipzig, Urt. v. 03.07.2008, Az: 15 O 356/07 |
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Leitsatz:
2. Ein Fluggast kann sich nur im angemessenen und erforderlichen Rahmen selbst helfen.
Zusammenfassung:
3. Im vorliegenden Fall buchte der Kläger für sich und seine Familie eine Mittelmeer Kreuzfahrt. Die Familie wollte mit dem Flugzeug zu der Kreuzfahrt reisen. Der erste Flug hatte jedoch aufgrund von Nebel Verspätung und deswegen verpasste der Kläger und seine Frau den Anschlussflug. Um die Kreuzfahrt noch rechtzeitig zu erreichen half sich der Kläger selbst, indem er eine Maschine der Stuttgarter Fluggesellschaft buchte.
Der Kläger begehrt Schadensersatz für die Kosten des Ersatzflugs.
Das Gericht entschied, die Klage als unbegründet abzuweisen. Die Erstattung der Mehrkosten für die Inanspruchnahme des Flugdienstes kommt allein ein Anspruch aus §§ 631; 280 Abs. 1, 3; 281 BGB auf Schadensersatz statt der Leistung in Betracht. Jedoch scheitert ein derartiger Anspruch in Anbetracht von § 254 BGB und § 282 BGB. Der Kläger hat der Fluggesellschaft beim Anruf bei der Hotline nicht mitgeteilt, wie dringlich eine Eratzmöglichkeit für den verpassten Flug ist und somit der Fluggesellschaft keine Möglichkeit gegeben, dem Fluggast eine Alternative anzubieten. Der gebuchte Ersatzflug war mithin weder angemessen, noch erforderlich, da eine Alternative Flugmöglichkeit möglich gewesen wäre.
Tenor:
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Geldbetrages vorläufig vollstreckbar.1
Tatbestand:
5. Der Kläger buchte für sich und seine Ehefrau am 04.02.2006 eine Reise, bestehend aus einer einwöchigen Kreuzfahrt auf dem Kreuzfahrtschiff Z im Mittelmeer sowie eines anschließenden dreitägigen Hotelaufenthaltes in Nizza zu einem Preis von 10.900,00 Euro. Zur Anreise nach S, von wo aus das Kreuzfahrtschiff am 16.09.2006 um 18:00 Uhr ab D starten sollte, war ein Flug geplant, der von der Beklagten durchgeführt werden sollte. Hierzu sollten der Kläger und seine Ehefrau zunächst mit dem Flug, Flug-Nr. …, von T nach N befördert werden. Dieser Flug sollte in T um 09:05 Uhr starten und in N um 10:00 Uhr landen. Anschließend sollten der Kläger und seine Ehefrau mit dem Flug, Flug-Nr. …1, mit Abflug um 10:55 Uhr in N und Ankunft um 12:25 Uhr in S weiterbefördert werden. Tatsächlich startete der Flug von T nach N mit einer Verspätung, nämlich mit Abflug ab T erst um 10:17 Uhr und Ankunft am Flughafen N erst um 11:21 Uhr. Da der als Weiterflug vorgesehene Flug nach S pünktlich den Ner Flughafen verließ, konnte dieser vom Kläger und seiner Ehefrau nicht erreicht werden.
6. Vom Flughafen N aus hat der Kläger die Hotline der Beklagten kontaktiert, wobei der Inhalt dieses Gespräches, das zwischen dem Kläger und dem Zeugen L stattfand, im Einzelnen streitig ist. Jedenfalls wurde im Rahmen dieses Telefonats von der Beklagten eine Umbuchung auf einen Flug von N nach S mit Abflug um 19:20 Uhr angeboten, was vom Kläger zunächst angenommen wurde. Sodann hat der Kläger telefonisch die Z kontaktiert, um zu klären, ob das Schiff auf den mit diesem späteren Flug eintreffenden Kläger und seine Ehefrau warten könne, was jedoch verneint wurde. Anschließend beauftragte der Kläger den T Flugdienst mit der Durchführung eines Fluges von N nach S. Die Maschine des Stuttgarter Flugdienstes startete in T um 14:13 Uhr, landete in N um 14:38 Uhr, startete sodann in N um 15:12 Uhr und landete in S um 16:40 Uhr. Für die Flugstrecke von N nach S stellte der T Flugdienst einen Betrag von 7.800,00 Euro in Rechnung, der vom Kläger beglichen wurde. In S haben der Kläger und seine Ehefrau ein Taxi genommen, um vom Flughafen zur Z befördert zu werden. Hierfür sind Kosten in Höhe von 250,00 Euro entstanden. Mit Schreiben vom 08.11.2007 (Blatt 11 – 13 d.A.) hat der Klägervertreter die Beklagte namens des Klägers aufgefordert, bis zum 17.11.2006 zu erklären, dass sie den entstandenen Schaden ersetzen werde, und bis zum 24.11.2006 den geforderten Betrag zu begleichen. Für die außergerichtliche Tätigkeit hat der Klägervertreter dem Kläger Kosten in Höhe von 718,40 Euro in Rechnung gestellt. Den zwischenzeitlich auf 19:20 Uhr umgebuchten Weiterflug hat der Kläger nicht mehr am fraglichen Reisetag, jedoch einige Zeit später storniert, woraufhin die Beklagte die Kosten erstattet hat. Die Ehefrau des Klägers hat am 16.07.2007 sämtliche Ansprüche gegenüber der Beklagten an den Kläger abgetreten (vergl. Blatt 52, 53 d.A.).
7. Der Kläger behauptet, er habe bereits auf dem Stuttgarter Flughafen den Mitarbeitern der Beklagten am Gate mitgeteilt, dass er den Anschlussflug unbedingt erreichen müsse. Hier sei ihm durch das Bodenpersonal mitgeteilt worden, dass das Flugzeug in N warten werde. Weiterhin habe er auch den Stewardessen auf dem Flug von T nach N mitgeteilt, dass und weshalb er den Anschlussflug unbedingt erreichen müsse. Auch diese hätten ihm bestätigt, dass das Bodenpersonal in N Bescheid wisse und der Anschlussflieger warten werde. Telefonisch habe er die Beklagte kontaktiert, da er sich, nachdem er in N gelandet war und feststellen musste, dass der Anschlussflieger den Flughafen bereits verlassen hatte, zum Hauptschalter der Beklagten begeben habe, wo jedoch mehrere hundert Leute gewartet hätten. Im Rahmen des Telefonats mit dem Zeugen L habe er ausdrücklich auch dargelegt, weshalb ein zeitnaher Anschlussflug für ihn wichtig war. Außer dem Angebot des Fluges mit Abflug um 19:20 Uhr habe die Beklagte jedoch überhaupt keine Bemühungen unternommen, den Kläger und seine Ehefrau rechtzeitig nach S zu befördern. Das Taxi in S habe er genommen, um die Z noch rechtzeitig zu erreichen.
9. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 8.768,40 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 8.050;00 Euro ab dem 08.11.2006, und aus 718,40 Euro ab dem 28.08.2007 zu zahlen.
12. Sie behauptet, der Flughafen N habe am 16.09.2006 zwischen 08:00 Uhr und 10:00 Uhr aufgrund durch Nebel beeinträchtigter Sichtbedingungen die Anflugrate von normalerweise 60 Flügen auf 35 Flüge reduziert, weshalb zahlreiche Maschinen auf eine Landeerlaubnis hätten warten müssen. Erst um 09:30 Uhr sei die Zahl der Landungen auf 42 und um 10:47 Uhr dann auf 58 erhöht worden. Der streitgegenständliche Flug habe deswegen wetterbedingt nicht rechtzeitig von T aus starten und in N landen können. Im Rahmen des Gesprächs zwischen dem Kläger und dem Zeugen L habe der Kläger nur nach dem nächstmöglichen freien Flug von N nach S gefragt. Hätte der Kläger die Dringlichkeit dargelegt, hätte die Beklagte ihm und seiner Ehefrau zwei freie Plätze auf dem Flug mit der Fluggesellschaft F, Flug.-Nr. …2, um 14:02 Uhr anbieten können.
13. Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 03.04.2008, Blatt 101 ff. der Akten durch Vernehmung der Zeugin X. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 29.05.2008, Blatt 111 ff, der Akten Bezug genommen.
14. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze der Parteien und der von ihnen überreichten Urkunden Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
15. Die Klage ist unbegründet.
16. Der Kläger hat aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz gegen die Beklagte.
17. Hinsichtlich der Erstattung der Mehrkosten für die Inanspruchnahme des T Flugdienstes kommt allein ein Anspruch aus §§ 631; 280 Abs. 1, 3; 281 BGB auf Schadensersatz statt der Leistung in Betracht. Ein derartiger Anspruch scheitert jedoch in Ansehung von § 254 BGB und § 282 BGB.
- 254 BGB beruht auf dem Rechtsgedanken, dass derjenige, der die Sorgfalt außer acht lässt, die nach Lage der Sache erforderlich erscheint, um sich selbst vor Schaden zu bewahren, den Verlust oder die Kürzung seines Schadensersatzanspruches hinnehmen muss (BGHZ 3, 46, 49; 9, 316, 318; BGH NJW 1964, 1670, 1671). § 254 BGB ist insofern eine besondere Ausprägung des allgemeinen Grundsatzes von Treu und Glauben (BGH NJW 1972, 334, 335).
18. Bei Anwendung dieser Rechtsgrundsätze muss die Klage abgewiesen werden. Denn unabhängig von der Frage, ob es dem Kläger hier sogar zuzumuten gewesen wäre, sich eigenständig bei anderen Fluglinien über eine kostengünstigere Weiterbeförderung zu informieren, wäre es jedenfalls aber erforderlich gewesen, die Beklagte vor Buchung des teuren Ersatzfluges mit dem T Flugdienst über die tatsächliche Sachlage in hinreichender Art und Weise zu informieren, um ihr die Gelegenheit zu geben, den Kläger und seine Ehefrau anderweitig – gegebenenfalls also auch durch Zuweisung eines Fluges mit einer anderen Fluglinie – nach S zu befördern.
19. Eine derartige – in erforderlicher Art und Weise erfolgte – Mitteilung an die Beklagte hat der Kläger nicht dargelegt. Zwar steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Kläger und seine Ehefrau mit den Bediensteten am Gate in T und den Stewardessen an Bord der Maschine von T nach N über die Sachlage gesprochen haben. Auf den Inhalt dieser Gespräche kommt es vorliegend jedoch nicht an. Denn selbst wenn bei diesen Gesprächen die Sachlage genau thematisiert worden ist, kann darin keine hinreichende Information der Beklagten gesehen werden. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die am Gate bzw. im Flugzeug arbeitenden Personen für derartige buchungsorganisatorische Fragen die richtigen Ansprechpartner waren, es insoweit also bereits an der Empfangszuständigkeit dieser Personen fehlt. Empfangsbote ist, wer entweder vom Empfänger zur Entgegennahme von Erklärungen ermächtigt worden ist oder wer nach der Verkehrsauffassung als ermächtigt anzusehen ist, Willenserklärungen oder diesen gleichstehende Mitteilungen mit Wirkung für den Erklärungsempfänger entgegenzunehmen (vgl. BGH NJW 1965, 965, 966; BAG NJW 1993, 1093, 1094; Palandt/ Heinrichs , BGB, § 130 Rn. 9). Diesbezüglich sind insbesondere bei nicht verkörperten Willenserklärungen wegen der Schwierigkeit, mündliche Erklärungen korrekt zu übermitteln, noch höhere Anforderungen an die Mittlungsperson zu stellen, als es bei der Weitergabe verkörperter Äußerungen der Fall ist (RGZ 60, 334, 336 f.; BGH NJW 2002, 1565, 1566). Nach allgemeiner Verkehrsanschauung kann weder dem Abfertigungspersonal am Boden, noch den Stewardessen in der Luft eine Empfangszuständigkeit für derart potentiell folgenträchtige Mitteilungen buchungstechnischer Natur zugesprochen werden, wie sie vorliegend in Rede stehen, denn der Tätigkeitsbereich dieser Personen betrifft nicht einmal ansatzweise die buchungsorganisatorische Abwicklung des Flugverkehrs.
20. Das einzige weitere Gespräch zwischen dem Kläger und der Beklagten am streitigen Reisetag erfolgte über die Buchungshotline der Beklagten zwischen dem Kläger persönlich und dem Zeugen L. Der Inhalt dieses Gespräches ist zwischen den Parteien in weiten Teilen streitig. Auch die Beweisaufnahme hat keinen weiteren Aufschluss über den Inhalt dieses Telefonats erbracht. Die Zeugin X konnte über den Inhalt dieses Telefonats vielmehr überhaupt keine Angaben machen, da sie zur fraglichen Zeit allein in der Schlange am Hauptschalter stehen geblieben war.
21. Unstreitig ist indes in diesem Zusammenhang, dass im Rahmen dieses Telefonats jedenfalls ein von der Beklagten unterbreitetes Angebot eines Ersatzfluges mit Abflug um 19:20 Uhr ab N vom Kläger zunächst angenommen wurde. Dieser Flug wurde am streitigen Reisetag nicht wieder storniert. Folglich durfte die Beklagte nach diesem Telefonat bis auf weiteres davon ausgehen, dass der Kläger und seine Ehefrau mit diesem Flug weiterfliegen werden und sich das Problem eines früheren Ersatzfluges gelöst hat. Infolgedessen wäre es nach Kenntnisnahme des Klägers und seiner Ehefrau von der Tatsache, dass das Schiff nicht auf diesen Flug warten werde, erforderlich gewesen, die Beklagte erneut zu kontaktieren, um sie von der aktuellen Sachlage in Kenntnis zu setzen und ihr die Gelegenheit zu geben, für eine andere – im Vergleich zur Charterung einer Privatmaschine kostengünstigeren – Beförderungsmöglichkeit zu sorgen. Da der Kläger die Beklagte jedoch auf einem Kenntnisstand belassen hat, nach welchem sie davon ausgehen durfte, dass die in Rede stehende Problematik des Klägers und seiner Ehefrau einen zufriedenstellenden Abschluss gefunden habe, kann sich unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB aus dem Gesichtspunkt, dass die Beklagte tatsächlich keine weiteren Bemühungen unternommen hat, um den Kläger und seine Ehefrau zeitnah nach S zu befördern, in Ansehung der Regelung des § 254 BGB keine Haftung der Beklagten hinsichtlich der Kosten der Ersatzbeförderung mit dem Stuttgarter Flugdienst ergeben.
22. Auch hinsichtlich der Erstattung der Taxikosten besteht kein Anspruch gegenüber der Beklagten. Bei diesen Kosten handelt es sich um Aufwendungen, die grundsätzlich auch bei pflichtgemäßer Leistung durch die Beklagte entstanden wären, weshalb eine Ersatzfähigkeit zu verneinen ist. Eine Haftung der Beklagten könnte sich diesbezüglich nur dann ergeben, wenn der Kläger und seine Ehefrau bei pflichtgemäßer Erfüllung durch die Beklagte anderweitig ihr Ziel erreicht hätten, und die Kosten der Taxifahrt insofern nur deswegen erforderlich geworden wären, weil die Maschine des T Flugdienstes einige Zeit später als der geplante Flug in S eintraf. Derartiges hat der Kläger jedoch nicht vorgetragen.
23. Auf die Frage, ob die Beklagte im Hinblick auf die reduzierte Anflugrate wegen des angeblich in N herrschenden Nebels ohnehin entlastet wäre, kommt es somit nicht an.
24. Auch soweit der Kläger mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 12.06.2008 nunmehr seine Bemühungen nach einem Ersatzflug über das Reisebüro K. darlegt, ist er damit seiner Schadensminderungspflicht nicht nachgekommen. Der vorgelegten e-mail ist weder zu entnehmen, dass die Beklagte über die aktuelle Problematik und die Notwendigkeit, eine teure Privatmaschine zu chartern, vom Reisebüro informiert worden ist, noch, dass auch Informationen über freie Plätze bei anderen Fluggesellschaften eingeholt worden sind. Zudem wäre dieser Vortrag, sieht man ihn als erheblich an, insbesondere im Hinblick auf die Vielzahl der dem Kläger im Verfahren gegebenen Hinweise und des nur bruchstückhaft erfolgten Vortrages als verspätet zurückzuweisen.
25. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
26. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 709 ZPO.
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