Kündigungsrechts des Reisenden bei Reiseabbruch nach Tsunami-​Flutkatastrophe

OLG Köln: Kündigungsrechts des Reisenden bei Reiseabbruch nach Tsunami-​Flutkatastrophe

Nachdem das Hotel eines Urlaubers bei einem Tsunami überschwemmt wurde und er seine Reise abbrach, stellte das Gericht fest, dass in einem solchen Fall, wenn es dem Reiseveranstalter nicht mehr möglich ist vereinbarte Reiseleistungen wie Unterkunft und Verpflegung zu erbringen, der Reisende Anspruch auf eine Kündigung des Reisevertrags hat.

Der Reiseveranstalter kann in diesem Fall keine Ausgleichszahlungen vom Reisenden einfordern.

OLG Köln 16 U 24/06 (Aktenzeichen)
OLG Köln: OLG Köln, Urt. vom 07.06.2006
Rechtsweg: OLG Köln, Urt. v. 07.06.2006, Az: 16 U 24/06
LG Köln, Urt. v. Datum, Az: 15 O 7/06
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Oberlandesgericht Köln

1. Urteil vom 07.06.2006

Aktenzeichen 16 U 24/06

Leitsatz:

2. Wird es einem Reiseveranstalter infolge höherer Gewalt (konkret wegen Überflutung des Hotels durch eine Tsunami Katastrophe) praktisch unmöglich die geschuldeten Leistungen, d.h. Unterkunft und Verpflegung,  zu erbringen, bedarf es keiner Kündigung einer vorherigen Fristsetzung nach § 651e Abs. 2 BGB, da der Reiseveranstalter die Mängel nicht beheben kann. Rechtsfolge einer derartigen Kündigung ist, dass der Reiseveranstalter den Zahlungsanspruch verliert.

Zusammenfassung:

3. Das Hotel eines Reisenden wurde durch eine Tsunami-Flutkatastrophe am 26.04.2004 überschwemmt.

Der Reisende wurde noch am gleichen Tag zum Flughafen gebracht und brach seinen Urlaub vorzeitig ab.

Da es dem Reiseveranstalter praktisch unmöglich war die entstandenen Mängel der Reiseleistung, primär keine Verfügbarkeit von Unterkunft und Verpflegung, zu beheben, besteht beim Reiseveranstalter kein Anspruch auf Zahlungen durch den Reisenden.

Tenor:

4. Der Senat weist darauf hin, dass beabsichtigt ist, die Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO einstimmig durch Beschluss zurückzuweisen.

Der Beklagten und Berufungsklägerin wird Gelegenheit gegeben, binnen zwei Wochen nach Zugang dieses Beschlusses zu den Hinweisen Stellung zu nehmen und mitzuteilen, ob die Berufung aus Kostengründen zurückgenommen wird.

Die Berufungserwiderungsfrist für den Kläger und Berufungsbeklagten ist damit gegenstandslos.

Gründe:

5. Die zulässige Berufung hat aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung keine Aussicht auf Erfolg. Die Ausführungen in der Berufungsbegründung führen nicht zu einer anderen Beurteilung.

6. Die rechtliche Würdigung des unstreitigen Sachverhalts durch das Erstgericht ist nicht zu beanstanden und steht in Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in dieser Frage (vgl. BGHZ 85, 50 ff; BGH, NJW-​RR 1990,1334). Der Kläger hat den Reisevertrag durch vorbehaltslose Annahme des Angebots zum Rückflug konkludent gekündigt (vgl. BGH, NJW-​RR, 1990, 1335). Ihm stand ein Kündigungsrecht nach § 651 e Abs. 1 BGB zu, da die Reise wegen der eingetretenen Mängel erheblich beeinträchtigt war. Durch die Tsunami-​Flutkatastrophe am 26.12.2004 wurde das gesamte Erdgeschoss des Hotels einschließlich des Speisesaals unter Wasser gesetzt, so dass das Hotel nicht mehr nutzbar war und der Kläger und seine Familie noch am 26.12.2004 mit Booten zum Flughafen gebracht wurden.

7. Die vom Reiseveranstalter

geschuldeten Leistungen – Unterbringung und Verpflegung – konnten mithin nicht mehr erbracht werden. Einer vorherigen Fristsetzung (§ 651 e Abs. 2 BGB) bedurfte es nicht, da der Veranstalter die Mängel nicht abstellen konnte. Rechtsfolge dieser wirksamen Kündigung ist für den Reiseveranstalter der Verlust seines Zahlungsanspruchs, § 651 e Abs. 3 BGB. Da die bereits erbrachten Leistungen für den Kläger ohne Interesse sind – infolge der Gesamtsituation war der Rückflug veranlaßt – , kann die Beklagte als Veranstalterin auch keine Entschädigung nach § 651 e Abs. 3 S. 2 BGB verlangen.

Die Anwendbarkeit des § 651 e BGB auch bei Eintritt von Reisemängeln aufgrund höherer Gewalt hat der Bundesgerichtshof in den beiden genannten Entscheidungen – trotz aus dem Schrifttum geäußerter Kritik – ausdrücklich bejaht und zugleich den Anwendungsbereich des § 651 j BGB auf die Fälle beschränkt, in denen die eigentliche Leistung noch hätte mangelfrei erbracht werden können, allerdings die gemeinsam vorausgesetzte Geschäftsgrundlage des Vertrages betroffen wurde (vgl. beispielsweise BGHZ 109, 224 ff). Eine mängelfreie Leistungserbringung war dem Veranstalter nach dem 26.12.2004 – wie gezeigt – jedoch nicht mehr möglich.

8. Der Senat folgt dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung, die mit den Zielen der §§ 651 a ff BGB in Einklang steht (hierzu BGHZ 85, 50 ff).

9. Nachdem der Bundesgerichtshof sich bereits eingehend mit dem Verhältnis der §§ 651 e und 651 f BGB befaßt hat, hat die Sache nunmehr keine grundsätzliche Bedeutung mehr und bedarf keiner höchstrichterlichen Entscheidung mehr zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 522 Abs. 2 S. 1 ZPO).

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