Erstattungsansprüche bei Naturkatastrophen nicht am Urlaubsort

AG Pinneberg: Erstattungsansprüche bei Naturkatastrophen nicht am Urlaubsort

Die Klägerin verklagt ihre Versicherung auf Übernahme der entstandenen Mehrkosten an ihrem Urlaubsort.  Die Klägerin ist zwar gegen Naturkatastrophen an ihrem Urlaubsort versichert, aber nicht gegen Ereignisse an anderen Orten welche Auswirkungen auf ihr Rückreise hat.

Das Amtsgericht Pinneberg weist die Klage zurück und entschied, dass kein Versicherungsfall vorliegt und die Klägerin keinen Anspruch auf Übernahme der entstandenen Mehrkosten hat.

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AG Pinneberg 73 C 54/11 (Aktenzeichen)
AG Pinneberg: AG Pinneberg, Urt. vom 12.07.2011
Rechtsweg: AG Pinneberg, Urt. v. 12.07.2011, Az: 73 C 54/11
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Schleswig-Holstein-Gerichtsurteile

Amtsgericht Pinneberg

1. Urteil vom 12.07.2011

Aktenzeichen: 73 C 54/11

Leitsatz:

2. Naturkatastrophe welche in der Versicherungspolice aufgenommen wurden und auch am Urlaubsort eingetreten sind, haben Anspruch auf eine Entschädigung.

Zusammenfassung:

3. Im vorliegenden Fall verklagt die Klägerin eine Versicherung auf Übernahme der entstandenen Mehrkosten an ihrem Urlaubsort.  Die Klägerin konnte ihre geplante Rückreise vom Urlaubsort nach Deutschland wegen eine Flugausfalls nicht antreten. Zu diesem Zeitpunkt wurden viele Flüge durch eine Vulkanaschewolke gestrichen. Die Klägerin ist zwar gegen Naturkatastrophen an ihrem Urlaubsort versichert, aber nicht gegen Ereignisse an anderen Orten welche Auswirkungen auf ihr Rückreise hat.

Das Amtsgericht Pinneberg weist die Klage zurück und entschied, das kein Versicherungsfall vorliegt. Es ist nicht sicher, ob die Naturkatastrophe bzw. ein Elementarereignis am Urlaubsort dazu führte, dass der Rückflug der Klägerin gestrichen werden musste und hierdurch Mehrkosten für zusätzliche Übernachtungen entstanden. Die Klägerin konnte keinen ausreichend subdtantiierten Nachweis erbringen dass sich die Aschewolke zum Zeitpunkt des geplanten Rückflugs der Klägerin über dem Urlaubsort der Klägerin befunden hat. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Übernahme der Mehrkosten.

Tenor

4. Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte ihrerseits vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

5. Die Parteien streiten um Ansprüche aus einem Versicherungsverhältnis.

6. Die Klägerin ist Versicherungsnehmerin der Beklagten hinsichtlich einer Reiseabbruchversicherung. Dem Versicherungsverhältnis liegen die Versicherungsbedingungen der Beklagten zugrunde.

7.  § 4 der Versicherungsbedingungen trägt die Überschrift „Einschränkung des Versicherungsschutzes“ und lautet unter Ziffer 2 wie folgt:

8.  „2. Eingeschränkt versichert gemäß § 7 sind Kosten, die aus Elementar- oder Naturereignissen resultieren.

9.  § 7 der Versicherungsbedingungen lautet:

10.  „1. Die … leistet bei Naturkatastrophen/Elementarereignissen (Lawinen, Erdrutsche, Überschwemmungen, Erdbeben, Wirbelstürme) am Urlaubsort eine Entschädigung für

11.  a) die Mehrkosten der versicherten Person bei einer zwingen notwendigen Aufenthaltsverlängerung am Urlaubsort für Unterkunft und Verpflegung;

12.  b) die nachweislich entstandenen zusätzlichen Rückreisekosten (nicht jedoch Überführungskosten im Todesfall) und die hierdurch unmittelbar verursachten sonstigen Mehrkosten, z.B. Übernachtungs- und Verpflegungskosten (nicht jedoch Heilkosten), der versicherten Person, wenn die Reise nicht planmäßig beendet werden kann. […]“

13.  Die Klägerin reiste in der Zeit vom 04.04.2010 bis zum 17.04.2010 in den Urlaubsort Side in die Türkei. Für diese Reise bestand Versicherungsschutz bei der Beklagten.

14.  Während der Reise kam es zum Ausbruch des Vulkans Eyjafjallajökull in Island. Aufgrund der hieraus resultierenden Aschewolke, die sich jedenfalls im europäischen Luftraum ausbreitete, und eines hierauf gestützten Flugverbotes für den nordeuropäischen Luftraum wurde der geplante Rückflug der Klägerin von ihrem Urlaubsort in der Türkei nach Deutschland gestrichen. Der Rückflug verzögerte sich insgesamt um eine Woche.

15. Die Klägerin macht mit ihrer Klage gegenüber der Beklagten Ansprüche auf durch die Verzögerung ihres Rückfluges zusätzlich entstandene Übernachtungskosten, Verdienstausfall sowie Telefon- und Portokosten geltend, die sie im einzelnen wie folgt beziffert.

16. Hotelkosten 456,24 €

17. Verdienstausfall 632,00 €

18. Telefon/Porto pauschal 100,00 €

19. Die Klägerin ist der Ansicht, ihr stünden die geltend gemachten Ansprüche vollumfänglich zu. Der Rückflug habe sich wegen der Aschewolke über Europa und der Türkei verzögert. Die Wolke sei ständig über ganz Europa in Bewegung gewesen und habe auch die Türkei beeinträchtigt. Aufgrund der Folgewirkung der Aschewolke auf den Luftraum über der Türkei und Europa sei ein Naturereignis auch am Urlaubsort eingetreten.

20. Die Klägerin beantragt,

21.  die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1188,24 € sowie außergerichtliche Anwaltskosten von 154,70 € nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seil Rechtshängigkeit zu zahlen.

22. Die Beklagte beantragt,

23. die Klage abzuweisen

24. Die Beklagte ist der Auffassung ein Versicherungsfall sei nicht eingetreten, da eine Naturkatastrophe oder ein Elementarereignis nicht am Urlaubsort eingetreten sei. Die Aschewolke habe sich zum Abreisezeitpunkt nicht über dem Urlaubsort der Klägerin befunden. Erstattungsansprüche für Verdienstausfall und Porto- und Telefonkosten ergäben sich aus der abgeschlossenen Versicherung ferner nicht.

25. Wegen des weitergehenden Sach- und Streitstandes wird auf die in den Akten befindlichen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

26. Die zulässige Klage ist unbegründet.

27.    Der Klägerin steht der von ihr gegenüber der Beklagten geltend gemachte Anspruch unter keinen rechtlichen Gesichtspunkten zu. Die Voraussetzungen für eine Erstattungspflicht der Beklagten für zusätzlich entstandene Übernachtungskosten, eingetretenen Verdienstausfall und Porto- und Telekommunikationskosten liegen nach Überzeugung des Gerichts nicht vor.

28.   Soweit die Klägerin mit ihrer Klage aufgrund des Flugausfalls Ersatz ihres Verdienstausfalls und pauschale Kosten für Telefon und Porto geltend macht, ist hierfür eine Anspruchsgrundlage bereits nicht ersichtlich. Nach § 4 der vorgelegten Versicherungsbedingungen leistet die Beklagte im Versicherungsfall die Mehrkosten der versicherten Person für Unterkunft und Verpflegung. Eins Einstandspflicht der Beklagten für Verdienstausfall oder Telekommunikations- bzw. Portokosten ergibt sich hieraus gerade nicht. Eine anderweitige Anspruchsgrundlage für die Erstattung dieser Kosten ist nicht ersichtlich.

29.  Auch ein Anspruch auf Erstattung der geltend gemachten Übernachtungskosten steht der Klägerin indes nicht zu. Es steht nicht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass ein Versicherungsfall eingetreten ist.

30.  § 4 der Versicherungsbedingungen sieht insoweit vor, dass die Beklagte Mehrkosten für Unterkunft und Verpflegung bei Naturkatastrophen und Elementarereignissen am Urlaubsort erstattet. Zwar kam es während der Reise der Klägerin unstreitig zum Ausbruch des Vulkans Eyjafjallajökull in Island. Dieser Ausbruch ist unproblematisch als Naturkatastrophe zu qualifizieren. Der Ausbruch führte darüber hinaus letztlich unstreitig dazu, dass zahlreiche Flüge und insbesondere auch der Rückflug der Klägerin aus ihrem Urlaubsort zurück nach Deutschland gestrichen werden mussten.

31.   Es steht jedoch insoweit nicht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass eine Naturkatastrophe bzw. ein Elementarereignis am Urlaubsort dazu führte, dass der Rückflug der Klägerin gestrichen werden musste und hierdurch Mehrkosten für zusätzliche Übernachtungen entstanden. Der Ausbruch des Vulkans ereignete sich unstreitig in Island und kann damit keinesfalls als Naturkatastrophe am Urlaubsort eingeordnet werden. Demzufolge wäre von einem Elementarereignis bzw. einer Naturkatastrophe am Urlaubsort nur dann auszugehen, wenn die aus dem Vulkanausbruch resultierende Aschewolke selbst als solches zu qualifizieren wäre und sich die Aschewolke zum Zeitpunkt des geplanten Rückfluges der Klägerin über dem Urlaubsort befunden hätte. Denn jedenfalls ist für die Annahme einer Naturkatastrophe am Unfallort schon dem Wortlaut nach nicht ausreichend, dass ein an einem anderen Ort eingetretenes Ereignis mittelbar zu Beeinträchtigungen am Urlaubsort führt.

32.  Die Frage, ob die Aschewolke ein Elementarereignis bzw. einer Naturkatastrophe darstellt, konnte hier indes dahinstehen. Denn es steht bereits nicht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass sich die Aschewolke zum Zeitpunkt des geplanten Rückflugs der Klägerin über dem Urlaubsort der Klägerin befunden hat. Der Vortrag der insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Klägerin ist bereits nicht hinreichend substantiiert. Die Klägerin hat diesbezüglich lediglich vorgetragen, der Rückflug sei „aufgrund Vulkanasche über Europa und der Türkei“ gestrichen worden. Die Wolke sei ständig über ganz Europa in Bewegung gewesen und habe auch die Türkei beeinträchtigt. Die Beklagte hat hierauf erwidert, die Aschewolke habe sich zum Zeitpunkt der geplanten Abreise nicht über dem Urlaubsort der Klägerin, sondern über dem nordeuropäischen Luftraum befunden. Zur Stützung ihres Vortrages hat die Beklagte eine Grafik eingereicht, aus welcher sich die prognostizierte Ausbreitung der Aschewolke am Rückreisetag der Klägerin ergibt. Auf diesen substantiierten Vortrag hätte die Klägerin weiter vortragen müssen. Ein weitergehender Vortrag der Klägerin erfolgte jedoch nicht. Auch ein Beweisangebot der Klägerin liegt nicht vor.

33.  Eines gerichtlichen Hinweisen nach § 139 ZPO auf die fehlende Substantiierung bzw. das fehlende Beweisangebot bedurfte es vorliegend nicht, da die Beklagtenseite die Klägerin auf die Unschlüssigkeit des Vortrags hingewiesen hatte.

34.   Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

35.   Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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