Reiserücktritt wegen höherer Gewalt in Form einer Naturkatastrophe
AG Dachau: Reiserücktritt wegen höherer Gewalt in Form einer Naturkatastrophe
Eine Reiseveranstalterin verlangt von einem Kunden die Zahlung von fälligen Stornierungsgebühren. Dieser hatte zuvor den geschlossenen Reisevertrag gekündigt, weil es Ende 2004 zu einer Flutkatastrophe in Südostasien gekommen war. Bei dieser handele es sich um Höhere Gewalt i.S.d. § 651j Abs. 1 BGB, was ihn zu einer gebührenfreien Stornierung des Reisevertrag berechtige.
Das Amtsgericht Dachau hält die Klage für berechtigt. Der Beklagte könne sich nicht auf ein Kündigungsrecht gemäß § 651 j BGB wegen höherer Gewalt berufen.
AG Dachau | 3 C 687/05 (Aktenzeichen) |
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GERICHT(Admin): | GERICHT(Admin), Urt. vom DATUM(Admin) |
Rechtsweg: | AG Dachau, Urt. v. Datum, Az: 3 C 687/05 |
Gericht, Urt. v. 22.11.2005, Az: Aktenzeichen | |
Gericht, Urt. v. Datum, Az: Aktenzeichen | |
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Leitsatz:
2. Höherer Gewalt in Form einer Naturkatastrophe kann nur als Kündigungsgrund i. S. d. § 651j Abs. 1 BGB angesehen werden, wenn für den Reisenden durch das Ereignis auch eine konkrete Bedrohung entsteht.
Zusammenfassung:
3. Der Beklagte hatte bei der Klägerin, einer Reiseveranstalterin, eine Reise nach Südostasien gebucht. Um Weihnachten 2004 kam es in Südostasien zu einer Flutkatastrophe, die den Kläger dazu bewog, den Reisevertrag zu kündigen, weil er sich in der Sache nicht mehr sicher fühlte. Er argumentierte, es handele sich bei der Flutkatastrophe um Höhere Gewalt i.S.d. § 651j Abs. 1 BGB, was ihn zu einer gebührenfreien Stornierung des Reisevertrag berechtige. Die Klägerin sieht dies jedoch anders und fordert im vorliegenden Rechtsstreit die Stornierungsgebühren ein, die dem Beklagten laut ihrer Allgemeinen Geschäftsbedigungen (AGB) durch die Kündigung entstanden seien.
Das Amtsgericht Dachau hält die Klage für berechtigt. Zwar handele es sich bei der betreffenden Flutkatastrophe um einen Fall Höherer Gewalt i.S.d. § 651j Abs. 1 BGB, allerdings sei für den Kläger von diesem Ereignis keine unmittelbare Bedrohung ausgegangen.
Der Beklagte könne sich folglich nicht auf ein Kündigungsrecht gemäß § 651 j BGB wegen höherer Gewalt berufen, weil es an der erforderlichen konkreten Gefahr für die Durchführbarkeit der Reise zum Zeitpunkt der Kündigungserklärung fehle.
Da zwischender Naturkatastrophe und dem Zeitpunkt des Reiseantritts mehr als 7 Wochen lagen, sei diese nicht mehr gegeben.
Der Beklagte habe unstritigerweise ein Kündigungsrecht, müsse dann jedoch die Klägerin angemessen entschädigen und folglich die geforderten Stornierungsgebühren zahlen.
Tenor:
4. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 495,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 %- Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit 08.03.2005 sowie außergerichtliche Kosten in Höhe von EUR 35,10 nebst Zinsen in Höhe von 5 %- Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 08.03.2005 zu bezahlen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
5. Die Klägerin hat Anspruch auf die geltend gemachte Entschädigung in Höhe der in Ziffer 5) ihrer AGB’s geregelten Stornogebühren, nämlich 15 % des ursprünglichen Reisepreises von EUR 3.300,00, somit in Höhe von EUR 495,00.
6. Die AGB’s der Klägerin wurden Vertragsbestandteil. Ausweislich der von der Klagepartei als Anlage zum Protokoll vom 20.09.2005 vorgelegten Reiseanmeldung bestätigte der Beklagte unterschriftlich die Einbeziehung und den Erhalt der AGB‘ s der Klägerin als Reiseveranstalterin.
7. Demgegenüber oblag dem Beklagten der Beweis, dass und inwiefern entgegen der unterschriftlichen Bestätigung die AGB’s der Klägerin nicht Vertragsbestandteil geworden sein sollen.
8. Dem Klageanspruch kann nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, dass der Beklagte den Vertrag mit Schreiben vom 03.01.2005 stornierte.
9. Zwar kann der Beklagte gemäß § 651 i BGB berechtigt jederzeit vor Reiseantritt vom Vertrag zurücktreten, jedoch hat dies gemäß § 651 i Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 BGB zur Folge, dass der Reiseveranstalter eine angemessene Entschädigung in Höhe der durch AGB’s vereinbarten Stornogebühren verlangen kann. Einen derartigen Anspruch macht die Klägerin im vorliegenden Fall geltend.
10. Auf ein Kündigungsrecht gemäß § 651 j BGB wegen höherer Gewalt kann sich der Beklagte nicht berufen, denn es fehlt an der erforderlichen konkreten Gefahr für die Durchführbarkeit der Reise im Zeitpunkt der Kündigungserklärung.
11. Die zu Weihnachten 2004 eingetretene Flutkatastrophe, die auch das vom Beklagten gebuchte Reiseziel betraf, ist als Fall höherer Gewalt in dem von § 651 j BGB vorausgesetzten Sinne eines von außen kommenden, unabwendbaren und unverschuldeten Ereignisses einzustufen; erforderlich ist jedoch ferner, dass durch die höhere Gewalt eine konkrete Gefahr für die Durchführbarkeit der Reise bestand. Die bloßen subjektiven Befürchtungen des Beklagten und seiner Reisebegleiter reichen insoweit nicht aus.
12. Es kann letztlich dahingestellt bleiben, ob eine konkrete Gefahr für die Durchführbarkeit der Reise zum Zeitpunkt des Eintritts der Flutkatastrophe bestand, ob also das vom Beklagten gebuchte Hotel und die Region von der Flutkatastrophe betroffen waren, denn darauf kommt es letztlich nicht an. Maßgeblich ist vielmehr der Zeitpunkt des Beginns der geplanten Reise und zu dem Zeitpunkt bestand eine derartige konkrete Gefahr jedenfalls nicht mehr.
13. Abflugtermin sollte der 20.02.2005 sein. Bis zu diesem Zeitpunkt kam es nicht zu weiteren Überflutungen und der Beklagte hat auch nicht dargetan, dass zu diesem Zeitpunkt noch fortwirkende erhebliche Gefährdungen, bzw. Erschwerungen infolge der vorausgegangenen Naturkatastrophe vorgelegen hätten.
14. Die Klägerin trug vielmehr vor, dass die vom Beklagten gebuchte Rundreise im Land durchgeführt werden konnte und weder das Hotel noch die Infrastruktur der Region durch die Flutwelle beeinträchtigt worden seien. Gegenteiliges wurde vom insoweit beweisbelasteten Beklagten nicht substantiiert vorgetragen und nicht nachgewiesen.
15. Die durch die vorhergehenden äußeren Ereignisse und Pressemeldungen zwar nachvollziehbaren Befürchtungen des Beklagten reichen nicht aus, ein Kündigungsrecht im Sinne von § 651 j BGB zu begründen, denn es kommt auf den Zeitablauf an, der zwischen dem Ereignis und dem Reisebeginn liegt. Je länger ein Naturereignis zurückliegt, desto mehr müssen derartige Befürchtungen zurücktreten. Ferner muss sich der Reisende ggf. auf Informationen des Reiseveranstalters dazu verweisen lassen, inwieweit bei Reisebeginn noch mit Beeinträchtigungen zu rechnen sein mag und damit korrespondierend besteht die Verpflichtung des Reiseveranstalters, sich über die Lage vor Ort zu informieren. Grundsätzlich ist bei Naturkatastrophen jedenfalls davon auszugehen, dass deren Folgen schneller abklingen als etwa politische Gefahrenlagen.
16. Nachdem seit der Naturkatastrophe bis zum Reiseantritt mehr als 7 Wochen verstrichen waren, konnte damit gerechnet werden, dass – selbst wenn im Reisegebiet Beeinträchtigungen bestanden – diese beseitigt waren bis zum Reiseantritt.
17. Dem Beklagten war es zuzumuten, auf die Informationen des Reiseveranstalters über die Durchführbarkeit der geplanten Reise zu vertrauen.
18. Der Beklagte kann sich daher lediglich auf sein allgemeines Kündigungsrecht gemäß § 651 i BGB berufen und schuldet deshalb die geltend gemachte Entschädigung in Höhe der durch wirksame Einbeziehung der AGB’s der Klägerin vereinbarten Stornogebühren.
19. II. Als Verzugsschaden schuldet der Beklagte darüber hinaus Erstattung der geltend gemachten, schlüssig dargelegten und im vorliegenden Verfahren nicht anrechenbaren Anwaltskosten, die der Höhe nach unstreitig blieben, in Höhe von EUR 35,10.
20. III. Der Zinsanspruch besteht gemäß §§ 286, 288 BGB.
21. IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
22. V. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.
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