Vogelschlag kein außergewöhnlicher Umstand

AG Frankfurt: Vogelschlag kein außergewöhnlicher Umstand

Eine Reisende buchte bei einer Airline einen Linienflug nach Cancun. Weil dieser erst mit 18 stündiger Verspätung ausgeführt wurde, begehrt sie nun eine Ausgleichszahlung im Sinne von Art. 7 der Fluggastrechte-Verordnung.
Die Airline weigert sich der Zahlung. Die Verspätung sei auf einen technischen Defekts in Folge eines Vogelschlages zurückzuführen. Hierin sei ein außergewöhnlicher Umstand zu sehen, der eine Haftungsbefreiung begründe.

Das Amtsgericht Frankfurt hat der Klägerin Recht zugesprochen. In einem Vogelschlag sei kein haftungsbefreiender außergewöhnlicher Umstand zu sehen. In der Folge bestehe ein Anspruch auf die begehrte Ausgleichszahlung.

AG Frankfurt 29 C 811/11 (21) (Aktenzeichen)
AG Frankfurt: AG Frankfurt, Urt. vom 13.03.2013
Rechtsweg: AG Frankfurt, Urt. v. 13.03.2013, Az: 29 C 811/11 (21)
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Hessen-Gerichtsurteile

Amtsgericht Frankfurt

1. Urteil vom 13. März 2013

Aktenzeichen: 29 C 811/11 (21)

Leitsatz:

2. Wenn ein Flugzeug aufgrund einer Kollision mit einem Vogel beschädigt wird, liegt kein außergewöhnlicher Umstand vor.

Zusammenfassung:

3. Eine Reisende buchte bei einem Luftfahrtunternehmen einen Linienflug nach Cancun. Unmittelbar vor dem Start meldete das Personal einen technischen Defekt, der aufgrund eines Vogelschlags an der Maschine entstanden war. Durch die Reparaturarbeiten konnte der Flug erst mit 18-stündiger Verspätung starten.
Die Klägerin verlangt nun eine Ausgleichszahlung im Sinne von Art. 7 der Verordnung 261/2004. Die Airline weigert sich jedoch den Betrag zu entrichten. In dem Vogelschlag sei ein außergewöhnlicher Umstand zu sehen, der die Beklagte von der Haftung befreie.

Das Amtsgericht Frankfurt hat der Klage stattgegeben. Bei einer Verspätung von mehr als 3 Stunden stehe Fluggästen grundsätzlich eine Ausgleichszahlung nach Art. 7 der Fluggastrechte-Verordnung zu. Eine Ausnahme bilde das Vorliegen eines außergewöhnlichen Umstands im Sinne von Art. 5 der Verordnung.
Außergewöhnliche Umstände sind Ereignisse oder Zustände, die nicht dem gewöhnlichen Lauf der Dinge entsprechen, sondern außerhalb dessen liegen, was üblicherweise mit dem Ablauf der Personenbeförderung im Luftverkehr verbunden ist.
Der vorliegende Schaden am Flugzeug war durch die Kollision mit einem Vogelschwarm entstanden. Vorkommnisse dieser Art sind für Fluggesellschaften alltäglich und stellen unerwarteten keine Umstände dar.
Der Klägerin stehe in der Folge ein Anspruch auf eine Ausgleichszahlung zu.

Tenor:

4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.200,00 EUR nebst Zinsen In Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 28.02.2011 zu zahlen.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 155,30 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 17.04.2012 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung jeweils gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand:

5. Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Zahlung von Ausgleichsleistungen gemäß der EGV 261/2004 wegen nicht ordnungsgemäß erbrachter Flugleistungen aus eigenem und abgetretenem Recht in Anspruch.

6. Die Klägerin und der Zedent buchten bei der Beklagten für den 17.01.2011 einen Flug von Frankfurt am Main nach Cancun (…) Die Distanz beträgt 8.608,34 km.

7. Geplanter Abflug in Frankfurt am Main war am 17.01.2011 um 14:00 Uhr (Ortszeit). Tatsächlich fand der Abflug am 18.01.2011 um 07:30 Uhr statt. Die Ankunftsverspätung betrug mehr als 18 Stunden.

8. Der Flug hat wegen eines durch Vogelschlag verursachten Defekts nicht wie geplant stattfinden können. Beim Landeanflug auf Frankfurt wurde das Fluggerät durch Vogelschlag getroffen und die linke äußere Landeklappe beschädigt. Der von dem Vogelschlag betroffene Bereich ist daher einer 5 Stunden und 5 Minuten andauernden Risskontrolle unterzogen worden.

9. Die Klägerin beantragt:

10. Die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.200,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 28.02.2011 zu zahlen.

11. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 155,30 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 17.04.2012 zu zahlen.

12. Die Beklagte beantragt die Klage abzuweisen.

13. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf alle Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen und sonstigen Aktenbestandteile sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

14. Die zulässige Klage ist begründet.

15. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Ausgleichsanspruch in Höhe von 1.200,00 EUR nach Art. 7 Abs. 1 EGV 261/2004 wegen Verspätung des Fluges.

16. Die Beklagte ist von ihrer Verpflichtung zur Zahlung von Ausgleichsleistungen auch nicht nach Art. 5 Abs. 3 EGV 261/2004 freigeworden. Der Ausnahmetatbestand greift nicht. Die Beklagte hat nicht dargetan, dass die Verspätung auf außergewöhnliche Umstände zurückging, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären.

17. Der Defekt an der linken äußeren Landeklappe und die daraufhin erfolgte Risskontrolle, für die der Vogelschlag ursächlich gewesen ist, stellen keinen außergewöhnlichen Umstand im Sinne dieser Vorschrift dar. Technische Probleme kommen als außergewöhnliche Umstände nur in Betracht, soweit sie auf Vorkommnisse zurückzuführen sind, die aufgrund ihrer Natur oder Ursache nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betroffenen Luftfahrtunternehmens sind und von ihm tatsächlich nicht zu beherrschen sind, so zum Beispiel bei versteckten Fabrikationsfehlern, Sabotageakten oder terroristischen Schädigungen.

18. Hierbei kennzeichnet es die gegebenenfalls zu einem Wegfall der Ausgleichsverpflichtung führenden Umstände, dass sie außergewöhnlich sind, d.h. nicht dem gewöhnlichen Lauf der Dinge entsprechen, sondern außerhalb dessen liegen, was üblicherweise mit dem Ablauf der Personenbeförderung im Luftverkehr verbunden ist oder verbunden sein kann (vgl. BGH a. a. O., Rn. 10, 13 – juris: „(als) außergewöhnlich aus den üblichen und erwartbaren Abläufen des Luftverkehrs herausragen“).

19. Der Begriff soll Ereignisse erfassen, die nicht mit dem Luftverkehr verbunden sind, sondern als – jedenfalls in der Regel von außen kommende – besondere Umstände seine ordnungs- und plangemäße Durchführung beeinträchtigen oder unmöglich machen können (vgl. BGH a. a. O., Rn. 11 – juris). Erwägungsgrund 14 und 15 der Verordnung zeigen, dass für die Qualifikation der Umstände als außergewöhnlich weder ihre – möglicherweise vielfältigen -Ursachen noch ihre Herkunft aus dem Verantwortungsbereich des Luftverkehrsunternehmens oder eines Dritten oder ihre generelle Unbeeinflussbarkeit entscheidend sind, sondern vielmehr der Umstand, dass sie sich von denjenigen Ereignissen unterscheiden, mit denen typischerweise bei der Durchführung eines einzelnen Fluges gerechnet werden muss (vgl. BGH a. a. O., Rn. 14 – juris).

20. Eine Beschädigung des Triebwerks durch einen Vogelschlag ist ein beim Betrieb eines Flugzeugs durchaus vorkommender, geradezu typischer Umstand, denn Vögel nutzen den Luftraum naturgemäß ebenso wie Flugzeuge. Der Umstand ist deshalb Teil der normalen Ausübung eines Flugbetriebs und nicht mit einem Sabotageakt, einem versteckten Fabrikationsfehler oder einem terroristischen Anschlag zu vergleichen, wie es der EuGH mit seiner sehr engen Eingrenzung der Ausnahmeumstände verlangt (vgl. EuGH a. a. O. Rn. 26).

21. Da damit schon die erste der beiden kumulativen Voraussetzungen für die Annahme eines außergewöhnlichen Umstands im Sinne des Art 5 Abs. 3 EGV 261/2004 fehlt, kommt es nicht mehr auf die zweite Voraussetzung an, namentlich die Frage, ob ein Defekt aufgrund eines Vogelschlags vom Luftfahrtunternehmen zu beherrschen ist oder nicht.

22. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, weil die Beklagte voll unterlag. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit findet ihre Maßgabe in §§ 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.

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