Klausel über die Fälligkeit der Restzahlung des Reisepreises

LG Heilbronn: Klausel über die Fälligkeit der Restzahlung des Reisepreises

Ein Reiseveranstalter wurde von einem Verbraucherschutzverein gerügt, weil er vier Monate vor Reiseantritt die volle Zahlung verlangte, sich aber vorbehielt, zwei Wochen davor die Reise bei zu geringer Teilnehmerzahl zu stornieren. Das Landgericht Heilbronn verurteilte ihn, von der Verwendung der Klausel abzusehen.

LG Heilbronn 8 O 240/06 (Aktenzeichen)
LG Heilbronn: LG Heilbronn, Urt. vom 01.12.2006
Rechtsweg: LG Heilbronn, Urt. v. 01.12.2006, Az: 8 O 240/06
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Landgericht Heilbronn

1. Urteil vom 1. Dezember 2006

Aktenzeichen 8 O 240/06

Leitsatz:

2. Es liegt eine unangemessene Benachteiligung des Verbrauchers vor, wenn eine Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Reiseveranstalters die Zahlung des vollständigen Reisepreises bis spätestens vier Wochen vor Reiseantritt vorsieht, wenn deren Durchführung zu diesem Zeitpunkt noch nicht fest steht, da sich der Veranstalter vorbehält, die Reise bis zu zwei Wochen vorher abzusagen.

Zusammenfassung:

3. Ein Verbraucherschutzverein rügte einen Reiseveranstalter, dessen Allgemeine Geschäftsbedingungen vorsahen, dass bis spätestens vier Wochen vor dem Reiseantritt der volle Reisepreis entrichtet werden musste, dem Reiseveranstalter aber das Recht vorbehielten, die Reise bei zu geringer Teilnehmerzahl bis zu zwei Wochen vor Beginn abzusagen.

Das Landgericht Heilbronn entschied, dass hierin eine unangemessene Benachteiligung des Verbrauchers vorlag. Demnach müsse der Reisende eine Leistung vollständig bezahlen, deren Erbringung noch über die Zahlungsfrist hinaus fraglich bleibe. Zwar werde das Insolvenzrisiko durch Ausstellung eines Insolvenzsicherungsscheins getilgt, doch der Verbraucher trage das Risiko von Aufwendungen und Unannehmlichkeiten der Rückforderung im Falle einer Stornierung. Der Veranstalter müsse das Risiko tragen, dass gegebenenfalls Reisende den vollen Reisepreis nicht fristgerecht entrichten und dürfe dieses nicht auf die vertragstreuen Kunden abwälzen. Daher wurde er verurteilt, die entsprechenden Klauseln nicht mehr zu verwenden.

Tenor:

1.

4. Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, im Wettbewerb handelnd

in Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Zusammenhang mit Pauschal- oder sonstigen Reiseverträgen gegenüber Verbrauchern wörtlich oder inhaltsgleich die nachstehende Klausel zu verwenden und/oder sich bei der Abwicklung bestehender Verträge auf diese Klausel zu berufen:

„…, die Restzahlung (wird) spätestens vier Wochen vor Reiseantritt bei uns eingehend fällig“,

sofern zu diesem Zeitpunkt die endgültige Durchführung der Reise noch nicht feststeht.

2.

Für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen Ziffer 1 wird der Beklagten ein Ordnungsgeld bis zu höchstens Euro 250.000,00 und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, ersatzweise Ordnungshaft oder überhaupt Ordnungshaft bis zu 6 Monaten und bei wiederholten Zuwiderhandlungen bis zur Höchstdauer von 2 Jahren angedroht, zu vollstrecken an dem gesetzlichen Vertreter der Beklagten.

3.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Euro 189,00 nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 10.07.2006 zu zahlen.

4.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

5.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von Euro 2.500,00 vorläufig vollstreckbar.

Streitwert: bis Euro 6.000,00

Tatbestand:

5. Die Beklagte befasst sich unter anderem mit dem Verkauf und der Vermittlung von Pauschalreisen und der Veranstaltung eigener Reisen. Im Zusammenhang mit derartigen Reiseverträgen verwendet sie gegenüber Verbrauchern Allgemeine Geschäftsbedingungen. Diese enthalten unter anderem folgende Regelungen:

7.

6. Zahlung und Aushändigung der Reiseunterlagen:

7. 7.1. Zahlungen auf den Reisepreis vor Beendigung der Reise dürfen nur gegen Aushändigung des Sicherungsscheins im Sinne von § 651 k Abs. 3 BGB erfolgen. Mit Vertragsschluss kann eine Anzahlung gefordert werden. Weitere Zahlungen werden zu den vereinbarten Terminen, die Restzahlung spätestens 4 Wochen vor Reiseantritt bei uns eingehend fällig.

8.

8. Rücktritt und Kündigung durch uns:

9. 8.1. Wir können in folgenden Fällen vor Antritt der Reise vom Reisevertrag zurücktreten oder nach ihrem Beginn den Reisevertrag kündigen:

10. 8.2. Bis 2 Wochen vor Reiseantritt

11. Falls wir eine von uns ausgeschriebene Mindestteilnehmerzahl nicht erreichen. In einem solchen Fall leiten wir ihnen unsere Rücktrittserklärung unverzüglich zu und erstatten ihnen den bis dahin eingezahlten Reisepreis.

12. Die Klägerin ist der Auffassung, die Fälligkeit der Restforderung spätestens 4 Wochen vor Reiseantritt stelle jedenfalls im Geschäftsverkehr mit Verbrauchern eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners im Sinne von § 307 BGB dar, da sich die Beklagte gemäß Ziffer 8.2 ihrer allgemeinen Geschäftsbedingungen noch bis 2 Wochen vor Reiseantritt einen Rücktritt für den Fall des Nichterreichens einer bestimmten Mindestteilnehmerzahl vorbehalten wolle, so dass zum Zeitpunkt der vorgesehenen Fälligkeit der Restzahlung die Durchführung der Reise überhaupt noch nicht feststehe.

13. Die Klägerin verweist insoweit insbesondere auf das so genannte „Vorauskasse-​Urteil“ des Bundesgerichtshofs vom 12.3.1987 (VII ZR 37/86, abgedruckt in BGHZ 100, 158 bis 185). Im Vordergrund der Diskussion habe damals zunächst die gebotene Absicherung des Kunden gegen das Risiko einer Zahlungsunfähigkeit des Reiseveranstalters gestanden, welche letztendlich zu der gesetzlichen Regelung in § 651 k BGB geführt habe. Hiervon unabhängig gelte aber, dass Fälligkeitsklauseln insgesamt einer Zug-​Um-​Zug-​Regelung möglichst nahe kommen müssten.

14. Die Klägerin ist der Auffassung, ihr stehe ein Unterlassungsanspruch aus § 1 UKlaG und unter dem Gesichtspunkt des Ausnutzens der Rechtsunkenntnis der Verbraucher auch aus §§ 3, 4 Nr. 2, 8 UWG zu.

15. Unstreitig hat die Klägerin die Beklagte durch Schreiben vom 4.5.2006 (Anlage K2) abgemahnt und zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung aufgefordert (Anlage K2). Nachdem in der Folgezeit noch Schriftsätze zwischen den Parteien gewechselt wurden, wurde die von Klägerseite geforderte strafbewehrte Unterlassungserklärung letztendlich durch die Beklagte nicht abgegeben.

16. Neben dem Unterlassungsanspruch macht die Klägerin einen Anspruch auf Ersatz ihrer durch die Abmahnung vom 4.5.2006 (Anlage K2) entstandenen Kosten in Höhe von Euro 189,00 geltend.

17. Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen,

1.

es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu Euro 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfalle Ordnungshaft bis zu 2 Jahren, zu unterlassen, im Wettbewerb handelnd in Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Zusammenhang mit Pauschal- oder sonstigen Reiseverträgen gegenüber Verbrauchern wörtlich oder inhaltsgleich die nachstehende Klausel zu verwenden und/oder sich bei der Abwicklung bestehender Verträge auf diese Klausel zu berufen:

„…, die Restzahlung (wird) spätestens 4 Wochen vor Reiseantritt bei uns eingehend fällig“,

sofern zu diesem Zeitpunkt die endgültige Durchführung der Reise noch nicht feststeht;

2.

an die Klägerin Euro 189,00 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Klagzustellung (10.7.2006) zu zahlen.

18. Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

19. Die Beklagte ist der Auffassung, dass die von ihr verwendeten Allgemeinen Geschäftsbedingungen, insbesondere Ziffer 7.1, keine unangemessene Benachteiligung des Kunden darstellten und somit im Einklang insbesondere mit § 307 BGB stünden.

20. Die Beklagte trägt weiter vor, dass die von Klägerseite herangezogene Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 12.3.1987 überholt sei angesichts geänderter rechtlicher Grundlagen. Die damals ergangene Entscheidung müsse vor dem Hintergrund gesehen werden, dass der Kunde damals bar jeglichen Schutzes bezüglich bereits geleisteter Zahlungen gewesen sei. Durch die neu geschaffene Regelung des § 651 k BGB erfahre der Kunde durch Übergabe eines Insolvenzsicherungsscheins hierfür entsprechenden Schutz.

21. Die Beklagte weist darauf hin, dass es nicht zu beanstanden sei, wenn Reiseveranstalter die Anzahlungshöhe für Flugpauschalreisen auf 20 % und die Restfälligkeit mit 4 Wochen festlegen, wenn die Vorausleistung an Leistungsträger und Reisevermittler im Einzelfall diese Höhe rechtfertigen. Eine angemessene Anzahlung in dieser Höhe verstoße nicht gegen den Gerechtigkeitsgehalt des Zug-​Um-​Zug-​Prinzips des § 320 BGB, wenn die Vorausleistungen des Veranstalters hierzu auch in einem angemessenen Verhältnis stünden. Dies habe auch der Bundesgerichts in einer Entscheidung vom 20.6.2006 (X ZR 59/05) bestätigt.

22. Die Beklagte trägt vor, dass die Klägerin die Verpflichtung des Kunden zur Restpreiszahlung 4 Wochen vor Reisebeginn grundsätzlich nicht beanstande; etwas anderes solle nach Ansicht der Klägerin nur dann gelten, soweit der Reiseveranstalter sich die Absagemöglichkeit der Reise bei Nichterreichen einer ausgeschriebenen Mindestteilnehmerzahl vorbehalten habe. Diese Unterscheidung sei jedoch von der gesetzlichen Regelung nicht gedeckt. Der Kunde werde hier nicht stärker benachteiligt als dort, wo diese Absagemöglichkeit nicht bestehe, denn der Veranstalter habe immer die Möglichkeit die Reise doch noch abzusagen, sich somit also seiner Leistungspflicht zu entledigen und dadurch das dem Vertrag zugrunde liegende Austauschverhältnis trotz der Vorausleistung des Kunden zunichte zu machen. Artikel 4 Abs. VI der EG-​Pauschalreiserichtlinie regele in Fällen der Reisestornierung die entsprechenden Rechtsfolgen. Hierbei werde der Unterschied zwischen solchen Verträgen, in welchen sich der Veranstalter eine Absage aufgrund mangelnder Teilnehmer vorbehalten habe, und jenen, in welchen er dies nicht tue, deutlich. Während der Reiseveranstalter im letzteren Fall sich möglicherweise eine Entschädigung wegen Nichterfüllung des Vertrages konfrontiert sehe, habe er dies im Falle des Vorbehalts nicht zu befürchten. Dass eine solche Entschädigung im Falle des Absagevorbehalts jedoch nicht zu zahlen sei, sei nicht allein auf den Umstand zurückzuführen, dass der Absagegrund – ähnlich dem Vorliegen von höherer Gewalt – in Umständen begründet sei, die nicht in seinen Machtbereich fielen und er diesen unverschuldet gegenüberstehe. Es sei vielmehr dabei zu berücksichtigen, dass dem Kunden als Verbraucher zuvor unmissverständlich mitgeteilt worden sei, dass die tatsächliche Durchführung der Reise von der Anzahl der Teilnehmer abhänge. Insoweit seien die Interessen des Reiseveranstalters zu berücksichtigen, der vor unrentablen Veranstaltungen, welche er in der Hoffnung auf entsprechende Nachfrage des Verbrauchers konzipiert habe, geschützt werden solle.

23. Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

24. Die zulässige Klage hat auch in der Sache Erfolg.

1.

25. Die Klägerin ist ein klagebefugter Verband im Sinne von § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG und § 3 Abs. 1 Nr. 2 UKlaG. Dies ist zwischen den Parteien auch nicht streitig.

2.

26. Der Klägerin steht im Hinblick auf die beanstandete Klausel Ziffer 7.1 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten auch ein Unterlassungsanspruch zumindest gemäß § 1 UKlaG i. V. m. § 307 BGB zu.

27. Denn die beanstandete Klausel, wonach die Restzahlung spätestens 4 Wochen vor Reiseantritt fällig ist, verstößt dann gegen § 307 BGB, sofern zu diesem Zeitpunkt die endgültige Durchführung der Reise noch nicht feststeht und die Beklagte somit noch von ihrer Rücktrittsmöglichkeit gemäß Ziffer 8.2 ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen Gebrauch machen könnte.

a)

28. Diese Regelung in Ziffer 7.1 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten stellt eine unangemessene Benachteiligung des Verbrauchers im Sinne des § 307 BGB dar, wenn gleichzeitig noch eine Rücktrittsmöglichkeit der Beklagten gemäß Ziffer 8.2 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten besteht, wenn also die Restzahlung zu einem Zeitpunktzu leisten ist, zu dem die Reise wegen Nichterreichens der ausgeschriebenen Mindestteilnehmerzahl noch durch die Beklagte abgesagt werden könnte.

29. Die Vorschriften über den Reisevertrag im BGB (§§ 651 a BGB ff) enthalten keine Bestimmung über die Fälligkeit des Reisepreises. Da insoweit eine Regelungslücke besteht, ist auf die Bestimmungen des allgemeinen Werkvertragsrecht zurückzugreifen, da es sich bei dem Reisevertrag um eine besondere Art des Werkvertrags handelt. Da nach Art der vereinbarten Leistung in einem Reisevertrag dem Gebot, gegenseitige Verträge Zug um Zug abzuwickeln, nicht in vollem Umfang entsprochen werden kann, muss nach einer Lösung gesucht werden, die dem Zug-​Um-​Zug-​Prinzip möglichst nahe kommt, da auch die Kennzeichnung einer Reiseveranstaltung als Massengeschäft für sich keine Durchbrechung des Austauschprinzips rechtfertigt (BGH Urteil vom 12.3.1987, VII ZR 37/86, abgedruckt in BGHZ 100, 158 bis 185 und NJW 1987, 1931 bis 1938).

30. Dabei wird nicht verkannt, dass die Abwicklung der meisten Reiseverträge eine Zahlung des Reisepreises Zug um Zug gegen Erhalt der Gegenleistung praktisch nicht zulässt. Das Leitbild der dem Reisevertrag ähnlichen Verträge spricht allerdings eher für eine Vorleistungspflicht des Reiseveranstalters. Im Rahmen der nach § 307 BGB vorzunehmenden Gesamtabwägung ist daher zu prüfen, ob und unter welchen Bedingungen die Vorleistungsklausel hingenommen werden kann, weil der Reiseveranstalter ein berechtigtes Interesse am Erhalt des vollen Reisepreises vor Reisebeginn besitzt.

b)

31. Nach Auffassung des Gerichts entspricht die hier von der Klägerin angegriffene Klausel zwar den verständlichen Interessen des Reiseveranstalters, also der Beklagten, sie wird aber den berechtigten Interessen des Reisenden nicht in hinreichendem Maße gerecht und benachteiligt diese daher unangemessen. Bezogen auf den Fall, dass die Restzahlung zu einem Zeitpunkt fällig wird, in dem die Durchführung der Reise noch gar nicht feststeht.

32. Das so genannte Vorauskasse-​Urteil des Bundesgerichtshofs vom 12.3.1987 (VII ZR 37/86) ist zwar teilweise überholt, da zwischenzeitlich die Vorschrift des § 651 k BGB eingeführt worden ist und der Kunde durch Übergabe eines Insolvenzsicherungsscheins für dieses Risiko entsprechenden Schutz erhält.

33. Die von der Klägerin beanstandete Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten ist jedoch nicht im Hinblick auf das Insolvenzrisiko zu beanstanden, sondern deshalb, weil der Kunde zu einem Zeitpunkt den Reisepreis vollständig zu bezahlen hat, zu dem sich die Beklagte wegen Nichterreichens der ausgeschriebenen Mindesteilnehmerzahl noch ohne weiteres einseitig vom Vertrag lösen kann. Denn der Kunde ist in diesem Fall gezwungen, den von ihm bereits vollständig gezahlten Reisepreis wieder zurückzuholen, was durchaus mit Schwierigkeiten verbunden sein kann, auch wenn der Reiseveranstalter noch solvent ist.

34. Das Gericht verkennt insoweit nicht, dass ein berechtigtes Interesse des Reiseveranstalters besteht, die tatsächliche Rentabilität einer Reiseveranstaltung sicherzustellen. Die Beklagte kann sich nun aber nicht darauf berufen, dass sie nur dann vor unrentablen Veranstaltungen ausreichend geschützt sei, wenn nicht nur die im Vertrag angegebene Mindestteilnehmerzahl erreicht sei, sondern sämtliche Reisenden auch tatsächlich Zahlung geleistet hätten. Denn so rechtfertigt die Beklagte im Ergebnis die von ihr verwendeten Klauseln in Ziffer 7.1 und 8.2 ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen.

35. Denn im Hinblick darauf, dass vom Leitbild des Reisevertrags her durchaus von einer Vorleistungspflicht des Reiseveranstalters auszugehen ist, muss dem Reiseveranstalter hier wohl das Risiko auferlegt werden, das darin liegt, möglicherweise nicht von allen angemeldeten Reiseteilnehmern auch den (vollen) Reisepreis gezahlt zu erhalten. Es widerspricht jedenfalls nicht dem Leitbild des Reisevertrages dieses Risiko dem Reiseveranstalter und damit der Beklagten aufzuerlegen. Dieses Risiko auf vertragstreue andere Reisende abzuwälzen, die dann vereinbarungsgemäß 4 Wochen vor Reiseantritt den vollständigen Restpreis zahlen, um sich dann einer Absage der Reiseveranstaltung gegenüber zu sehen, geht nach Auffassung des Gerichts nicht an.

36. Entgegen der Auffassung der Beklagten ergibt sich etwas anderes auch nicht aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 20.6.2006 (X ZR 59/05), abgedruckt in NJW 2006, 3134. Dieses Urteil verhält sich nämlich lediglich zur Zulässigkeit der Forderung von Anzahlungen durch den Reiseveranstalter. Zu dem hier im Streit stehenden Problem der Verpflichtung zum Restpreis zu einem Zeitpunkt, in dem die Durchführung der Reise noch gar nicht feststeht, verhält sich dieses Urteil nicht. Auch in dieser neuen Entscheidung geht der BGH davon aus, dass bei der gebotenen Gesamtabwägung der Interessen auch zu berücksichtigen sei, dass durch die Forderung von Anzahlungen auf den Reisepreis bei Vertragsschluss das Zug-​Um-​Zug-​Prinzip des § 320 BGB nach wie vor berührt werde. Festgestellt wird, dass durch die Vorschriften über den Sicherungsschein der Reisende zwar gegen das Risiko einer Insolvenz des Reiseveranstalters abgesichert werde, nicht jedoch gegen das Risiko das der Reiseveranstalter zum vereinbarten Reisetermin – unabhängig von seiner Zahlungsfähigkeit – nicht fähig oder nicht bereit sei, die vertraglich geschuldete Reiseleistung zu erbringen. Ausdrücklich führt der BGH in diesem Urteil aus, dass daran festzuhalten sei, dass durch Klauseln in allgemeinen Reisebedingungen das Vergütungsrisiko nicht ohne Rücksicht darauf, ob der Reiseveranstalter aus anderen Gründen als seiner Zahlungsunfähigkeit die vertraglich geschuldete Leistung zu erbringen in der Lage und willens ist, in vollem Umfang oder zu wesentlichen Teilen auf den Reisenden überbürdet werden kann.

37. Nach Auffassung des Gerichts sprechen diese Ausführungen eher für die Position, welche die Klägerin in diesem Rechtsstreit vertritt. Denn es geht hier um einen Fall, in dem der Reisende den vollständigen Reisepreis zu zahlen hat, obwohl zu diesem Zeitpunkt nicht sicher ist, ob die Reise nicht wegen Nichterreichens der ausreichenden Mindestteilnehmerzahl durch die Beklagte abgesagt wird.

38. An der Einschätzung der Sach- und Rechtslage ändert sich auch nichts daran, dass der Kunde vor und bei der Buchung darauf hingewiesen wird, dass die Reiseveranstaltung für den Fall, dass die ausgeschriebene Mindestteilnehmerzahl nicht erreicht wird, noch relativ kurzfristig bis zu 2 Wochen vor Reiseantritt abgesagt werden kann.

b)

39. Nach Auffassung des Gerichts hat es die Beklagte daher zukünftig zu unterlassen, die von der Klägerin beanstandete Klausel Ziffer 7.1 in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen gegenüber Verbrauchern zu verwenden bzw. sich bei der Abwicklung bestehender Verträge auf diese Klausel zu berufen, sofern zu dem Zeitpunkt, in dem die Restzahlung danach fällig werden soll, die endgültige Durchführung der Reiseveranstaltung noch gar nicht feststeht.

3.

40. Gemäß § 5 UKlaG i. V. m. § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG steht der Klägerin auch der geltend gemachte Anspruch auf Ersatz ihrer durch die Abmahnung vom 4.5.2006 (Anlage K2) entstandenen Kosten in Höhe von Euro 189,00 zu. Die Zinsforderung ergibt sich insoweit aus §§ 291, 288 Abs. 2 BGB.

41. Die Forderung wurde durch die Beklagte der Höhe nach nicht bestritten.

4.

42. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

43. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.

5.

44. Bei dem gemäß § 3 ZPO festgesetzten Streitwert musste Berücksichtigung finden, dass bei Unternehmen von der Größe und Bedeutung der Beklagten selbst einstweilige Verfügungen auf Unterlassung mittlerweile erhebliche Streitwerte haben, eventuelle Hauptsacheklagen regelmäßig das zwei- bis dreifache hiervon. Andererseits wird nicht verkannt, dass Verbände und Vereine, die wie die Klägerin im öffentlichen Interesse zum Schutz des Verbrauchers und eines lauteren Wettbewerbs mit beschränkten finanziellen Mitteln tätig sind, eine Begünstigung erhalten sollen. Obwohl bei den Kammern für Handelssachen des Landgerichts Heilbronn in derartigen Fällen erhebliche Streitwerte festgesetzt werden, wurde der Streitwert im vorliegenden Fall lediglich auch unter Berücksichtigung des Zahlungsantrags auf bis zu Euro 6.000,00 festgesetzt, was im Hinblick auf die Umstände dieses Einzelfalles noch gerechtfertigt erschien.

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