Flugverspätung wegen überfülltem Luftraum am Zielflughafen

AG Hamburg: Flugverspätung wegen überfülltem Luftraum am Zielflughafen

Ein Flugreisender forderte die Erstattung von Flugkosten und eine Ausgleichszahlung wegen Nichtbeförderung, nachdem er durch Verspätung des Zubringers seinen Anschlussflug verpasst hatte. Der Klage wurde nur im ersten Punkt stattgegeben, da eine Beförderungsverweigerung nicht vorlag.

AG Hamburg 6 C 218/08 (Aktenzeichen)
AG Hamburg: AG Hamburg, Urt. vom 02.02.2011
Rechtsweg: AG Hamburg, Urt. v. 02.02.2011, Az: 6 C 218/08
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Amtsgericht Hamburg

1. Urteil vom 2. Februar 2011

Aktenzeichen 6 C 218/08

Leitsatz:

2. Eine rein faktische Nichtbeförderung begründet noch keinen Anspruch auf eine Ausgleichsleistung wegen Beförderungsverweigerung, da dieser nur für Passagiere besteht, die sich rechtzeitig zur Abfertigung einfinden und denen der Wunsch, befördert zu werden, verweigert wird.

Zusammenfassung:

3. Ein Flugreisender erreichte seinen Anschlussflug nicht rechtzeitig, weil der Zubringer aufgrund der Überfüllung des Luftraums am Zielflughafen verspätet landete. In der Folge konnte er einen Geschäftstermin nicht wahrnehmen und reiste mit einem selbst gebuchten Flug wieder nach Hause. Von der Fluggesellschaft verlangte er die Übernahme der Kosten und eine Ausgleichszahlung wegen Beförderungsverweigerung.

Das Amtsgericht Hamburg gab der Klage nur teilweise statt. So musste die Beklagte die Kosten für den Ersatzflug übernehmen. Jedoch lag eine Beförderungsverweigerung im Sinne der Fluggastrechteverordnung nicht vor. Diese ist nur in Fällen gegeben, in denen sich der Passagier rechtzeitig zur Abfertigung einfindet und ihm dann von der Fluggesellschaft die Beförderung verweigert wird. Vorliegend war der Kläger jedoch, obgleich unverschuldet, zu spät erschienen, sodass der Ausgleichsanspruch diesbezüglich nicht bestand.

Tenor:

4. Die Beklagte wird verurteilt an den Kläger € 862,93 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 5. August 2006 sowie € 42,25 an vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu zahlen.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 40% und die Beklagte zu 60%.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien dürfen die Vollstreckung durch die jeweils andere Partei durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

5. Die Parteien streiten über Ausgleichs- und Schadensersatzansprüche aufgrund eines Luftbeförderungsvertrages.

6. Der Kläger buchte bei der Beklagten einen Flug von H. nach A. über P. und zurück. Der Hinflug sollte ursprünglich am 25.4.2006 stattfinden, wurde dann aber durch den Kläger auf Donnerstag, den 27.4.2006, umgebucht. Die Maschine startete am 27.4.2006 planmäßig um 13.45 Uhr in H., landete jedoch mit einer Verspätung von 25 Minuten, weil der Luftraum über dem P. Flughafen überfüllt war und zunächst keine Landeerlaubnis erteilt werden konnte. Der Weiterflug von P. nach A. startete pünktlich um 15.55 Uhr. Der Kläger konnte diesen Flug aufgrund der Verspätung des Zubringerflugs jedoch nicht mehr erreichen. Als er den Abflugschalter erreichte, befand sich der Flieger bereits auf dem Rollfeld.

7. Die Beklagte reservierte dem Kläger daher einen Platz für den nächsten Flug nach A., welcher am darauffolgenden Tag – also am Freitag, den 28.4.2006 – stattfand, und übernahm die notwendig gewordenen Hotelkosten für die Übernachtung des Klägers. Der Kläger kontaktierte seine Geschäftspartner in A., mit denen ursprünglich ein Treffen für den Donnerstag vereinbart war. Am späten Abend des 27.4.2006 erfuhr der Kläger, dass ein Treffen am Freitag aufgrund technischer Schwierigkeiten nicht würde stattfinden können und es frühestens am Montag, den 1.5.2006, nachgeholt werden könne. Der Kläger bemühte sich daraufhin erfolglos um einen Rückflug nach H. am selben Abend. Zu diesem Zweck rief er mehrere Hotlines der Beklagten an. Seine Gesprächspartner hielten ihn dazu an, sich am nächsten Morgen direkt am Flughafen um einen Rückflug zu kümmern. Die Kosten für die Telefongespräche beliefen sich auf insgesamt € 6,71. Sicherheitshalber reservierte der Kläger telefonisch über ein deutsches Reisebüro einen Flug nach H. für den nächsten Morgen, Abflugszeit 11.15 Uhr. Am 28.4.2006 verließ der Kläger um 8.15 das Hotel und machte sich auf den Weg in Richtung Flughafen. Dort suchte er zunächst einen Serviceschalter der Beklagten auf. Die Mitarbeiter nahmen auf Wunsch des Klägers eine kostenlose Umbuchung des Flugs von P. nach A. auf Montag, den 1.5.2006, und des Rückflugs vor. Sie wiesen ihn zudem an, sich zum Baggage-Office zu begeben, um nach seinem – seit der Landung in P. nicht auffindbaren – Koffer suchen und sich am Ticketschalter ein Ticket für den Rückflug nach H. ausstellen zu lassen. Der Kläger folgte diesen Anweisungen und wandte sich zunächst an das Baggage-Office. Nach langen Diskussionen mit den Mitarbeitern und der fruchtlosen Suche nach dem Koffer begab er sich dann um 10:45 Uhr zum Ticketschalter. Dort teilte man ihm mit, dass er eine Stunde vor Abflug hätte einchecken müssen und er den Flug nach H. deswegen nicht mehr erreichen könne. Der Check-in Vorgang war zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen.

8. Die Servicemitarbeiterin der Beklagten am Ticketschalter bot dem Kläger dann einen Flug nach H. am Abend desselben Tages an, teilte ihm jedoch mit, dass er die Kosten dafür – € 1.000,- – selbst zu tragen habe. Der Kläger lehnte dieses ab und buchte stattdessen einen Flug nach B. für denselben Abend für insgesamt € 608,93, weil der Bremer Flughafen von seinem Wohnort – D. – ebenfalls nicht weit entfernt ist. Da der Pkw des Klägers im Parkhaus am H. Flughafen stand, bemühte sich der Kläger von P. aus telefonisch um eine Fahrgelegenheit von B. nach Hause. Dafür sind ihm Handykosten in Höhe von € 62,25 entstanden. Nach Ankunft des Klägers in B. gegen 19 Uhr stellte sich dann heraus, dass sein Koffer erst gegen 22 Uhr in B. eintreffen werde. Der Kläger fuhr daher sofort nach Haus, kehrte aber später am Abend nochmals zum Flughafen zurück, um den Koffer abzuholen. Er legte Wert darauf, den Koffer noch am selben Abend in Empfang zu nehmen, da sich darin wichtige Unterlagen befanden, die er benötigte. Für die Hin- und Rückfahrt wurden nochmals 40 km zurückgelegt.

9. Der Kläger forderte die Beklagte vorprozessual mehrfach zur Zahlung von Entschädigungs- und Ausgleichszahlungen auf. Die Beklagte leistete jedoch nur eine Zahlung in Höhe von € 20,00 für die entstandenen Telefonkosten und verweigerte im Übrigen die Leistung.

10. Der Kläger meint, die Beklagte schulde ihm Schadensersatz und einen finanziellen Ausgleich in Höhe der Klagforderung.

11. Erstens habe die Beklagte die Kosten des Fluges von P. nach B. in Höhe von € 608,93 zu erstatten. Dies ergebe sich zum einen aus Art. 19 des Montrealer Abkommens (im Folgenden als MA bezeichnet). Zum anderen folge die Ersatzpflicht aber auch aus der Fluggastrechte – VO (EG) 261/2004 (im Folgenden: VO). Denn gemäß Art. 4 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 8 Abs. 1, 2. Spiegelstrich VO müsse das Luftfahrtunternehmen im Falle eines Rücktritts des Reisenden wegen der Verweigerung der Beförderung durch das Luftfahrtunternehmen die Kosten für den Rückflug zum ersten Abflugsort übernehmen. Der Umstand, dass die Beklagte ihn, den Kläger, nicht zum Flug von P. nach A. zugelassen habe, stelle eine Verweigerung im Sinne der VO dar. Dabei komme es auch nicht darauf an, dass er nicht entsprechend Art. 3 Abs. 2 lit. a), 2. Spiegelstrich VO 45 Minuten vor Abflugzeit zur Abfertigung erschienen sei. Denn Die Beklagte habe allein diese Tatsache zu vertreten und die 45 Minuten Frist gelte in diesem Fall nicht, weil er gemäß Art. 3 Abs. 2 lit. b) VO noch vor seiner Ankunft in P. auf den Flug nach A. am Freitag, den 28. April 2006 umgebucht worden sei. Der Kläger beruft sich insofern auf das Urteil des BGH vom 30.4.2009, Xa ZR 78/08, in welchem dieser auf das Urteil des HansOLG vom 6.11.2007 (RRa 2008, 139) Bezug nimmt. Schließlich habe er, der Kläger, sich am Startflughafen in H. rechtzeitig eingefunden und dort bereits die Boarding-Karten erhalten. Dies reiche aus.

12. Weiter sei auch Art. 6 der VO, welcher ebenfalls auf Art. 8 VO verweist, einschlägig. Denn wegen der Verspätung des Flugs H.-P. habe sich die Ankunft in A. stark verzögert. Auch, wenn er, der Kläger, den nächsten verfügbaren Flug in Anspruch genommen hätte, wäre die Verspätung jedenfalls mehr als 3 Stunden, und damit erheblich gewesen.

13. Schließlich folge die Ersatzpflicht auch aus §§ 46, 47 LuftVG und dem deutschen Schuldrecht. Insofern sei auch zu beachten, dass die Beförderungsleistung aufgrund der terminlichen Bindung des Klägers in A. ein absolutes Fixgeschäft gewesen sei.

14. Zweitens schulde die Beklagte Ausgleichszahlungen wegen Nichtbeförderung gemäß Art. 4 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 7 VO in Höhe von € 600,00 für den Flug P. – A. und € 250,00 für den Flug P.-H. Der Flug P. – A. sei nach Auskunft eines Mitreisenden überbucht gewesen. Zudem habe es die Beklagte zu vertreten, dass der Flug nicht erreicht worden sei. Die 45 Minuten-Regel sei – insoweit trägt er entsprechend den Ausführungen bezüglich der Rückflugkosten vor – wegen der Umbuchung nicht einschlägig. Hinsichtlich des Flugs P.-H. stünde ihm unabhängig von der 45-Minuten-Reglung eine Ausgleichzahlung zu, weil die Beklagte es zu vertreten habe, dass er nicht „rechtzeitig“ am Ticketschalter erscheinen konnte. Denn die Beklagte habe ihn aufgefordert, seinen Koffer suchen zu lassen, was sehr lange gedauert habe. Er habe den Schalter zwar nicht 45 Minuten vor Abflug, wohl aber zu einem Zeitpunkt erreicht, zu dem der Check-in Vorgang noch nicht abgeschlossen gewesen sei. Dies allein sei entscheidend. Insofern beruft sich der Kläger insbesondere auf das vorgelegte Urteil des Handelsgerichts Wien (Bl. 304 ff. d. A.).

15. Drittens stehe ihm Schadensersatz wegen der von P. aus getätigten Handytelefonate mit Kosten in Höhe von insgesamt € 68,96 abzüglich bereits von der Beklagten geleisteten Zahlungen in Höhe von € 20,00, wegen der Fahrtkosten vom Bremer Flughafen nach D. und zurück in Höhe von € 12,00 (€ 0,30 pro km), wegen der Parkgebühren am H. Flughafen für die Zeit vom 28.4.2006 bis zum 30.4.2006 in Höhe von € 20,00 und schließlich wegen seines entgangenen Gewinns als Steuerberater in Höhe von € 300,-, jedenfalls aber € 192,- zu. Der Schadensersatzanspruch folge aus Art. 19 MA, §§ 46, 47 Abs. 2 LuftVG und nationalem Schuldrecht. Die aufgrund der Verordnung beanspruchten Ausgleichsansprüche seien jedoch gemäß Art. 12 Abs. 1 VO auf diese Schadenspositionen anzurechnen.

16. Die Klage ist am 25.4.2008 während der Geschäftszeiten der Annahmestelle per Fax bei Gericht eingegangen. Das Original wurde am 25.4.2008 zwischen Dienstschluss und 24 Uhr mit einem Verrechnungsscheck für den Gerichtskostenvorschuss in den Nachtbriefkasten geworfen. Der Eingang des Verrechnungsschecks bei der Justizkasse datiert auf den 30.4.2008. Mit Schreiben vom 6.5.2008 forderte das Gericht den Prozessbevollmächtigten des Klägers zur Zahlung des Gerichtskostenvorschusses auf. Die Zustellung der Klage bei der Beklagten erfolgte durch richterliche Verfügung vom 22.5.2008 am 26.5.2008.

17. Mit seiner Klage vom 22. April 2008 beantragt der Kläger,

die Beklagte zu verurteilen, € 1.458,89 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 5. August 2008 an ihn zu zahlen.

18. Klagerweiternd beantragt er mit Schriftsatz vom 15. September 2008,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn € 42,25 vorgerichtliche Anwaltskosten zu zahlen.

19. Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

20. Die Beklagte meint, dem Kläger stünden keinerlei Ansprüche gegen sie zu.

21. Zum einen seien die Ansprüche verfristet. Denn die 2-jährige Ausschlussfrist des Artikel 35 MA bzw. § 49 a LuftVG, die analog für Ansprüche aufgrund der VO gelte, sei bereits vor Rechtshängigkeit abgelaufen. Die Frist habe am 27.4.2006, nämlich am Tag der geplanten Landung in A., zu laufen begonnen. Die Frist sei daher am 27.4.2008 abgelaufen. Die Klagschrift sei jedoch – was unstreitig ist – erst am 26.5.2008, und damit zu spät, zugestellt worden. Der Eingang der Klagschrift bei Gericht auf den 25.4.2008 sei unerheblich. Die Rückwirkungsfunktion des § 167 ZPO greife im vorliegenden Fall nicht ein, da der Kläger nicht alles in seinem Einflussbereich liegende getan habe, um eine „rechtzeitige“ Zustellung zu bewirken. Die verzögerte Zustellung der Klage sei vielmehr auf das Verhalten des Klägers, bzw. dessen Bevollmächtigten zurückzuführen. Die Scheckhingabe sei noch keine Erfüllung der Verbindlichkeit bezüglich der Gerichtskosten sondern nur eine Leistung erfüllungshalber gewesen. Die Schuld sei erst mit endgültiger Befriedigung aus dem Scheck getilgt worden, was mehr als zwei Wochen nach Ablauf der Ausschlussfrist erfolgt sei. Der Kläger hätte die Kosten per Kostenstempler zahlen müssen, um in den Genuss der Rückwirkungsfiktion zu gelangen.

22. Zum anderen bestünden aber auch in materieller Hinsicht keinerlei Forderungen. Insbesondere könnten keinerlei Ansprüche aufgrund einer Nichtbeförderung gemäß Art. 4 Abs. 3 VO geltend gemacht werden. Weder bei dem Flug P.-A. noch bei dem Flug P.-H. habe eine Beförderungsverweigerung im Sinne von Art. 4 Abs. 3, 2 lit. j), 3 Abs. 2 VO vorgelegen. Denn der Kläger habe sich jeweils zu spät – nämlich nicht 45 Minuten vor Abflug – bei der Abfertigung eingefunden.

23. Hinsichtlich des Fluges P.-A. sei zwar richtig, dass der Kläger wegen des verspäteten Zubringerflugs nicht rechtzeitig dort eintreffen konnte; darauf komme es jedoch nicht an. In Bezug auf Ausgleichszahlungen wegen Nichtbeförderung habe der BGH ausdrücklich entschieden, dass letztere nur gegeben sei, wenn der Fluggast sich 45 Minuten vor Abflug bei der Abfertigung des bestätigten Fluges eingefunden habe, das Luftfahrtunternehmen aber gleichwohl die Mitnahme verweigert. Bei dem Flug P.-A. habe es sich um einen solchen bestätigten Flug gehandelt. Es habe kein umgebuchter Flug im Sinne von Art. 3 Abs. 2 lit. b) VO vorgelegen. Eine solche Auslegung widerspreche der Gesetzessystematik – Art. 3 Abs. 2 lit. a) als lex specialis – und der gefestigten BGH Rechtsprechung. Der Flug P.-A. sei zudem nicht überbucht gewesen. In anderen Fällen sei Art. 4 Abs. 3 VO aber gar nicht anzuwenden. Darüber hinaus habe der Kläger die Umsteigezeiten schlecht kalkuliert, so dass ihn wenigstens ein erhebliches Mitverschulden treffe. Dementsprechend könne der Kläger weder die Kosten für den Rückflug nach B., noch eine Ausgleichszahlung für den Flug P.-A. verlangen.

24. Eine Ausgleichszahlung wegen des verpassten Flugs von P. nach B. unter dem Gesichtspunkt der Nichtbeförderung scheide daher ebenfalls aus. Der Kläger habe sich für diesen Flug im Übrigen nicht nur nicht rechtzeitig bei der Abfertigung eingefunden, sondern das verspätete Eintreffen auch selbst verschuldet. Die Diskussion mit dem Personal vom Baggage-Office sei unnötig und auch von vornherein nicht erfolgversprechend gewesen. Jedenfalls sei ihm auch insofern ein erhebliches Mitverschulden anzulasten.

25. Die Kosten für den Flug könnten auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Flugverspätung geltend gemacht werden. Denn zum einen gelte Art. 6 VO ausweislich seines Wortlauts nur für den Fall, dass sich bereits der Abflug verzögert; zum anderen halte sich eine 25-minütige Verspätung in den Toleranzgrenzen des Art. 6 VO, mit der Folge, dass keinerlei Ansprüche aus der Verspätung resultieren. Zudem sei die Beförderung auch kein absolutes Fixgeschäft gewesen.

26. Bezüglich der Parkgebühren ist die Beklagte der Auffassung, dass sie auch im Falle der Erreichung des Fluges nach A. am 27.4.2006 angefallen wären. Die Fahrt nach B. am Abend des 28.4.2006 sei unnötig gewesen, weil verspätet eintreffende Gepäckstücke den Reisenden stets kostenlos nachgeliefert würden. Ein entgangener Gewinn sei nicht konkret erkennbar.

27. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

28. Die zulässige Klage ist im tenorierten Umfang begründet, im Übrigen unbegründet und abzuweisen.

29. 1. Der Kläger ist mit seiner Klage auf Schadensersatz und Ausgleichsleistungen nicht gemäß Art. 35 MA bzw. § 49 a LuftVerkG ausgeschlossen. Die fristwahrende Wirkung der Zustellung ist gemäß § 167 ZPO bereits mit Eingang der Klage bei Gericht eingetreten, da die Zustellung „demnächst“ erfolgte.

30. Eine Zustellung erfolgt „demnächst“, wenn sie in einer den Umständen nach angemessenen Frist ohne jede besondere von der Partei oder ihrem gesetzlichen Vertreter oder Prozessbevollmächtigten zu vertretende Verzögerung erfolgt (BGH NJW 2007, 441) und die Partei, in dessen Interesse die Zustellung erfolgt, mit aller ihr möglichen Beschleunigung wirkt, um eine „demnächste“ Zustellung zu ermöglichen (BGH 69, 363). Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Insbesondere hat sich der Kläger hinsichtlich der Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses keine nicht zu tolerierenden Verzögerungen zuschulden kommen lassen.

31. Es besteht grundsätzlich keine Verpflichtung des Klägers, den Gebührenvorschuss von sich aus, vor gerichtlicher Zahlungsaufforderung einzuzahlen (st. Rspr. siehe nur BGH NJW 1994, 1073). Der Kläger darf die Zahlungsaufforderung abwarten. Er hat dann regelmäßig noch ca. 14 Tage Zeit, um die Gebühren einzuzahlen, um in den Genuss der Rückwirkung zu kommen (BGH NJW 1986, 1347). Der Kläger hat den Verrechnungsscheck im vorliegenden Fall mit dem Original der Klage am 25.4.2008 in den Gerichtsbriefkasten geworfen. Der Scheckeingang bei der Justizkasse datiert vom 30.4.2008. Die Aufforderung seitens des Gerichts vom 6.5.2008 an den Kläger, den Vorschuss einzuzahlen, war damit hinfällig. Der Kläger hatte den Vorschuss folglich schon vor der gerichtlichen Aufforderung geleistet. Wann der Scheck durch die Justizkasse eingelöst wurde, ist unerheblich, weil der Kläger darauf keinen Einfluss nehmen kann. Entgegen der Auffassung der Beklagten war er auch nicht verpflichtet, die Kosten mit sofortiger Erfüllungswirkung einzuzahlen. In Bezug auf die Gerichtskosten ist es grundsätzlich ausreichend, eine zeitnahe Befriedigung zu ermöglichen, so dass die Hingabe eines Schecks genügt. Der Kläger darf davon ausgehen, dass die Einlösung des Schecks jedenfalls binnen 2 Wochen erfolgt. Geschieht dies nicht, so ist dies nicht dem Kläger anzulasten. Dass die Zustellung der Klage erst am 26.5.2008 erfolgt ist, ist mithin kein Umstand, der dem Kläger zuzurechnen wäre.

32. 2. Der Kläger kann von der Beklagten die Erstattung von € 608, 93 für den Flug von P. nach B. verlangen.

33. a) Ein Anspruch aus der VO wegen Nichtbeförderung gemäß Art. 4 Abs. 3 i. V. m. Art. 8 Abs. 1 lit. a), 2. Spiegelstrich VO besteht jedoch nicht. Gemäß diesen Vorschriften hat das Luftfahrtunternehmen, wenn es dem Fluggast gegen dessen Willen die Beförderung verweigert, diesem einen Rückflug zum ersten Abflugsort zur Verfügung zu stellen, wenn die Weiterreise zwecklos geworden ist und sofern der Fluggast dies wünscht. An diesen Voraussetzungen fehlt es hier: zwar wurde die Weiterreise am 28.4.2006 für den Kläger zwecklos, weil seine Geschäftspartner in A. terminlich nicht mehr zur Verfügung standen; zudem verlangte der Kläger von der Beklagten bereits am 28.4.2006 die Rückreise nach Deutschland; der verpasste Flug von P. nach A. am 27.4.2006 stellte jedoch keine „Nichtbeförderung“ im Sinne der Verordnung dar. Gemäß Art. 2 lit. j) VO ist eine Nichtbeförderung grundsätzlich die Weigerung, Fluggäste zu befördern, die sich unter den in Art. 3 Abs. 2 VO genannten Bedingungen am Flugsteig eingefunden haben. Gemäß Art. 3 Abs. 2 VO haben sich Fluggäste, die über eine bestätigte Buchung verfügen, zur angegebenen Zeit, oder – mangels einer solchen Zeitangabe – spätestens 45 Minuten vor Abflug zur Abfertigung einzufinden. Für diejenigen Fluggäste, die keine bestätigte Buchung haben, sondern die auf einen anderen Flug verlegt wurden, gilt kein besonderes Zeitfenster.

34. Der Kläger hat die Zeitvorgaben der Verordnung nicht eingehalten. Er verfügte über eine bestätigte Buchung und eine entsprechende Bordkarte für den Flug von P. nach A. am 27.4.2006. Als er sich – weniger als 45 Minuten vor Abflug – zur Abfertigung für diesen Flug einfand, befand sich der Flieger jedoch bereits auf dem Rollfeld zum Start in Richtung A..

35. Eine rein faktische Nichtbeförderung reicht aber gerade nicht, um Ansprüche des Fluggastes aus der Verordnung zu begründen. Dies gilt auch dann, wenn ein Flug nicht erreicht werden konnte, weil sich der Zubringerflug verspätet (vgl. für Ausgleichsansprüche wegen eines verspäteten Zubringerflugs BGH, Urteil vom 30.4.2009, Xa ZR 78/08). Der Einwand der Klägers, entscheidend sei nur, dass er am H. Flughafen pünktlich eingecheckt sei, geht fehl. Denn der Flug im Sinne der Verordnung ist nicht mit der Flugreise zu verwechseln, die die Fluggäste unternehmen (EuGH, Urt. v. 10.7.2008 – C-173/07, RRa 2008, 237 Tz. 32 – Emirates Airlines/Schenkel; BGH a. a. O.). Flug ist vielmehr, wie auch Art. 2 lit. h) der VO zeigt, auch bei einem einheitlichen Beförderungsvertrag die einzelne „Einheit“ einer Luftbeförderung, die von einem Luftverkehrsunternehmen durchgeführt wird, das die entsprechende Route festlegt (EuGH a. a. O. Tz. 40; BGH a. a. O.).

36. Der Kläger kann sich auch nicht darauf berufen, dass er wegen der Verspätung des Zubringerflugs auf einen anderen Flug umgebucht wurde und deshalb Art. 3 Abs. 2 lit. b) einschlägig sei, mit der Folge, dass es auf die 45-Minuten-Regelung nicht ankomme. Denn hier geht es nicht darum, dass der Weiterflug mit der Begründung versagt wurde, dass eine Umbuchung erfolgt sei (so aber im Beschluss des HansOLG vom 6.11.2007, RRa 2008, 139, auf welches sich der BGH a. a. O. bezieht). Vielmehr wurde der Weiterflug des Klägers nach A. umgebucht, weil eine Beförderung mit dem ursprünglich gebuchten Flug nicht stattfinden konnte, da der Zubringerflug verspätet war. Die Umbuchung war gerade nicht kausal für die Nichtbeförderung, sondern erfolgte erst aufgrund der Nichtbeförderung. Wann genau die Umbuchung erfolgte – ob bereits vor Landung des Fluges H.-P. oder erst unmittelbar nach der Landung – kann im Ergebnis keine Rolle spielen. Denn sie erfolgte jedenfalls deshalb, weil feststand, dass die Passagiere den Flug nach A. nicht mehr erreichen würden. Ob der Flug P.-A. überbucht war, wofür der Kläger einen Beweis schuldig geblieben ist, ist unerheblich, weil eine eventuelle Überbuchung für die Nichtbeförderung jedenfalls nicht kausal wurde.

37. b) Auch ein Anspruch wegen der Verspätung des Zubringerflugs nach P. gemäß Art. 6 Abs. 1, Art. 8 Abs. 1 lit. a), 2. Spiegelstrich VO scheidet aus. Denn zum Einen stellt Art. 6 VO eindeutig auf eine Verspätung des Abflugs ab, auf eine verspätete Ankunft kommt es dementsprechend nicht an. Zum Anderen lag die Verspätung des Fluges H.-P. noch innerhalb der in Art. 6 VO genannten Toleranzgrenzen. Der ursprünglich gebuchte Flug P.-A. startete sogar pünktlich. Auf die Verspätung, mit der der Kläger in A. gelandet wäre, wenn er den von der Beklagten angebotenen Flug am 28.4.2006 in Anspruch genommen hätte, ist nicht abzustellen. Denn die Vorschrift soll nicht den Schaden, den ein Fluggast durch eine Verspätung erleidet, ersetzen. Sie hat vielmehr den Zweck, dem Reisenden ein Mindestmaß an Leistungen zur Verfügung zu stellen, wenn sich abzeichnet, dass sich der Abflug der von ihm gebuchten Maschine erheblich verzögert. Der Fall, dass der Fluggast seinen Flieger nicht erreicht, mit der Folge, dass er auf den nächsten warten muss, ist nicht vom Schutzzweck des Art. 6 VO umfasst. Dies folgt im Übrigen schon daraus, dass Art. 6 VO sich an dasjenige Luftfahrtunternehmen richtet, das den verspäteten Flug ausführt, während – generell betrachtet – das Unternehmen, welches den (leicht) verspäteten Zubringerflug ausführt, ein anderes sein kann. Letzteres ist somit gar nicht vorgesehener Schuldner der Ansprüche aus Art. 6 i. V. m. Art. 8 VO.

38. c) Der Kläger kann aber unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes gemäß Artikel 19 MA Ersatz für die Flugkosten verlangen. Denn diese sind Teil seines individuellen Verspätungsschadens.

39. Gemäß Art. 19 MA muss der Luftfrachtführer unter anderem denjenigen Schaden ersetzen, der durch die Verspätung bei der Luftbeförderung von Reisenden entsteht. Etwas anderes gilt nur, wenn der Luftfrachtführer nachweisen kann, dass er und seine Leute alle zumutbaren Maßnahmen zur Vermeidung des Schadens getroffen haben oder es ihm und ihnen nicht möglich war, solche Maßnahmen zu ergreifen.

40. Aufgrund der Verspätung des Flugs H.-P. am 27.4.2006 konnte der Kläger den Anschlussflug nach A. nicht erreichen. Weil er diesen nicht erreichte, musste er mit seinen Geschäftspartnern in A. einen neuen Termin vereinbaren. Da das nächste Treffen von Seiten der Geschäftspartner erst am Montag möglich war, musste der Kläger zunächst wieder nach Hause fliegen. Ihm war nicht zumutbar, den Flug am 28.4.2006 gleichwohl anzutreten und somit seinen USA Aufenthalt um drei Tage zu verlängern. Die vom Kläger gezahlten Flugkosten belaufen sich auf € 608,93 und sind mangels Exkulpation der Beklagten von dieser zu tragen.

41. Ein Mitverschulden muss der Kläger sich entgegen der Auffassung der Beklagten nicht anrechnen lassen. Denn die von ihm gewählte Flugverbindung wurde ihm vom Buchungssystem der Beklagten vorgeschlagen. Der Kläger durfte davon ausgehen, dass die vorgeschlagenen Flugzeiten gut kalkuliert und erforderliche Umsteigezeiten sowie geringfügige Unregelmäßigkeiten berücksichtigt waren.

42. 3. Dem Kläger stehen weder in Bezug auf den verpassten Flug von P. nach A. (dazu a)), noch hinsichtlich des verpassten Fluges von P. nach H. (dazu b)) Ausgleichszahlungen zu.

43. a) Nach neuerer BGH – Rechtsprechung kann der Fluggast eine Ausgleichszahlung wegen Nichtbeförderung nur verlangen, wenn er erstens entweder über eine bestätigte Buchung für den Flug verfügt oder auf den betreffenden Flug verlegt wurde, er sich zweitens – außer im Fall der Verlegung – zur angegebenen Zeit oder mangels einer solchen Angabe 45 Minuten vor dem planmäßigen Abflug zur Abfertigung eingefunden hat und drittens wenn ihm gegen seinen Willen der Einstieg verweigert wird (BGH a. a. O.). Demnach steht einem Fluggast, der einen Flug wegen eines verspäteten Zubringerflugs nicht erreicht, kein Anspruch auf eine Ausgleichsleistung nach Art. 4 Abs. 3, Art. 7 VO zu (BGH a. a. O., BGH, Urteil vom 28.5.2009, Xa ZR 113/08). So liegt es hier. Der Kläger hat den Flug nach A. nicht erreicht, weil sein Zubringerflug von H. mit einer Verspätung von 25 Minuten gelandet ist und er somit nicht rechtzeitig zur Abfertigung erscheinen konnte. Der Einwand des Klägers, die 45-Minuten-Regelung betreffe ihn nicht, da sein Flug umgebucht worden sei, geht fehl (s. o. unter 2.a)).

44. b) Auch ein Anspruch auf Ausgleichszahlung in Bezug auf den Flug von P. nach H. am 28.4.2006 besteht nicht. Denn auch hier hat der Kläger die 45-Minuten-Frist nicht eingehalten. Er begab sich vielmehr erst 30 Minuten vor Abflug zum Tikketschalter, um sich ein Ticket ausstellen zu lassen. Sofern der Kläger meint, er habe sich zwar nicht 45 Minuten vor Abflug, gleichwohl aber rechtzeitig am Schalter eingefunden, weil der Check-in Vorgang noch nicht abgeschlossen gewesen sei, geht diese Auffassung fehl. Denn zum einen bezieht sich die 45-Minuten-Regelung auf den Check-In Schalter und nicht auf den Ticket-Schalter. Zum anderen können auch, wenn der Check-In Vorgang noch nicht abgeschlossen ist, bei dem Luftfahrtunternehmen interne Gründe vorliegen, die nach außen nicht erkennbar sind, aber eine Nichtzulassung des Reisenden rechtfertigen. Insbesondere können Boarding-Vorgänge und das Starten von Flugzeugen an internationalen Flughäfen wie P.-CDG aufgrund großer zurückzulegender Distanzen so viel Zeit in Anspruch nehmen, dass für die Buchung einer weiteren Person 30 Minuten vor Abflug keine Zeit mehr bleibt. Wenn im vorliegenden Fall der Check-in noch nicht abgeschlossen war, kann das auch daran liegen, dass die Beklagte etwa aus Kulanz wegen langer Warteschlangen am Check-in Passagiere trotz Ablauf der Frist eingecheckt hat. Eine Vielzahl weiterer Gründe ist denkbar.

45. Das Urteil des Handelsgerichts Wien (60 R 44/08 p) führt zu keiner abweichenden Beurteilung. Zum einen ist es nicht verbindlich und kann nur als Auslegungshilfe der Verordnung dienen. Zum anderen betrifft es einen anders gelagerten Fall. In jenem Fall kamen die Fluggäste um 8.50 Uhr am Flughafen an, um ihren Flug um 10.30 Uhr zu erreichen. Da es außergewöhnlich voll an den Check-in Schaltern war, versuchten sie, am Automaten einzuchecken. Das Hilfspersonal erklärte ihnen jedoch, dass der Automaten-Check-in mit den (bereits erworbenen!) Tickets nicht möglich sei und wiesen sie an, sich anzustellen. Um 9.10 Uhr reihten sie sich ein und standen sodann in regem Kontakt mit den TravelCoaches. Einer von ihnen nahm sogar die Abflugzeiten der wartenden Passagiere auf. Wegen der langen Warteschlangen kamen sie offenbar erst später als 45 Minuten vor Abflug an die Reihe und wurden nicht befördert. Dieser Fall ist in mehrerlei Hinsicht nicht mit dem vorliegenden vergleichbar: der Kläger begab sich 30 Minuten vor Abflug erst zum Ticketschalter. Ein Check-in hätte daher erst noch später erfolgen können. Die Passagiere in dem Fall, der vom Handelsgericht Wien entschieden worden ist, sind ausdrücklich dazu angewiesen, sich trotz der fortgeschrittenen Zeit in die Warteschlange einzureihen. Zudem vermittelte das anwesende Personal des Luftfahrtunternehmens den Eindruck, dass es sich um eine rechtzeitige Abfertigung aller wartenden Passagiere kümmere. Im vorliegenden Fall jedoch wurde der Kläger lediglich dazu aufgefordert, sich vor dem Abflug zum Baggage-Schalter zu begeben. Dafür war aber auch noch ausreichend Zeit. Es lag somit in der Verantwortung des Klägers, rechtzeitig am Check-in Schalter anzukommen. Schließlich waren die Schalter im vom Handelsgericht Wien entschiedenen Fall anders als in diesem Fall offenbar stark unterbesetzt, wenn es heißt, dass es „außergewöhnlich“ voll gewesen sei. All diese Umstände mögen das Handelsgericht Wien zu einer besonderen Wertung bewogen haben, die jedoch aus den genannten Gründen auf diesen Fall nicht übertragbar ist.

46. Soweit der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 9.12.2010, X a ZR 80/10, eine erneute Vorlage wegen Streitigkeiten aufgrund von Fluggastrechten an den Europäischen Gerichtshof veranlasst hat, ergibt sich vorliegend entscheidungserheblich keine Weiterung. Der Abflug des „Rundfluges“ startete planmäßig sowohl in B. als auch in P. Der Leitsatz der Entscheidung lautet nach www…de wie folgt:

47. Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden gemäß Art. 267 AEUV zur Auslegung von Art. 6 und Art. 7 der Verordnung (EG) 261/2004 des Parlaments und des Rates über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 vom 11. Februar 2004 (ABl. EG L 46 vom 17. Februar 2004 S. 1 ff.) folgende Fragen vorgelegt:

48. a) Steht dem Fluggast eine Ausgleichszahlung nach Art. 7 der Verordnung zu, wenn sich der Abflug um eine Zeitspanne verzögert hat, die unterhalb der in Art. 6 Abs. 1 der Verordnung definierten Grenzen liegt, die Ankunft am letzten Zielort aber mindestens drei Stunden nach der planmäßigen Ankunftszeit erfolgt? (Rn. 12).

49. b) Für den Fall, dass die erste Frage zu verneinen ist:

50. Ist für die Frage, ob eine Verspätung im Sinne von Art. 6 Abs. 1 der Verordnung vorliegt, bei einem aus mehreren Teilstrecken zusammengesetzten Flug auf die einzelnen Teilstrecken oder auf die Entfernung zum letzten Zielort abzustellen?

51. 4. Der Kläger kann von der Beklagten Schadensersatz gemäß Art. 19 MA für entstandene Telefonkosten in Höhe von € 30,- unter Berücksichtigung der bereits geleisteten € 20,- verlangen. Die Telefonkosten sind Teil des individuellen Verspätungsschadens des Klägers. Wäre der Flieger nach P. pünktlich gewesen, so hätte der Kläger seinen Anschlussflug nach A. erreicht und hätte sich weder telefonisch um einen Rückflug nach H. am 27.4.2006, noch um eine Abholung am B. Flughafen am 28.4.2006 kümmern müssen. Die insofern geltend gemachten Telefonkosten in Höhe von insgesamt € 68,96 sind nach Auffassung des Gerichts jedoch übersetzt.

52. Insbesondere ist auch ein Passagier, der wegen eines verspäteten Flugs einen längeren Aufenthalt am Flughafen verbringt, dazu angehalten, den Schaden gering zu halten. Insofern ist nicht nachvollziehbar, weswegen der Kläger sich für € 62,25 um eine Mitfahrgelegenheit bemüht haben will, wenn die Taxikosten für die Fahrt sich nach grober Schätzung maximal auf ein Drittel belaufen hätten. Ein Mitverschulden muss sich der Kläger aber nicht anrechnen lassen (s. o. unter 2.c)).

53. 5. Der Kläger hat zudem einen Anspruch gemäß Art. 19 MA auf Ersatz der € 12,00, die wegen der Abholung des Koffers am Bremer Flughafen am Abend des 28.4.2006 angefallen sind. Denn nach dem unwidersprochenen Vortrag des Klägers befanden sich in seinem Koffer wichtige Dokumente, die er noch am selben Abend benötigte, der Koffer wäre von der Beklagten aber erst am nächsten Tag ausgeliefert worden. Ein Mitverschulden des Klägers kommt nicht in Betracht (s. o. unter 2.c)).

54. 6. Der Kläger kann zudem € 20,00 gemäß Art. 19 MA für die am H. Flughafen entstandenen Parkgebühren verlangen. Denn wäre er ohne Verspätung befördert worden, wären die Parkgebühren nur einmal angefallen. So musste der Kläger am 1.5.2006 erneut eine Reise antreten und seinen Pkw abermals kostenpflichtig in dem Parkhaus abstellen. Die Höhe der geltend gemachten Gebühren ist üblich und angemessen. Ein Mitverschulden des Klägers kommt nicht in Betracht (s. o. unter 2.c)).

55. 7. Dem Kläger steht gegen die Beklagte schließlich ein Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von € 192,00 wegen entgangenen Gewinns gemäß Artikel 19 MA zu. Der Kläger hat wegen der Verspätung unstreitig 2 Arbeitstage verloren, an denen er seine Tätigkeit als Steuerberater nicht ausüben konnte. Die vom Kläger als Nettolohn für 2 Tage angegebene Summe von € 192,00 ist nach Auffassung des Gerichts realistisch, §§ 286, 287 ZPO. Ein Mitverschulden des Klägers kommt nicht in Betracht (s. o. unter 2.c)).

56. 8. Weitere Ansprüche des Klägers bestehen nicht. Insbesondere kann der Kläger keine Minderung des Flugentgelts geltend machen.

57. Zum Einen stellte die Beförderungsleistung kein absolutes Fixgeschäft dar. Denn bei einem Flugbeförderungsvertrag handelt es sich regelmäßig nicht um ein absolutes Fixgeschäft, bei dem sich die Ansprüche nach §§ 275, 283, 326 BGB richten (BGH, Urteil vom 28.5.2009, Xa ZR 113/08). Auch im vorliegenden Fall ist nichts dafür ersichtlich, dass bei einer Verspätung des Erstflugs die Beförderungsverpflichtung wegfallen sollte. Allein die terminliche Bindung des Klägers am Zielort reicht insofern nicht aus.

58. Zum Anderen stellt die reine Verspätung eines Fluges keine mangelhafte Leistung dar. Die Beförderungsleistung wird nicht dadurch schlechter, dass sie erst zu einem späteren Zeitpunkt erbracht wird. Ob dem Fluggast durch eine Verspätung ein Nachteil entsteht und welcher Art dieser ist, hängt ganz von seinen persönlichen Verhältnissen ab. Verzögerungen bei Flugbeförderungen können daher regelmäßig nur unter dem Gesichtspunkt des Verzugsschadens geltend gemacht werden (BGH Urteil vom 28.5.2009, Xa ZR 113/08).

59. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 280, 286, 288 BGB.

60. Die weitere Nebenforderung kann der Kläger unter dem Gesichtspunkt des Verzugsschadens gemäß §§ 280, 286 BGB beanspruchen.

61. Der Kläger durfte sich wegen der fehlenden Zahlungsbereitschaft der Beklagten eines Rechtsanwalts bedienen, dessen Gebühren nach der Rechtsprechung des BGH auf die im Gerichtsverfahren anfallenden Gebühren hälftig anzurechnen sind. Der der Gebührenabrechnung (Anlage K 10, Bl. 44 d. A.) zugrunde gelegte Gebührenstreitwert entspricht derjenigen Summe, die dem Kläger zusteht.

62. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 92 ZPO. Die weiteren prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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