Flugausfall aufgrund schlechter Witterungsbedingungen

AG Spandau: Flugausfall aufgrund schlechter Witterungsbedingungen

Eine Fluggesellschaft forderte von einem Reisenden die Bezahlung einer Flugreise. Die Klage wurde abgewiesen, da der Flug ohne Nachweis außergewöhnlicher Umstände annulliert worden und der Flugpreis daher mit dem Ausgleichsanspruch des Reisenden zu verrechnen war.

AG Spandau 3 C 9/07 (Aktenzeichen)
AG Spandau: AG Spandau, Urt. vom 29.02.2008
Rechtsweg: AG Spandau, Urt. v. 29.02.2008, Az: 3 C 9/07
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Amtsgericht Berlin-Spandau

1. Urteil vom 29. Februar 2008

Aktenzeichen 3 C 9/07

Leitsatz:

2. Beruft sich eine Fluggesellschaft auf schlechte Witterungsbedingungen als außergewöhnlichen Umstand zur Befreiung von der Ausgleichspflicht für eine Annullierung, so obliegt ihr, nachzuweisen, dass diese so intensiv und anhaltend waren, dass eine Annullierung unumgänglich war.

Zusammenfassung:

3. Eine Fluggesellschaft klagte gegen einen Kunden wegen der ausstehenden Bezahlung einer Buchung für Flüge von Berlin über Amtserdam-Schiphol nach Aruba. Der Zubringer von Berin nach Amsterdam war wegen schlechten Wetters annulliert worden und der Beklagte hatte sein Reiseziel mit einem Tag Verspätung erreicht. Zunächst erging ein Säumnisurteil gegen die Klägerin, in dem die Klage abgewiesen wurde. Hiergegen wandte sie sich mit ihrer Beschwerde.

Das Amtsgericht Spandau stellte fest, dass durch die frist- und formgerechte Beschwerde der Rechtsstreit in den Stand vor dem Säumnisurteil versetzt worden war. Jedoch wurde diese auch nach neuerlicher Verhandlung beibehalten. Die Klägerin hatte keinen Anspruch auf Zahlung des Flugpreises, da der Flug von Berlin nach Amsterdam annulliert worden war, sodass der Beklagte den Anschluss nicht erreichen konnte. Entgegen der Auffassung der Klägerin war sein Ausgleichsanspruch hierfür nicht nur an der Flugentfernung der annullierten Teilstrecke, sondern der gesamten Flugstrecke zu bemessen, da eine einheitliche Buchung vorlag. Somit war der Ausgleichsanspruch von ingesamt 1.200,- € bzw. 1.600,- € auf Verrechnungsbasis mit den geforderten 1.156,72 € zu verrechnen, da die Klägerin nicht bewiesen hatte, dass die Wetterbedingungen so schlecht gewesen waren, dass eine Annullierung alternativ los war. Daher musste der Beklagte die Flüge nicht bezahlen und die Klage wurde abgewiesen.

Tenor:

4. Das Versäumnisurteil des Amtsgerichts Spandau vom 08.06.2007 – Az. 3 C 9/07 – wird aufrechterhalten.

Die Klägerin trägt die weiteren Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand:

5. Die Klägerin betreibt eine Linienfluggesellschaft, bei der der Beklagte für den 03.10.2005 einen Flug Berlin-Amsterdam-Curacao-Amsterdam (Flugnummern … und …) buchte und in Anspruch nahm.

6. Der Beklagte bezahlte in der Folge jedoch den geschuldeten Flugpreis in Höhe von 1.157,62 € nicht und wurde deshalb von der Klägerin auf Zahlung sowie Ersatz anteiliger vorgerichtlicher Kosten in Höhe von 76,91 € in Anspruch genommen.

7. Auf Antrag des Beklagten ist in der mündlichen Verhandlung vom 08.06.2007 gegen die nicht erschienene Klägerin ein klageabweisendes Versäumnisurteil ergangen. Gegen dieses Versäumnisurteil hat die Klägerin mit einem am 14.06.2007 beim Gericht eingegangenen Anwaltsschriftsatz Einspruch eingelegt und diesen begründet.

8. Die Klägerin beantragt nunmehr,

das Versäumnisurteil aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 1.157,62 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.11.2005 sowie anteilige vorgerichtliche Kosten in Höhe von 76,91 € zu zahlen.

9. Der Beklagte beantragt,

das Versäumnisurteil aufrechtzuerhalten.

10. Der Beklagte erklärt die Aufrechnung mit seiner Ansicht nach bestehenden Ausgleichsansprüchen nach Art. 7 der EG-Verordnung Nr. 261/2004 vom 11. Februar 2004. Er habe für den 03.05.2005 zwei Flüge von Berlin (planmäßige Abflugzeit: 11:40 Uhr) nach Aruba via Amsterdam zum Preis von jeweils 475 € zzgl. Steuern bei der Klägerin gebucht und dabei den Anschlussflug in Amsterdam verpasst, weil der Flug von Berlin nach Amsterdam kurzfristig annulliert wurde, was unstreitig ist. Der Beklagte habe deshalb erst am nächsten Tag über Amsterdam nach Aruba fliegen können. Der Beklagte ist der Ansicht, dass ihm aufgrund der Annullierung des Fluges Berlin-Amsterdam und des deshalb verpassten Anschlussfluges nach Aruba gem. Art. 7 Abs. 1 c) der EG-Verordnung Nr. 261/2004 ein Ausgleichsanspruch für einen Flug mit einer Entfernung von mehr als 3.500 km in Höhe von jeweils 600 € in bar bzw. ersatzweise 800 € zur Verrechnung, insgesamt also 1.200 € in bar bzw. 1.600 € zur Verrechnung zustehe.

11. Die Klägerin behauptet dazu, der Flug sei wegen schlechter Witterungsbedingungen am Flughafen Amsterdam-Schiphol bzw. wegen eines durch diese Witterung verursachten Rückstaus ausgefallen. Die Klägerin sei deshalb gem. Art. 5 Abs. 3 der EG-Verordnung Nr. 261/2004 zu keinerlei Ausgleichszahlungen verpflichtet. Selbst wenn ein Anspruch des Beklagten dem Grunde nach bestünde, könne dieser gem. Art. 7 Abs. 1 a) der EG-Verordnung Nr. 261/2004 maximal 250 € pro Flug betragen, da die Strecke des annullierten Fluges Berlin-Amsterdam unter 1.500 km liege.

12. Das Gericht hat gem. Beschluss vom 13.04.2007 Beweis erhoben durch die Einholung einer flugmeteorologischen Auskunft des Deutschen Wetterdienstes Potsdam. Bzgl. des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Bereicht des Deutschen Wetterdienstes vom 11.07.2007 Bezug genommen. Des Weiteren hat das Gericht Beweis erhoben gem. Beschluss vom 13.04.2007 durch die Einholung einer Auskunft bei der Deutschen Flugsicherung GmbH. Bzgl. des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Bericht der Deutschen Flugsicherung vom 04.10.07 und der Niederländischen Flugsicherung vom 11.10.2007 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

13. Die Klage ist unbegründet.

14. Aufgrund des Einspruchs der Klägerin gegen das Versäumnisurteil vom 08.06.2007 ist der Prozess in die Lage vor deren Säumnis zurückversetzt worden (§ 342 ZPO). Der Einspruch ist nämlich zulässig. Er ist statthaft (§ 338 ZPO) und form- (§ 340 Abs. 1 und 2 ZPO) und fristgerecht (§ 339 Abs. 1 ZPO) eingelegt worden; denn der Einspruch der Klägerin gegen das Versäumnisurteil mit Anwaltsschriftsatz vom 08.06.2007, der beim Gericht am 14.06.2007 eingegangen ist, ist innerhalb der Zweiwochenfrist des § 339 Abs. 1 ZPO erfolgt.

15. Das Versäumnisurteil ist vorliegend aufrechtzuerhalten, denn die aufgrund der erneuten mündlichen Verhandlung zu erlassende Entscheidung stimmt mit der im Versäumnisurteil enthaltenen überein, § 343 ZPO. Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch nicht zu. Denn der ursprünglich gegebene Anspruch der Klägerin auf Zahlung von 1.157,62 € aus dem mit dem Beklagten geschlossenen Beförderungsvertrag über die Flugbuchung Berlin-Amsterdam-Curacao-Amsterdam am 03.10.2005 ist durch Aufrechnung des Beklagten erloschen gem. §§ 387, 389 BGB.

16. Der Beklagte hat durch seine Erklärung vom 06.02.2007 gegen den Klageanspruch wirksam aufgerechnet mit einem fälligen und gleichartigen Gegenanspruch aus Art. 5 Abs. 1 c), 7 Abs. 1 c) der EG-Verordnung Nr. 261/2004. Dem Beklagten stand eine Ausgleichszahlung in Höhe von 1.200 € nach Art. 5 Abs. 1 c), 7 Abs. 1 c) der EG-Verordnung Nr. 261/2004 zu. Aufgrund der Annullierung des Teilfluges Berlin-Amsterdam und der damit gleichzeitig verhinderten Inanspruchnahme des Anschlussfluges nach Aruba wurde der Flug des Beklagten zu seinem – soweit unstreitig – mehr als 3.500 km entferntes Reiseziel Aruba annulliert im Sinne von Art. 5 der EG-Verordnung Nr. 261/2004. Die genannte EG-Verordnung ist gemäß ihres Art. 3 Abs. 1 a) hier anwendbar, da der fragliche Flug in Berlin und damit im Gebiet eines Mitgliedsstaats angetreten werden sollte. Soweit die Klägerin der Ansicht ist, dass es sich gleichsam um zwei Einzelflüge (Berlin-Amsterdam und Amsterdam-Aruba) gehandelt habe und daher ein Ausgleichsanspruch allenfalls in Höhe von 250 € pro Flug für den tatsächlich annullierten Flug Berlin-Amsterdam gem. Art. 7 Abs. 1 a) der EG-Verordnung Nr. 261/2004 in Betracht komme, vermag dies nicht zu überzeugen. Denn der Beklagte hat nach dem vorgelegten Ausdruck der Internetbuchung sowie des (Ersatz-) Flugtickets eine Beförderung von Berlin nach Aruba bei der Klägerin gebucht. Der Abschluss einzelner Beförderungsverträge für die jeweiligen Teilstrecken liegt demnach gerade nicht vor. Dafür spricht auch, dass für die Beförderung kein sich aus den Einzelbeträgen für die beiden Teilstrecken zusammengesetzter Preis vereinbart wurde, sondern vielmehr ein einheitlicher (Pauschal-) Preis in Höhe von 475 € zzgl. Steuern. Dieses schon aus allgemeinen Erwägungen angezeigte Ergebnis lässt sich auch aus Art. 7 Abs. 1 S. 2 der EG-Verordnung Nr. 261/2004 herleiten. Nach dieser Vorschrift ist bei der Ermittlung der für den Ausgleichsanspruch relevanten Entfernung der letzte Zielort des betroffenen Fluggastes zugrunde zu legen. Der letzte Zielort des Beklagten, der seine gesamte Reise bei der Klägerin gebucht hatte, war vorliegend Aruba und damit ein über 3.500 km entferntes Reiseziel. Nach Art. 7 Abs. 1 c) ergibt sich daher ein Ausgleichsanspruch von 600 € pro Flug.

17. Der Ausgleichsanspruch des Beklagten ist auch nicht ausgeschlossen gem. Art. 5 Abs. 3 der EG-Verordnung Nr. 261/2004. Nach der genannten Vorschrift ist ein Luftfahrtunternehmen zu Ausgleichszahlungen nach Art. 7 nicht verpflichtet, wenn es nachweist, dass die Annullierung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären. Die insoweit beweispflichtige Klägerin konnte vorliegend nicht beweisen, dass die Annullierung des Fluges auf solchen außergewöhnlichen Umständen beruht. Zwar steht nach der Beweisaufnahme fest, dass am Morgen des 03.05.2005 auf dem Flughafen Amsterdam-Schiphol dichter Nebel herrschte, der erhebliche Beeinträchtigungen für den Flugverkehr verursachte. Im Verlauf des Vormittags verbesserten sich die Wetterverhältnisse jedoch kontinuierlich. Zwar traten am Vormittag noch leichte Regenschauer ein, und auch zumindest Nebelschwaden waren noch bis ca. 11:25 Uhr MESZ nachweisbar. Jedoch waren diese Witterungsbedingungen nicht von solcher Schwere, dass sie den Flugbetrieb unmöglich gemacht hätten. Des Weiteren lautete auch schon die Prognose der Flugwetterbedingungen für die Zeit von 11 bis 13 Uhr MESZ dahingehend, dass das Wetter keine wesentlichen Beeinträchtigungen mehr bringen würde („NSW = nil/no signifikant weather“). Im Zeitraum des fraglichen Fluges, der um 11:40 Uhr MESZ in Berlin starten sollte, war damit weder tatsächlich eine Wetterlage gegeben, die einen Flugbetrieb am Flughafen Amsterdam-Schiphol unmöglich machte, noch war eine derartige Wetterlage (irrtümlich) vorhergesagt worden. Soweit die Klägerin behauptet, dass der Flug des Beklagten gestrichen werden musste aufgrund eines durch das schlechte Wetter am Morgen in Amsterdam-Schiphol verursachten Rückstaus („back log“), konnte sie diesen Umstand nicht zur Überzeugung des Gerichts darlegen und beweisen. Denn dass ein solcher Rückstau bestand und der Grund für die Annullierung des Fluges war, ist auch nach der Beweisaufnahme nicht hinreichend klar geworden. Die von der Deutschen Flugsicherung GmbH eingeholte Auskunft der niederländischen Flugsicherung ist insoweit unergiebig, da sie eine definitive Aussage nur hinsichtlich der allgemeinen Feststellung enthält, dass aufgrund des Nebels am Morgen Verspätungen im Flugverkehr eintraten und Flüge gestrichen werden mussten. Eine Aussage oder auch nur Andeutung dahingehend, dass im Verlauf des weiteren, insbesondere auch späten Vormittags noch ein Rückstau bestand, der die Landung planmäßiger Flüge in Amsterdam-Schiphol verhinderte, ist der Auskunft dagegen nicht zu entnehmen. Die Tatsache allein, dass die Klägerin am betreffenden Tag diverse Flüge von und nach Amsterdam-Schiphol gestrichen hat, ist zum Beweis der behaupteten Umstände nicht ausreichend. Insbesondere Kann die Absage von Flügen u. a. auch durch sich im Tagesverlauf anhäufende Verspätungen begründet sein. Bei bloßen Verspätungen im Flugplan aber wäre es der Klägerin zuzumuten gewesen, den planmäßigen und nach der Wetterlage möglichen Flug erforderlichenfalls mit einer Ersatzmaschine durchzuführen.

18. Die Klageforderung ist durch die Aufrechnung des Beklagten in Höhe von 1.157,62 € erloschen gem. § 389 BGB. Da die Aufrechnung zurückwirkt auf den Zeitpunkt, in dem die Forderungen erstmals einander abrechenbar gegenübergetreten sind (vgl. § 389 BGB), kommt mangels Verzugs auch ein Ersatz der anteiligen vorgerichtlichen Anwaltskosten der Klägerin nach § 286 BGB nicht in Betracht.

19. Die Entscheidung zu den Kosten ergibt sich aus § 91 ZPO, die zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 11, 711 S. 1 uns 2 ZPO.

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