Schadensersatz und Minderung für entgangene Urlaubsfreude

AG Rüsselsheim: Schadensersatz und Minderung für entgangene Urlaubsfreude

Eine Flugreisende forderte eine Flugpreisminderung und Schadensersatz für entgangene Urlaubsfreude, weil ihr Heimflug aus Costa Rica 41 Stunden Verspätung hatte. Letzteres stand ihr nicht zu, da derartige Ansprüche nur bei Reise-, nicht aber bei Luftbeförderungsverträgen bestehen.

AG Rüsselsheim 3 C 1219/06 (Aktenzeichen)
AG Rüsselsheim: AG Rüsselsheim, Urt. vom 12.07.2007
Rechtsweg: AG Rüsselsheim, Urt. v. 12.07.2007, Az: 3 C 1219/06
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Amtsgericht Rüsselsheim

1. Urteil vom 12. Juli 2007

Aktenzeichen 3 C 1219/06

Leitsätze:

2. Die 41-stündige Verspätung eines Fluges stellt einen erheblichen Mangel dar, für den der Preis um 50% zu mindern ist.

Wird ein Flug um 41 Stunden verspätet, jedoch unter identischer Flugnummer und mit den gebuchten Passagieren durchgeführt, liegt keine Annullierung vor.

Schadensersatzansprüche wegen entgangener Urlaubsfreude können ausschließlich aus Reiseverträgen abgeleitet werden.

Zusammenfassung:

3. Die Klägerin hatte bei der Beklagten als ausführende Luftfrachtführer eine Flugreise von Deutschland nach Costa Rica und zurück gebucht. Der Rückflug wurde mit 41-stündiger Verspätung durchgeführt. Dafür verlangte die Reisende eine Ausgleichszahlung gemäß der europäischen Fluggastrechteverordnung, eine 50%-ige Minderung des Flugpreises und Schadensersatz wegen entgangener Urlaubsfreude.

Das Amtsgericht Rüsselsheim gab der Klage nur teilweise statt. Die mit 41 Stunden erheblich verspätet durchgeführte, vertraglich geschuldete Beförderung der Klägerin von Costa Rica nach Deutschland stellte einen Mangel dieser Leistung dar, für die der Flugpreis um 25%, entsprechend 50% des anteiligen Rückflugpreises, zu mindern war. Jedoch lag keine Annullierung im Sinne der Fluggastrechteverordnung vor, sodass kein Anspruch auf eine Ausgleichszahlung hierfür bestand. Gleichsam wurde der Klägerin kein Schadensersatz für entgangene Urlaubsfreude gewährt, da ein solcher Anspruch nur bei Reise- nicht aber bei reinen Luftbeförderungsverträgen besteht.

Tenor:

4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 140,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 01.07.2006 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 85% und die Beklagte 15% Zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Jeder Partei wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% der zu vollstreckenden Summe abzuwenden, wenn nicht zuvor die andere Partei Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

5. Die Klägerin hat bei der Beklagten einen Flug von F. … nach Costa Rica und zurück zum Gesamtpreis von 800,00 € gebucht. Der Flug wurde 41 Stunden nach geplanter Abflugzeit durchgeführt.

6. Die Klägerin begehrt 600,00 € Ausgleichszahlung gemäß EU-Verordnung, Minderung des Flugpreises um 200,00 € und Schadensersatz wegen entgangener Urlaubsfreude in Höhe von 150,00 €. Mit Schriftsatz vom 15.06.2006 wurde die Beklagte vergeblich zur Zahlung unter Fristsetzung bis zum 30.06.2006 aufgefordert.

7. Im Laufe des Prozesses hat die Beklagte der Klägerin einen Verrechnungsscheck über 60,00 € zugesandt.

8. Die Klägerin ist der Ansicht, dass eine Annullierung vorläge, insbesondere da eine gravierende Flugverzögerung von 41 Stunden vorliegt.

9. Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 950,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz hierauf ab dem 01.07.2006 zu zahlen.

10. Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

11. Sie behauptet, dass auf dem von der Klägerin in Anspruch genommenen Ersatzflug 252 der ursprünglich gebuchten 254 Passagiere teilgenommen hätten und ist der Ansicht, dass daher nur eine Verspätung im Sinne der EU-Verordnung vorliege.

12. Das Gericht hat Beweis erhoben durch Beweisbeschluss vom 22.03.2007 (Bl. 36 d. A.) durch uneidliche schriftliche Vernehmung der Zeugin E.

13. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die schriftliche Zeugenaussage vom 02.05.2007 (Bl. 41 + 42 d. A.) verwiesen.

14. Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

15. Die Klage ist nur teilweise begründet.

16. Der Klägerin steht gemäß den §§ 634 Nr. 3, 638 BGB gegen die Beklagte ein Minderungsanspruch in Höhe von 200,00 €, abzüglich bereits gezahlter 60,00 €, mithin eine Forderung in Höhe von 140,00 € zu.

17. Aufgrund der verspäteten Durchführung des Rückfluges von 41 Stunden, war diese Vertragsleistung der Beklagten gravierend mangelhaft, so dass eine Minderung in Höhe von beantragten 25% des Flugpreises, was 50% des Rückflugpreises von 400,00 €, entspricht.

18. Der Klägerin steht jedoch keine Ausgleichszahlung gemäß Art. 7 Abs. 1 c der EU-Verordnung Nr. 261/2004 zu.

19. Die Zeugin E. hat in ihrer schriftlichen Aussage glaubhaft dargestellt, dass weder eine Änderung der Flugnummer erfolgt sei noch eine Annullierung des Fluges stattgefunden habe. Vielmehr seien von den ursprünglich gebuchten 254 Personen 252 an Bord des mit 41 Stunden verspäteten Fluges gewesen. Diese gravierende Verspätung führt zu einem Minderungsanspruch, jedoch noch nicht zu einer quasi Annullierung aufgrund übergroßer Verspätung. Insoweit bezieht sich das erkennende Gericht ebenso wie das Landgericht Darmstadt mit dem Urteil 21 S 43/06 vom 12.07.2006 (dort bzgl. einer Startverzögerung von 23 Stunden) auf das Vorwort der EU-Verordnung (15), das jedenfalls begrifflich eine mögliche Verspätung bis zum nächsten Tag zulässt. Daher ist erst nach Ablauf von 48 Stunden von einer derartigen Verspätung auszugehen, die einer Annullierung gleichkommt. Im vorliegenden Fall von 41 Stunden bleibt es jedoch bei einer Verspätung, die gemäß der EU-Verordnung jedenfalls keine Ausgleichszahlung auslöst.

20. Der Klägerin steht auch kein Schadensersatz wegen entgangener Urlaubsfreude zu, da ein solcher lediglich im Reiserecht gemäß § 651 f Abs. 2 BGB erstattet wird. Im vorliegenden Fall lag jedoch kein Reiservertrag zwischen den Parteien vor, sondern lediglich ein Luftbeförderungsvertrag, dessen Zweckbestimmung nicht die Gestaltung des Urlaubs, sondern lediglich die Zielerreichung ist (vgl. Landgericht Aachen in NJW-RR 2000, 133 ff mit weiteren Nachweisen).

21. Der Zinsanspruch ist gemäß den §§ 286, 288 Abs. 1 BGB begründet.

22. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 ZPO.

23. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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