Ausgleichszahlungsanspruch wegen witterungsbedingter Verspätung

LG Darmstadt: Ausgleichszahlungsanspruch wegen witterungsbedingter Verspätung

Die Klägerin verlangt vom einem Luftfahrtunternehmen Ausgleichszahlungen für die Verspätung eines Fluges. Die Klägerin hat einen Flug für die Strecke Frankfurt a.M. nach Korfu gebucht. Aufgrund eines Gewitters in Korfu entschied sich der Pilot nicht in Korfu zu landen, sondern bis nach Athen zu fliegen, um das Flugzeug neu zu betanken.

Das Flugzeug landete mit einer Verspätung von 4 Stunden und 10 Minuten in Korfu. Das Landgericht Darmstadt entschied, dass die Klägerin keine Ausgleichszahlungen vom ausführendem Luftfahrtunternehmen verlangen kann.

LG Darmstadt 7 S 52/15 (Aktenzeichen)
LG Darmstadt: LG Darmstadt, Urt. vom 19.08.2015
Rechtsweg: LG Darmstadt, Urt. v. 19.08.2015, Az: 7 S 52/15
AG Rüsselsheim, Urt. v. 06.03.2015, Az: 3 C 5578/47 (37)
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Landgericht Darmstadt

1. Urteil vom 19. August 2015

Aktenzeichen: 7 S 52/15

Leitsätze:

2. Luftfahrtunternehmen sind nicht dazu verpflichtet, ihre Flugzeuge so zu betanken, dass sie in der Luft in einer Warteschleife fliegen können, bis ein Gewitter abzieht um eine mögliche Ausweichlandung und die daraus folgenden Verzögerung zu vermeiden.

Gewitter stellen haftungsbefreiende außergewöhnliche Umstände nach Art. 5 Abs. 3 der EG-Vo 261/2004 dar.

Wenn der Pilot aufgrund der Wetterbedingungen von Landeversuchen absieht, hat der Fluggast das grundsätzlich hinzunehmen.

Zusammenfassung:

3. Die Klägerin wollte mit ihrem Flug am 02.09.2014 von Frankfurt am Main nach Korfu mit dem Luftfahrtunternehmen der Beklagten fliegen. Während des Landeanflugs herrschte in Korfu ein Gewitter, welches die Landung verhinderte. Der Pilot entschied daraufhin nach Athen zu fliegen, um das Flugzeug wieder zu betanken. Die Klägerin landete mit einer Verspätung von 4 Stunden und 10 Minuten in Korfu.

Die Klägerin verlangt von der Beklagten eine Ausgleichszahlung u.a. nach Art. 7 der EG-VO Nr. 261/2004 für vier Personen in Höhe von jeweils 250€ nebst Zinsen. Die Klägerin wirft der Beklagten vor, dass das Flugzeug nicht ausreichend betankt worden ist, um anstatt in Athen zu landen einige Warteschleifen zu fliegen, bis eine Landung möglich geworden wäre. Denn 45 Minuten später wäre laut der Klägerin eine Landung möglich gewesen.

Ein Gewitter stellt zunächst ein außergewöhnliches Ereignis nach Art. 5 Abs. 3 der EG-VO dar. Des Weiteren hat die Klägerin hinzunehmen, dass der Pilot aus Sicherheitsgründen weitere Landeversuche unterlässt. Hinzu kommt, dass vom Pilot nicht erwartet werden kann, dass er das Flugzeug so betankt, dass er warten kann, bis das Gewitter abzieht. Beim Abflug war, dass ein Gewitter in Korfu herrschte, es ist somit davon auszugehen, dass sich das Gewitter bis zum Landeanflug verzogen hat.

Das Gericht hat dementsprechend entschieden, dass die Klägerin keinen Anspruch auf eine Ausgleichszahlung für die verspätete Flugankunft gegen die Beklagte hat.

Tenor:

4. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts Rüsselsheim vom 06.03.2015 (3 C 5578/14) wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu tragen.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

Der Gegenstandswert für das Berufungsverfahren wird auf 1.000,-​- Euro festgesetzt (1. Instanz: 1.150,-​- €).

Gründe:

5. Die Klägerin verlangt von der Beklagten als ausführendem Luftfahrtunternehmen u.a. Ausgleichsleistungen nach Art. 7 der EG-​VO Nr. 261/2004 für vier Personen in Höhe von jeweils 250,-​- € nebst Zinsen und vorgerichtlichen Anwaltskosten im Zusammenhang mit einem Flug … am 02.09.2014 von Frankfurt a.M. nach Korfu (Griechenland). Das Flugzeug konnte wegen eines Gewitters nicht planmäßig um 18:50 Uhr landen, flog zunächst weiter nach Athen, wo es aufgetankt wurde, und landete schließlich mit einer Verspätung von 4 Stunden und 10 Minuten um 23:00 Uhr in Korfu. Die Klägerin, der die Ansprüche dreier Mitreisender abgetreten worden sind und die in erster Instanz auch noch Schmerzensgeld wegen der beim Auftanken durchgestandenen Ängste begehrt hat, trägt vor, die Beklagte habe die Maschine vor dem Abflug in Frankfurt nicht mit genügend Treibstoff betankt, um ausreichend Warteschleifen zu fliegen, eine Ausweichlandung in Athen zu vermeiden und damit eine Verspätung zu minimieren. Bereits 45 Minuten nach dem ersten Anflugversuch hätten die Wetterbedingungen in Korfu wieder eine Landung erlaubt

6. Die Beklagte hat eingewandt, es sei einschließlich einer angemessenen Reserve ausreichend Treibstoff an Bord gewesen. Die Ankunftsverspätung in Korfu sei letztlich auf die dortigen Wetterbedingungen und damit auf einen außergewöhnlichen Umstand im Sinne von Art. 5 Abs. 3 der EG-​VO zurückzuführen, die Beklagte sei deshalb entlastet.

7. Insoweit wird ergänzend gemäß § 540 Abs. 1 Ziff. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen in dem erstinstanzlichen Urteil des Amtsgerichts Rüsselsheim Bezug genommen. Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit dieser entscheidungserheblichen Feststellungen (§ 529 Abs. 1 Ziff. 1 ZPO) sind mit Ausnahme des dort irrtümlich mit 18:40 Uhr (richtig: 18:50 Uhr) angegebenen planmäßigen Landezeitpunktes in Korfu nicht ersichtlich.

8. Das Amtsgericht Rüsselsheim hat mit Urteil vom 06.03.2015 die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, trotz Vorliegens einer relevanten Ankunftsverspätung bestehe kein Anspruch auf die begehrten Ausgleichszahlungen, weil die Beklagte nach Art. 5 Abs. 3 der EG-​VO nicht hafte. Es habe sich wegen der Gewitterfront am Zielflughafen um „mit der Durchführung des betreffenden Fluges nicht zu vereinbarende Wetterbedingungen“ gehandelt. Die Beklagte sei auch nicht verpflichtet gewesen, so viel Treibstoff mitzunehmen, um eine Dreiviertelstunde Warteschleifen über dem Zielgebiet zu fliegen. Ein Schmerzensgeldanspruch sei ebenfalls nicht gegeben.

9. Hiergegen hat die Klägerin Berufung eingelegt, sie verfolgt ihre erstinstanzlichen Anträge mit Ausnahme des Schmerzensgeldes weiter. Zur Begründung wird unter Bezugnahme auf die bisherige Argumentation vorgetragen, das Gewitter allein sei nicht ursächlich gewesen, vielmehr habe die Beklagte von Anfang an dafür Sorge tragen müssen, daß auch eine geringfügig verspätete Landung in Korfu nach Verbesserung der Wetterbedingungen möglich würde. Denn bereits beim Start in Frankfurt a.M. habe man Kenntnis von der im übrigen auf Korfu auch nicht seltenen Gewitterfront gehabt, deshalb habe man das Flugzeug volltanken müssen.

10. Die Beklagte verteidigt das amtsgerichtliche Urteil, ergänzend auch unter Hinweis auf Start- und Landegewichte sowie auf das Verbot umweltgefährdender Verklappung überschüssigen Kerosins, und beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

11. Die Berufung der Klägerin ist form- und fristgerecht eingelegt und auch rechtzeitig begründet worden, mithin zulässig. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg, weil das Amtsgericht die Klage zu Recht abgewiesen hat.

12. Zunächst wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des angefochtenen amtsgerichtlichen Urteils vom 06.03.2015 Bezug genommen, denen die Kammer auch nach dem Parteivortrag in zweiter Instanz in vollem Umfang folgt.

13. Ergänzend ist allenfalls auf Folgendes hinzuweisen:

14. Auch die Kammer geht zunächst davon aus, daß es sich bei den Wetterbedingungen am Zielflughafen Korfu um außergewöhnliche Umstände im Sinne von Art. 5 Abs. 3 der EG-​VO in Verbindung mit Ziff. 14 der Erwägungsgründe zu dieser Fluggastrechte-​Verordnung gehandelt hat. Abgesehen davon, daß eine daraus folgende Entscheidung des Flugkapitäns, aus Sicherheitsgründen von einem (weiteren) Landeversuch abzusehen, grundsätzlich hinzunehmen ist, war eine solche Landung am 02.09.2014 planmäßig selbst nach dem Vortrag der Klägerin witterungsbedingt nicht möglich.

15. Die Beklagte war auch nicht verpflichtet, vorsorglich bereits vor dem Start so viel Treibstoff aufzutanken, um dem Flugzeugführer ein Verbleiben in der Luft bis zum Abziehen des Gewitters zu ermöglichen und damit eine Ausweichlandung in Athen und damit einhergehende weitere Verzögerungen zu vermeiden. Angesichts der Flugdauer von etwa 2 ½ Stunden war es gerade dann, wenn bereits beim Start in Frankfurt ein Gewitter in Korfu gemeldet worden war, eher wahrscheinlich, daß dieses Unwetter bis zur beabsichtigten Landung auf der griechischen Insel wieder abgezogen sein würde. Andererseits ist es bei länger stationären Unwettern kaum absehbar, wann sich diese aus dem Bereich des Landeanfluges am Zielflughafen wieder entfernen, um dort dann unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse gefahrlos landen zu können. Angesichts derartiger Umstände, insbesondere der schwierigen Wetterprognosen, war es der Beklagten unabhängig von wirtschaftlichen und umweltpolitischen Erwägungen nicht zuzumuten, den für den Umfang der Betankung zuständigen Flugkapitän anzuweisen, eine Kraftstoffmenge für den Flug selbst, längere Warteschleifen (nach Auffassung der Klägerin offenbar bis 45 Minuten oder länger) und dann noch zur Bewältigung der erforderlichen Strecke zu einem Ausweichflughafen (für den Fall, daß sich das Gewitter auch etwa eine Stunde nach der geplanten Landung noch nicht verzogen hat) aufzunehmen.

16. Vorsorglich weist die Kammer auch noch darauf hin, daß die Beklagte auch nicht dazu verpflichtet sein kann, bereits den Start des Fluges zu verschieben, bis das Unwetter in Korfu abgezogen ist. Abgesehen davon, daß auch dies von vorneherein zu erheblichen Verzögerungen bis in den nach der EG-​VO ausgleichspflichtigen Umfang von 3 Stunden führen würde, ist eine sichere Prognose über die konkreten Wetterbedingungen am Zielort etwa zweieinhalb Stunden später trotz ständig zuverlässiger werdender meteorologischen Vorhersagen nicht möglich. Gerade die auf einen rechtzeitigen Start hoffenden anderen Passagiere würden sich mit Recht über eine solche dann auch bei besten Wetterverhältnissen nicht mehr einholbare Verspätung schon zu Beginn des Fluges beschweren.

17. Die zulässige Berufung der Klägerin war daher mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.

18. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Ziff. 10 ZPO, wobei eine Sicherheitsleistung nicht anzuordnen und wegen § 713 ZPO auch keine Abwendungsbefugnis einzuräumen war.

19. Die Bemessung des Gegenstandswertes folgt dem Umfang der Anfechtung des amtsgerichtlichen Urteils bzw. dem bezifferten Rechtsmittelantrag, wobei die Zinsen sowie die geltend gemachten vorgerichtlichen Anwaltskosten als Nebenforderungen gemäß § 4 Abs. 1 ZPO außer Betracht zu bleiben hatten.

20. Die Zulassung der Revision zum Bundesgerichtshof oder gar die Aussetzung des Verfahrens und Vorlage an den Europäischen Gerichtshof, wie von der Klägerin mit Schriftsatz vom 16.07.2015 nach Schluß der mündlichen Verhandlung angeregt, war nicht veranlaßt. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung eines im wesentlichen unstreitigen Sachverhalts, die Voraussetzungen des § 543 ZPO oder einer EuGH-​Vorlage liegen nicht vor.

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