Entfernung für Ausgleichsleistung

AG Düsseldorf: Entfernung für Ausgleichsleistung

Wegen eines verspäteten Fluges verlangt ein Reisender von seiner Airline eine Ausgleichszahlung. Die Airline zweifelt an der Höhe der geforderten Entschädigung, weil die zur Berechnung herangezogene Flugstrecke nicht der Entfernung entspricht, die Art. 7 der Fluggastrechte Verordnung fordert.

Das Amtsgericht Düsseldorf hat dem Kläger Recht zugesprochen. Im Falle einer Flugverspätung bei mehrgliedrigen Flügen sei grundsätzlich die gesamte Distanz zwischen dem ersten und dem letzten Flughafen Berechnungsgrundlage.

AG Düsseldorf 45 C 21/15 (Aktenzeichen)
AG Düsseldorf: AG Düsseldorf, Urt. vom 28.09.2015
Rechtsweg: AG Düsseldorf, Urt. v. 28.09.2015, Az: 45 C 21/15
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Amtsgericht Düsseldorf

1. Urteil vom 28. September 2015

Aktenzeichen: 45 C 21/15

Leitsatz:

2. Wird bei einer Flugreise mit Zwischenstopp der Ausgangsflug annuliert, so dass nach Umbuchung des Passagiers auf eine andere Flugverbindung das Flugziel letztendlich mit einer Verspätung von 6 Stunden erreicht wurde, bemisst sich die zu zahlende Entschädigungsleistung nach der Gesamtstrecke der Flugentfernung.

Zusammenfassung:

3. Ein Fluggast buchte bei einem Luftfahrtunternehmen einen Flug von Düsseldorf über Zürich nach Valencia. Weil sein Flug von Düsseldorf nach Zürich Verspätung hatte, verpasste er den Anschlussflug und kam in Folge einer Umbuchung mit einer 6-stündigen Verspätung in Valencia an. Nachdem die Airline dem Fluggast bereits eine Entschädigung in Höhe von 250 Euro ausgezahlt hatte, verlangt er nun weitere 150 Euro. Grund hierfür sei Art. 5, 7 der Fluggastrechte Verordnung. Diese legen fest, dass bei Verspätungen auf Flügen mit einer Gesamtdistanz von unter 1500 km den Fluggästen 250 Euro Entschädigung, bei einer Flugstrecke von mehr als 1500 km eine Entschädigung in Höhe von 400 Euro zusteht.

Die Airline verweist auf die weniger als 1500 km  lange Flugdistanz zwischen Düsseldorf und Zürich. Sie weigert sich daher der Zahlung einer höheren Entschädigungsleistung.

Das Amtsgericht Düsseldorf hat dem Kläger Recht zugesprochen. Zweifelsohne lägen Abflug- und Zielflughafen des verspäteten Fluges weniger als 1500 km von einander entfernt. Entscheidend sei jedoch im Falle eines mehrgliedrigen Fluges die Gesamtdistanz zwischen Startflughafen und endgültigem Reiseziel. Die Verordnung sei aus diesem Grund zu Gunsten des Klägers so auszulegen, dass die Strecke zwischen Düsseldorf und Valencia als Referenzgröße für den Ersatzanspruch heranzuziehen sei.
Da diese Flughäfen mehr als 1500 km von einander entfernt sind, sei der Fluggast entsprechend durch weitere 150 Euro zu entschädigen. 

Tenor

4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin zu 1) einen Betrag i.H.v. EUR 150,- zuzüglich Zinsen i.H.v. 5%-​Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.11.2014 zuzüglich vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten i.H.v. EUR 13,54 zu zahlen.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger zu 2) einen Betrag i.H.v. EUR 150,- zuzüglich Zinsen i.H.v. 5%-​Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.11.2014 zuzüglich vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten i.H.v. EUR 13,54 zu zahlen.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger zu 3) einen Betrag i.H.v. EUR 150,- zuzüglich Zinsen i.H.v. 5%-​Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.11.2014 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

5. Ohne Tatbestand (gemäß § 313a Abs. 1 ZPO).

Entscheidungsgründe

6. Die zulässige Klage ist begründet.

7. Nachdem die Beklagte bereits einen Anspruch in Höhe eines Betrages von jeweils EUR 250,- erfüllt hat, wurde der Rechtsstreit insoweit für erledigt erklärt. Die Kläger haben gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung einer weiteren Entschädigung in Höhe von jeweils EUR 150,- gem. Art. 5 Abs. 1 lit. c) i.V.m. Art. 7 Abs. 1 lit. b) der Verordnung (EG) VO 261/2004.

8. Nach Art. 5 Abs. 1 lit. c) VO 261/2004 steht betroffenen Fluggästen bei Annullierung eines Fluges gegenüber dem ausführenden Luftfahrtunternehmen ein Ausgleichsanspruch gem. Art. 7 der VO zu. Nach Art. 5 Abs. 1 lit c) iii) besteht ein solcher Ausgleichsanspruch nicht, wenn Fluggäste über die Annullierung weniger als sieben Tage vor der planmäßigen Abflugzeit unterrichtet werden und ein Angebot zur anderweitigen Beförderung erhalten, das es ihnen ermöglicht, nicht mehr als eine Stunde vor der planmäßigen Abflugzeit abzufliegen und ihr Endziel höchstens zwei Stunden nach der planmäßigen Ankunftszeit zu erreichen.

9. Die von den Klägern gebuchte Reiseroute führte am 11.02.2014 von Düsseldorf nach Zürich unter der Flugnummer #### und sodann weiter von Zürich nach Valencia unter der Flugnummer ####. Geplanter Abflug in Düsseldorf war 09:55 Uhr und geplante Ankunft in Valencia 14:00 Uhr.

10. Unstreitig wurde der von der Beklagten durchzuführende Flug von Düsseldorf nach Zürich (####) annulliert und die Kläger sodann auf die Flüge von Düsseldorf nach Ibiza (####) und von Ibiza nach Valencia (####) umgebucht. Der Flughafen Valencia wurde um 20:00 Uhr und mithin mit einer Verspätung von 6 Stunden erreicht.

11. Nach Art. 7 Abs. 1 VO 261/2004 richtet sich die zu zahlende Entschädigungsleistung nach der Flugentfernung. Nach Art. 7 Abs. 1 lit. a) beträgt die Entschädigungszahlung EUR 250,- bei allen Flügen über eine Entfernung von 1.500 km oder weniger. Nach Art. 7 Abs. 1 lit. b) beträgt die Entschädigungszahlung EUR 400,- bei allen innergemeinschaftlichen Flügen über eine Entfernung von mehr als 1.500 km und bei allen anderen Flügen über eine Entfernung zwischen 1.500 km und 3.500 km.

12. Nach Art. 7 Abs. 4 VO 261/2004 ist die Entfernung nach der Methode der Großkreisentfernung zu ermitteln.

13. Unter Zugrundelegung der Großkreismethode beträgt die direkte Entfernung zwischen Düsseldorf und Valencia 1.427 km. Bei Addition der Einzelstrecken von Düsseldorf nach Zürich (445 km) und von Zürich nach Valencia (1.147 km) ergibt sich eine Gesamtstrecke von 1.592 km.

14. Die für die Ausgleichszahlung maßgebliche Streckenentfernung ist durch Addition der Einzelstrecken zu berechnen. Danach ergibt sich hier eine Entfernung von 1.592 km, weshalb ein Ausgleichsanspruch in Höhe von EUR 400,- pro Person besteht.

15. Der Begriff der Entfernung wird in der Verordnung nicht legaldefiniert.

16. Nach Art. 7 Abs. 1 S. 2 VO 261/2004 wird bei der Ermittlung der Entfernung der letzte Zielort zugrunde gelegt, an dem der Fluggast infolge der Nichtbeförderung oder der Annullierung später als zur planmäßigen Ankunftszeit ankommt. Hierdurch soll zugunsten des Flugreisenden sichergestellt werden, dass im Fall eines mehrgliedrigen Fluges nicht lediglich die betroffene Teilstrecke (hier also Düsseldorf – Zürich) maßgeblich ist, sondern die Gesamtstrecke vom ersten Startflughafen bis zum Endziel. Die Vorschrift sagt entsprechend ihres Sinn und Zwecks jedoch nichts darüber aus, wie diese Gesamtstrecke zu berechnen ist.

17. Auch die Regelung in Art. 7 Abs. 4 VO 261/2004, wonach die Entfernung nach der Methode der Großkreisentfernung zu ermitteln ist, trifft keine Aussage zu der hier streitgegenständlichen Frage. Danach bestimmt sich die Entfernung nicht nach der tatsächlich geflogenen Flugstrecke (welche sich häufig schwer ermitteln lassen wird und von besonderen Umständen wie Wetterverhältnissen und Flugsicherheitskriterien abhängig ist), sondern nach der geografisch zwischen den Flughäfen liegenden Entfernung. Bei der Ermittlung dieser Entfernung ist es nach der Großkreismethode sowohl möglich, vom ersten Start- bis zum letzten Zielflughafen zu rechnen, als auch die jeweils nach der Großkreismethode ermittelten Einzelstrecken zu addieren.

18. Gemäß der Verordnung bestimmt sich die Höhe des Ausgleichsanspruchs nach Art. 7 Abs. 1 nach der Entfernung. Der Staffelung der Höhe der Ausgleichszahlungen liegt der Gedanke zugrunde, dass mit der Entfernung auch die Flugzeit und damit die Unannehmlichkeiten für den Fluggast wachsen. Besteht eine Flugverbindung aus zwei Flugsegmenten mit einem Zwischenstopp, so liegt dieser Zwischenstopp regelmäßig nicht unmittelbar auf dem direkten Weg zwischen Start- und Endflughafen, sondern die Flugroute führt insofern über einen Umweg. Durch diesen tatsächlichen Umweg steigt die Flugzeit und somit auch die durch die Verordnung erfasste Unannehmlichkeit. Aus dem Sinn und Zweck der Bindung der Höhe des Ausgleichsanspruchs an die Entfernung folgt, dass diese Entfernung durch eine Addition der auf dem Flugplan ausgewiesenen Einzelstrecken zu berechnen ist (im Ergebnis ebenso HG Wien, Urteil vom 07.08.2015 – 60 R 48/15m).

19. Auch aus der Rechtsprechung des BGH lässt sich eine entsprechende Berechnung durch Addition der Einzelstrecken entnehmen. So formuliert der BGH im Fall eines Fluges von Berlin nach Amsterdam und Amsterdam nach Aruba, dass „bei der Bemessung der Anspruchshöhe nicht nur die Entfernung zwischen Berlin und Amsterdam, sondern auch die Entfernung zwischen Amsterdam und Aruba zu berücksichtigen“ sei. Aus der Formulierung „nicht nur, sondern auch“ lässt sich schließen, dass die Einzelstrecken kumulativ zu addieren sind, um die Gesamtstrecke zu ermitteln.

20. Den Klägern steht gem. §§ 280 Abs. 1, 286 Abs. 2 Nr. 3, 288 Abs. 1 BGB ein Anspruch auf Zahlung von Zinsen in Höhe von 5%-​Punkten über dem Basiszinssatz ab dem 01.11.2014 zu. Nach der Anspruchsanmeldung durch die Kläger hat die Beklagte mit E-​Mail vom 01.11.2014 die Zahlung einer Entschädigungsleistung ernsthaft und endgültig verweigert. Damit befand sich die Beklagte ab diesem Zeitpunkt gem. § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB in Verzug.

21. Die geltend gemachten Rechtsanwaltskosten sind aus Verzugsgesichtspunkten gem. §§ 280 Abs. 1, 286 BGB ebenfalls erstattungsfähig. Sie berechnen sich aus einem berechtigten Gegenstandswert von 1.200 EUR. Die Kläger haben hier nur die nicht anrechenbare Geschäftsgebühr von 0,65 geltend gemacht, womit sich insgesamt ein Anspruch i.H.v. 112,75 EUR ergibt. Hierauf hat die Beklagte bereits 85,68 EUR gezahlt, weshalb nunmehr ein Anspruch in Höhe von 27,07 EUR, mithin jeweils i.H.v. 13,54 EUR für die Klägerin zu 1) und den Kläger zu 2) besteht.

22. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §§ 91 Abs. 1, 91 a ZPO. Auch hinsichtlich des für erledigt erklärten Teils bestand ein Anspruch der Kläger, weshalb der Beklagten auch insoweit nach billigem Ermessen die Kosten aufzuerlegen sind.

23. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.

24. Der Streitwert wird auf 1.200,00 EUR bis zum 02.07.2015 und danach auf bis 1.000,00 EUR festgesetzt.

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