Erfordernis eines maschinenlesbaren Reisepasses beim Flug in die USA

LG Frankfurt: Erfordernis eines maschinenlesbaren Reisepasses beim Flug in die USA

Der Kläger hatte bei der Beklagten für sich und seine Familie eine Pauschalreise in die USA gebucht. Beim Abflug wurde ihm mitgeteilt, dass der 9-jährige Sohn die Einreiseerfordernisse nicht erfülle. Daraufhin verblieben die Mutter und der Sohn in Deutschland. Der Kläger verlangt anteiligen Ersatz der Reisekosten.

Das Landgericht gab der Klage statt. Dadurch, dass die Beklagte ihren Informationspflichten hinsichtlich der Einreisebestimmungen nicht nachgekommen sei, habe sie sich ersatzpflichtig gemacht.

LG Frankfurt 2-24 O 163/17 (Aktenzeichen)
LG Frankfurt: LG Frankfurt, Urt. vom 03.05.2018
Rechtsweg: LG Frankfurt, Urt. v. 03.05.2018, Az: 2-24 O 163/17
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Landgericht Frankfurt

1. Urteil vom 03. Mai 2018

Aktenzeichen 2-24 O 163/17

Leitsatz:

2. Kommt ein Reiseveranstalter den Informationspflichten hinsichtlich der Einreisebestimmungen nicht nach, macht er sich ersatzpflichtig.

Zusammenfassung:

3. Der Kläger hatte bei der Beklagten für sich und seine Familie eine Pauschalreise in die USA gebucht. Den Prospekt der Beklagten, in dem auf die Einreisebestimmungen und insbesondere ein Passerfordernis auch für Kinder hingewiesen wird, erhielt der Kläger nicht ausgehändigt. Beim Abflug wurde ihm mitgeteilt, dass der 9-jährige Sohn die Einreiseerfordernisse nicht erfülle. Daraufhin verblieben die Mutter und der Sohn in Deutschland. Der Kläger verlangt anteiligen Ersatz der Reisekosten und Minderung des Reisepreises.

Das Landgericht gab der Klage statt. Dadurch, dass die Beklagte ihren Informationspflichten hinsichtlich der Einreisebestimmungen nicht nachgekommen sei, habe sie sich ersatzpflichtig gemacht. Sie müsse allerdings nur die bei ihr gebuchten Leistungen anteilig erstatten. Auch ein Minderungsanspruch bestehe, da die Durchführung ohne die gesamte Familie einen Reisemangel darstelle.

Tenor:

4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.870,30 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 7.10.2017 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger zu 39 % und die Beklagte zu 61 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, jedoch für den Kläger nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, falls nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand:

5. Der Kläger buchte bei der Beklagten für sich, seine Ehefrau und seine drei Kinder eine Reise in die USA in der Zeit von 19.8.2017 bis 9.9.2017. Die Reiseleistungen umfassten die Flüge, einen Mietwagen sowie die Hotelaufenthalte in Philadelphia und Washington. Der Reisepreis betrug einschließlich eines Vermittlungsentgelts 7.159,45 €.

6. Die Beklagte bestätigte die Reise mit Schreiben vom 3.6.2017. Wegen des Inhalts der Reisebestätigung wird auf Bl. 16 – 20 d.A. verwiesen.

7. In ihren AGB, die in ihrem Prospekt abgedruckt sind, wies die Beklagte darauf hin, dass auch Babys und Kinder einen maschinenlesbaren Pass vorweisen müssen. Wegen des Inhalts der AGB der Beklagten wird auf Bl. 47 d.A. verwiesen.

8. Einen Prospekt der Beklagten erhielt der Kläger nicht.

9. Zusätzlich buchte der Kläger bei anderen Reiseveranstalter einen Hotelaufenthalt in New York und zahlte hierfür 948,00 € sowie 848,00 €.

10. Vor Antritt der Reise beantragte der Kläger für seinen 9-jährigen Sohn …über das Internet eine Einreisegenehmigung (ESTA) im Rahmen des Visa Waiver Programms, die auch erteilt wurde. Wegen des Ausdrucks der Einreisegenehmigung wird auf Bl. 53 – 54 d.A. verwiesen.

11. Am Tag des Abfluges am 19.8.2017 am Flughafen in Stuttgart wurde der Sohn des Klägers nicht mitgenommen, weil er über keinen biometrischen maschinenlesbaren Reisepass und auch nicht über ein Visum für die USA verfügte. Der Sohn sowie die Ehefrau des Klägers traten sodann die Reise nicht an. Der Kläger führte die Reise mit seinen beiden anderen Kindern durch.

12. Mit Schreiben vom 26.9.2017 forderte der Kläger unter Fristsetzung zum 6.10.2017 die teilweise Rückzahlung des Reisepreises.

13. Mit seiner Klage begehrt der Kläger die für 2 Personen anteilige Rückzahlung des Reisepreises, den Ersatz für 1 in New York gebuchtes Zimmer, eine Minderung des Reisepreises von 3.000 € sowie die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren.

14. Der Kläger ist der Ansicht, die Beklagte habe ihre Pflicht verletzt, den Reisenden vor Vertragsschluss über die Pass- und Visumserfordernisse, die für die Reise und den Aufenthalt erforderlich sind, zu unterrichten. Das Reisebüro habe lediglich auf die Notwendigkeit, eine ESTA-Genehmigung zu besorgen, hingewiesen.

15. Der Kläger beantragt,

16. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 6.355,38 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem seit 7.10.2017 zu zahlen.

17. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere 650,34 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem seit 7.10.2017 zu zahlen.

18. Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

19. Die Beklagte ist der Ansicht, dem Kläger sei ein erhebliches Mitverschulden anzurechnen, weil der Kläger die Hinweise auf der Homepage der ESTA-Anmeldung nicht beachtet habe.

20. Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

21. Der Rechtsstreit ist zur Entscheidung reif.

22. Soweit der Kläger nach Schluss der mündlichen Verhandlung noch einen Schriftsatz eingereicht hat, der nicht nachgelassen war, zwingt dieser nicht zur Wiederöffnung der mündlichen Verhandlung gemäß § 156 ZPO. Er enthält keinen neuen Vortrag, der für die Entscheidung erheblich wäre.

23. Die Klage ist zum Teil begründet.

24. Der Kläger kann von der Beklagten die Zahlung von 3.870,30 € verlangen.

25. Die Beklagte ist verpflichtet, dem Kläger den anteiligen Reisepreis für die bei der Beklagten gebuchte Reise in die USA für zwei Personen zu erstatten (§ 651 f Abs. 1 BGB).

26. Die Beklagte hat die ihr obliegende Pflicht, den Kläger über die Einreisebestimmungen in das Reiseland zu unterrichten, verletzt. Gemäß § 5 BGB-InfoV ist der Reiseveranstalter verpflichtet, den Reisenden vor Abschluss des Reisevertrages über Pass- und Visumserfordernisse zu unterrichten.

27. Diese Pflicht obliegt der Beklagten, weil zwischen den Parteien ein Pauschalreisevertrag i.S.d. § 651 a BGB zustande gekommen ist. Die Parteien vereinbarten eine Mehrheit von Reiseleistungen. Nach der Reisebestätigung umfasste die von der Beklagten geschuldeten Reiseleistungen den Flug in die USA, den Mietwagen sowie zwei Hotelaufenthalte. Der Hinweis auf S. 3 der Reisebestätigung. wonach die Beklagte die Flüge nur vermittelt, hindert die Annahme eines Pauschalreisevertrages nicht. Jedenfalls bleiben zwei selbständige Reiseleistungen. Zudem erweckt die Beklagte durch die Gestaltung der Reisebestätigung, dass sie als Reiseveranstalterin auftritt. Dies folgt insbesondere aus dem auf S. 5 beigefügten Sicherungsschein.

28. Die aus § 5 BGB-InfoV folgende Pflicht hat die Beklagte nicht erfüllt. Aus ihrem Vortrag folgt nicht, dass sie den Kläger darüber unterrichtet hat, dass ein Kind für die Einreise in die USA ebenfalls über einen biometrischen Pass verfügen muss. Eine solche Information hat weder die Beklagte noch das von dem Kläger aufgesuchte Reisebüro erteilt. Eigene Hinweise trägt die Beklagte nicht vor. Das Reisebüro hat den Kläger nur darauf hingewiesen, dass vor Reiseantritt eine ESTA-Genehmigung besorgt werden müsse. Über die Anforderungen des Passes auch für Kinder hat das Reisebüro nichts mitgeteilt.

29. Die Beklagte kann auch nicht auf den Inhalt ihrer AGB verweisen. Zwar kann der Reiseveranstalter seiner Informationspflicht auch dadurch genügen, dass die Informationen in einem Prospekt enthalten sind (§ 5 letzter Hs. BGB-Info-V). Allerdings muss dieser Prospekt zur Verfügung gestellt werden. Diese Voraussetzung kann die Beklagte nur dadurch genügen, dass sie dem Reisenden den Prospekt übergibt. Über eine Übergabe des Prospekts trägt die Beklagte nichts vor. Insbesondere ist sie der Behauptung des Klägers, dass er keinen Prospekt erhalten habe, nicht entgegen getreten.

30. Auch die Reisebestätigung der Beklagten enthält keine Informationen über Einreisebestimmungen in die USA. Verweise auf die AGB erfolgen nur im Zusammenhang mit anderen Obliegenheiten eines Reisenden, nicht aber in Bezug auf § 5 BGB-InfoV.

31. Der Kläger muss sich kein Mitverschulden anrechnen lassen. Dies gilt auch dann, falls die Internetseite, auf der ein Reisender eine ESTA-Genehmigung beantragen kann, Hinweise auf die Anforderungen des mitzuführenden Reisepasses enthalten sollte. Um eine ESTA-Genehmigung zu erhalten, muss ein Antragsteller die von der Beklagten angegebenen Hinweise nicht aufrufen. Gerade wegen § 5 BGB-InfoV muss ein deutscher Reisender solche Hinweise auch nicht aufrufen, weil er sich darauf verlassen kann, dass der Reiseveranstalter seiner Informationspflicht genügt. Da das Reisebüro nur auf das Erfordernis einer ESTA-Genehmigung hingewiesen hat, musste der Kläger nicht davon ausgehen, dass wegen der Reisepässe besondere Anforderungen zu beachten sind.

32. Die Beklagte kann sich auch ihrer Pflicht nicht dadurch entledigen, dass sie ihren Reisekunden im Nachhinein darauf verweist, dass er sich die von ihr geschuldeten Informationen auch anderweitig hätte besorgen können. Ihr ist es verwehrt, dem Reisenden vorzuhalten, dass er sich notwendige Informationen hätte beschaffen können, wenn sie selbst ihrer gesetzlichen Pflicht zur Information nicht genügt.

33. Infolge der Pflichtverletzung der Beklagten kann der Kläger den auf zwei Personen entfallenden Reisepreis als vergebliche Aufwendungen ersetzt verlangen. Sowohl die Ehefrau als auch der Sohn … konnten keine der von der Beklagten geschuldeten Reiseleistungen in Anspruch nehmen. Ausweislich der Reisebestätigung der Beklagte beläuft sich der für 2 Personen berechnete Reisepreis auf 1.360,00 €. Der Schadensersatzbetrag umfasst auch das anteilige Entgelt für 2 Personen für die Flüge (1.147,38 €) sowie das Entgelt für 1 Zimmer für den Aufenthalt in New York (848,00 €). Hieraus errechnet sich ein Gesamtbetrag in Höhe von 3.355,38 €.

34. Der Kläger kann darüber hinaus für sich und seine beiden anderen Kinder eine Minderung des gegenüber der Beklagten geschuldeten Reisepreis verlangen. Ein Minderwert der Reise ergibt sich daraus, dass die Reisezeit nicht wie geplant mit der gesamten Familie verbracht werden konnte, sondern nur mit einem Teil. Der Minderwert ist mit 20 % des für drei Personen anteiligen Reisepreises zu bewerten. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die übrigen Familienmitglieder alle von der Beklagten geschuldeten Reiseleistungen in Anspruch nehmen konnten. Eine Einschränkung ergibt sich lediglich daraus, dass durch die Informationspflichtverletzung der Familienverbund auseinandergerissen wurde und die gemeinsam geplante Familienreise nicht zusammen durchgeführt werden konnte. Damit reduziert sich der Wert der Reise auch für diejenigen, die die Reise letztlich durchgeführt haben. Dieser Minderwert ist unter Abwägung der konkreten Umstände mit 20 % angemessen berücksichtigt.

35. Berechnungsgrundlage ist der auf drei Reisenden entfallende Reisepreis, weil für die Ehefrau und den Sohn …der Reisepreis in vollem Umfang zurückzuerstatten ist und kein Raum für einen weiteren Abzug ist. Auszugehen ist ferner von einem gegenüber der Beklagten geschuldeten Reisepreis von 4.291,00 €, weil die Flüge lediglich vermittelt wurden und der Flugpreis nicht Gegenstand des Reisepreises ist. Zum Reisepreis zählt lediglich das Vermittlungsentgelt. Auf drei Personen entfällt ein Reisepreis von 2.574,60 €. 20 % hiervon ergibt 514,92 €.

36. Im Hinblick auf die Flüge und den weiteren Hotelaufenthalt in New York kann der Kläger keine weitergehende Erstattung verlangen. Diese Leistungen schuldete die Beklagte nicht. Der Kläger und seine beiden Kinder haben die Flugleistung und den Hotelaufenthalt in New York in vollem Umfang in Anspruch genommen. Ein Schaden ist diesen Personen nicht entstanden, auch wenn nicht alle Familienmitglieder an der Reise teilgenommen haben.

37. Insgesamt kann der Kläger von der Beklagten die Zahlung von 3.870,30 € verlangen. Der Zinsanspruch beruht auf §§ 280 Abs. 1, 2, 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB. Die Beklagte befand sich mit Ablauf der im Schreiben vom 26.9.2017 gesetzten Frist zum 6.10.2017 in Verzug.

38. Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten kann der Kläger nicht ersetzt verlangen, weil sich aus seinem Vortrag nicht ergibt, dass er sich zur Durchsetzung seiner Rechte anwaltlicher Hilfe bedient hat. Aus seinem Vortrag in der Klageschrift folgt nicht, dass er überhaupt einen Rechtanwalt mit einer vorgerichtlichen Tätigkeit beauftragt hat. Zu einer solchen Beauftragung trägt der Kläger überhaupt nichts vor. Es ergibt sich aus dem Vortrag auch nicht, dass ein Rechtsanwalt überhaupt eine vorgerichtliche Tätigkeit entfaltet hat. Von wem das Schreiben vom 26.9.2017 stammt, wird nicht vorgetragen. Das Schreiben wird auch nicht vorgelegt. Dass die Beklagte ihr Schreiben vom 9.10.2017 an ein Rechtsanwaltsbüro gerichtet hat, vermag einen schlüssigen Vortrag nicht zu ersetzen.

39. Die Kosten des Rechtsstreits sind in dem Verhältnis des jeweiligen Obsiegens zu teilen (§ 92 Abs. 1 ZPO). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 1, 709, 711 ZPO.

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