Erfordernis einer Einverständniserklärung des Sorgeberechtigten bei Buchung einer Auslandsreise

AG Hannover: Erfordernis einer Einverständniserklärung des Sorgeberechtigten bei Buchung einer Auslandsreise

Der Kläger buchte bei dem Beklagten eine Reise nach Rab in Kroatien für sich und die 12-jährige Tochter seiner Lebensgefährtin ür die Zeit vom 02. bis 09.07.08 für 1.210,00 Euro. Nach der Ankunft am Flughafen in Rijeka wurde ihm die Einreise mit der Tochter seiner Lebensgefährtin verweigert, weil er keine schriftliche Einverständniserklärung der Mutter des Kindes dabei hatte. Er forderte, nach Abtretung der Forderung durch die Mutter an ihn, Schadenersatz und Erstattung der Reisekosten.

Das AG Hannover gab ihm Recht und verurteilte den Beklagten zur Zahlung von 1.825,00 Euro nebst Zinsen.

AG Hannover 425 C 14444/08 (Aktenzeichen)
AG Hannover: AG Hannover, Urt. vom 31.03.2009
Rechtsweg: AG Hannover, Urt. v. 31.03.2009, Az: 425 C 14444/08
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Amtsgericht Hannover

1. Urteil vom 31. März 2009

Aktenzeichen 425 C 14444/08

Leitsatz:

2. Wenn ein Kunde für sich und ein andersnamiges minderjähriges Kind hat der Reiseveranstalter den Kunden darüber zu informieren, dass er eine Einverständniserklärung des vertretungsberechtigten Elternteils bei der Einreise dabei haben muss, falls dieser Elternteil nicht bei der Reise dabei ist. Diese Aufklärung kann im Reiseprospekt stehen oder während der Buchung erfolgen. Die ungefragte Aufklärung hierüber ist eines der Hauptpflichten des Reiseveranstalters, da die Missachtung von Einreisebestimmungen im Urlaubsland die Reise vereiteln oder beeinträchtigen kann.

Zusammenfassung:

3. Der Kläger buchte bei dem beklagten Reiseveranstalter eine Reise nach Rab in Kroatien für sich und die 12-jährige Tochter seiner Lebensgefährtin ür die Zeit vom 02. bis 09.07.08 für 1.210,00 Euro. Nach der Ankunft am Flughafen in Rijeka wurde ihm die Einreise mit der minderjährigen Tochter seiner Lebensgefährtin verweigert, weil er keine schriftliche Einverständniserklärung der Mutter des Kindes dabei hatte. Er forderte, nach Abtretung der Forderung durch die Mutter an ihn, Schadenersatz und Erstattung der Reisekosten, da der Reiseveranstalter ihn über das Mitführen einer solchen Einverständniserklärung nicht aufgeklärt hatte.

Da der Reiseveranstalter ihm lediglich einen Reisegutschein anbot, das er ablehnte, klagte er vor dem AG Hannover.

Das AG Hannover gab dem Kläger Recht und verurteilte den Beklagten gem. §§ 651 d, 651 f Abs. 2 BGB zur Zahlung von 1.825,00 Euro nebst Zinsen.

Tenor:

4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.825,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.09.2008 zu zahlen.

Die Beklagte wird weiterhin verurteilt, an den Kläger 229,55 Euro vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

5. Der Kläger begehrte aus eigenem und durch seine Lebensgefährtin abgetretenen Recht für deren 12-​jährige Tochter Reisepreisminderung und Schadensersatz aufgrund eines Reisevertrages.

6. Der Kläger buchte für sich und die 12-​jährige Tochter seiner Lebensgefährtin eine Reise nach Rab/Kroatien für die Zeit vom 02. bis 09.07.08 für 1.210,00 Euro. Ob der Kläger bei der Buchung der Reise nach den Einreisevoraussetzungen fragte und ob der Kläger auf Nachfrage erklärte, dass es sich um seine Tochter handele, ist zwischen den Parteien streitig. Nachdem der Kläger mit der 12-​jährigen Tochter seiner Lebensgefährtin den Flug angetreten hatte, wurde bei der Ankunft in Rijeka dem Kläger die Einreise mit der 12-​jährigen Tochter seiner Lebensgefährtin verweigert, weil er keine schriftliche Einverständniserklärung der erziehungsberechtigten Mutter mit sich führte. Der Kläger musste deshalb mit der 12-​jährigen Tochter seiner Lebensgefährtin die Reise abbrechen und wieder zurück fliegen. Versuche, eine Folgereise zu buchen, blieben erfolglos. Nachdem der Kläger vorgerichtlich Ansprüche gegenüber der Beklagten geltend machte, war diese lediglich bereit einen Reisegutschein zur Verfügung zu stellen. Nach ablehnenden Erklärungen der Beklagten mit Schreiben vom 31.07.2008 und 18.08.2008 schaltete der Kläger den Klägervertreter zur Wahrnehmung seiner Rechte ein.

7. Der Kläger vertritt die Ansicht, dass die Beklagte verpflichtet gewesen sei, über das Erfordernis einer Einverständniserklärung seiner Lebensgefährtin für ihre 12-​jährige Tochter aufzuklären. Die Beklagte sei deshalb verpflichtet, die Reisekosten zu erstatten und Schadensersatz in Höhe von 615,00 Euro zu zahlen.

8. Der Kläger beantragt,

9. die Beklagte wie erkannt zu verurteilen.

10. Die Beklagte beantragt,

11. die Klage abzuweisen.

12. Sie vertritt die Ansicht, dass sie nicht verpflichtet gewesen sei, auf das Erfordernis einer Einverständniserklärung der sorgeberechtigten Mutter hinzuweisen. Eine derartige Einverständniserklärung habe nichts mit Pass- und Visumserfordernissen zu tun. Vielmehr obliege es dem Reisenden selbst, dafür zu sorgen, dass dieser in seiner Privatsphäre liegenden Umstände der Einreise nicht entgegen stehen. Es könne von der Beklagten als Reiseveranstalter nicht verlangt werden, bei jeder Buchung unter Beteiligung eines Minderjährigen im Einzelfall zu prüfen, ob das Sorgerecht beim Reisenden besteht und dann im Einzelfall, wenn das Zielland eine solche Bestimmung vorsieht, auf das Erfordernis einer schriftlichen Genehmigung hinzuweisen.

13. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

14. Die Klage ist begründet.

15. Dem Kläger kann ein Minderungsanspruch in der geltend gemachten Höhe gemäß § 651 d BGB aus eigenem Recht und ein Schadensersatzanspruch gemäß § 651 f Abs. 2 BGB aus eigenem und abgetretenen Recht in der geltend gemachten Höhe beanspruchen. Es kann dahinstehen, ob § 5 Nr. 1 der BGB-​Informationsverordnung soweit auszulegen ist, dass auch die hier streitbefangene Einverständniserklärung der vertretungsberechtigten Lebensgefährtin des Klägers hierunter zu fassen ist, da die dort genannte Regelung jedenfalls nicht abschließend ist und nach der Entscheidung des BGH vom 17.01.1985, Az.: VII ZR 375/83 (NJW 1985, S. 1165) die Informationspflichten des Reiseveranstalters so weitgehend sind, dass auch über die erforderliche Einverständniserklärung des vertretungsberechtigten Elternteils, wenn dieser das minderjährige Kind nicht begleitet, aufzuklären ist.

15. Der BGH führt in seiner Entscheidung unter anderen folgendes aus: „Zu Recht geht das Berufungsgericht davon aus, dass der Reiseveranstalter aus dem Pauschalreisevertrag grundsätzlich verpflichtet ist, den Reisenden bei der Buchung einer Auslandsreise auf die dafür jeweils geltenden Einreisebestimmungen und erforderlichen Reisedokumente hinzuweisen. Mit seinem Reiseangebot übernimmt der Veranstalter Planung und Durchführung der Reise. Nach Abschluss des Reisevertrages haftet er insoweit für den Erfolg. Er trägt grundsätzlich die Gefahr des Nichtgelingens seiner Reiseveranstaltung. Der Reisende darf daher darauf vertrauen, dass der Veranstalter alles zur erfolgreichen Durchführung der Reise erforderliche unternimmt und ihn, soweit eine Mitwirkung des Reisenden notwendig ist, rechtzeitig darauf hinweist. Die Gesamtheit von Reiseleistung beschränkt sich nicht auf die im Angebot (Prospekt) aufgeführten einzelnen Leistungen, sondern umfasst auch die Überwindung aller durchweg in Betracht zu ziehenden Reisehindernisse, die die Reise vereiteln oder beeinträchtigen können. Zu den bei Auslandsreisen stets ins Auge zu fassenden Reisehindernissen gehören vor allem die Einreise- und Verhaltensbestimmungen, welche die als Durchreise- oder Zielland zu betretenden fremden Staaten erlassen haben und von deren Beachtung sie Reise oder Verbleib abhängig machen. Die insofern erforderliche Beschaffung von Reiseurkunden ist zwar, soweit sie nicht vom Veranstalter übernommen wird, grundsätzlich Sache des Reisenden. Es gehört aber zu den Hauptpflichten des Veranstalters, den Reisenden bei der Buchung darauf hinzuweisen, das solche Urkunden mitgeführt werden müssen, weil die Nichtbeachtung der Einreisebestimmungen den von ihnen geschuldeten Erfolg der Reise vereiteln oder beeinträchtigen kann. Zutreffend hebt das Berufungsgericht hervor, dass sich die Bedeutung solcher Bestimmungen für den Erfolg der Reise nicht – wie etwa die der Reisefähigkeit – aus der Person des Reisenden ergibt, sondern aus der Durchführung der Reise. Mit deren möglichen Hindernissen muss sich zunächst derjenige vertraut machen, der sie veranstaltet und dann erst derjenige, der die Reiseleistung in Anspruch nehmen will und sich dem Veranstalter anvertraut. Die Kenntnis der in fast jedem Staat verschiedenen und auch immer wieder wechselnden Ausweis-​, Devisen- und Gesundheitsbestimmungen kann von dem Reisenden im Allgemeinen nicht ohne weiteres erwartet werden. Von dem Reiseveranstalter ist daher grundsätzlich zu verlangen, in seinen Auslandsreiseprospekten oder bei der Buchung auf die unbedingt einzuhaltenden Einreisebestimmungen des Durchreise- oder Ziellandes ungefragt hinzuweisen.“

16. Nach dieser Rechtssprechung des Bundesgerichtshofs ist es keine Frage, dass die Beklagte als Reiseveranstalter verpflichtet war, dem Kläger darüber zu informieren, dass für die Mitnahme der 12-​jährigen Tochter seiner Lebensgefährtin eine entsprechende Einverständniserklärung erforderlich ist. Wie bereits im Hinweisbeschluss vom 11.02.2009 mitgeteilt, war die Beklagte aufgrund der Namensverschiedenheit und des Alters der 12-​jährigen Tochter der Lebensgefährtin des Klägers verpflichtet, den Kläger über das Erfordernis einer entsprechenden Erklärung seiner Lebensgefährtin hinzuweisen. Ob der Kläger auf Nachfrage erklärt haben soll, dass er der Vater von … sei, ist rechtlich unrelevant, weil sich aus einer entsprechenden Aussage nichts bezüglich der Sorgeberechtigung ergibt. Es ist entsprechend den Ausführungen des Bundesgerichtshofs nicht Aufgabe des Reiseveranstalters, die Sorgeberechtigung zu klären. Vielmehr hat er im Falle dafür, dass ein minderjähriges Kind möglicherweise ohne die sorgeberechtigte Person verreist, auf die konkreten Einreiseerfordernisse durch Mitführung einer Einverständniserklärung des Sorgeberechtigten hinzuweisen. Dies kann allgemeingehalten im Reiseprospekt oder bei der Buchung der Reise erfolgen. Eine konkrete Klärung, wer dann tatsächlich sorgeberechtigt ist, wird der Beklagten als Reiseveranstalter damit nicht auferlegt, sondern nur eine Aufklärung über die Einreisebestimmungen und der Reisende muss dann selber klären, wer für den minderjährigen Reisenden sorgeberechtigt ist, und ob gegebenenfalls eine Mitführung einer Einverständniserklärung erforderlich ist. Dieser Aufklärungspflicht hat die Beklagte nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch ungefragt zu erfüllen, so dass es nicht darauf ankommt, ob der Kläger tatsächlich noch nach Einreisevoraussetzungen gefragt hatte.

17. Das die Reise wegen des Fehlens der erforderlichen Einverständniserklärung der sorgeberechtigten Lebensgefährtin des Klägers abgebrochen werden musste, hat die Beklagte den vollständigen Reisepreis zu erstatten. Der von dem Kläger für sich und die 12-​jährige Tochter seiner Lebensgefährtin begehrte Schadensersatz wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubzeit erscheint unter Berücksichtigung der Höhe des Reisepreises sowie der Umstand, dass der Schadensersatz für 2 Personen geltend gemacht wird, als angemessen. Die Beklagte war auch diesbezüglich deshalb antragsgemäß zu verurteilen.

18. Die Klageforderung ist auch entsprechend dem Antrag der Klägerseite zu verzinsen (§§ 280, 286, 288, 247 BGB). Die Beklagte befindet sich seit ihren ablehnenden Entscheidungen im Zahlungsverzug.

19. Aufgrund des Zahlungsverzugs hat die Beklagte dem Kläger auch die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten gemäß §§ 280, 286 BGB zu erstatten.

20. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.

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