Einreisebestimmungen für nicht in Begleitung der Erziehungsberechtigten reisende Kinder
AG Bad Homburg: Einreisebestimmungen für nicht in Begleitung der Erziehungsberechtigten reisende Kinder
Das klagende Ehepaar hatte für sich und ihr Enkelkind bei der Beklagten, die ein Reisebüro betreibt, eine Flugreise gebucht. Allerdings wurde den Klägern der Zugang zum Flugzeug verweigert, weil sie nicht die primär Erziehungsberechtigten des Enkelkindes waren und keine notariell beglaubigte Vollmacht der Eltern vorweisen konnten. Die Kläger buchten ihren Flug daraufhin um und erreichten ihren Zielort erst zwei Tage später. Die Kläger sind der Ansicht, die Beklagte habe sie bei der Buchung über die Bestimmungen für die Mitnahme von nicht erziehungsberechtigten Kindern in ihrem Zielland informieren müssen. Sie fordern von der Beklagten Kostenerstattungen und eine Entschädigung für entgangene Urlaubsfreude.
Das Amtsgericht Bad Homburg hält die Klage für teilweise begründet. Die Beklagte habe als Vertragspartnerin eines Werksvertrages eine vertragliche Nebenverpflichtung gegen die Kläger, sie über die betreffenden Einreisebestimmungen zu informieren. Die Kläger haben allerdings keinen Anspruch auf Entschädigung wegen entgangener Urlaubsfreude, denn ein solcher Anspruch wird nur im Reisevertragsrecht anerkannt.
AG Bad Homburg | 2 C 2616/07 (Aktenzeichen) |
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AG Bad Homburg: | AG Bad Homburg, Urt. vom 06.03.2008 |
Rechtsweg: | AG Bad Homburg, Urt. v. 06.03.2008, Az: 2 C 2616/07 |
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Leitsatz:
2. Informationspflichten des Reisebüros bei Buchung eines Fluges: Einreisebestimmungen für nicht in Begleitung der Erziehungsberechtigten reisende Kinder.
Zusammenfassung:
3. Das klagende Ehepaar hatte für sich und ihr Enkelkind bei der Beklagten, die ein Reisebüro betreibt, eine Flugreise nach Portugal gebucht. Nach der Ankunft am Flughafen wurde den Klägern der Zugang zu ihrem Flugzeug verweigert, weil sie nicht die primär Erziehungsberechtigten des Enkelkindes seien und keine notariell beglaubigte Vollmacht der Eltern vorweisen konnten. Die Kläger buchten ihren Flug daraufhin um und erreichten ihren Zielort erst zwei Tage später, wobei ihnen während der Wartezeit zusätzliche Kosten anfielen.
Die Kläger sind der Ansicht, die Beklagte habe sie bei der Buchung über die Bestimmungen für die Mitnahme von nicht erziehungsberechtigten Kindern in ihrem Zielland informieren müssen. Da die Beklagte dieser Informationspflicht schuldig geblieben sei, fordern die Kläger die Erstattung der durch die Verzögerung angefallenen Kosten und eine Entschädigung für entgangene Urlaubsfreude. Die Beklagte dagegen trägt vor, dass die Reiseveranstalterin und nicht sie selbst die Informationspflicht über die Einreisebestimmungen innegehabt hätte.
Das Amtsgericht Bad Homburg hält die Klage für teilweise begründet. Zwar sei es zutreffend, dass die Reiseveranstalterin (und folglich nicht das Reisebüro der Beklagten) Verpflichtungen aus der BGB-Infoverordnung zu tragen habe. Die Beklagte habe als Vertragspartnerin eines Werksvertrages allerdings eine vertragliche Nebenverpflichtung gegen die Kläger, sie über die betreffenden Einreisebestimmungen zu informieren, denn mit derartigen Bestimmungen in einem langem dem Pauschaltourismus geöffneten europäischen Staat (hier Portugal) mussten die Kläger nicht von sich ausrechnen.
Die Kläger haben allerdings keinen Anspruch auf Entschädigung wegen entgangener Uralubsfreude gem. § 253 Abs. 2 BGB. Ein Anspruch auf eine solche Entschädigung wird nur im Reisevertragsrecht anerkannt. § 651 f Abs. 2 BGB ist nicht analog auf Werkvertragsrecht anwendbar.
Tenor:
4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 1.792,26 Euro nebst Zinsen von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 24.08.2007 sowie an die Kläger zu 1) und 2) 256,42 Euro nebst Zinsen von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15.01.2008 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte 2/5, die Kläger haben 3/5 zu tragen.
Das Urteil ist für die Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages, für die Beklagte ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages vorläufig abwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Tatbestand
5. Die Kläger buchten bei der Beklagten einen Hin- und Rückflug nach … in … mit Hinflug … am … und Rückflug … am …. Auf die Reisebestätigung/Rechnung (Bl. 6 d. A.) wird Bezug genommen. Die Flüge wurden von der Fluggesellschaft … durchgeführt. Die Kläger buchten weiter bei … einen siebentägigen Aufenthalt an der … im Hotel …. Auf die Reisebestätigung und Rechnung (Bl. 21/22 d. A.) wird Bezug genommen. Die Klägerin zu 3) ist die … der Kläger zu 1) und 2).
6. Am 21.07.2007 checkten die Kläger für den Hinflug ein. Nach dem Einchecken wies ein Mitarbeiter darauf hin, die Kläger sollten am Serviceschalter … sich sicherheitshalber eine schriftliche Vollmacht … der Klägerin zu 3) für die Mitnahme … nach … ausstellen lassen. Am Serviceschalter … forderten die dortigen Mitarbeiterinnen eine notariell beglaubigte Vollmacht. Die Kläger ließen sich … eine eidesstattliche Erklärung mit Ausweiskopien ausstellen (Bl. 9 d. A.), auf die Bezug genommen wird. Trotz Vorlage dieser Erklärung wurde der Klägerin zu 3) durch Mitarbeiter … der Zugang zum Flugzeug verweigert.
7. Die Kläger bemühten sich um einen Ersatzflug. Sie buchten bei … zum Preis von 874,26 Euro einen Ersatzflug für zwei Tage später. Die Suite in dem Hotel … buchten sie für zwei weitere Tage zu einem Preis von 888,– Euro nach.
8. Die Kläger tragen vor, weder auf der Homepage des Auswärtigen Amtes noch auf der Homepage … sei ein Hinweis darauf gewesen, dass eine notariell beglaubigte Einverständniserklärung … benötigt werde, wenn diese nicht in Begleitung der Erziehungsberechtigten seien und berufen sich darauf, dass auf der Homepage … lediglich ein allgemeiner Hinweis sei, dass für Kinder, die nicht von ihren Eltern begleitet werden, in einigen Ländern besondere Einreise- und Visabestimmungen bestünden (Bl. 16 d. A.). Im Übrigen habe dann bei der tatsächlichen Einreise auch keine entsprechende Kontrolle stattgefunden. Mit der Klage machen die Kläger die Flugkosten … von 874,26 Euro, die Kosten für die Nachbuchungszeit von 888,– Euro, vergeblich aufgewendete Fahrtkosten für die Fahrt von der Wohnung zum Flughafen … mit 30,– Euro, sowie Transferkosten mit dem Taxi vor Ort von 2 x 70,– Euro geltend. Daneben beanspruchen die Kläger ein Schmerzensgeld bzw. Entschädigung wegen entgangener Urlaubsfreude von 800,– Euro pro Person und vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten. Wegen der Einzelheiten wird auf die Klageschrift (Bl. 1 bis 22 d. A.) nebst Anlagen, den Schriftsatz vom 07.01.2008 (Bl. 32 bis 42 d. A.) und den Schriftsatz vom 07.02.2008 (Bl. 47 bis 52 d. A.) Bezug genommen.
9. Die Kläger sind der Auffassung, die Beklagte habe zumindest nebenvertragliche Hinweispflichten verletzt, da ihr bekannt gewesen sei, dass ein minderjähriges Kind mitfliegen werde.
11.1. die Beklagte kostenpflichtig zu verurteilen, an die Kläger 1.997,26 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 04.08.2007 zu zahlen,
12. 2. die Beklagte zu verurteilen, jedem der drei Kläger jeweils 800,– Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 04.08.2007 zu zahlen,
13. 3. die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger 641,05 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem Eingang des Schriftsatzes vom 07.01.2008 bei Gericht zu zahlen.
16. Die Beklagte trägt vor, zum damaligen Zeitpunkt hätten tatsächlich entsprechende Einreisebestimmungen für die Einreise nach … bestanden. Für Kinder, die nicht von den erziehungsberechtigten Eltern begleitet worden seien, sei eine schriftliche Vollmacht erforderlich gewesen, die durch einen Notar, ein Konsulat, eine Botschaft oder einen Rechtsanwalt habe beglaubigt sein müssen. Verantwortlich für die Information über die Einreisebestimmungen sei der Reiseveranstalter … gewesen. Die Beklagte habe lediglich die Luftbeförderung geschuldet und sei aus diesem Grund auch nicht hinweispflichtig gewesen.
17. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
18. Die Klage ist zum Teil begründet.
19. Die Kläger haben einen Anspruch auf Erstattung der ihnen aufgrund der Verweigerung der Beförderung am 21.07.2007 durch die Fluggesellschaft … entstandenen Mehrkosten von insgesamt 1.792,26 Euro aus §§ 631, 280 BGB.
20. Die Beklagte muss sich das Verhalten der Fluggesellschaft … als von ihr eingesetztem Leistungsträger für den Flug von … nach … über § 278 BGB zurechnen lassen. Die Verweigerung der Mitnahme der drei Kläger am 21.07.2007 ist eine Nichterfüllung des zwischen den Parteien geschlossenen Werkvertrages. Zwischen den Parteien ist kein Reisevertrag zustande gekommen. Denn Inhalt des Vertrages war lediglich die Erbringung einer einzelnen Leistung, der Luftbeförderung, jedoch nicht ein Bündel von Reiseleistungen. Ein Reisevertrag im Sinne der §§ 651 a ff BGB zeichnet sich gerade dadurch aus, dass mehrere Reiseleistungen gebündelt werden, typischerweise beim Pauschalreisevertrag der Transport des Reisenden, die Unterkunft und die Verpflegung. Bei einem „Nur-Flug“ liegt nach allgemeiner Meinung dagegen ein Werkvertrag vor, §§ 631 ff BGB. Der Umstand alleine, dass die Beklagte den Klägern eine Reisebestätigung/Rechnung ausgestellt hat und dieser einen Sicherungsschein beigefügt hat, führt nicht dazu, dass die Beklagte zum Reiseveranstalter wird, da es an dem typischen Merkmal des Reisevertrags, der Bündelung mehrerer Leistungen, fehlt.
21. Die Beklagte hat jedoch vertragliche Nebenpflichten dadurch verletzt, dass sie die Kläger nicht vor Reiseantritt auf die geltenden Einreisebestimmungen hingewiesen hat. Dabei kann es dahingestellt bleiben, ob, was zwischen den Parteien streitig ist, es tatsächlich im … geltendes Recht und zwingende Einreisevorschrift war, dass nicht von den Erziehungsberechtigten begleitende Kinder oder alleinreisende Kinder mit einer notariell beglaubigten Vollmacht der Inhaber der elterlichen Sorge ausgestattet sein mussten. Denn mit derartigen Einreisebestimmungen in einem der Europäischen Union angehörenden und seit langem dem Pauschaltourismus geöffneten europäischen Staat mussten die Kläger nicht von sich aus rechnen. Zwar ist es richtig, dass die Verpflichtungen aus der BGB-Infoverordnung den Veranstalter, hier … treffen. Den Werkunternehmer, somit die Beklagte, trifft jedoch die vertragliche Nebenverpflichtung, auf Risiken und Gefahren, die für das Gelingen des Werkes erforderlich sind, hinzuweisen.
22. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass sich auf der Webseite des Auswärtigen Amtes keine Hinweise darauf befanden, dass für Portugal besondere Einreisebestimmungen für deutsche Staatsangehörige gelten. Auf dem von den Klägern vorgelegten Ausdruck der Webseite vom 21.07.2007 ist angegeben, dass Deutsche mit einem gültigen deutschen Reisepass und einem gültigen Personalausweis nach … einreisen können. Weiter befindet sich dort lediglich ein Hinweis, dass die Anforderungen einzelner Fluggesellschaften an die von den Passagieren mitzuführenden Dokumente zum Teil von den staatlichen Regelungen abweichen können. Die Kläger durften daher davon ausgehen, dass die staatlichen Regelungen diejenigen sein würden, die vom Auswärtigen Amt wiedergegeben werden. Auf der Webseite der … ist unter „Einreisebestimmungen für Kinder und alleinreisende Kinder“ angegeben, dass für alleinreisende Kinder und für Kinder, die nicht von ihren Eltern begleitet werden, in einigen Ländern besondere Einreise- und Visabestimmungen bestehen. Hierbei handelt es sich jedoch um einen allgemeinen Hinweis, der in unmittelbarer räumlicher Nähe mit den Hinweisen zur Einreise nach … steht. Aufgrund dieses Hinweises mussten die Kläger, insbesondere nachdem sie die Homepage des Auswärtigen Amtes eingesehen hatten, nicht damit rechnen, dass für einen EU-Staat wie … besondere Einreisebestimmungen gelten würden.
23. Die von der Beklagten vorgelegte Email der Firma … an … stammt vom 01.07.2007. Danach hätte die … als Leistungsträger der Beklagten noch genügend Zeit gehabt, die Reisenden über diese Einreisebestimmungen zu einem Zeitpunkt aufzuklären, als diese noch die Möglichkeit hatten, eine notariell beglaubigte Vollmacht oder sonst den von … aufgeführten Bestimmungen genügende Vollmacht beizubringen. Das Alter der Klägerin zu 3) war der Beklagten bekannt, es ist in der Reisebestätigung aufgeführt.
24. Die Beklagte muss daher Schadensersatz für die den Klägern entstandenen Mehrkosten leisten. Soweit die Beklagte die Flugkosten bei … bestritten hat, haben die Kläger hierüber eine Bestätigung vorgelegt, so dass jedenfalls das einfache Bestreiten der Beklagten nicht ausreicht und unbeachtlich ist. Die Fahrtkosten von der Wohnung zum Flughafen und wieder zurück haben die Kläger ebenfalls substantiiert dargelegt. Bei einer Entfernung von 250 km ergibt sich im Wege der Schätzung bei einem angemessenen Betrag von 0,30 Euro pro Kilometer insgesamt ein Betrag von 30,– Euro, § 287 ZPO.
25. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit oder auf Schmerzensgeld. Ein Schmerzensgeldanspruch setzt eine Rechtsgutverletzung der in § 253 Abs. 2 BGB genannten Rechtsgüter voraus. Ein Anspruch auf Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit wird nur im Reisevertragsrecht anerkannt. § 651 f Abs. 2 BGB ist nicht analog auf Werkvertragsrecht anwendbar. Der Gesetzgeber hat eine bewusste Entscheidung dahingehend getroffen, dass wegen eines Nichtvermögensschadens Entschädigung nur in den ausdrücklich gesetzlich bestimmten Fällen gefordert werden kann, § 253 Abs. 1 BGB.
26. Die Klageforderung ist wie zugesprochen zu verzinsen, §§ 280, 286 Abs. 2 Ziffer 1, 288 BGB.
27. Die Kläger zu 1) und 2) haben auch Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten aus §§ 631, 280 BGB, §§ 13, 14, Ziffer 2300, 7002, 7008 VV RVG. Soweit der Anspruch aufgrund der Zahlung der Rechtsschutzversicherung auf diese übergegangen ist, ist die Geltendmachung in gewillkürter Prozessstandschaft zulässig. Allerdings haben die Kläger lediglich Anspruch auf Zahlung des Rechnungsbetrages entsprechend dem Klageerfolg.
28. Die Kosten des Rechtsstreits ergeben sich nach dem Maß des jeweiligen Obsiegens und Unterliegens aus § 92 ZPO.
29. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 709, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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